Schulen
Mediation für Waldorfschulen – am Beispiel der Horte
Waldorfschulen, -kindergärten, heilpädagogische Initiativen und andere Einrichtungen, die auf den Impuls der Anthroposophie zurückgehen, haben sich verändert.
Als es noch wenige von ihnen gab, wirkten in Ihnen Menschen, die mit der Anthroposophie verbunden waren und ihre Tätigkeit sehr stark als ein Streben nach Verwirklichung eines geistigen Impulses verstanden. Dieses Bewusstsein hat sehr stark abgenommen. Es sind Kollegen hinzugekommen, die von Anthroposophie nichts wissen, oft auch nichts wissen wollen. Die Tendenz der „Versachlichung“ hat auch vor diesen Initiativen nicht Halt gemacht. Auch Waldorfschulen haben seit langem Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen. Auch diese oder die Vorstände haben oft nicht mehr einen tiefen Bezug zur Anthroposophie.
Und so wirkt in diesen Einrichtungen nicht mehr unmittelbar ein einigender, verbindender Geist – wie es in Gründungszeiten meist sehr wohl noch der Fall ist –, sondern es tritt eine starke Differenzierung in verschiedene Ämter, Rollen, Machtverhältnisse, Sichtweisen, kurz: eine Zersplitterung des Impulses ein. Der Impuls tritt immer mehr in den Hintergrund (obwohl alle nach wie vor beanspruchen, „ihn“ zu verwirklichen), das Vereinzelte, das auch zunehmend Gegensätzliche, das abstrakter Werdende tritt in den Vordergrund.
Unter diesen Bedingungen ist es immer schwieriger, die Verbindung zu dem eigentlichen, unverhüllten Impuls – etwa des Pädagogischen – aufrechtzuerhalten. Es ist, als ob dieser durch die Realitäten immer mehr verhüllt wird, sich entzieht; als ob man durch die alltäglichen Uneinigkeiten, Kämpfe und eben Realitäten stark daran gehindert wird, den eigentlichen Impuls zu verwirklichen. Man versucht es Tag für Tag – aber die Reibungsverluste kosten unendlich viel Kraft, und vor vielem steht man ohnmächtig, weil die Kraft einfach nicht reicht, sich diesen „Baustellen“ – die eigentlich Hindernisse sind – auch noch zuzuwenden.
Die Sicht eines Hort-Kollegiums
Ich möchte hier einmal von der Situation ausgehen, dass im Kollegium selbst keine Uneinigkeiten und Antipathien leben. Nicht selten ist auch dies gleichwohl der Fall, was ebenfalls zeigt, dass der verbindende Impuls schwächer wird. Doch hier sei angenommen, dass das Kollegium sehr wohl ein harmonisches gemeinsames Wirken hat und sich auch in der Art und den Zielen seines Impulses insgesamt einig ist. Dieses Verbindende wird dann durch das Individuelle des Einzelnen zur harmonisch zusammenklingenden, vielfältigen Realität der täglichen Pädagogik, des lebensvollen Geschehens mit den Kindern.
„Solange es um die Kinder geht, ist alles wunderbar.“ So oder ähnlich, hört man diesen Satz immer wieder in Waldorf-Einrichtungen. Er besagt, dass es außerhalb der Pädagogik vielfältige Probleme gibt. An dieser Stelle geht es um die möglichen Probleme, wie sie sich aus der Sicht eines Hortkollegiums darstellen können (wobei wie gesagt eine Harmonie im Kollegium selbst schon vorausgesetzt ist).
Wahrnehmung und Wertschätzung
Es kann sein, dass sich ein Kollegium bzw. die einzelnen ErzieherInnen in ihrer täglichen Arbeit und ihrem umfassenden Einsatz gar nicht gewürdigt oder überhaupt gesehen fühlen. Es kann sein, dass das Erlebnis da ist, dass man von allen nur als Dienstleister behandelt wird: die Eltern holen nachmittags einfach ihre Kinder ab (solange sie noch klein sind); die Lehrer erwarten, dass eine Hausaufgabenbetreuung stattfindet; Geschäftsführung und/oder Vorstand erwarten, dass man mit so-und-so-wenig Stunden an Vorbereitung, Konferenzzeiten etc. auskommt und so weiter.
