21.11.2001

Einblicke in die differenzierte Weltanschauung einer großen Tageszeitung

Eine Glosse.

Diesen Text schrieb ich nach den Angriffen der USA auf Afghanistan.


Die Bösen in Afghanistan sind so gut wie besiegt. Ist alles reibungslos abgelaufen. Amerika hat der gesamten freien Welt wieder einmal einen unschätzbaren Dienst erwiesen. Klasse Jungs. 

Die Schlagzeilen hat man sich von diesem Krieg zwar gerne liefern, aber bei weitem nicht vorschreiben lassen. Jetzt kurz vor Ende der ganzen Sache kann man um so mehr ganz getrost wieder den wirklichen Interessen der Bürger entgegenkommen. Diese Bürger sind es ja schließlich, die die Werte unserer freien Welt hochhalten. Keine Schlagzeile ist besser als der bevorstehende UEFA-Krieg zwischen Bayern München und ManU. ManU bedeutet Manchester United und ist Insider-Sprache. Die ** (zensiert) hat eben immer die Nase vorn. Sie setzt die Trends. Sie setzt die Meinungen in die Köpfe (das aber bitte nicht jedem so deutlich sagen!). Die Flüchtlinge in Afghanistan? Was Flüchtlinge! Der Krieg ist gewonnen, im Grunde waren am Schluß sogar die Deutschen mit dabei. Das muß gefeiert werden! Durch Übergang zur Tagesordnung, Bayern gegen ManU.

Die Afghanen sind doch selbst schuld. Lassen sich von diesen Taliban regieren. Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient. Dann muß es bitteschön auch die Folgen ertragen können. Hätten die mal was anderes gemacht, als immer nur Rauschgift anzubauen, hätten sie auch eine vernünftigere Regierung gehabt. Überhaupt, wären nur einige Afghaninnen deutsche Hausfrauen, hätten sie die Taliban ganz schnell vor die Tür gesetzt. Wie bitte? CIA und Taliban? Der CIA ist der amerikanische Geheimdienst. Nix gehört, nix gesehen. Amerika gut, Rest der Welt böse, wenn nicht auf unserer Seite. Lassen Sie den CIA mal draußen, dann können wir uns auch wieder normal unterhalten.

Außerdem ist doch jedem Kind klar, daß Krieg nicht immer und überall ein sauberes Geschäft sein kann. Wenn man für das Gute kämpft, muß man manchmal das Böse in Kauf nehmen. Wenn man die Demokratie schützen will, muß man sie auch einschränken können. Das Gesetz können sie auf alles in der Welt übertragen. Um für alle Welt Wohlstand zu erreichen, muß man den Reichtum erstmal bei ganz wenigen konzentrieren. Um einen Staat fit für die Weltwirtschaft zu machen, muß ich ihn schutzlos dem Weltmarkt aussetzen und seine Infrastruktur zerstören. Die besten Strukturen in den Bereichen Erziehung, Kultur, Fürsorge oder was immer Sie wollen ergeben sich, wenn Profit der leitende Gedanke ist. Profit, verstehen Sie. Wer nicht auf Profit setzt, baut zu nah am Wasser. Träumer und Romantiker kann man heute nicht mehr gebrauchen. Politiker waren das noch nie. Aber wie sind wir eigentlich darauf gekommen?

Schon gut, Herr Hüpfer (Name geändert1), wir danken Ihnen für das Gespräch.

Fußnoten

 


1 Anspielung auf den Axel-Springer-Verlag (Herausgeber von BILD, BZ etc.)