20.10.2005

Kann man Erzengel beweisen?

Das Ende der materialistischen Selbstbeschränkung

Engel gehören zur Metaphysik und diese liegt außerhalb des Bereichs der Wissenschaft – so lautet das Urteil „der Wissenschaft“ spätestens, seitdem Auguste Comte 1822 den Positivismus begründete. Karl Popper führte 1934 das Kriterium der Falsifizierbarkeit als Grundbedingung einer wissen­schaft­lichen Theorie ein. Nun sind Engel keine Theorie, aber was dann? Und kann eine Theorie über das Wirken der Erzengel formuliert werden, die die Ansprüche der heutigen Wissenschaft erfüllt?


Der Vorwurf, Engel gehörten ins Reich der Phantasie, beruht zunächst auf dem materialistischen Axiom, daß es „nichts im Verstand [gibt], was nicht vorher in den Sinnen war“ (John Locke, 17. Jahrhundert). Doch dieses Urteil war selbst nicht empirisch, sondern kennzeichnete nur Lockes Mangel an Erfahrung, der ihn dazu brachte, den geistigen Empirismus gleichsam zu verbieten. Für die sogenannten Realisten der mittelalterlichen Scholastik war es selbstverständlich, daß durch den Verstand Ideen als wesenhaft erfahren werden konnten. Denn die menschliche Seele ist gegenüber zwei Welten offen – der Sinnes- und der Geisteswelt. 

Die Materialisten leugnen jedoch die geistige Welt und schaffen sich mit ihrer unbewußt bleibenden Grundannahme einen willkommenen Zirkel: Jede „Wahrnehmung der geistigen Welt“ ist reine Phantasie. Daher hat niemand eine gei­stige Welt jemals beobachtet. Daher existiert sie nicht – was zu beweisen war.

Was aber, wenn jeder Mensch das Wirken der Engel und Erzengel wahrnimmt – allerdings unbewußt? Die Genies immerhin können die Impulse der geistigen Wesenheiten schöpferisch umwandeln und zum Ausdruck bringen. Sie zeigen sich dann als empirische Tatsachen in der Geschichte.

Ein Problem aber bleibt: Mit dem „Argument“, eine bestimmte Tatsache sei die Wirkung eines Erzengels gewesen, ist nicht mehr als eine Behauptung aufgestellt. Wissenschaftlichkeit beinhaltet Theorien, die falsifizierbar sind und – Vorhersagen ermöglichen! Das war eben der Vorwurf der „jungen“ Wissenschaft des 17. Jahrhunderts gegenüber der Metaphysik: Sie sei eine „Glaubensangelegenheit“, und mit der Behauptung eines Gottes könne alles und nichts erklärt werden. Allerdings hat die Wissenschaft bis heute dabei zu stark verallgemeinert: Daß die Metaphysik lange Zeit nur vage, nicht beweis- oder widerlegbare Aussagen getroffen hat, bedeutet nicht, daß übersinnliche Tatsachen niemals einer wissenschaftlichen Überprüfung zugänglich sein könnten.

Das alte Wissen – und sein Beweis

Gerade die Gegner der Metaphysik legten sich unbewußt die Vorstellung eines willkürlich handelnden Gottes zurecht. Die allgemeine Vorstellung, Allmacht müsse eben auch Willkür beinhalten, begünstigte dies. Doch das Mittelalter kannte noch ganz andere Vorstellungen von der geistigen Welt: Die einer weit höheren Ordnung und Harmonie, als sie auf Erden jemals möglich wäre. Man wußte noch um die Wirklichkeit des Kosmos im griechischen Wortsinn.

„Ruhmreicher Kaiser! Es ist die Ansicht sehr vieler Persönlichkeiten der alten Zeit, daß diese geschaffene Welt aus dem Willen der Höchsten Intelligenz (die Gott ist) geordnet und gelenkt wird durch sekundäre Intelligenzen... unter denen durch sieben Geister, die zu den Herrscher der sieben Planeten bestellt sind... aus denen, seit dem Beginn des Himmels und der Erde, jeder 354 Jahre und 4 Monate die Welt beherrscht...“. Mit diesen Worten beginnt 1508 Johannes Trithemius (1462-1516), ein Abt des Klosters in Sponheim, einen Kaiser Maximilian gewidmeten Traktat.[1]

Es sind die Erzengel Oriphiel, Anael, Zachariel, Raphael, Samael, Gabriel und Michael, die abwechselnd die Weltgeschichte inspirieren. Trithemius selbst bezieht sich auf den Arzt und Astrologen Pietro de Abano (ca. 1250-1316), dessen Standardwerk auch diese Lehre enthielt. Abano wiederum hatte den arabischen Astrologen Ibn Ezra (ca. 1092-1164) übersetzt. Doch schon die Babylonier kannten die gleichen Wesenheiten als Planetengötter und Zeitgeister. Bei ihnen hießen sie: Ningirsu (Saturn), Inanna (Venus), Marduk (Jupiter), Nabu (Merkur), Nergal (Mars), Sin (Mond), Shamash (Sonne).

