01.01.2003

Über das Wesen „Beziehung“

Auswege aus einer „Beziehungskrise“.

Die folgenden Gedanken schrieb ich einer Freundin und ihrem Mann, die sich in ihrer Beziehung in einer Krise befanden und Hilfe bei einer Therapeutin suchten.


Was Ihr bei der Therapeutin tut, geht mich nichts an, ich hoffe, es ist Euch die Hilfe, die Ihr Euch wünscht. Ich werde einfach nur versuchen, einiges von meinen Gedanken zu schreiben.

Zunächst muß man sich wohl zugestehen, daß man sich in einer deutlichen Krise befindet, wenn man zu dem Schluß gekommen ist, äußere Hilfe suchen zu wollen. Ein Problem dabei ist, daß eine „institutionalisierte Hilfe“ wie eine Therapeutin diese Krise nicht nur offenbar werden läßt, sondern – ob sie will oder nicht – zugleich verfestigt, weil sie sie objektiviert. Man war einmal zusammen bei der Therapeutin, man war mehrmals dort, die gemeinsame Beziehung ist jetzt eine Frage, ein Gegenstand, nicht nur für einen selbst, sondern für einen weiteren Menschen, den man zunächst gar nicht kennt. Man nimmt an, daß er einem helfen kann und helfen wird, aber man hat die Krise nicht nur zugegeben, sondern ein Stück weit auch aus der Hand gegeben. Was dadurch im eigenen Bewußtsein geschieht, müßt Ihr selbst spüren. Ich meine, das Vertrauen in die Beziehung und die eigenen Fähigkeiten, diese zu gestalten – auch zukünftig –, leidet zumeist doch wohl ziemlich, sobald man mehr oder weniger zugibt, daß man im Moment nicht selbst gemeinsam mit einem Problem fertig wird.

Zu hoffen ist zunächst also vor allem, daß Ihr Euch dieses Vertrauen jeder für sich und auch gemeinsam wieder zurückerobert. Zu Beginn muß natürlich die Frage stehen: Will ich diese Beziehung? Jeder von Euch hat sich in allem Ernst und in seinem Innersten zu fragen: Will ich gemeinsam mit diesem anderen Menschen – vielleicht ganz neu, aber jedenfalls: weiter – mein, d.h. dann also: unser Leben gestalten? Will ich von mir aus alles tun, um dieses gemeinsame Tun gelingen zu lassen? Wenn dies so ist, dann ist der feste Entschluß dazu zu fassen. Zunächst muß man sich einander wissen lassen, zu welcher Antwort man in voller Freiheit gekommen ist. Sollte sich herausstellen, daß man an der gemeinsamen Zukunft so sehr zweifelt, daß man den Entschluß zu dieser Zukunft nicht fassen kann oder will, muß man dieser Realität natürlich ins Auge sehen und die dann notwendigen Schritte – noch gemeinsam – eben auch gehen.

Ist aber ein gemeinsamer Entschluß da, ist dies die beste Grundlage für alles weitere. Überhaupt ist es natürlich so, daß dieser Entschluß immer wieder neu gefaßt werden wird und werden muß, denn alles, was die eigene Aktivität erfordert, ist in jedem Augenblick eine Willensfrage, und eine menschliche Beziehung sollte immer auf dem freien Wollen der beteiligten Menschen aufbauen. Damit soll nicht einer „Schönwetter-Beziehung“ das Wort geredet werden, denn jeder erwachsene Mensch sollte bemüht sein, die jeweiligen Konsequenzen seiner Entschlüsse zu erkennen, die darin liegende Verpflichtung zu fühlen und diese tragen zu wollen. Erst auf Grundlage einer solchen Gesinnung wird man von einem wirklich freien Wollen sprechen können, bei dem der Mensch nicht vielmehr nur ein Gefangener augenblicklicher Stimmungen oder gewisser Vor­stel­lungen ist (z.B.: das Leben habe möglichst einfach und genußvoll zu sein).

