06.06.2009

Eggerts Unverständnis oder: Die Scheidung der Geister an Mieke Mosmuller

In seinem Aufsatz „Der lebendige (wahre, tolle, ewige) Rudolf Steiner“ zeigt auch Michael Eggert nun sehr klar, wo er steht – in seiner Sprache, im Empfinden und im Verständnis eines aus geistigen Erfahrungen heraus geschriebenen Buches. Eine Erwiderung.


Inhalt
Originaltext (Michael Eggert)
Bezeichnende Reaktionen
Das Rätsel des „reinen Denkens“Der verlorene Pfad der Devotion
Im Gespräch bleiben – Gegner unter sich
Der lebendige Rudolf Steiner – abgelehnt......überlesen und missachtet
Eine zweifache Unfähigkeit


Originaltext (Michael Eggert)

In seinem Aufsatz „Der lebendige (wahre, tolle, ewige) Rudolf Steiner“ vom 4.6.2009 schreibt Eggert:

Mieke Mosmuller hat ihre eigene Art, Denkmäler zu bauen. In „Der lebendige Rudolf Steiner“ baut sie eines für Rudolf Steiner. Man sollte meinen, davon seien in den letzten 100 Jahren genügend erschienen. Aber dies ist nun halt das vorerst ultimative, denn die Erkenntnisse Mieke Mosmullers basieren auf dem „reinen Denken“. Sie erklärt in dem Buch nicht genau, worum es sich dabei handelt. Es handelt sich aber offenbar um eine ganz bestimmte meditative Qualität, die sie um die gefühlten 50 Mal erwähnt, stets mit dem Anspruch einer gewissen geistigen Objektivität. Nach eigenem Bekennen hat Frau Mosmuller „1983 mit dem Lesen der Bücher und Vorträge Rudolf Steiners angefangen“, 1987 dann „überkam mich das erste Mal die Erfahrung des reinen Denkens“.
Überkam?

Ich selbst benutze den Begriff auch – in dem Sinn, dass damit die meditative Erfahrung schlechthin angesprochen wird. Es sind Evidenzerlebnisse dabei möglich, eine automatisierte Objektivität verbinde ich damit nicht. Frau Mosmuller versteht ihre Erfahrungen als derart essentiell, dass damit eine ganz neue, umfassende Annäherung an Rudolf Steiner selbst möglich wird. Heraus kommt allerdings eine keineswegs originelle Arbeit mit neuen Einsichten, sondern eine Devotionalie, die manche der zahllosen Vorgänger locker in den Schatten stellt.

Mosmuller beginnt mit dem Referieren gängiger Vorurteile gegen Steiner. Dem stellt sie ein anderes, „erwärmtes“ Lesen der Arbeiten Steiners gegenüber. Sie grenzt sich gegenüber Anthroposophen ab, die Steiner blind verehren, aber vor allem auch gegen solche, die Teilaspekte aus seinem Werk heraus gliedern, um etwa die christlichen Aspekte seines Werks zu leugnen. Auch kritische „Spötter“ unter den Anthroposophen finden nicht ihre Zustimmung. Selbst ernannte „neue Eingeweihte“ wie Judith von Halle sieht Mosmuller mit grosser Skepsis. Ihre „Begeisterung“ für den „einzigartigen“ Rudolf Steiner wird von keiner der genannten Strömungen adäquat geteilt. Mosmuller bemüht sich, mit ausführlichen Zitaten die Grösse des „eingeweihten“ Steiners zu beweisen und kommt von nun an, in sich steigerndem Furor, immer wieder auf die genannten Gruppierungen innerhalb der Anthroposophie zurück. Insbesondere die Gruppe um die Info3- Redaktion wird namentlich genannt. Dass der alberne Herr Gronbach seine Erleuchtungen auch vor dem Computerbildschirm erfährt, erwähnt Mosmuller immer wieder. Dabei bleibt es aber nicht. Auch die anthroposophische Gesellschaft an sich, schreibt Mosmuller, sei „seit 1925 eine Mumie“. „Anthroposophie“ sei seitdem zu einem „Ungeheuer“ geworden, das lediglich „wie Gift wirkt“ – ein „Nichts“, das erfüllt sei „mit Ahriman und Vernichtung seines Erzfeindes: Rudolf Steiner“.