Alles wird selbstverständlich erwartet und vorausgesetzt, nirgendwo zeigt sich eine Anerkennung. Ein dankbarer Blick, ein liebes Wort, ein kleines Zeichen, dass die viele Arbeit überhaupt gesehen und geschätzt wird, würde ja oft schon reichen – aber wo sind sie, gehen sie im Alltag nicht völlig unter, werden einfach vergessen...?
Hier eröffnet sich ein weites Feld möglicher Verbesserungen der Zusammenarbeit.
Die Wahrnehmung der Eltern wird wesentlich tiefer, wenn es einen regelmäßigen Hortkreis gibt, in dem ErzieherInnen und Eltern zusammenwirken; in dem auf die Arbeit des Hortes im Jahreslauf geschaut wird; in dem die Notwendigkeiten und Bedürfnisse besprochen werden können und anderes mehr. In einer solchen Zusammenarbeit kann sich ein gutes, enges Verhältnis zur Elternschaft entwickeln, von dem man sich dann auch mehr und mehr getragen fühlen kann.
Die Zusammenarbeit mit der Schule, den LehrerInnen, ist natürlich ebenfalls sehr wichtig. Hier muss nicht selten immer wieder eine trennende Distanz überwunden werden – bei eigenen Gebäuden auch schon rein räumlich –, und man muss sich immer wieder Zeit nehmen und Raum schaffen, um sich auf den gemeinsamen Impuls zu besinnen und Wege zu einer Vertiefung der Zusammenarbeit zu suchen.
Ein großes Problem kann bereits die wahrhaftige, innere Anerkennung der gegenseitigen Arbeit sein. Nimmt man sich als Mensch und als PädagogIn überhaupt wirklich wahr? Gibt es Lehrer, die einmal im Hort hospitieren? Nicht selten besteht das Problem, dass ErzieherInnen nicht nur weniger verdienen als LehrerInnen, sondern auch weniger „gelten“. In der Rangstufe stehen sie „ganz unten“. Wie kann es erreicht werden, dass es solche Rangstufen in der gegenseitigen Anschauung nicht mehr gibt? Nur durch innere Arbeit in der eigenen Seele. Diese Probleme müssen aber angesprochen werden, auch sie wollen überhaupt erst einmal wahrgenommen werden...
Ein ganz ähnliches Problem kann gegenüber der Geschäftsführung oder dem Vorstand bestehen, manchmal stärker, manchmal schwächer.
In all diesen Fällen sind Mediationen ein wichtiges und fruchtbares Mittel, um zu einer vertieften, neuen Wahrnehmung zu kommen, zu einem wirklichen gegenseitigen Verständnis und so zu einer ganz neuen Zusammenarbeit, die vielleicht zum ersten Mal auch als solche erlebt wird.
Stellen, Stunden und Gehälter
Der große Bereich dessen, was sich in Zahlen ausdrücken lässt, ist immer wieder ein Nährboden für Konflikte. Wenn das Geld knapp ist, sind solche Konflikte vorprogrammiert, aber selbst wenn eine Schule finanziell gut dasteht, tut sie dies oft aufgrund schwieriger Arbeitsbedingungen, die sich entweder in der Arbeitsbelastung oder den Gehältern oder beidem ausdrücken.
Oft finden sich Horterzieherinnen mit einer bestimmten Situation schlicht konfrontiert: Eine Stelle hat so-und-so-viele Stunden und nicht mehr. Es gibt dies und jenes Gehalt – Punkt. In der Arbeitszeit ist dies und jenes an Vor- und Nachbereitungszeit enthalten und nicht mehr.
All dies kann den pädagogischen und den Lebensnotwendigkeiten sehr weitgehend widersprechen – das ist das eine. Dass überhaupt solche Bedingungen einfach „gesetzt“ werden, während man darauf entweder keinen Einfluss hatte oder sie nur unter größtem Kraftaufwand gegen verschiedenste Widerstände mehr oder weniger mit beeinflussen konnte, ist eine weitere, ganz eigene Tatsache.
Gerade hier wird oft die größte Ohnmacht, die geringste Wertschätzung erlebt: in der Abhängigkeit von fremdbestimmten Setzungen. „Wer das Geld kontrolliert, hat die Macht“ – das sind sehr oft erlebte Realitäten. Es besteht keine Augenhöhe, sondern ein reales Machtgefälle zwischen einer Erzieherin bzw. einem Kollegium auf der einen Seite und dem Vorstand bzw. der Geschäftsführung auf der anderen Seite.