Ist also dieser erste gemeinsame Entschluß da, mit dem anderen leben zu wollen, die Beziehung gemeinsam gestalten zu wollen, kann an das Werk gegangen werden. Das Wichtigste bei einer Krise ist vielleicht, den Blick von sich weg zu richten. Das soll nicht heißen, sich selbst zu verleugnen. Normalerweise kann der Mensch gar nicht anders, als seine Person nicht wenigstens in einem Hinterkämmerchen im Bewußtsein zu haben, da besteht also gar keine Gefahr, sich ganz aus den Augen zu verlieren. Es ist aber erstaunlich, was geschehen kann, wenn man einmal beschließt, die hauptsächliche Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu richten. Gerade in einer Krise fällt es zumeist schwer, dem Rat zu folgen, den anderen Menschen in den Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit zu stellen. Aber es gibt sogar – vielleicht ganz unerwartet – eine dritte Möglichkeit. Denn wer befindet sich denn in einer Krise? Etwa ich oder der andere? Im Grunde ist man an der Krise gewissermaßen doch nur mittelbar beteiligt. Von der Krise im eigentlichen betroffen ist jemand anderes! Es ist die gemeinsame Beziehung.

Man kann sich einmal bemühen, sich zu fragen, was das eigentlich ist. Man richte sein Augenmerk einmal gemeinsam auf das, was da zwischen dem „Uns“ existiert und dieses „Zwischen uns“ überhaupt erst ausmacht. Vielleicht kann man durch diese Aufmerksamkeit zu der Ahnung kommen, daß diese Beziehung selbst ein Wesen ist. Was heißt das? Tagtäglich lebt man zusammen, und mit allem was man tut – oder nicht tut – gestaltet man an der gemeinsamen Beziehung. Man fügt der Wirklichkeit tatsächlich etwas hinzu. Man lebt ja nicht mehr „sein eigenes“ Leben, sondern man verbindet sich zu etwas, was ohne diesen Entschluß nicht da wäre. Etwas Neues tritt in die Welt, das wiederum einen selbst verwandelt. Wie einem die Vorstellung konkret werden kann, daß jeder Mensch von einem Engel begleitet wird, so trifft dies auch auf die Vorstellung zu, daß jede Beziehung von einem Engel begleitet wird. Es wäre gewissermaßen eine Beziehung die „Leiblichkeit“ eines Engels. Das, was zwischen zwei Menschen Wirklichkeit wird, kann also ganz wesenhaft gedacht werden. Was soll diese Vorstellung?

Nun, es soll keine abstrakte Vorstellung sein. Man kann aber versuchen, von einer solchen Vorstellung als von einer Realität auszugehen, und wird dann mehr und mehr dazu kommen können, diese Realität auch zu leben. Was heißt das? Gibt es Engel oder nicht? Nun, die Antwort hängt von uns ab. Wenn wir sie aus unserer „Realität“ ausschließen, gibt es sie – für uns – nicht. Wenn wir uns bemühen, sie in unser Leben einzubeziehen, dann... erfahren wir ihre Realität vielleicht irgendwann.

Zunächst scheint es ja, als sei dieses Wesen Beziehung ganz einseitig von uns abhängig. Wenn wir die Beziehung wollen und gestalten, ist dieses Wesen da – wenn nicht, nicht. Wenn man aber beginnt, den Blick auf diese Beziehung selbst zu richten, sozusagen die Augen zu öffnen für dieses Wesen „Beziehung“, kann einem zunächst deutlich werden, daß das Verhältnis zwischen den beiden einzelnen Menschen einerseits und diesem Wesen „Beziehung“ andererseits gar nicht einseitig ist. Denn es hängt nicht nur dieses Wesen von den beiden Menschen ab, sondern auch hängen diese beiden Menschen von jenem Wesen ab. Stellen wir uns das Beziehungswesen als Leiblichkeit eines Engels vor, nun, dann wird sich der Engel eben nicht verleib­lichen können, wenn wir die Beziehung unmöglich machen bzw. beenden. Das heißt nicht, daß es den Engel dann nicht gibt, aber zumindest haben wir ihm seine Leiblichkeit genommen. Auf der anderen Seite jedoch kann einem bei einer kurzen Besinnung bereits klar werden, welchen völlig anderen Verlauf das eigene Leben nimmt, je nachdem, ob man eine Beziehung hat oder nicht.

