20.06.2004

Die Alternative zum Irrsinn

Entwurf eines Thesenpapiers für die „Wahlalternative“ (AG Wirtschaft).


Rot-Grün und CDU verkünden gleichermaßen, zu dem gegenwärtigen Sozial-Abbau gebe es keine Alternative. Große Teile der Medien unterstützen diesen Wahnwitz – wir widersprechen ihm mit Nachdruck!

Bundeskanzler Schröder behauptet, den Sozialstaat durch seine „Reform“ sichern oder gar „modernisieren“ zu wollen – und tatsächlich schafft er ihn Schritt für Schritt ab!

- Mit einer Arbeitsmarkt-„Reform“, die sich durch drastische Kürzungen und „Zumutbarkeiten“, durch verbreitete Schikanen und autoritären Druck, der Grenze zur Zwangsarbeit nähert. Zynisch spricht Schröder von „Fördern und Fordern“, tatsächlich handelt es sich um ein „Kürzen und Zwingen“.
- Mit einer Gesundheits-„Reform“, die die medizinische Versorgung für die große Mehrheit der Menschen verteuert und verschlechtert.
- Mit einer Renten-„Reform“, die zu stetig sinkenden Renten und zunehmender Altersarmut führt.
- Mit einer Steuerreform, die vor allem Unternehmen und höhere Einkommen, Kapitalerträge und Spekulationsgewinne entlastet.

Am Ende dieses „teilweise schmerzlichen Prozesses“ werde Deutschland wieder „wettbewerbs- und zukunftsfähig“ sein, so die Aussagen der Regierung (während der CDU die Maßnahmen gar nicht weit genug gehen!). Solche Behauptungen sind im besten Fall Irrsinn und im schlimmsten Fall bewußte, zynische Lügen!

Das soziale Hauptproblem in Deutschland ist die Arbeitslosigkeit – Tendenz steigend. Das Hauptproblem der Wirtschaft ist, daß das bisherige stetige Wachstum so gut wie ausbleibt. Beides hat weniger mit der „Globalisierung“ zu tun als mit hausgemachten wirtschaftspolitischen Fehlern.

Regierung und Opposition sind nicht bereit, die eigentlichen Ursachen der Probleme anzugehen. Stattdessen wollen sie Konzepte als Therapie verkaufen, die bereits in der Vergangenheit gescheitert sind. Schröder kritisiert die Menschen, sie würden seine „richtige Politik“ falsch wahrnehmen. Tatsächlich aber beruht die Kritik von Millionen Menschen an seiner Agenda 2010 auf der richtigen Wahrnehmung seiner falschen Politik. Es ist eine Politik, die sozial ungerecht ist, die Lebensbedingungen von Millionen Menschen drastisch verschlechtert – und die Volkswirtschaft selbst ruiniert.

In den letzten drei Jahren ist die Wirtschaft (BIP) real um nur 0,9 Prozent gewachsen. Doch wie kam dieses „Wachstum“ zustande? Durch eine Verdreifachung der Netto-Exporte! Allein dies entlarvt das Argument, Deutschland müsse wettbewerbsfähiger werden, als glatte Lüge. In den selben drei Jahren ist dagegen die reale Nachfrage in Deutschland um über zwei Prozent gefallen! Was bedeutet das? Nicht die Unternehmen müssen wettbewerbsfähiger werden, sondern die Menschen müssen fähig bleiben, die Dinge des täglichen Bedarfs überhaupt kaufen zu können!

Wie soll die Wirtschaft wachsen, wenn der gesellschaftliche Reichtum auf immer weniger Menschen verteilt wird? Was soll wachsen, wenn immer mehr Menschen gerade noch genug Geld haben, um das Allernotwendigste zu kaufen – oder nicht einmal das?

Schröders SPD hat den Menschen und Unternehmen mit den höchsten Profiten große Steuersenkungen geschenkt und nimmt nun um so mehr von den Geringverdienern, den Arbeitslosen und den Rentnern! Die Agenda 2010 ist nicht einfach nur ungerecht. Nein – sie verhöhnt geradezu jeden „Sozialstaat“-Gedanken und treibt darüber hinaus die gesamte Volkswirtschaft in den Zusammenbruch!

Wir wollen den Teufel nicht an die Wand malen – aber auch diejenigen, die durch die Agenda 2010 ihre Profite noch mehr steigern können, werden sich ihrer Vermögen nicht mehr erfreuen können, wenn die gesamte Wirtschaft in ein Chaos mündet!

Angesichts des sozialen und volkswirtschaftlichen Irrsinns der gegenwärtigen Politik ist ein Umsteuern das Gebot der Stunde! Wer ein wenig in die Zukunft schauen kann, möchte rufen: Wendet doch endlich Eure Vernunft wieder an! Ja, wir wollen eine soziale Gesellschaft und keinen Kampf aller gegen alle. Aber allein schon die volkswirtschaftliche Vernunft gebietet die Erhöhung der Sozialhilfe, die Erhöhung der Löhne, Mindestlöhne von etwa 1400 Euro, den Erhalt der Renten und deutliche Arbeitszeitverkürzungen!