Vor wenigen Jahren nun ist der slowakische Anthroposoph Emil Pales mit seinen Forschungen an die Öffentlichkeit getreten und hat darauf hingewiesen, daß die Babylonier neben dem großen 354-Jahre-Zyklus der Zeitgeister auch einen kleinen Zyklus von 72 Jahren kannten, der einem Platonischen Weltentag entspricht.[2] Jeder Erzengel tritt in diesem Zyklus nach 504 Jahren – eine Weltenwoche – wieder die „kleine“ Herrschaft an.

Emil Pales analysierte die Lebens- bzw. Geburtsdaten bedeutender Ärzte, Historiker, Poeten und Philosophen sowie die historischen Daten politischer Instabilität (in China und Ägypten als besonders lange währende Reiche). Er konnte sich dabei insbesondere auf eine Arbeit des amerikanischen Soziologen Sorokin stützen, der mit seinem Team drei Jahrzehnte lang über 100.000 Daten dokumentierte. – Was bekam er für Ergebnisse? Stets signifikante Rhythmen von etwa 500 Jahren, und zwar zum Beispiel bei griechischen, chinesischen, arabischen Poeten zur gleichen Zeit!

Pales führte die historischen Daten mit dem Kalender der babylonischen Priester zusammen.[3] Was zeigte sich nun? Sorokin hatte unter anderem zahllose innerstaatliche Unruhen in Europa seit dem 5. Jahrhundert untersucht und dabei Ausmaß, Dauer und Intensität berücksichtigt. Er kam zu dem Schluß: „Die Kurve fluktuiert, das ist alles, was man über sie sagen kann.“ Doch ihre Maxima im 8., 13., 14. und 19. Jahrhundert lagen alle in Zeitaltern von Anael und Samael! Hier gab es im Mittel 40% mehr Unruhen – und das absolute Maximum stimmte mit einem Zusammenwirken beider Erzengel im 13. Jahrhundert überein. Pales analysierte Daten einer noch ausführlicheren Studie für China und kam zu den gleichen Ergebnissen.

Anael, der Aufrührer – Oriphiel, sein Gegenpol

Samael-Mars inspiriert Aufstände, aber warum Anael-Venus ebenso? Ist diese Wesenheit nicht die Inspiratorin der Schönheit, der Künste? Ja, auch die Künste – Dichtkunst und Malerei – blühen in den Anael-Zeitaltern. Aber dieselbe Wesenheit regiert auch das menschliche Alter der Pubertät. Dies ist die Zeit der ersten Liebe, der Ideale, der Hingabe, der Leidenschaft, der Auflehnung... Kunst, Leidenschaft und Unruhe – all dies fließt zu einem lebendigen Begriff zusammen. Hier wartet auf die „goetheanistisch-exakte Phantasie“ ein mindestens so großes Forschungsfeld wie im Bereich der Morphologie im Tier- und Pflanzenreich.

Welches Zeitalter entspricht in klassischer Weise der Pubertät? Die Romantik! Sie dauerte etwa 70 Jahre und beginnt im Grunde 1774 mit Goethes „Leiden des jungen Werther“. 1773 begann das letzte Anael-Zeitalter... Und neben einer absoluten Blüte der Kunst erlebt die Welt die Französische Revolution, aber auch die Befreiungskriege gegen Napoleon und in Südamerika, sowie ähnliche Aufstände in Irland, Polen, Rußland, Vietnam.

Das vorhergehende kleine Anael-Zeitalter im 13. Jahrhundert beginnt mit dem Minnesang eines Walter von der Vogelweide, während in Frankreich die Troubadure umherziehen, in Persien die großen Dichter Rumi und Saadi wirken und in China Mönche die Tuschemalerei zu einem Höhepunkt führen. Und das gleiche Zeitalter sieht den Ansturm der Mongolen.

Im 8. Jahrhundert wiederum blüht die chinesische und japanische Poesie (Li Tai-Po, Tu Fu, Tanka-Dichtung), Wu Daozi ist der größte Maler der Tang-Zeit, der gregorianische Choral entwickelt sich. In das noch davor liegende große Anael-Zeitalter (108-463) fällt die Begründung der Malerei, Landschaftslyrik und Kalligraphie in China und die Blüte der Liebespoesie in Indien. Zugleich gab es in China Unruhen, Hunneneinfälle, die Han-Dynastie brach zusammen; Rom führte Kriege gegen die Parther, Alamanen, Goten, Sassaniden und schließlich die Hunnen, das Reich zerfiel in zwei Teile.