In Wirklichkeit kann man mit dem gleichen Recht, wie man sagt, man „hat“ oder „gestaltet“ eine Beziehung, sagen: Man hat Anteil an einer Beziehung. Dann gibt man der Beziehung sprachlich das Gewicht, das sie wirklich hat, denn sie verwandelt das eigene Leben grundlegend. Diese Erkenntnis kann eine weitere Anregung sein, die Beziehung wesenhaft zu denken. Sobald man sich in dieser Richtung konkret bemüht – man mag dann von einem Engel sprechen, oder aber die Bezeichnung ganz offen lassen –, schafft man von seiner Seite aus die Voraussetzungen, mit diesem Wesenhaften real in Berührung zu kommen. Dann kann sich erweisen, daß das Verhältnis zwischen den Menschen und diesem Wesen nicht einseitig ist.

Wie oft „kommt“ einem bisweilen ein „Einfall“, der sich als richtig und hilfreich erweist? Nun, man kann von Zufall sprechen oder auch von Eingebung. Im letzteren Fall wurde der richtige Gedanke mir gegeben. Wenn man einmal annimmt, daß es Wesen gibt, die mir gewisse Ideen schenken, dann ist die Vermutung vielleicht nicht falsch, daß ich mich dieser Geschenke würdig – und vielleicht auch: zu ihrem Erleben überhaupt erst fähig – mache, wenn ich diese Wesen in mein Weltbild einbeziehe. Sollte es nicht so sein, daß diese Wesen mich kaum noch erreichen können, wenn ich die Möglichkeit ihrer Existenz nicht einmal im Traum in Erwägung ziehe?

Wenn ich aber weiß – das bedeutet zumindest: willenshaft davon ausgehe –, daß ein Engel jede Beziehung begleitet, kann ich von mir aus die Voraussetzungen schaffen – oder habe es gewissermaßen anfänglich schon getan –, daß dieser Engel auch wirksam werden kann. Man darf sehr wohl davon ausgehen, daß die geistigen Welten (zumindest die guten Wesenheiten) die Freiheit des Menschen wollen. Vielleicht kann der Engel nicht wirken, wenn man ihn verleugnet, vielleicht könnte er, tut es aber nicht. Wenn man ihn aber real in sein Bewußtsein einbezieht, kann und will er auch im Guten wirksam werden – sei es durch hilf-reiche Intuitionen, sei es durch noch ganz andere Schicksalsfügungen.

Soviel zum Wesen „Beziehung“. Jeder von Euch kann sich von diesen Gedanken in dem Maße zum Weiterdenken angeregt fühlen, wie er möchte. Erscheinen sie einem zu zweifelhaft, sollte man sie vielleicht sogar lieber wieder vergessen. In jedem Fall aber ist es hilfreich, den Blick auf die Beziehung zu richten – man kommt von sich selbst los, und die Beziehung ist ja auch tatsächlich das Gemeinsame, das Verbin­dende, das was jetzt gerade im Zentrum der Bemühungen steht.

Eine weitere Vorbereitung für das gemeinsame Bemühen wäre wichtig. – Das „Gemeinsame“ ist heute zumeist nicht eine Stärke des Menschen, selbst wenn es um die engste Beziehung geht. Ist aber dieses „Gemeinsame“ ohnehin schon eigentlich eine Übung für das ganze Leben, so braucht es in Zeiten der Krise ein besonderes Augenmerk. (Übrigens sollte man in dem Wort „Krise“ nicht immer den negativen Klang hören. Es bedeutet zunächst nur: „Trennung“ im Sinne von „Ent-scheidung“ – eine Krise ist schlichtweg immer eine Zeit der Entscheidungen, ganz neutral gemeint. In einer Krise steht man vor zwei oder mehr sich trennenden Wegen und muß sich für einen entscheiden. Insofern ist jede Krise auch ein Garant für die Freiheit des Menschen – zumindest zerschlägt sie Gewohnheiten, was fast immer schmerzhaft ist, immer aber die Menschen weiterbringen kann).

Eine weitere Grundlage für die gemeinsame Arbeit kann also gelegt werden, wenn man zunächst etwas in den Mittelpunkt stellt, was noch nicht die eigene Beziehung – und deren Verletztheit – betrifft, sondern im positiven Sinne den gemeinsamen Entschluß, heilend für diese Beziehung und füreinander wirken zu wollen. Man kann vielleicht einen entsprechenden Text lesen oder sich gewisse Dinge klarmachen.

Eine der schönsten Stellen der Bibel ist das 13. Kapitel des ersten Korintherbriefes:

Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht,
die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig,
sie sucht nicht das ihre,
sie läßt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu,
sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit;
sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles... 