Abschnittweise, sprunghaft und äußerst subjektiv geht Mosmuller durch die Lebens- und Schaffensperioden Steiners durch. Die bekannten Konflikte zu seinen Lebzeiten nehmen breiten Raum ein. Es soll bewiesen werden: Eine innere Opposition hat sich schon zu Lebzeiten Steiners positioniert und ist sofort nach seinem Tod vollends zutage getreten. Das ist natürlich völlig offensichtlich und benötigt keine 50 Seiten Anlauf. Natürlich – so Mosmuller- habe sich Rudolf Steiner nicht karmisch mit der Anthroposophischen Gesellschaft verbunden. Im Grunde sei in ihr von ihm keine einzige Spur mehr zu finden.

Um dieses Manko zu beheben, setzt sie dem ihre „Beziehung zum lebendigen Rudolf Steiner“ entgegen. Diese sei nur durch das „reine Denken“ zu finden, das damit implizit über jeden Zweifel erhaben sei: „Da gibt es keinen Zweifel mehr, da gibt es reines Denken“. Dies obwohl sie zwei Seiten später (S. 127) selbst zugibt: Das reine Denken habe „noch nicht die Möglichkeit, rein Geistiges außerhalb seiner selbst zu erkennen“. Es müsse erst durch eine „Ohnmacht“ hindurch gehen. Der Individualität Steiners will sie sich aber dennoch jetzt annähern, indem sie lange Zitate von Aristoteles, Thomas von Aquin und Steiner aneinander reiht. Das hätte eine schöne Arbeit werden können, wenn sie nicht von vornherein die Absicht gehabt hätte, mittels gewisser Übereinstimmungen eine Karma- Reihe dieser Entelechie „zu beweisen“ oder dem Leser eben zu suggerieren. Die ganze dünne Essenz dieser verkrampften, uninspirierten Bemühungen ist die Erkenntnis, dass wir heute, wenn wir „über ihn denken wollen, (..) ihn noch viel größer zu sehen wagen (müssen), als er als Rudolf Steiner war. Denn er ist nicht mehr „Rudolf Steiner“, kein Mann, keine Frau. Er ist das Wesen, das die menschliche Intelligenz retten muss, sie für die Götter erhalten muss.“ (S. 163)

Es ist erstaunlich, dass ein Buch wie dieses, das die menschliche Intelligenz zu retten sich kämpferisch anhebt, das sich prallvoll von „reinem Denken“ als Prinzip und Methode gibt, derart konventionelles, völlig uninspirierendes Wortgestrüpp produziert, das allenfalls dazu taugt, Heiligenbildchen wie in Lourdes zu prägen und eine trunkene Anhängerschaft zu schaffen. In mancher Hinsicht hat die Frau ja recht. Es finden sich in manchen ihrer Diagnosen, auch in der (bei ihr lediglich behaupteten) Kraft des reinen Denkens, die ich ihr nicht absprechen möchte, interessante Ansätze. Aber ihre mangelnde Systematik, ihr Furor, ihre blossen Behauptungen und die Tatsache, dass sie vollkommen gängige, konventionelle Einstellungen zu Rudolf Steiner, die etwa die Hälfte aller Anthroposophen durchaus kennen und oft auch teilen, zu einmaligen, neu geschöpften Erkenntnissen aufbläst, schaffen ein seltsam irreales, altbackenes und devotes Büchlein, das keinen frischen Wind aufkommen lässt, sondern eine bleierne Müdigkeit hinterlässt.

Falls nun Herr Niederhausen und die anderen Anhänger von Frau Mosmuller mich als satanischen Kritiker einstufen sollten, auf einer Stufe mit den Herren Hau, Gronbach und Heisterkamp, muss ich das wohl hinnehmen. Überflüssig ist das Buch trotzdem.

Bezeichnende Reaktionen

Man kann nur sagen: Die Geister scheiden sich.

Es ist erstaunlich, wie sehr sie sich an Mieke Mosmuller und ihren Werken scheiden. Nein, erstaunlich ist es eigentlich nicht, denn wo jemand die Anthroposophie und Rudolf Steiner so tief ernst nimmt wie diese Anthroposophin, da müssen sich die Geister scheiden – etwas anderes ist gar nicht möglich.

Bemerkenswert ist es dennoch, welche Reaktionen ihre Werke hervorrufen. Nun, nachdem gerade ein neues Buch (über die Waldorfpädagogik) von ihr erschienen ist, fühlt sich Michael Eggert auf seinem Blog „Egoisten“ noch bemüßigt, zu ihrem vor einem Jahr erschienenen Buch „Der lebendige Rudolf Steiner“ Stellung zu nehmen. Die Art, wie er das tut, ist erstaunlich: Voller Ironie, ja Spott und Sarkasmus. Mit anderen Worten: Er ist nicht nur blind für das Wesen dieses Buches, er muss es bekämpfen.

