18.01.2003

Die Offenbarung der Engel

„Ja, es wird ein Zeitpunkt kommen, den die Menschen nicht verschlafen sollen...“

Buchbesprechung: Hans Bonneval: „Die Offenbarung der Engel und die achte Sphäre“. In Klammern die GA-Nummer und der Vortrag des Bandes.


„Die Offenbarung der Engel und die achte Sphäre“ ist der Titel eines 580-seitigen Buches des Hamburger Anthroposophen Hans Bonneval. Er gibt damit eine umfangreiche Interpretation des Rudolf-Steiner-Vortrages „Was macht der Engel in unserem Astralleib?“ (182/6), wie es im zweiten Untertitel heißt. Der erste Untertitel lautet provokant: „Erleben wir UFOs statt Christus und Angelos?“ und bezieht sich auf Bonnevals Versuch, die zahlreichen Berichte angeblicher „UFO-Entführungen“ mit diversen Hinweisen Steiners zu verschiedensten Arten übersinnlicher Erlebnisse zu beleuchten. 

Das Buch Bonnevals stellt umfangreiche Zusammenhänge her und bietet viele „Schätze“, allein schon die größere Einordnung jenes Steiner-Vortrages ist sehr bedeutsam. Steiner schildert hier, wie die Engel im Astralleib der Menschen Bilder formen, die drei soziale Ideale anregen wollen. Dazu müssen die Menschen aber durch Erkraftung des Denkens in die Lage kommen, die Engel zu schauen. Die vom Engel im Astralleib gewebten Bilder sollen (über die Ausbildung jener Ideale) „unsere Gestaltung in der Zukunft bringen“, diese aber muß „durch die Bewußtseinsseele herbeigeführt werden“.

Sollte die Menschheit das Wirken der Engel verschlafen[1], sollten sich nicht genügend Menschen zum geistigen Leben hinwenden, könnten sich schon um die Jahrhundertwende die Engel gezwungen sehen, ihre Arbeit in die Ätherleiber zu verlegen. Dadurch aber würden gewisse „instinktive Erkenntnisse, die in die Menschheit kommen sollen“, unvorstellbar schädlich werden. Dies sind die drei Okkultismen, wie Steiner sie an anderer Stelle bezeichnet (186/3).

Nach einer Einführung stellt Bonneval an den Anfang eindrückliche Zitate von Steiner, die auf die unbedingte Notwendigkeit verweisen, die Geisteswissenschaft wirklich zu ergreifen - und dann auch für ihre Verbreitung mit allen Mitteln zu arbeiten „und vor allen Dingen nicht dumpf-schläfrig die Menschheit dahinleben zu lassen“. Bonneval selbst hat in Hamburg eine „Neue Schule des Denkens“ gegründet, um Menschen zu helfen, das wirkliche, schöpferische Denken der Bewußtseinsseele auszubilden, das den Weg zum Geist findet. Wie groß die Katastrophe sein wird, wenn dies nicht geschieht, wird im Laufe des Buches immer deutlicher.

Die drei Ideale

Die Bedeutung der drei Ideale kann gar nicht überschätzt werden. Sie wären das nötige Gegengewicht für den antisozialen Impuls der Bewußtseinsseele und die Grundlage für jene wunderbare soziale Plastik der Zukunft, die zum Leib Christi werden soll.[2]

Das erste Ideal bedeutet ein tiefes Interesse an jedem Menschen, das erwachen wird. Bei jeder Begegnung wird imaginativ das Wesen des Menschen erlebt werden können. Hiermit ist auf die „neue Trinität“ gewiesen: Der Mensch ist „der Gleichgewichtszustand zwischen dem Luziferischen und dem Ahrimanischen“. Und nur „im bewußten Bekämpfen der oberflächlichen Sympathie- und Antipathiegefühle wird die Bewußtseinsseele richtig geboren werden können“ (168/4). Die Menschen würden den Weg zum Christus verlieren, wenn es nicht eine ernste Lebensaufgabe würde, das jeweils Eigene im Gespräch mit dem anderen Menschen zu korrigieren. Heute spricht Er: „Was ihr findet als Meinung, als Lebensanschauung in einem der geringsten eurer Brüder, darin suchet ihr mich selber“ (193/3).