Falls uns diese Worte ein leuchtendes Ideal bedeuten können: Können wir uns dieses Ideals anders würdig machen, als indem wir immer wieder nach unseren besten Kräften versuchen, in unseren menschlichen Beziehungen wenigstens einen kleinen Abglanz dieser Liebe zur Offenbarung zu bringen?

Gerade heute las ich in dem tiefgehenden Büchlein „Die Wahrheit tun“ von Georg Kühlewind:

Schuld ist alles, was wir nach unseren Möglichkeiten, Veranlagungen, Fähigkeiten anderen Menschen geben könnten, was wir aber zurückhalten, weil wir durch unsere Natur auf diese Zurückhaltung angewiesen, dazu genötigt sind. Dieses Verweigern reicht vom Nicht-Tun – Unterlassen – bis zum Nehmen – unrechtmäßig –, reicht von der passiven Form der Teilnahmslosigkeit bis zur aggressiven Form der Feindseligkeit, des Hasses. ... Dem Sinne nach lautet diese Bitte [des Vaterunsers: Vergib uns unsere Schuld...]: „Gib uns die notwendige Selbsterkenntnis, damit wir unsere Schuld am anderen entdecken, sonst dauert sie fort, bis zum Zeitpunkt, an dem sie entdeckt wird.“ Wenn wir sie wirklich in uns sehen, so ist unsere Schuld vergeben; wir haben kein Schuldgefühl mehr. Daß der andere Schuld hat, ist nicht wahr; solange wir das noch annehmen, sind wir in unserer Schuld befangen. ...

Wenn die Suche nach der Schuld in uns tief genug geht, so kommen wir nicht nur zu der unmittelbaren aktuellen Ursache, sondern wir kommen an die grundlegende Schuld heran: an das Wesen des Getrenntseins, an den Herd des Eigenseins; an den Nicht-Wollenden, Nicht-Gebenden und Nicht-Nachgebenden, Nicht-Vergebenden in uns, – an denjenigen, der bleiben will, wie er ist... ... Wenn ich entdecke: Ich habe nie recht, Wahrheit kann nie angeeignet werden und ist deshalb kein Verdienst, so kann ich keine Aversion hegen gegen den, der einen Fehler beging, der „Unrecht“ hat, – da es nicht sein Mangel ist. Wenn ich aber meine, ich habe recht – so sollte ich wenigstens die einzige logische Konsequenz daraus ziehen: Wenn der andere im Irrtum ist, einen Fehler begeht, so ist er unbedingt der Schwächere, der mehr Angegriffene, der Versuchte, ich aber bin der Stärkere, Gesundere, also liegt bei mir die Möglichkeit, ihm zu helfen, ich muß als erster einen Schritt unternehmen. ...

Wer die Gründe, den Fehler bei dem anderen sucht oder findet, der suche sie gleich in sich selber: denn, daß er sie im anderen gesucht hat, war sicherlich Sünde. Sünde des Erkennens, Schuld durch den Tatsachen-Glauben, nach dem es Tatsachen gibt, die unabhängig von uns, von unserem Erkennen seien. Eine solche Tatsache sei der Fehler des anderen und dieser Fehler gehe uns nichts an, wir hätten gar keinen Anteil an ihm. Wir hätten dem anderen nichts entzogen, was ihn vor seinem Irrtum oder Fehler hätte beschützen können. Der Grund ist „draußen“, im anderen... ... Sehen wir es endlich ein: Nicht die Tatsachen sind es, die Furcht, Aversion, Verlangen oder Haß erzeugen, sondern es gibt Tatsachen – für mich –, die – in mir – Furcht, Aversion, Verlangen und Haß sind. ...

Das Opfer, das wir so ungern konkret auf uns nehmen, ist, dem zu entsagen, was in diese Zone gehört: dem Beleidigtsein, der Aversion, der Eitelkeit. Das Annehmen des Sich-Demütigens, das dann keines mehr ist, sondern nur Aufrichtigkeit aufgrund der erkannten Realität: ich bin die Ursache, ich bin schuldig, es ist nicht auf den anderen zu warten bis... Es gibt kein „bis“, es ist nicht zu warten. Dieses Entsagen ist federleicht, sobald es vollzogen ist. Es ist auch nicht Entsagung, sondern Vollendung. ...