Betrachten wir nun die Zeitalter des Oriphiel (Saturn-Kronos). Im einzelnen Menschenleben bestimmt Oriphiel das neunte Jahrsiebt des reifen Alters. Unter seiner Herrschaft kommen Rückblick und Überschau, Geschichtsschreibung und Astronomie zur Blüte, aber auch Tendenzen zur Vereinheit­lichung und Erstarrung.

Im Zeitalter 531-459 v.Chr. lebte der große Historiker Hekataios von Milet, in China entstehen die „Frühlings- und Herbstannalen“. Im großen Zeitalter von 246 v.Chr. bis 108 n.Chr. leben Sallust, Livius, Diodorus, Plutarch, Tacitus, der herausragende Astronom Hipparch und die großen chinesischen Historiker Sima Qian und Ban Gu. Rom wird beherrschende Macht im Mittelmeerraum, und in China vereint die Qin-Dynastie das Reich. Das folgende kleine Zeitalter (477-549) sieht die Historiker Prokopius und Cassiodor und den großen indischen Astronom Aryabatha, in das nächste (981-1053) fallen viele Chroniken, v.a. aber berühmte arabische Astronomen. Das bisher letzte (1557-1629) brachte den Durchbruch der abendländischen Astronomie (de Brahe, Galilei, Kepler), aber auch den Impuls zum Absolutismus.

Es konnten hier leider nur stichpunktartig historische Fakten angeführt werden, die in die Zeitalter des jeweils selben Erzengels fallen. Daher mag vielleicht mancher trotz allem an Zufall denken, zumal wenn man die übrigen Zeitalter und ihre Ereignisse nicht im Kopf hat. Doch die statistische Analyse der zahllosen historischen Daten führte immer zu dem Ergebnis, daß die Besonderheiten jedes Zeitalters absolut signifikant sind. Dies wird noch deutlicher werden, wenn im zweiten Teil auf die Zeitalter von Gabriel, Raphael, Michael und Samael geschaut wird und sich dann eine erste Zusammenschau ergibt.

Spezifische Metaphysik

Es ist tief beeindruckend, wie sehr die Zeitalter der verschiedenen Erzengel mit jeweils besonderen Ereignissen einhergehen. Betrachten wir im folgenden die von Gabriel, Raphael, Michael und Samael beherrschten Zeitalter.

Gabriel inspiriert unter anderem den Materialismus in seinen verschiedenen Aspekten. Um 400 v.Chr. lebt Demokrit, es entstehen die griechischen „materialistischen“ Schulen. Im ersten Jahrhundert hat China mit Wang Chung seinen großen Materialisten, Rom in Nero seinen dekadent-sinnesfreudigen Kaiser. 500 Jahre später inspiriert Gabriel den Koran (610). Um 1100 folgt der extreme Nominalismus von Roscelinus. Am Ende des letzten kleinen Gabriel-Zeitalters stehen Newton und John Locke (Sensualismus). Die schon zuvor begonnene große Gabriel-Herrschaft bringt die umfassende Beobachtung der Sinnenwelt, zahllose Entdeckungen und den modernen Materialismus.

Raphael – der „heilende“ Erzengel. Er inspiriert die Medizin, aber auch den Rationalismus. Ins 4. Jahrhundert v.Chr. fallen Hippokrates und die von ihm ausgehende Schule von Kos, aber auch die Sophisten in China. Im 2. Jahrhundert lebt Galen (und wird für über 1000 Jahre zur absoluten Autorität), in Indien Charaka, in China entstehen drei bedeutende medizinische Klassiker. 500 Jahre später wirken Paulus von Ägina als erster Chirurg, Sun Si Mao als Vater der Akupunktur, Vaghbata als Modernisierer des Ayurveda. Das große Raphael-Zeitalter (817-1170) vereint die bedeutenden arabischen Ärzte und Aristoteles-Übersetzer: Al-Kindi, Al-Razi, Avicenna – auch „Fürst der Ärzte“ genannt. Das anschließende kleine Zeitalter bis 1197 ist die Zeit der Hildegard von Bingen, der Klostermedizin, der berühmten Medizinschule von Salerno und der Begründung zweier klassischer chinesischer Lehrschulen. Im 18. Jahrhundert inspirierte Raphael die Rationalität der Aufklärung (Voltaire) und der französischen Enzyklopädisten.