Entsprechend dem zweiten Ideal wird ein Mensch im anderen ein verborgenes Göttliches sehen, Begegnung wird zum Sakrament. Steiner spricht in diesem Zusammenhang vom Wiedererscheinen des ätherischen Christus, und Bonneval schreibt: „Im anderen Menschen und nur dort wird man ihn schauen können“. Entwickelt sich wirklich jenes tiefe soziale Interesse, dann „wird der ätherische Christus als eine Imagination aus dem anderen Men­schen aufsteigen“ (S.71). Steiner selbst nennt es einen großen „Irrtum, wenn man glaubt, der einzelne Mensch könne eine unmittelbare Beziehung zu dem Christus haben“ (193/3). – In 168/4 weist er darauf hin, daß wir alle den Christus schon in uns tragen, ein Verständnis dafür sich aber nur durch eine Befreiung von allen Dogmen entwickeln kann. Daraufhin wendet er sich scharf gegen die „Autorität“, die immer mehr zunehmen werde, damit sich in deren Überwindung die Bewußtseinsseele entwickle.

Das dritte Ideal ist gewissermaßen die Geisteswissenschaft selbst. Durch sie kann der Mensch die früher gegebene gesunde Urteilskraft und damit die Gedankenfreiheit ausbilden und wird dann auch durch das Denken über den Abgrund hinweg zum Erleben im Geistigen kommen.

Wenn die Menschen tragischerweise „schlafen“ und nicht genügend sich dem geistigen Leben zuwenden sollten, werden die Engel in den Ätherleibern wirken müssen. Dann aber werden die kommenden Okkultismen auf den Gebieten der Fortpflanzung, der Medizin und des maschinellen Wesens nicht in wachem Bewußtsein und freilassend auftreten, sondern als reiner Instinkt. Im Osten wird sich ein instinktives Wissen entwickeln, unter welchen Sternkonstellationen man gut oder übel geratenen Seelen zur Inkarnation verhilft. Dieser Instinkt würde sich gegen die Brüderlichkeit auflehnen und entsprechende Gestaltungen im sozialen Leben hervorbringen. Der zweite Okkultismus bedeutet ein Wissen um die Zusammenhänge zwischen Lebens- und Krankheitsprozessen, Heil- und Erkenntniskräften. Das dritte ist die im Westen bevorstehende Entdeckung, wie die im menschlichen Nervensystem ersterbenden Ätherkräfte auf die äußeren elektrischen und magnetischen Kräfte wirken und durch das „Gesetz der ineinanderklingenden Schwingungen“ große Maschinenkräfte entfesseln können (186/3).[3]

Übermenschen und Erdenzukunft

Im zweiten Teil des Buches geht Bonneval auf verschiedene übersinnliche Erfahrungen ein. Am rätselhaftesten sind die „UFO-Entführungen“. Der Harvard-Dozent Dr. John Mack ist diesen Berichten nachgegangen und kommt zu dem Schluß, daß es sich weder um psychisch gestörte Menschen noch um Erlebnisse im bekannten vierdimensionalen Universum handelt. Bonneval weist auf den interpretierenden Verstand hin, der offenbar sogar dazu führen kann, daß ein in einem Kühlhaus eingeschlossener Mensch bei 12°C an Erfrierungen sterben kann. Der gleiche Verstand stellt sich, durch die modernen Medien angeregt, außerirdische Wesen physisch und hochtechnisiert vor. Es wäre denkbar, daß jene Erlebnisse – denen oft Schlafzustände vorangehen und folgen – bereits auf ein Wirken der Engel im Ätherleib zurückgehen. Immerhin ist in mehreren Berichten die Rede davon, daß man zu einem anderen Planeten geführt wurde, wo Menschen in Harmonie und Frieden leben.