Nicht Gutsein und Vergeben sollen die Ziele deines Bestrebens sein: das alles ist Hochmut; nur zu erkennen, sei bestrebt, das genügt. ... Wer das Vorangehende als Regel oder Rat ansieht und somit bestrebt ist, es zu verwirklichen, hat es mißverstanden. Das so Beschriebene kann nur verwirklichen, wer es erkennt. ... Wer das Mitgeteilte in seiner eigenen aktuellen Situation wahrhaftig erkennt, bekommt im Erkennen die Kräfte und die Möglichkeit zur Verwirklichung: die Intuition zu der konkreten Begebenheit [also das wahrhafte Erkennen der Situation und die Intuition als Idee, was in dieser Situation gut und richtig wäre] und die Kraft, womit diese aus den Tiefen des eigenen Seins handelnd auf die Erde gebracht werden kann.


Nun, vielleicht können Euch solche und ähnliche Texte dienen, damit Ihr mit ihrer Hilfe jene Gesinnung in Euch erwecken könnt, die Euch alle Schwierigkeiten in der rechten Weise in Angriff nehmen läßt. 

Was nun nach diesen Vorbereitungen – die eigentlich schon wichtigste gemeinsame Taten sind – folgen kann, dazu kann ich gar nicht mehr viel sagen. Es muß dies ja Eure ureigenste Tat sein, wenn es Bestand haben soll. Jeder von außen gegebene Rat, der dann nur noch befolgt wird, wird ja doch als ein Fremdkörper empfunden, gegen den man sich mit Recht wie gegen etwas anderes Äußeres stellt. Dann aber kann er kaum bis in die Tiefen heilsam wirken.

Ich kann nur mit der Überzeugung, daß das Allerwesentliche ist, miteinander zu sprechen, einige allgemeine Vorschläge machen, die nur als Anregung für Eure eigenen Ideen gedacht sind. Das Wichtigste ist, im gemeinsamen Gespräch das Verständnis zu vertiefen – in jeder Hinsicht. So könnte jeder zu verschiedenen Fragen drei Antworten aufschreiben (oder auch, so viele ihm einfallen), zum Beispiel: Was stört mich am meisten...? (vielleicht a) am anderen, b) an unserer Beziehung, c) an mir selbst, d) nicht eindeutig zuzuordnen...). Was glaube ich, was den anderen am meisten stört...? Was gefällt mir am meisten...? Was bin ich bereit zu verändern...? Was würde ich gerne vom anderen wissen...? Was würde ich gerne verändern...? Was ist mir wesentlich und warum...? (a) mir ganz persönlich-egoistisch, b) in einem absoluteren Sinne...).

In den Fragen kommt nur deshalb so viel ich/mir vor, weil man ja zunächst nur von sich ausgehen kann, um dann die Erkenntnisse des jeweils Eigenen dem anderen und der Beziehung zur Verfügung zu stellen. Nachdem man sich selbst erforscht hat, kann die ganze Aufmerksamkeit sich auf das richten, was der andere empfindet, was er von sich herausbekommen hat, wessen er bedarf. Bemühen sich beide Partner um diesen Blick, wird mehr und mehr auch die Beziehung im Mittelpunkt stehen, um die man sich gemeinsam ja bemüht. Übrigens ist Partner, Partnerin ein wundervolles Wort, wenn man erlebt, daß (von lateinisch pars: Teil) der jeweils andere not-wendig ist, damit ich oder auch die Beziehung ein Ganzes wird.

Ihr seid auf einem guten Weg, wenn Ihr den Willen habt, die wirklichen Bedürfnisse des anderen voll zu bejahen und in diesem Sinne zu den eigenen zu machen. Ob es in jedem Lebensaugenblick gelingt oder in der eigenen Macht steht, muß man dabei noch gar nicht fragen. Der Wille dazu allein ist entscheidend. Findet man diesen Willen in sich nicht, muß man sich – und dem anderen – dies natürlich ebenso eingestehen.

Ich wünsche Euch die rechte Gesinnung – liebevoll, vorurteilsfrei, mit gutem Willen, immer das Nie-Dagewesene für möglich haltend – alles erhoffend und nichts vom jeweils anderen erwartend –, dann werdet Ihr in jedem Fall das Richtige und Gute tun.