Ein Stellenumfang, ein Stundenumfang, eine Stellenbeschreibung, ein Gehalt – all dies wird oft nicht gemeinsam oder eigenständig entwickelt, sondern „von oben“ gesetzt. Die Erzieherin wird so zum bloßen Arbeitnehmer. Ein mir bekannter Waldorflehrer hat einmal gesagt: „Wir müssen das Wort ‚Personal’ aus unserem Wortschatz streichen!“ Doch an welcher Waldorfschule wird so etwas verwirklicht?
Autonomie und Selbstverwaltung
Die zuvor beschriebenen Situationen sind an fast allen Waldorfschulen in unterschiedlichster Ausprägung Realität. Nicht immer ist es ganz schlimm, aber nie ist es ganz gut, oft nicht einmal halbwegs. Der Großteil des zuvor Beschriebenen entspricht nun aber einem Haupt-Erleben: das der fehlenden, verloren gegangenen Autonomie.
Es mag sein, dass es eine solche Autonomie an vielen Waldorfschulen nie gegeben hat; es mag sein, dass sie vor langer Zeit verlorengegangen ist und ErzieherInnen und Kollegien, die mittlerweile schon als „Arbeitnehmer“ angefangen haben, sich gar nicht bewusst sind, dass es überhaupt anders sein könnte, und doch ist das Grunderlebnis innerlich real anwesend. Irgendwann kann es auch bewusst da sein: das Erlebnis, dass die Idee der Waldorfpädagogik auch in Bezug auf die Gestaltung der Selbstverwaltung einen Inhalt hat.
Was ist die Idee der Waldorfpädagogik, wie sie in der ersten Waldorfschule zur Verwirklichung kam? Wie gestaltete Rudolf Steiner diese Schule, was betonte er immer wieder, weil es zum Wesen der Waldorfschule, der Waldorfpädagogik gehört?
Im Mittelpunkt steht das Kind, Waldorfpädagogik beruht auf einer Erkenntnis des Kindeswesens und der einzelnen Individualität. Die PädagogInnen – LehrerInnen und ErzieherInnen – sind die Träger des pädagogischen Impulses. Sie verwirklichen mit ihrem Streben das Ziel einer jeden Waldorfeinrichtung: Waldorfpädagogik, eine Pädagogik, um die Entwicklung des individuellen Kindeswesens in bestmöglicher Weise zu schützen, zu begleiten und zu fördern.
Dies ist das Zentrum des Impulses: Die Kinder und die PädagogInnen. In ihrem lebendigen Verhältnis, in dem zwischen Kind und PädagogIn täglich sich gestaltenden, weit über alle sinnlichen Eindrücke hinausgehenden Geschehen liegt der Lebensquell einer Waldorfschule, eines Waldorfhortes.
Darum herum gruppiert sich wie eine schützende Hülle die Elternschaft, von der Rudolf Steiner sagte, dass zwischen PädagogInnen und Eltern ein inniges, harmonisches Zusammenwirken bestehen solle – eine große Aufgabe für die „Elternarbeit“! Denn die Eltern haben diese Pädagogik ja gesucht, und je tiefer sie sie verstehen und wahrnehmen können, desto tiefer kann auch das Verständnis sein, desto stärker kann auch die Zusammenarbeit, die Anerkennung, überhaupt das tragende Element werden.
Darum herum gruppiert sich überhaupt alles Tragende, Unterstützende, Ermöglichende, die sogenannte „Wirtschaftssphäre“. In der ersten Waldorfschule war es vor allem Emil Molt, der aus seinem Vermögen die Finanzen für die Schule bereitstellte und dafür sorgte, dass genügend Geld beschafft wurde.
Rudolf Steiner betonte darüber hinaus, dass ein Bewusstsein für die Notwendigkeit solcher Initiativen eines freien Geisteslebens und einer freien Pädagogik wachsen müsse, so dass aus der Gesellschaft heraus, aus dem Wirtschaftsleben heraus Gelder für ein solches Geistesleben zur Verfügung gestellt werden. Dies ist (bisher) nicht geschehen, der Impuls der Dreigliederung wurde zunächst nicht verwirklicht. Stattdessen ist es der Staat, der die Waldorfeinrichtungen teilweise finanziert, während die Eltern den Rest aufbringen müssen und ein oft verschwindend geringer Teil durch weitere Spenden gedeckt wird.