Michael inspirierte im großen Zeitalter vor der Zeitenwende (600-246) eine weltweite Geistesblüte, die den Historikern schon immer auffiel. In das kleine Zeitalter um 300 n.Chr. fällt die Förderung des Mithraskultes durch Aurelian, das Erscheinen des „Sol Dominus“ (Sonne Herrscher) auf den römischen Münzen, der Tod St. Georgs und die legendäre Michael-Vision Konstantins. 500 Jahre später lebt Shankara, einer der bedeutendsten indischen Philosophen. Im nächsten kleinen Michael-Zeitalter wirken Duns Scotus und Wilhelm von Ockham im Übergang von der Hoch- zur Spätscholastik, Meister Eckart, aber auch Pietro d´Abano und seine Zeitgeisterlehre. Das letzte kleine Zeitalter ab 1845 leitete direkt über in das große Michael-Zeitalter seit 1879. Als beide zusammenfielen, begründete Rudolf Steiner die Anthroposophie und ihre umfassenden Geistesimpulse. Es folgten aber auch große Umbrüche in der Musik, Malerei oder Physik.

Ein außerordentliches Hindernis bildete das letzte kleine Samael-Zeitalter, das übrigens genau mit der Ära des „Kommunismus“ zusammenfiel. Diese 72 Jahre begannen mit dem Ersten Weltkrieg, brachten die Nazi-Zeit, den Zweiten Weltkrieg und den Kalten Krieg. Und die früheren Zeitalter Samaels? Im 7. Jahrhundert v.Chr. fallen die Assyrer in Ägypten ein. Im 2. Jahrhundert v.Chr. bekämpfen sich Hunnen und Chinesen, Rom führt den dritten Punischen Krieg, besiegt Griechenland und kämpft gegen die Cimbern und Teutonen. Im 4. Jahrhundert n.Chr. ziehen die Hunnen erobernd nach Westen und lösen die Völkerwanderung und die damit einhergehenden Kämpfe gegen die Römer aus. Im 9. Jahrhundert überfallen Slawen Konstantinopel, Aufstände in China führen zum Zusammenbruch der Tang-Dynastie, die Magyaren plündern in Europa. Das 14. Jahrhundert erlebt die große Pest-Epidemie, Bauernaufstände und Plünderungen, aber auch die Mystik (Seuse, Tauler).[4] In das große Samael-Zeitalter (1171-1525) fallen außerdem der Dritte und die folgenden Kreuzzüge, die Inquisition und die Mongolenstürme unter Dschingis Khan.

„Wäre er wirklich mit Michael verbunden...“

Die Forschungen von Pales sind eines der bahnbrechendsten Unternehmen heutiger Geisteswissenschaft. Wie oft steht man als nur ahnender Mensch hilflos vor spöttischen Fragen: „Wo sind denn deine Engel?“ Oder aber man antwortet selbstsicher: Sie sind nur durch eigene Übung innerlich erlebbar. Pales aber sagt: Wer wirklich das Seelenauge entwickelte, könnte das Wirken der Engel überall in der Welt erfahren und zahllose Beweise liefern.[5]

„Sobald man wirklich diese oder jene geistige Intelligenz innerlich erfährt, sieht man unmittelbar, wie sie sich in der ganzen Welt äußert, und man kann darauf mit dem Finger zeigen.“ Dann könne man auch an den Universitäten oder im Fernsehen über die Engelhierarchien sprechen, ohne daß dies noch belächelt werden könnte. „Ein Anthroposoph, der dem Ahriman aus dem Wege geht, ist kein Anthroposoph. Wäre er wirklich mit Michael innerlich verbunden, müßte der andere den Weg räumen und nicht umgekehrt. Läßt sich ein Anthroposoph in die Ecke drängen durch das Argument, daß es mit dem Gerede über Engel nur eine private Angelegenheit des Glaubens oder persönlicher Erfahrung sei, so läßt er sich von Ahriman Sand in die Augen streuen.“[6]

Emil Pales veröffentlichte im Jahr 2000 sein Werk „Angelologie der Geschichte“ in slowakischer Sprache. Mittlerweile erschien es in zweiter Auflage. Viele haben von seinem Buch bereits erfahren und warten auf ein Erscheinen in deutscher oder englischer Übersetzung. Wann wird sich ein Mensch für diese Aufgabe finden?

