14.08.2007

Zur Lösung eines immer wiederkehrenden Konflikts

Buchbesprechung: Karl-Martin Dietz: Eltern und Lehrer an der Waldorfschule – Grundzüge einer dialogischen Zusammenarbeit. Menon-Verlag, 2007.

Veröffentlicht im „Goetheanum“ vom 29.7.2007 (Nr. 35) unter dem Titel „Lösungsvorschläge“.


„Eltern und Lehrer an der Waldorfschule – Grundzüge einer dialogischen Zusammenarbeit“. Nach fünf Jahren erscheint nun eine gründlich bearbeitete Neuauflage dieser wichtigen Schrift von Karl-Martin Dietz (Hardenberg-Institut Heidelberg).

Ihr großes Verdienst ist es, Licht in eine immer wieder missverstandene Frage zu bringen, deren falsches Verständnis leidvolle Konflikte zwischen Eltern und Lehrern schürt und schon zahlreiche Waldorfschulen in innere Krisen stürzte. Die Rede ist von der über Jahrzehnte gewachsenen Ansicht, für das Geistesleben oder auch nur die pädagogischen Fragen seien allein die Lehrer verantwortlich. Indem Dietz die Worte Rudolf Steiners zusammenstellt, zeigt er, dass sie diese Ansicht nicht im geringsten stützen, dass Steiner vielmehr eine vertrauensvolle, geistige Zusammenarbeit zwischen Eltern und Lehrer anregen wollte, ja für absolut notwendig hielt.

Steiners Worte zeigen aber auch den klaren Unterschied zwischen einem freien Geistesleben und einer „verrechtlichten Beziehung“, die zum Beispiel Mitbestimmungsmöglichkeiten regelt.

Die Waldorfschule Essen hat dagegen seit ihrer Gründung (1972) ein zentrales Organ, den „Schulrat“, in dem Eltern und Lehrer sich über alle wesentlichen Fragen gemeinsam austauschen. Sein Initiator Hans Wilhelm Colsman veröffentlichte die gesammelten Erfahrungen Anfang 2006 (wenige Monate vor seinem Tod) in der Schrift „In guter Verfassung!“

Damit aber freies Geistesleben sich wirklich ereignen kann, müssen grundlegende Gesetzmäßigkeiten des Sozialen erkannt, beachtet und geübt werden. Selbstverwaltung erfordert eben Selbstschulung, wenn sie fruchtbar werden soll. Darauf zielt der Untertitel „Grundzüge einer dialogischen Zusammenarbeit“. Das Hardenberg Institut entwickelte Grundbedingungen eines wirklich ich-haften Zusammenwirkens, in dem der Logos anwesend sein und der Geist einer Schule sich lebendig entfalten kann.[1]

Dietz behandelte diese Fragen ausführlicher in seinem 2006 veröffentlichten Buch „Dialogische Schulführung an Waldorfschulen“. Dort weist er auch darauf hin, dass die Selbstverwaltung ganz konkret der Ort ist, wo ein neuer „spiritueller Individualismus“ wachsen kann.

„Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten.“ Aber gerade darum sind beiden Schriften von Dietz viele beherzte Leser innerhalb und außerhalb der Waldorfschulbewegung zu wünschen.

Fußnoten


[1] In Zusammenarbeit mit mehreren Waldorflehrern eröffnete 2006 die Pädagogische Akademie am Hardenberg Institut, die auch künftig unter anderem an diesen Fragen arbeiten wird.