Dennoch ist derjenige Teil einer Waldorfschule, der mit dem Finanziellen zu tun hat, derjenige, der den pädagogischen Impuls materiell ermöglichen soll, der dienend, unterstützend wirken soll.
Er tut dies ... bis er sich schließlich in etablierte Geschäftsführungen und Vorstände verwandelt, die als „Arbeitgeber“ auftreten und alle wesentlichen Entscheidungen an sich ziehen, während die einzelnen PädagogInnen und Kollegien weitgehend entmündigt dastehen und schnell restlos vergessen wird, dass sie einmal die im Mittelpunkt stehenden Träger des eigentlichen Impulses waren, dass die umfassende Autonomie und Selbstbestimmung des Kollegiums untrennbarer Teil der Idee und des Wesens der Waldorfpädagogik ist.
Sind die Verhältnisse erst einmal so in ihr Gegenteil verkehrt worden, wie es heute bei der Mehrzahl der Waldorfeinrichtungen der Fall ist, ist es außerordentlich schwer, dass ein Hortkollegium ein Selbstbewusstsein wiedergewinnt, wie es der Idee der Waldorfpädagogik entspricht. Es muss dies dann gegen die Verhältnisse tun – andererseits kann sich dieses Bewusstsein der notwendigen Autonomie natürlich gerade auch an diesem Widerstand entwickeln. Allerdings dürfte deutlich sein, dass auch hier Mediation oft eine absolute Notwendigkeit ist, um überhaupt zu neuen Verhältnissen zu kommen, ohne dass eine ganze Schule in endlosen, fruchtlosen und zerstörerischen Kämpfen und Konflikten versinkt.
Die Sicht einer Geschäftsführung und eines Vorstandes
Aus Sicht der Geschäftsführungen und Vorstände stellt sich die Situation zunächst oft ganz anders dar.
Je nachdem, wie sehr sie mit der Idee der Waldorfpädagogik und überhaupt mit der Anthroposophie verbunden sind, gibt es entweder im allgemeinen ein gewisses Verständnis für die Notwendigkeit der Autonomie eines Kollegiums oder auch nicht. Fast immer wird dies nur in Hinsicht auf das Pädagogische im engeren Sinne verstanden. Man sagt dann: „Um die Pädagogik kümmere ich mich ja auch gar nicht.“ – und glaubt damit, die von Rudolf Steiner betonte Autonomie sei in vollem Umfang verwirklicht.
Dass diese Autonomie wesentlich weiter gedacht werden muss und dass ein als „Arbeitnehmer“ angestellter Pädagoge, der alle möglichen fremdbestimmten Bedingungen akzeptieren muss, um in einem vorgegebenen Rahmen seinen „Beruf auszuüben“, auch die Kinder nicht zur Freiheit erziehen kann – was nur durch das lebendige Vorbild möglich wäre –, das wird nicht gesehen, verstanden und lebendig empfunden.
Was ist stattdessen die Sicht der Geschäftsführungen und oft auch Vorstände? Sie empfinden sich als die „Hüter des Geldes“, der Finanzen. Sie haben sich in die Finanzsituation der ganzen Schule eingearbeitet, haben sie im Blick und wissen, dass niemand sonst die Verhältnisse so genau überblickt wie sie selbst.
Hier lauert die Gefahr des Hochmutes, die sich immer dann ergibt, wenn man in der Situation steht (oder auch nur der Meinung ist), eine Situation besser zu überblicken als Andere. Es lauert aber auch das unbewusste (Vor-)Urteil, dass auch niemand anders die Situation überblicken könne – mit anderen Worten: dass man berechtigt sei, alle diesbezüglichen Entscheidungen weitgehend allein zu treffen, zumindest zu „steuern“ und zu beeinflussen.
Es gibt wohl in ungezählten Waldorfschulen die Tendenz, dass die Geschäftsführung zur „grauen Eminenz“ wird, die sich nur ungern in die Zahlen blicken lässt – und so gerade dafür sorgt, dass niemand anders einen umfassenden Einblick oder gar Überblick gewinnen kann. Transparenz wird oft sehr klein geschrieben. Mancher Geschäftsführer versteht es wahrscheinlich sogar, den Vorstand „auf Distanz zu halten“.
