07.07.2008

„Mit Füßen getreten“

Offener Brief an „das Goetheanum“

Den folgenden „offenen Brief“ schrieb ich anlässlich der Ablehnung meines Aufsatzes „Infoseiten Anti-Anthroposophie?“ bzw. der redaktionellen Stellungnahme zu diesem Thema (das auch andere Reaktionen ausgelöst hatte). Der „offene Brief“ wurde dann unter obigem Titel abgedruckt im „Goetheanum“ vom 11.7.2008 (Nr. 28).


1. Meine Kernthese ist: Ihr habt die Empörung ihrem Wesen nach überhaupt nicht verstanden bzw. könnt sie nicht nachempfinden. Genau dies zeigt Deine Stellungnahme, die die Tatsachen entschuldigt, um alles wie bisher fortzusetzen.

2. Die Formulierung „einzelne unserer Abonnenten“ (seien empört gewesen), sowie das „danke sehr“ für die Rückmeldungen, denn „es ist wichtig von den Schmerzgrenzen des anderen zu wissen“, ist ein weiterer Schlag ins Gesicht, gekleidet in eine scheinbar wohlwollend-verständnisvolle Sprache. Wieviele Reaktionen habt Ihr bekommen? Wieviele Leser haben wohl nicht reagiert, obwohl sie ebenfalls empört waren? Und was tut ihr mit den „Schmerzgrenzen“, von denen Ihr jetzt wisst? Versteht Ihr sie überhaupt? Oder nehmt ihr künftig nur äußerlich Rücksicht, ohne zu verstehen? Schon das Wort „Schmerzgrenzen“ impliziert, sie seien subjektiv! Es geht aber nicht um individuelle Schmerzgrenzen „einzelner Abonnenten“, sondern um die Essenz der Anthroposophie, die mit Füßen getreten wird.

3. „Der Info3-Verlag wirbt wie andere Unternehmen auch.“ Er hat also der Redaktion normale Werbekosten bezahlt? „Dagegen spricht grundsätzlich nichts, es sei denn, dass bspw. die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft angegriffen würde.“ Wer ist denn die Gesellschaft? Die Gesellschaft sollte die Anthroposophie vertreten, d.h. auch: verstehen und verteidigen. Dass der Artikel von Sünner gar nicht als Angriff auf die Anthroposophie erkannt wird, ist die eigentliche Tragik!

4. Kritik an den Inhalten der „Werbebeilage“ „müsste an den Info3-Verlag gerichtet werden“: Redaktionen, die jede Werbebeilage aufnehmen, „müssen“ natürlich auch jede Kritik daran abweisen... Im übrigen gilt jedoch das unter 3. Gesagte.

5. Zunächst hatte die „Goetheanum“-Redaktion wegen mancher früherer Inhalte der „infoseiten“ interveniert, dann wurde sie zur Mitarbeit eingeladen – und entschied sich „aufgrund bisheriger positiver Geschäftsbeziehungen“ für das Prinzip „Kooperation statt Konfrontation“. – Arbeitet die Redaktion bei den „infoseiten“ nun mit oder nicht (im nächsten Satz heißt es, info3 ist nach wie vor allein für die „infoseiten“ verantwortlich)? Und was beinhaltet die erwähnte „Kooperation“? Was ist mit diesem „Motto“ und dem ganzen Absatz überhaupt ausgesagt, außer einem urteilslosen Einknicken vor der Macht des Faktischen?

6. Zusammenfassend ist die Aussage: „Vielen Dank an einzelne Abonnenten für ihre subjektive „Schmerzgrenze“, es ist gut davon zu wissen. Im übrigen können wir nichts machen und setzen die positiven Geschäftsbeziehungen mit „Info3“ in bewährter Kooperation fort.“

7. Es gibt zahllose Worte Rudolf Steiners, in denen er versucht, den Verantwortungsernst und die Wahrhaftigkeit der „Anthroposophen“ bis in das Gefühl und den Willen hinein wachzurufen und erlebbar zu machen, dass ohne dies Anthroposophie weder erkannt, noch verwirklicht, sondern vielmehr gerade bekämpft wird.