Garvelmann legt nach – Glaube und Sarkasmus...

Mit einem weiteren, am 7.3.2008 von Michael Eggert unter egoisten.de veröffentlichten Brief hat Wolfgang Garvelmann auf Eggerts Bedenken zu Judith von Halle reagiert. Darin offenbart er, wieviel er von Judith von Halle und Rudolf Steiner hält – und (nicht) versteht...

Originaltext

Zu Deinen Bedenken bezüglich Judith von Halles möchte ich auch etwas zu bedenken geben, nicht wegen der Inhalte - zu denen kann ich nicht viel beitragen, weil ich noch nicht "so weit" bin, sondern um den Umgang damit. Mit allen braveren und rechtgläubigeren Anthroposophen eint Dich offenbar die Überzeugung, dass Rudolf Steiners Darstellungen, soweit sie bis jetzt überliefert sind, des Wissens letzter Schluss seien. Dass er nicht alles gesagt haben könnte, was für eine spirituelle Tatsache ausserdem noch hätte gesagt werden können, wird weitgehend verdrängt. Wie nun, wenn ein weiterer Eingeweihter dort noch ergänzen könnte, wofür die Zeit inzwischen reif geworden ist? Diese Möglichkeit muss ein "gesunder Menschenverstand" immerhin offen lassen - auch wenn er in diesem Falle ein Einweihungswissen nicht gegeben sieht.
Gerade die Behandlung des vorliegenden Themas der Lazarus-Johannes-Einweihung demonstriert das sehr schön: Alle Anthros hatten gelernt, dass sich Elias in dem Täufer reinkarniert habe. Und in seiner Letzten Ansprache am 28.9.24 (in GA 238) sagt Rudolf Steiner, er sei in Lazarus-Johannes wieder aufgelebt... Da hat dann eine fürsorgliche Herausgeberin in einem Zusatz ergänzt eine "verbürgte Mitteilung" an Dr. Noll, wie sich im Jünger Johannes von oben der Täufergeist, von unten der Lazarusgeist vereinigt haben. Wieviele "Verbürgte Mitteilungen" sind uns wohl entgangen, weil niemand nachgefragt hat? Aber wenn J.v.H. etwas hinzufügt, wird die Sache unübersichtlich - und das ist dann ein Grund für die Ablehnung.
Dabei ist gerade die spirituelle Aufgabe des Johannes oder Jochanan, wie er in Ivrith, dem modernen Hebräisch, richtig heisst, noch gar nicht in unsere Bewusstseine eingedrungen - (das sage ich jetzt). Daskalos, der zyprische Eingeweihte, hat den Jochanan geradezu als den neuen Avatar unserer Erdenkultur erlebt - und wenn wir ihm wohl ohne Schwierigkeiten folgen können, wenn wir Jochanan als den Führungsgeist des Esoterischen Christentums ansehen, dessen Inspiration wir mehr oder weniger bewusst empfangen, dann anerkennen wir, dass er im Grunde der Inspirator des ganzen zukünftigen Christentums ist, d.h. gegenwärtig schon sehr aktiv wirkt, mehr, als uns der Doktor wissen lässt. Hat er doch für die Zukunft auch noch etwas übrig lassen müssen. [...]


Im Grunde erübrigt sich hier jeder weitere Kommentar. Nur weniges sei noch zu den bisherigen Darstellungen hinzugefügt.

Von reinem Glauben...

Garvelmann kann zu den von Judith von Halle gegebenen Schilderungen „nicht viel beitragen“, weil er „noch nicht ‚so weit‘“ ist, geht dann aber sehr wohl von der für ihn offenbar sicheren Tatsache aus, dass Judith von Halle „ein weiterer Eingeweihter“ ist!

Seine Meinung von Rudolf Steiner scheint nicht die beste zu sein, denn ironisch bis sarkastisch bemerkt er, dass es mehr gibt, „als uns der Doktor wissen lässt. Hat er doch für die Zukunft auch noch etwas übrig lassen müssen.“ Natürlich lässt er sich zu dieser Wortwahl vor allem deshalb hinreißen, weil er aufgebracht gegen die „braveren und rechtgläubigeren“ Anthroposophen kämpft, die Judith von Halle nicht als „weitere Eingeweihte“ anerkennen wollen... Dennoch offenbart seine Wortwahl einfach sehr, sehr viel.

Da Garvelmann die Bedenken gegen Judith von Halle nicht begreifen kann, gleichzeitig aber zu den von ihr geschilderten „Inhalten“ nichts sagen kann, liegt ein reiner Glaube an ihre Schilderungen vor. Die Bedenken gegen Judith von Halle liegen aber keineswegs darin, dass generell bestritten würde, dass nicht auch ein Mensch nach Rudolf Steiner ein Eingeweihter sein könnte (auch wenn einige Anthroposophen dies tun), sondern in vielen anderen Tatsachen, die alle beweisen, dass Judith von Halles „Erkenntnisse“ mit Geisteswissenschaft nicht das Geringste zu tun haben. Damit bleibt tatsächlich nur der Glaube...

...und gesundem Denken

Ein gesundes Denken jedoch wird beim Studium von Judith von Halles Schilderungen sehr wohl seine Erfahrungen machen. Selbst wenn es nicht in der Lage sein sollte, differenziertere Urteile über die sehr zweifelhafte Qualität ihrer Schilderungen zu bilden, wird es zumindest erkennen, wie diese durch einen Abgrund von allem getrennt sind, was und wie Rudolf Steiner schilderte.

Dass Garvelmann Rudolf Steiner ausgerechnet hinsichtlich Johannes und seine führende Aufgabe in Bezug auf das esoterische Christentum geradezu vorwirft, nicht genug gesagt zu haben (während Judith von Halle oder auch Daskalos aus Zypern uns angeblich erst „aufklären“), ist ein unglaublicher Hohn. Man lese einmal alles, was Rudolf Steiner über Johannes gesagt hat – z.B. am 2.5.1912 (GA 133, S. 93ff) oder am 8.5.1912 (GA 143, S. 178ff) – oder allein nur die Zusammenfassung von Hella Wiesberger in GA 265 (S. 423-436).

Es ist schlicht unglaublich und erschütternd, wie einige Angaben einer Judith von Halle dazu führen, dass diese als zweite ebenbürtige Eingeweihte neben dem großen Eingeweihten des Michael-Zeitalters dasteht – und alles nur, weil jede Unterscheidungsfähigkeit verlorengegangen ist! Diese Erschütterung beruht nicht etwa auf „dogmatischer Rechtgläubigkeit an den Doktor“, wie Garvelmann glauben machen will, sondern auf klarer Urteilsfähigkeit und Unterscheidungskraft, die er selbst, der sich nur auf seinen Glauben berufen kann (zu den Inhalten kann er wie erwähnt „nicht viel beitragen“), überhaupt nicht hat. Leider gilt dann aber auch hier, dass es sinnlos ist, mit Blinden über Farben zu reden...

Wer an Judith von Halle glauben mag, soll dies weiterhin tun, er möge aber aufhören, all jene zu beschimpfen, die den abgrundtiefen Unterschied zu Rudolf Steiner und zur Geisteswissenschaft überhaupt erkennen.