01.10.2001

Thesen zur Ausstellung Körperwelten

Die Ausstellung „Körperwelten“ von Gunther von Hagens sorgte 2002 in Berlin für kontroverse Diskussionen.


Menschenwürde: Anerkennung und Würdigung der einmaligen Individualität eines Menschen. 

1.

Der Körper selbst ist ein Kunstwerk in höchstem Sinne, er ist aus höchster Weisheit auferbaut - nur dadurch kann er den Menschen in so vollkommener Weise dienen.

Wer den Körper als schon bestehendes Kunstwerk mißachtet und ihn für seine eigene "Kunst" mißbraucht, der verleugnet den, der diesen weisheitsvollen Leib geschaffen hat.

2.

Wer den Körper - und sei es aufgrund einer Einverständniserklärung für sich beansprucht und ihn fortan als Kunstobjekt verwendet und ausstellt und nicht als Offenbarung eines ganz individuellen Menschen würdigt, der mißachtet die Menschenwürde des Toten - oder, falls man den Toten als nicht mehr existent denkt, zumindest noch nachträglich dessen ehemalige Menschenwürde.

Darüber hinaus bedeutet die Mißachtung der Menschenwürde auch nur eines Menschen die Mißach­tung der Menschenwürde überhaupt.

3.

...wird durch die Benutzung und Ausstellung von Körpern die heutige Blindheit gegenüber der durch den Körper sich ereignenden Offenbarung der Individu­alität gefördert - das heißt, die blinde Gleich­setzung des Menschen mit seinem Körper.

4.

Steht man schon auf dem a-religiösen Standpunkt und identifiziert sich weitgehend mit dem Körper, dann verletzt die Körper-Ausstellung die Menschenwürde immer noch in einer bestimmten Hinsicht. Der Mensch erlebt einen menschlichen Körper nämlich immer als lebenden Körper. Selbst ein toter Körper ist für das menschliche Erleben immer noch Bild für den lebenden Körper. An einem Sezier­tisch könnte man sich davon vielleicht teilweise freimachen, doch insbesondere in einer tatsächlichen Ausstellung toter Körper bezieht der Mensch alles, was er sieht, im inneren Erleben zumindest unbewußt auf sich selbst. Der Besucher selbst wird in seiner Menschenwürde verletzt, wird aber meist dieses Erleben wieder auf den toten Körper projizieren und um so mehr die Menschenwürde des Toten als verletzt empfinden.

(Diese Tatsache, daß man das, was mit den toten Körpern in der Ausstellung gemacht wurde, auch auf sich selbst bezieht, führt dazu, daß oft auch materialistische Besucher gegenüber einer solchen Be­handlung toter Körper mit Recht ein gewisses Unbehagen empfinden.)