Vor allem aber die PädagogInnen werden gerne als Arbeitnehmer behandelt – denn sind sie das schließlich nicht auch? Sie können die komplexen Zahlen auch gar nicht verstehen – und man hat weder Lust noch Zeit, sie ihnen ausführlich verständlich zu machen. „Ich rede ihnen ja auch nicht in die Pädagogik hinein“ – so wird dann der eigene Kompetenzbereich definiert und abgesichert.
Der grundlegende Unterschied besteht aber darin, dass Waldorfschule nie so gedacht gewesen war, dass Geschäftsführer auch Pädagogik betreiben, jedoch sehr wohl so, dass die PädagogInnen auch die Gesamtschule selbst gestalten und verwalten. Von Anfang an hatte also das Verwaltungsmäßige, wo es überhaupt als solches abgetrennt wird, eine dienende, unterstützende Funktion – und muss ein Bereich bleiben, der immer dem Ein- und Überblick und dem Gestaltungswillen der PädagogInnen erreichbar bleiben muss. Nicht die PädagogInnen sind Angestellte von Vorstand und Geschäftsführung, sondern diese sind von den PädagogInnen beauftragt, haben eine dienende und unterstützende Aufgabe übernommen. In dieser sind sie in jedem Moment „weisungsgebunden“ in dem Sinne, dass die eigentlichen Entscheidungen immer im Quellort des Pädagogischen selbst getroffen werden müssen.
Vorstände und Geschäftsführungen sehen dies zumeist ganz anders, weil die Idee der Waldorfschule nicht mehr empfunden wird, sondern man von gewöhnlichen Verhältnissen ausgeht. Man geht aus von einer Welt, in der es Leitungen und Hierarchien gibt, in der tatsächlich derjenige, der „die Macht über das Geld“ hat, auch sonst Macht hat, Arbeitgeber ist, finanzielle Entscheidungen trifft und so weiter. Die Finanzen werden nicht nur verwaltet, sondern man bestimmt auch, „wo es lang geht“. Man hat nicht nur den Überblick (um ihn in jedem Moment anderen vermitteln zu können), sondern trifft auch die Entscheidungen. Man vertritt eine Schule nicht nur nach außen, sondern beherrscht auch wesentliche Bereiche nach innen.
Das ist der Normalzustand in unserer Welt, deshalb ist ein solches Denken und Erleben auch für Geschäftsführer und Vorstände einer Waldorfschule nur allzu verständlich. Es entspricht jedoch der übrigen Welt, nicht einer Initiative eines anthroposophischen Geisteslebens. Es entspricht dem Direktor einer staatlichen Schule – nicht einer Waldorfschule, die ohne Direktor auskommen sollte, und das galt und gilt nicht nur für das Pädagogische.
Dass es überall in der Welt Leitungen – entweder ganz offenbar oder implizit als „graue Eminenzen“ – gibt, ist ein Überbleibsel viel früherer Zustände der Menschheitsentwicklung: es ist ein Rest aus den Zeiten der Theokratie, des Gottesgnadentums, des Absolutismus, des Kaisertums. Noch immer ist unser „modernes“ Zeitalter davon geprägt. Im Behördentum hat sich ein riesiger Apparat nach diesem Bild etabliert, aber auch in jeder anderen Hierarchie leben diese überlebten Verhältnisse weiter.
Die menschheitliche Moderne im Sinne der „Philosophie der Freiheit“ kann nur in gemeinschaftlichen Impulsen ohne Hierarchien bestehen. Leitung, die mit Fremdbestimmung einhergeht, darf es nicht mehr geben. Leitung innerhalb einer anthroposophischen Einrichtung dürfte nur etwas sein, was in Freiheit gegeben wird. Das bedeutet, dass die Gemeinschaft einem Menschen eine Leitungsfunktion als Delegat zuspricht, diesen Menschen als Gleichen unter Gleichen, aber mit dieser Leitungsfunktion, anerkennt und dass sie diese Leitung auch wieder entziehen kann. Zudem ist der Leitende in jedem Moment als Gleicher unter Gleichen der Gemeinschaft verantwortlich und der Rechenschaft pflichtig. Nur so wird Leitung nicht zur Hierarchie, sondern bleibt ein lebendiges, von dem Bewusstsein der Gleichheit, ja Brüderlichkeit, begleitetes Geschehen.