Im selben Vortrag schildert Steiner in erschütternder Weise, daß alle Wesen bzw. Gedanken, „welche nun vom Menschen unrichtig gedacht werden..., weil der bloße schattenhafte Intellekt nur das Mineralische...denkt“ bei der Rückkehr des Mondes Wirklichkeit werden. Die Erde werde überzogen „wie mit einem...Gewebe von furchtbaren Spinnen, Spinnen von einer riesigen Weisheit, die aber in ihrer Organisation nicht einmal bis zum Pflanzendasein heraufreichen“, die „alles das imitieren werden was die Menschen ausdachten mit dem schattenhaften Intellekt“. Insofern der Mensch nicht lebendige Begriffe gebildet hat, wird er dann auf der Erdenschlacke leben und sein Wesen mit jenen Spinnenwesen vereinigen müssen. In zwei anderen Vorträgen sagt Steiner: „Denn nachdem durch das Ereignis von 1879 so recht der Charakter der fünften nachatlantischen Epoche erfüllt ist, sind die Gedanken, die sich die Menschen machen, dazu da, daß sich die Menschenseelen in diese Gedanken verwandeln. ... Man braucht keine Vorliebe zu haben für die anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft, um sie vertreten zu wollen, sondern man braucht bloß Mitleid mit den Menschen zu haben, welche diese Gedanken brauchen, weil diese Gedanken schöpferische Gedanken sind für das Seelenleben, weil der Mensch dazu berufen ist in der Zukunft, das zu werden, als was er sich ansieht“ (178/4). „Und...dasjenige, was einen zwingt, wenn man sich die Überzeugung von der Wahrheit der anthroposophischen Ideen erworben hat, für die Verbreitung dieser Ideen alles Mögliche zu tun, das ist das Mitgefühl mit...den Menschen, welche diese Ideen haben müssen und welche verurteilt sind, Schlimmes auf sich zu nehmen, wenn sie diese Ideen nicht haben“ (187/4).

Jene Erdenschlacke ist offenbar auch die spätere Gestalt der sogenannten achten Sphäre. Luzifer und Ahriman schufen beim Übergang vom alten Mond zur Erde mit einem Teil des entstehenden Mineralischen eine Sphäre verdichteter Imaginationen (254/5). Fortwährend wollen nun die Widersacher insbesondere den freien menschlichen Willen in diese Sphäre verschwinden lassen, und das ist z.B. bei visionärem Hellsehen der Fall. Wichtig ist auch Steiners Hinweis, das in den geistigen Welten eine Umkehrung der Perspektive eintritt, das Erlebnis des Wahrgenommen-Werdens. „Ohne dies Grunderlebnis ist alles Verhältnis zur geistigen Welt verkehrt...“ (253/3). Bestenfalls sieht der Mensch sonst die geistige Welt, wie sie „ihm in seine von den Gewohnheiten der physischen Welt angekränkelten Imaginationen eingekleidet wird“. Oder aber er unterliegt vollkommenen Illusionen, was um so wahrscheinlicher ist, je mehr die Erlebnisse der sinnlichen Wahrnehmung, einem Film etc. gleichen.

An diesen Hinweisen setzt Bonnevals Kritik bezüglich verschiedener Erlebnisse von „Engeln“ und „Elementargeistern“, aber auch von „Reinkarnationstherapien“ an. Nimmt man Steiner ernst, wird man zutiefst bezweifeln, daß z.B. Engel scheinanthroposophische Plattheiten verkünden. Bonneval vermutet, daß nahezu die gesamte moderne „Esoterik“ ein Versuch der Widersacher ist, die Menschen das wahre Wirken der Engel verschlafen zu lassen. Und er schreibt: Die „ahrimanische Taktik der Manipulation von Denkinhalten, von Begriffen ... ist die ganz große Gefahr der Gegenwart und der näheren Zukunft und deshalb mußte diese Schrift verfaßt werden.“