Korrespondenz zum Artikel „Die Weltmacht der Lüge“

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09.10.2002

Lieber Herr Rapp,

in der Anlage schicke ich Ihnen einen weiteren Artikel über die „Irakfrage“. Er geht sehr auf das Grundsätzliche und ist daher meiner Ansicht nach durchaus unabhängig von den konkreten Entwicklungen in der nächsten Zeit, d.h. behält seine volle Aktualität auch dann, wenn es zu verschiedenen UN-Resolutionen kommt und die USA „Kompromisse“ machen, wie es sich ja andeutet.

09.10.2002 - Antwort von Hern Rapp:

Lieber Herr Niederhausen,

Ihr Irak-Kommentar, für den ich danke, ist durch eine andere umfangreiche Unternehmung regelrecht "baden gegangen": Ein großes Interview mit Peter Scholl-Latour über den Irak-Konflikt, das in der nächsten Ausgabe erscheinen wird, deckt viele Argumente Ihres Kommentars ab, die wir nicht wiederholen möchten. Außerdem - und das ist uns wichtig - argumentiert Scholl-Latour aus erster Hand informiert und ausgewogen als Kenner der komplexen Lage im Vorderen Orient (und nicht parteiisch eindimensional, z.B. antiamerikanisch, schon gar nicht in den Klischees, wie sie die Medien wiederholen). Auch wenn er keine Antworten hat, möch­ten wir diesen authentischen Bericht nicht unterlaufen. Sie werden dies verstehen, wenn Sie das Interview gelesen haben werden.

12.10.2002

Lieber Herr Rapp,

vielen Dank für Ihre Antwort. Ich bin auf die Darstellungen von Herrn Scholl-Latour sehr gespannt. Ich wollte Sie noch kurz fragen, ob Sie meinen Irak-Artikel „anti-amerikanisch“ fanden, was ich in Ihrer letzten E-Mail nicht völlig ausschließen konnte? Ich wollte eigentlich das Phänomen der Unwahrhaftigkeit herausarbeiten, wobei ich allerdings tatsächlich nur die US-Regierung in den Blick genommen habe. Das Gleiche könnte man mit Irak auch tun, doch der Blick auf die USA als Teil der „westlichen Wertegemeinschaft“ ist entscheidend. Herr Darvas deutet das auf seine Weise an in der Frage, wie sich vielleicht „Bewußtseinsseele“ und „Mars-Impulse“ durchdringen.

22.10.2002

Lieber Herr Rapp,

ich würde gerne einige persönliche Anmerkungen zum Interview mit Peter Scholl-Latour machen. Natürlich weist er in sachkundiger Weise und auf entsprechende Fragen Weirauchs auf verschiedenste Facetten der „Irakfrage“ hin – wie es ja auch bei seinen umfassenden Erfahrungen aus erster und zweiter Hand und einem fünfseitigen Artikel nicht anders zu erwarten ist. Andererseits hat solch ein Interview eine sachlich-unpersönliche Note, speziell hier ging es um eine gewis­sermaßen trockene Analyse. Und der Schwerpunkt war der Irak. Ich meine, die USA nehmen den Irak ins Visier und schon steht er im Blickpunkt. Wie stark ist er gegen einen US-Angriff gerüstet? Natürlich ist es wichtig zu wissen, welche Auswirkungen ein Krieg auf die arabische Welt hat, ob Israel Atomwaffen einsetzen wird, wie es den Kurden geht und was es mit dem Personenkult auf sich hat. Fakt ist auch, daß Hussein ein absolut autoritäres Regime etabliert hat und es ihm durchaus hauptsächlich um seine Macht geht. Wie es auch mit den anderen Regimen in dieser Region - und dann abgeschwächt überall auf der Welt - der Fall ist.

Aber festzuhalten ist, daß es das Handeln der US-Regierung ist, daß sowohl mit ihren konkreten Irak-Kriegsplänen als auch durch die Tatsache ihres eigenmächtigen Unilateralismus das gesamte Gefüge der Welt erschüttert bzw. zerstört. Macht oder Recht? In diesem Fall absolute Gegensätze. Wo die Macht erstarkt, muß das Recht und überhaupt die Idee der einen Menschheit und eines demgemäßen Umgangs „abnehmen“ (das Wort des Täufers). Ich meine, das müßte in den Mittelpunkt des Erkennens gerückt werden, gerade weil in uns allen immer die Tendenz steckt, die Dinge so hinzunehmen, wie sie sind. Gerade die Anthroposophen sind von dieser Gefahr mindestens genauso betroffen, es kommt dann nur die Geste hinzu, daß man sich selber die Hände in Unschuld wäscht, da man selbst ja „weiß“.