Wenn diese Verhältnisse jedoch nicht mehr bestehen, dann wird ein Amt, eine Stelle, die mit der Verantwortung für die Finanzen zu tun hat, zu einem Amt bzw. einer Stelle, die Macht gibt. Man verwaltet die Zahlen und fühlt sich auch dazu berechtigt. Man empfindet das Recht, dass man selbst die Zahlen überblickt und aufgrund dieses herausgehobenen Zustandes auch verschiedenste Entscheidungen trifft. Man empfindet den ganzen finanziellen Bereich als das Feld der eigenen Verantwortung, in den man die Anderen weder umfassend einzubinden braucht noch überhaupt kann.
So etabliert sich langsam ein Abstand. Immer mehr hat man den alleinigen Überblick, immer weniger haben Andere daran Anteil. Wo aber den Anderen das Verständnis fehlt, berechtigt dies erst recht zu eigenverantwortlichen Entscheidungen, die zwar hinterher erläutert und mitgeteilt aber nicht im voraus abgestimmt und gemeinsam gestaltet werden. Unvermeidlich gehört zu einem solchen Prozess dann auch die Tatsache, dass die Träger des pädagogischen Impulses zu Arbeitnehmern werden, die sich vielfältigsten Rahmenbedingungen aus finanzieller und arbeitsrechtlicher Sicht zunehmend einfach gegenübergestellt sehen, weil deren Gestaltung nun nicht mehr an die Gemeinschaft zurückgegeben wird, sondern die Bedingungen von den „Hütern des Geldes“ immer mehr schlicht gesetzt werden.
Geschäftsführungen und Vorstände tun dies oft einerseits nach bestem Wissen und Gewissen und mit dem Gefühl, im besten Sinne Verantwortung zu übernehmen und so wirklich dem Impuls „Waldorfschule“ zu dienen. Jeder macht in diesem Gesamtzusammenhang seine Aufgabe – und zur Aufgabe von Geschäftsführungen und Vorständen gehört es eben, Arbeitsverträge zu schließen, Vorgaben zu machen, die Finanzen zusammenzuhalten, Einsparungen für künftige Investitionen vorzunehmen, bestimmte finanzielle Interna auch relativ geheim zu halten und so weiter.
Dies ist die Sicht, wie sie für Geschäftsführungen und Vorstände typisch und vor dem Hintergrund des bisher Gesagten auch sehr verständlich ist.
Die Bedeutung der Mediation
Dies bildet also die komplexe Konstellation, der sich auch unzählige anthroposophische Einrichtungen gegenübersehen. Es ist deutlich, dass hieraus die verschiedensten Konflikte und immerwährende Reibungsflächen entstehen. Hier treffen nicht nur verschiedene Anschauungen zusammen, sondern auch Ideal und Wirklichkeit, Idee und reale Praxis.
Es ist deutlich, dass diese komplexe Situation tatsächlicher und potentieller Konflikte kaum ohne alle äußere Hilfe bewältigt werden kann und dass die Unterstützung eines Mediators hier eine unschätzbare Hilfe ist. Ein Mediator hilft dabei, dass die verschiedenen Sichtweisen nicht unversöhnlich aufeinandertreffen und die wirkliche Auseinandersetzung mit ihnen nicht zu destruktiven menschlichen Verletzungen und Eskalationen führen, sondern dass der ganze Prozess davon geprägt ist, das Verständnis füreinander zu vertiefen, gemeinsam an die eigentlichen Fragen heranzukommen, die eigentlichen Bedürfnisse und Wünsche jeder Seite zu verstehen und so zu wirklichen Lösungen zu kommen.
Es ist möglich, dass sich die Träger des pädagogischen Impulses und die „Hüter des Geldes“ nicht gegenüberstehen – wodurch sich ausgesprochene und unausgesprochene Fragen und Verletzungen häufen –, sondern dass sie wirklich zusammenarbeiten und sich harmonisch als für einen Impuls wirkend erleben. Eine Mediation kann helfen, diese Harmonie, die Grundlage jeder Waldorfeinrichtung sein sollte, zu erreichen.