14.05.2009

Vom Engagement in der Waldorfschule

veröffentlicht als einleitende Worte in der "Mittenmang", Schulzeitung der Waldorfschule Berlin-Mitte, Johanni 2009.


Liebe Eltern,


bis zu 13 Jahre lang vertrauen wir unsere Kinder dieser Schule an – Waldorfschule Berlin-Mitte. Und ihren Lehrerinnen und Lehrern. Aber diese Lehrer brauchen unsere Hilfe. Diese Schule war, ist und wird immer das, was wir aus ihr machen. Das ist eigentlich der wichtigste Satz, den sich jeder von uns klarmachen muss.

Dass eine Waldorfschule ohne Engagement nicht möglich ist, erfährt man schon bei den ersten Elternabenden – aber ist es schon damit getan, wenn man als Klasse bei den Jahresfesten sein „Amt“ erfüllt und in einige Kreise erfolgreich Eltern entsandt hat? Diese Frage kann sich jeder nur selber beantworten – im Hinblick auf jenen wichtigsten Satz von eben und im Hinblick auf jene 13 Jahre, in denen unsere Kinder eben Kinder sind und zu erwachsenen Menschen heranwachsen. 13 Jahre, die nie wiederkehren, die einmalig sind – so wie jeder Einzelne dieser jungen Menschen.

13 Jahre voller Möglichkeiten des Gestaltens, des Zusammenlebens, der (fast) unbegrenzten Möglichkeiten. Der gute Wille einer engagierten Gemeinschaft kann Berge versetzen. Der Glaube jedoch, dass es andere schon tun werden, lässt die Berge des Nicht-Getanen in unbeweglicher Starre verharren.

Wozu eine Schulzeitung?

Ein erster Aufruf an Eure Kreativität und Begeisterung gilt dieser Schulzeitung. Wer auch immer sie als Organ des Schullebens und -geschehens schätzt, fühle sich aufgerufen, von Zeit zu Zeit etwas beizutragen. Mir als Redakteur tut es immer leid zu sehen, wie an der Schule vieles Schöne stattfindet (Klassenspiele, Präsentationen, Praktika und vieles, vieles andere) und sich dann immer wieder niemand findet, der dies hautnah miterlebt hat, begeistert war und das Erlebte dann auch für die Schulgemeinschaft festhalten will.

Die „Mittenmang“ soll keine Chronik sein. Aber wir wissen alle, dass es unmöglich ist, alles selbst wahrzunehmen. Und deshalb wäre es wunderbar, wenn man als Einzelner, aber auch als Schulgemeinschaft im nachhinein an manchem Schönen doch noch irgendwie Anteil nehmen könnte. Und der individuelle Blick eines Einzelnen, der ein solches Ereignis und seine Erlebnisse dabei schildert, ist dann nochmals bereichernd, denn auch das ist ein Wert an sich.

Geht es nicht überall darum, dass wir Schönes und weniger Schönes miteinander teilen, einander mitteilen – dass wir nicht ständig aneinander vorbeileben? Keiner hat Zeit für nichts – so darf es doch an einer Waldorfschule nicht sein? Und das fängt eben auch da an, wo man sich auf die Höhepunkte des Schullebens noch einmal besinnt und sie und seine eigenen Erlebnisse festhält, um die Anderen daran Anteil haben zu lassen. Dann ist das Klassenspiel nämlich nicht nach zwei Abenden schon wieder Vergangenheit, sondern dann wird es durch einen einzelnen Menschen und die ganze Gemeinschaft nochmals in anderer Form und „in Ruhe“ wunderbar gewürdigt.

Manche Menschen denken, sie könnten nicht schreiben, aber das stimmt nicht. Also: Habt Mut und helft mit, dass das, was an unserer Schule alles an Schönem geschieht, sich immer mehr zu einer wirklichen Kultur des Schönen, des Feierns, der Wertschätzung und der Freude werden kann!

Immer am Bettelstab?

Damit eine Schule existieren kann, braucht es auch Geld. Und alles, was mit Geld zu tun hat, braucht Bewusstsein, damit es nicht auf die schiefe Bahn gerät. Auch hier ist echtes Engagement nötig. Das Schulgeld ist nicht etwa einfach nur eine Bezahlung für eine Dienstleistung – sondern es ist die grundlegende Finanzierung dessen, was unsere Schule ausmacht. Und auch hier gilt: Diese Schule ist das, was wir aus ihr machen...