Es reicht aber nicht, zu „wissen“, daß es der US-Regierung um Öl geht, und sie in ihrer Unwahrhaftigkeit zu durch­schau­en, und ihr Handeln wahrscheinlich sogar intellektuell abzulehnen. Man muß tiefinnerlich an den Ereignissen beteiligt sein. Wenn man sich als ganzer Mensch zu den Dingen stellt, wenn einem die Unwahrhaftigkeit seelischen Schmerz bereitet (wo immer man ihr begegnet) und man sich bis in seinen Willen hinein aufgerufen fühlt, dann hat man Anteil an der Welt – welchen auch immer. Das sollte, in einer zarten Andeutung, die Tönung meines Artikels zum Irak gewesen sein.

24.10.2002 - Antwort von Hern Rapp:

Lieber Herr Niederhausen –

ich kann Ihrer Reaktion auf unseren Scholl-Latour voll zustimmen! Sie haben völlig recht, daß die rein (geo- oder macht-) politische Dimension in keiner Weise reicht, eine reale Beziehung zur Wirklichkeit zu finden. Ja, der eigentliche "Anteil an der Welt" muß tiefer in menschlichen Ebenen gesucht werden.

Diese wesentliche Richtung versuchen wir in der nächsten Ausgabe einzuschlagen mit einem grundsätzlichen (und bescheiden verborgenen anthroposophischen) Beitrag von Ninacor Perlas (abgesehen von einem weiteren analytischen, aber auch menschlichen Interview mit einem Exil-Iraker). [...] Ich sehe wie Sie da durchaus noch einen Bedarf an anthroposophischen Vertiefungen.

 

Jens Heisterkamp von Info3 schrieb mir am 21.10.2002 einfach nur:


Sehr geehrter Herr Niederhausen,

Ihr Artikel trägt einige bekannte Motive zusammen, wie sie in dieser Form seit Wochen bereits von einem Großteil unserer Medien gegen die USA ins Feld geführt werden (zumeist jedoch ohne jede Quellenangabe, woher Sie Ihre Informationen beziehen). Daran knüpfen Sie dann einige Zitate Rudolf Steiners aus der Zeit des ersten Weltkrieges. Wir respektieren Ihr Anliegen, aber uns scheint, dass Ihr Beitrag der komplexen gegenwärtigen Weltsituation leider nicht gerecht wird.

 

Ich antwortete ihm am selben Tag:


Sehr geehrter Herr Heisterkamp,

ich danke Ihnen für Ihre Antwort. Gerne würde ich von Ihnen noch einige kurze Sätze hören, wie ein Beitrag aussehen müßte, der der gegenwärtigen Weltsituation gerecht würde. Sollte es für die einzelnen Fakten jeweils eine Quellenangabe als Fußnote geben? Welche der Fakten bezweifeln Sie persönlich? Sollte ich die von mir gebrachte Darstellung der eigentlichen Interessen der US-Regierung mit weiteren Details belegen?

Vieles andere könnte natürlich vertieft dargestellt werden, so etwa die eigenmächtige Vorgehensweise als Phänomen an sich, die Folgen für die gesamte Rechtsstruktur der Staatengemeinschaft usw. – Ich wollte aber hauptsächlich wirklich auf die Diskrepanz zwischen Behauptung und Wirklichkeit hinaus, zwischen dem offiziellen Auftreten der US-Regierung und den ebenso belegten Fakten und Äußerungen selbst ihrer eigenen Dienststellen. Wahrheit ist eines der höchsten Güter. Wird sie gerade von der Weltmacht in so unglaublicher Form mißachtet, so sehe ich durchaus die Notwendigkeit, darauf aufmerksam zu machen.

Es geht dabei nicht um eine anti-amerikanische Stellungnahme, sondern mir persönlich fast um das Gegenteil. Ich würde nie davon sprechen, daß die Argumente gegen die USA gerichtet seien, wenn ich mit USA die Gemeinschaft der dort lebenden Menschen meine und vielleicht von Zeit zu Zeit daran denke, daß jedes Volk eine Seele und eine Mission hat. Ich glaube, die Regierungen verlieren immer mehr den Bezug zu „ihrem“ Volk, von der Mission gar nicht erst zu reden. Diese Diskrepanz wiederum ist vor allem in dem amerikanischen System mit seinen zwei Parteien und vor allem der Finanzierung der Präsidentschaft geradezu vorgezeichnet. Wenn die US-Regierung etwas Falsches tut, dann argumentiere ich nur gegen diese selbst.

Ich würde mich sehr freuen, noch einmal Antwort von Ihnen zu bekommen.

Ich bekam aber keine Antwort mehr...