Doch selbst mit der „Kenntnis der Beweise“, selbst mit einer neuen Sicherheit oder gar mit einem rhetorischen Sieg gegenüber den Zweiflern ist der Kampf gegen den Drachen nicht gewonnen. Unter Umständen beginnt der entscheidende Kampf jetzt erst. Im Michael-Zeitalter fallen die wichtigsten und grundlegenden Entscheidungen im eigenen Inneren. Denn es stellt sich, es stellt Michael die Frage: Findest Du aus den neu entdeckten Tatsachen wirklich den Weg zu den Engelshierarchien, zu mir, zum Christus?

Die Fülle der von Pales entdeckten Zusammenhänge führt den Menschen zunächst zur Erkenntnis, daß die geistige Welt wirklich existieren muß. Schon dies allein kann begeistern! Doch den inneren Weg, sich mit dieser Welt täglich mehr zu verbinden – ein moralischer, ein Willensweg –, muß jeder Mensch selbst gehen. Bleibt er aber auf der Stufe rein intellektueller Begeisterung stehen, wird er über theoretische Schlüsse nicht hinauskommen und nur einen neuen Empirismus pflegen, ohne das Reich Ahrimans wirklich zu verlassen.

„Anthroposophie ist ein Erkenntnisweg, der das Geistige im Menschenwesen zum Geistigen im Weltenall führen möchte.“[7] Genau dies ist auch das Ziel von Emil Pales – dafür hat er seine „Angelologie“ geschrieben. Ebenso wie jedes Werk Steiners steht Pales´ Werk vor der Gefahr, als reines „Wissen“ aufgenommen zu werden. Dann aber hätte das Werk – oder vielmehr der Leser – seine Aufgabe verfehlt. Denn „Wissen“ kann zwar einen heimlichen, bewußt wie unbewußt angenehmen Hochmut nähren, anderen „etwas voraus zu haben“, doch es wäre das Gegenteil von Erkenntnis oder gar von einem zu gehenden Weg.

Gegenüber den von Pales zusammengetragenen Entdeckungen muß ein Mensch die ehrliche Frage empfinden: Was fordert ihr von mir? Dann können sie ihm eine unschätzbare Hilfe werden. Sie fordern den Menschen auf, sich auf den Weg zu machen. Dann werden sie zum lebendigen Wegweiser. Andernfalls aber trägt Ahriman den Sieg davon: Der Mensch nimmt die „Hinweise“ für das Ganze. Ihm reichen die „Beweise“ für die Engelwelt, er spürt nicht den Impuls, sich mit ihr mehr und mehr zu verbinden – oder er verfällt der Illusion, er hätte das Wesentliche schon erreicht.

Möge Emil Pales und sein Werk für viele weg-weisend im eigentlichen Sinne werden und zu einer michaelischen Verbindung von Wissenschaft, Philosophie und Religion beitragen. Die Verbindung der drei Erkenntnisformen – Empirie, Denken und offenbarte Erfahrung – war seit jeher die Hoffnung der Slawen. Sie heißt, mit Solowjew, Sophiologie, oder aber: Anthroposophie, als jeweils eigener Erkenntnisweg verstanden. Seit 1879 ist Michael der große Zeitgeist. Er hat seine Hand zum Wink erhoben und wartet.

Fußnoten


 

[2] Die Reihenfolge dieses kleinen Zyklus ist eine andere: Oriphiel, Gabriel, Raphael, Anael, Michael, Samael, Zachariel.

 

[3] Es war bekannt, daß dieser zur Zeit Nabonassars im Jahr 747 v.Chr. mit dem Sternbild des Widder eine neue Ära begonnen hatte. Da die Sonne Regent des letzten Grades im Widder (in der Rückwärtsbewegung der erste) ist, wurde Shamash-Michael der erste kleine Zeitgeist im neuen Sternbild – mitten in einem großen Gabriel-Zeitalter.

 

[4] Im 14. und 15. Jahrhundert folgen zwei Samael-Zeitalter aufeinander – aus folgendem Grund: 1413 trat die Sonne vom Widder in die Fische und damit begann ein neuer Zyklus. Das erste kleine Zeitalter unterstand jenem Geist, der in der Rückwärtsbewegung der Sonne den ersten Grad der Fische beherrscht, und dies ist wiederum Samael.

 

[5] Gemeint ist nicht, daß es nur im Oriphiel-Zeitalter große Historiker gäbe. Doch jedes Zeitalter hat andere Impulse und damit Schwerpunkte. Auch geht es nicht um feste Jahresgrenzen. Pales vertritt vielmehr die Auffassung, daß im Zuge der verschiedenen Zeitalter Tendenzen stärker werden und wieder abklingen. Hinzu kommt, daß einmal etablierte Formen sich natürlich „anachronistisch“ erhalten können, bis ein neuer Impuls greift.

 

[6] s. Anm. 1

 

[7] GA 26, S.14