Den Profithaien aller Couleur sei gesagt: Ohne soziale Gerechtigkeit sind auf Dauer auch keine Profite zu machen! Die gegenwärtige Politik ist nur geeignet, den Profiteuren noch das Absahnen der letzten Rendite-Steigerungen zu ermöglichen, bevor das wirtschaftliche Chaos ausbricht und die Profiteure sich in andere Weltgegenden absetzen werden. Mit der Agenda 2010 haben wir endgültig keine soziale Marktwirtschaft mehr, haben wir immer weniger überhaupt eine Marktwirtschaft, sondern immer mehr nur noch nackten Kapitalismus.

Nie war unsere Gesellschaft, unsere Volkswirtschaft so reich wie heute. Wie kommt es aber dann, daß ...

... die Arbeitslosigkeit weiter steigt,
... Niedriglöhne sich ausbreiten,
... immer mehr Familien trotz 40-Stunden-Woche kaum ihr Auskommen haben,
... die Arbeitslosenhilfe abgeschafft wird,
... die Sozialhilfe immer mehr ein menschenunwürdiges Almosen wird,
... die Renten real sinken,
... die Gesundheitsversorgung schlechter und teurer wird,
... in vielen Kindergärten, Schulen oder Krankenhäusern mittlerweile akuter Personalmangel herrscht,
... Hunderte sozialer Einrichtungen schließen müssen, weil sie keine Zuschüsse mehr bekommen,
... und und und?


Dies alles hat einen einzigen, gemeinsamen Grund: Der Reichtum ist tatsächlich vorhanden, aber er wandert zu immer größeren Teilen in wenige private Taschen.
Mittlerweile hat Deutschland in der gesamten EU die niedrigste Steuerquote (Anteil Steuern am BIP). Allein die letzte Einkommenssteuer-Senkung bringt dem Einkommens-Millionär einen Zugewinn von über 60.000 Euro jährlich! Während sich die privaten Gewinne und Vermögenseinkommen in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt haben, sind die Netto-Reallöhne gesunken! Dabei werden die Gewinne zum Großteil weder investiert, noch überhaupt im Inland ausgegeben. Der Reichtum konzentriert sich auf wenige Gewinner, die noch dazu immer weniger Steuern zahlen! Wenn einmal genügend Menschen diese einfache Tatsache erfahren und sich bewußt machen, dann wird die gegenwärtige Politik ein baldiges Ende haben.

Sämtliche Kürzungen der Sozialhilfe, der Renten, der Zuschüsse usw. haben ihre Ursache nicht darin, daß unsere Wirtschaft zuwenig Reichtum erwirtschaften würde. Sondern der Staat will den notwendigen Anteil des Reichtums von denen nicht haben, die die Profite machen! Also muß er überall sonst kürzen. Die Reichen werden noch reicher als je zuvor, die Armut wird zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte eine umfassende Tatsache. Und schon jetzt machen die öffentlichen Investitionen in Deutschland nur noch 1,6% der gesamten Volkswirtschaft (BIP) aus , währen der Durchschnitt (!) in der EU bei 2,4% liegt.

Der Sozialabbau wird den Staat nicht retten. Und auch die Wirtschaft nicht. Wenn große Teile der Bevölkerung kein normales oder wenigstens bescheidenes Leben mehr führen können, wie sollen sie dann noch Steuern zahlen? Wie sollen sie dann noch die Wirtschaft stärken? Die hergestellten Dinge, die angebotenen Leistungen können sich einfach immer weniger leisten. Sie werden also nicht gekauft – und die Wirtschaft bricht zusammen. Niedriglöhne und Sozialabbau sind nicht die Rettung einer Volkswirtschaft, sondern ihr Untergang!

Das gleiche gilt für den Staatshaushalt: Der Staat mag kurzfristig ein wenig sparen, wenn er einen Großteil seiner Bürger in die Armut stößt. Doch er selbst geht spätestens mit der zusammenbrechenden Wirtschaft unter. Es sei denn, er entschließt sich endlich, den volkswirtschaftlichen Reichtum wieder da zu beanspruchen, wo er vorhanden ist. Nur die gerechte Besteuerung von Gewinnen und Reichtum macht die Existenz einer Gesellschaft überhaupt möglich!

Würde der Staat den gleichen Anteil am erarbeiteten Volksvermögen (Wertschöpfung) als Steuern einnehmen wie im Jahre 2000, hätte er heute jährlich 50 Milliarden Euro zur Verfügung. Diese riesige Summe zeigt das Ausmaß der Steuergeschenke, die den Reichen jetzt zusätzlich auf die Konten fließen. Die Belastung der Arbeitnehmer und Verbraucher ist dagegen weiter gestiegen! Gesunken sind nicht nur die Steuern auf Gewinne, sondern auch die auf Vermögenseinkommen und Erbschaften, Kapital- und Spekulationsgewinne werden geringer besteuert als Arbeits-Einkommen, die Vermögenssteuer wurde schon von der CDU ganz abgeschafft!