Die Lehrer engagieren sich Tag für Tag in einem Umfang, der oftmals weit über dem liegt, was an der Staatsschule geleistet wird. Und sie erhalten zum Leben dennoch deutlich weniger!

Es gibt Kollegen, die können von ihrem Gehalt eigentlich nicht leben – und andere können es nur, weil sie mehr als ein volles Deputat haben. Dies sind eigentlich unhaltbare Zustände, und es ist wichtig, dass die Eltern als reale Träger der Schule dies zur Kenntnis nehmen! Es ist nämlich nicht so, dass die Schule einfach „läuft“ – es ist im Schulgeschehen nicht so, und bei den Finanzen eben auch nicht. Auch hier braucht es viel Bewusstsein und Engagement.

Der einheitliche Schulbeitrag wurde eingeführt, um die Finanzen sicherer zu machen. Vorher hatten mehrere Elternhäuser bei der freiwilligen Angabe ihres Einkommens falsche Angaben gemacht. Wie kann das sein? Und nach wie vor gibt es Eltern, die das Schulgeld nicht zahlen und nicht einmal auf Schreiben der Schule reagieren. Muss es denn wirklich soweit kommen, dass man in solchen Fällen – wie es andere Waldorfschulen tun! – die Anwälte einschaltet?

Ich will aber eigentlich auf das Gegenteil hinaus: Die Frage ist eigentlich brennend, wie die finanzielle Basis, die die Schule zur Verfügung hat, stärker gemacht werden kann. Wer die finanziellen Möglichkeiten hat, möge doch über den Regelbeitrag hinaus als Spende geben, was ihm seine eigene Finanzlage ermöglicht! Und darüber hinaus müsste die gesamte Schulgemeinschaft Wege suchen, die Lebensgrundlage unserer Lehrer besser zu sichern.

Welche Gruppe von Eltern möchte vielleicht regelmäßig den Berliner Bildungspolitikern auf die Füße treten? Welche Eltern möchten Kontakte zur Wirtschaft knüpfen und verdeutlichen, dass diese Pädagogik, die Kreativität und Selbstständigkeit fördert, unterstützt werden muss? All dieses Engagement, das sich in diesem Fall nach außen richtet, ist ebenfalls absolut notwendig!

Es ist nie zu viel

Es gibt eigentlich nie zu viel Engagement – es sei denn, man verliert die eigentliche Frage aus den Augen: Die Jahre unserer Kinder, die Frage unserer Kinder an uns...

Eine Schule kann an ihren Alltags- und Nicht-Alltags-Problemen ersticken – oder sie kann eine strahlende Schule sein bzw. werden, die eine wunderbare Kultur entwickelt, aber dies hat Bedingungen. Kultur hat Lebensbedingungen – sie braucht Zeit, Bewusstsein, Freude, Engagement, guten Willen, und das nicht nur einmal, sondern als Lebenseinstellung.

Bei allen Untersuchungen, die herausfinden sollen, was eine „gute“ Schule ausmacht, wird man immer wieder auf diesen entscheidenden Faktor kommen. Wichtig ist nicht so sehr, was eine Schule macht – welchen Lehrplan sie verfolgt usw. –, sondern das Wichtigste ist immer die innere Einstellung der beteiligten Menschen, der Lehrer, der Eltern.

In diesem Sinne wünsche ich uns: Betrachten wir unsere Schule nicht als „Selbstläufer“, sondern kümmern wir uns um sie. Versuchen wir, das Ganze im Blick zu haben! Stellen wir Fragen, wenn wir etwas nicht verstehen. Tauchen wir ein in diese oder jene Bereiche des Schulgeschehens. Begeistern wir uns für die Möglichkeiten des Engagements, interessieren wir uns für die Notwendigkeiten, werden wir aktiv, wo wir es vermögen – und lassen wir unsere Schule zu dem werden, was wir uns vorstellen als Ort für unsere Kinder und jene einmaligen Jahre, in denen sie erwachsen werden!