Wieviel wird allerorten jetzt gekürzt, um einige Millionen einzusparen? Eine Vermögenssteuer von nur einem Prozent auf Vermögen oberhalb von 500.000 Euro würde den öffentlichen Haushalten 14 Milliarden Euro zugute kommen lassen.

Wir fordern: Alle diese Steuern auf Gewinne, Profite und Vermögen sind auf das Maß zu erhöhen, daß für die Finanzierung der öffentlichen Aufgaben und für die Wiederherstellung sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit notwendig ist!

Wir möchten sogar in Frage stellen, daß das Vererben außerordentlicher Vermögen überhaupt sozial gerecht sein kann. Die Tatsache, daß ein Mensch ein großes Vermögen erbt und unzählige andere nicht, widerspricht fundamental dem Grundsatz, daß von Geburt alle Menschen gleich sind! Mag jeder während seines Lebens soviel Reichtum anhäufen, wie er imstande ist – nach seinem Tode soll es wieder der ganzen Gesellschaft dienen. Dabei kann durchaus ein als „normal“ anzusehender Freibetrag festgelegt werden, der vererbt werden darf. Was darüber hinausgeht, soll aber allen Menschen zugute kommen, denn alles Vermögen war ursprünglich einmal gesellschaftlicher Reichtum!

Wir wenden uns auch gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums zur angeblichen Sanierung der öffentlichen Finanzen. Tatsächlich sind Privatisierungen von öffentlichem Verkehr, von Wasserwerken, Energieversorgung, Krankenhäusern usw. eine Enteignung der Bürgerinnen und Bürger zugunsten privater Unternehmen. Die Konzerne holen dann zu Lasten der Beschäftigten, durch erhöhte Preise oder Abbau von Leistungen die größtmöglichen Profite für ihre Eigentümer oder Aktionäre heraus. Und was ist von Demokratie noch übrig, wenn der Staat und die Gemeinden nicht mehr über ihre Einrichtungen verfügen, um demokratisch beschlossene soziale und ökologische Ziele auch umzusetzen?

Die „Rentenreform“ ist nicht Folge einer „immer älter werdenden Gesellschaft“. Wer solches behauptet, betreibt reine Propaganda. Es stimmt, daß das Verhältnis von Rentnern und Erwerbstätigen sich in Zukunft stark ändern wird. Aber schon immer mußten die Erwerbstätigen auch andere Menschen mittragen: Kinder und Jugendliche, Hausfrauen und –männer, Erwerbsunfähige und Arbeitslose. Bezieht man allein die jungen Menschen und Rentner mit ein, so kamen 1970 auf einen Erwerbstätigen ein Mensch, der mit versorgt werden mußte. Im Jahr 2050 wird sich dieses Verhältnis nur um 12% verschlechtern. Der Anstieg der Produktivität unserer Wirtschaft wird weit höher ausfallen, und dies macht die sich ändernden Verhältnisse absolut unproblematisch. Wenn eine Volkswirtschaft wächst, kann sich auch alle ihre Mitglieder immer besser versorgen, egal wie viele Menschen tatsächlich tätig sind!

Wir wenden uns gegen jegliche Privatisierung der Alterssicherung. Private Versicherungen sind erheblich teurer und leisten erheblich weniger als das Solidarsystem. Die jüngste „Rentenreform“, die zahllose Menschen in die Altersarmut treiben wird, dient allein den großen Versicherungen und Finanzkonzernen. Ihnen verschafft sie profitable neue Geschäftsbereiche und Gewinnaussichten!

Die „Gesundheitsreform“ ist nicht Folge einer „Kostenexplosion“, sondern eines Einnahmen-Zusammenbruchs. Wie soll ein solidarisches Gesundheitssystem finanziert werden, wenn durch hohe Arbeitslosigkeit und wachsenden Niedriglohnsektor immer weniger Menschen immer weniger für alle aufbringen sollen? Warum werden nicht alle Einkommensarten mit eingebunden? Warum sollten sich Freiberufler oder Beamte oder Vermögensbesitzer nicht beteiligen? Dann könnten wir ein modernes Gesundheitssystems für alle problemlos finanzieren! Stattdessen geht die herrschende Politik einen anderen Weg: Sie streicht ganze Bereiche (Zahnersatz, Brillen, Krankengeld, große Teile der alternativen Medizin!) aus dem Leistungskatalog, erhöht die Zuzahlungen und führt eine Praxisgebühr ein. Wer krank wird, ist selber schuld und soll selber mehr zahlen! Was ist daran noch solidarisch? Auch hier gibt es natürlich Gewinner – es sind die gleichen wie bei der „Rentenreform“: Die großen Versicherungen.

Ein gutes Gesundheitssystem, verbunden mit guten Arbeitsbedingungen und Arbeitszeitverkürzung, wird auch dazu führen, daß immer weniger Menschen vorzeitig in Rente gehen müssen, was wiederum dem Rentensystem zugute kommt. So verstärken sich die Wirkungen einer richtigen Politik gegenseitig, während die gegenwärtige Politik selbst überall Brandherde produziert.