Es gibt viele Menschen, die das Außergewöhnliche der Annäherung dieses Buches an das Wesen der Anthroposophie und das Wesen Rudolf Steiners erleben. Trotz allem fühlen sich auch von diesen nicht wenige durch die Radikalität der Autorin irritiert. Sie können sich dann nicht von dem Dogma lösen, Rudolf Steiner habe sich für immer mit „der Gesellschaft“ verbunden – und dennoch können auch diese Menschen das Besondere dieses Buches erleben. Wenn man es nicht kann, gehört dies eben auch zur Scheidung der Geister. Mit Blinden kann man nicht über Farben reden.

Eggert sieht voraus, ich würde bzw. könnte ihn nach seinem Aufsatz „als satanischen Kritiker einstufen“ und auf eine Stufe mit Gronbach usw. stellen... Man könnte das tun, aber die Dinge sollen doch möglichst für sich sprechen. Die von Spott durchtränkte Sprache Eggerts ist auf jeden Fall eine solche, die man mit Rudolf Steiner als ahrimanisch bezeichnen muss.

Das Rätsel des „reinen Denkens“

Eggert beginnt mit einem Bezug auf das „reine Denken“, auf das Mieke Mosmuller hinweist. Sein Problem ist, dass er weder dessen Wesen versteht, noch es überhaupt anerkennen kann. Was auf dem Weg des reinen Denkens erlebt werden kann – bis wohin dieser Weg führen kann –, beschreibt die Autorin in ihrem Buch „Der Heilige Gral“ (2007).

In seiner Besprechung dieses Buches schreibt Eggert zwar: „Natürlich geht Mieke Mosmuller auf Rudolf Steiner ein – der Kern ihrer Darstellungen besteht aber aus eigenen, authentischen und für den Leser nachvollziehbaren Schritten.“ Dennoch nimmt er die dort zu findenden, erschütternden Schilderungen wie eine beliebige Beschreibung zur Kenntnis, gibt zwar gewisse Einzelheiten abstrakt zusammenfassend wieder – es berührt ihn aber nicht weiter, und letztlich schwingt er sich zu einem recht negativen Urteil u.a. über den zweiten Teil des Buches auf. Was soll man von solcher Blindheit und Unwahrhaftigkeit halten?

Wenn mit höchsten Wahrheiten und tiefgreifendsten Erlebnissen so umgegangen wird, muss man sich nicht wundern, wenn man als Gegner der wahren Anthroposophie bezeichnet wird. Eggert ist auf diese Weise im Grunde nicht mehr ernst zu nehmen. Dass ich ihn bzw. seinen Aufsatz dennoch sehr ernst nehme, liegt daran, dass er sich eben als Gegner der Anthroposophie erweist und ich seine schlimmen Auslassungen nicht unerwidert lassen will.

Wenn mir gewisse Menschen Humorlosigkeit und Fanatismus vorwerfen, kann ich daran auch nichts ändern. Die Frage ist eben, wie ernst man die Anthroposophie nimmt – und ob man sich ihrer Verspottung und Verwässerung entgegenstellt oder nicht. Ein Beispiel für den eben angedeuteten Vorwurf liefert ein gewisser Rainer, der in seinem Kommentar zu Michael Eggerts Aufsatz schreibt:

„Lieber Don Michele, danke für den schönen Artikel. Ich habe des öfteren in der Anthroszene die Erfahrung gemacht, dass man das "reine Denken" (oder auch "lebendes Denken") oder das "Ich" im Grunde mit einer ähnlichen Haltung suchen (schaffen, erzeugen) will, die man, streng genommen, eigentlich "Glauben" nennen muß; das ist, m.E. ziemlich verbreitet und führt letzten Endes im schlimmsten Fall zu der verkrampften, fanatischen und humorlosen Rechthaberei a la Niederhausen. Eine entsprechende Kritik aus dieser Ecke ist darum eigentlich eine Auszeichnung.“


Dieser Kommentator versteht das reine Denken offenbar noch weniger als Eggert, der es bereits nicht versteht. Was Mieke Mosmuller mit „reinem Denken“ meint, beschreibt sie in ihrem neuen Buch „Eine Klasse voller Engel. Über die Erziehungskunst“ nochmals sehr ausführlich (S. 83ff). Jeder, dem es um ein wirkliches Verstehen dieses für Rudolf Steiner und für das Verständnis der Anthroposophie so zentralen Begriffes geht, sollte diese Stelle einmal lesen.

Der verlorene Pfad der Devotion

Es ist bezeichnend, dass Gegner der Anthroposophie von der Art Michael Eggerts nicht unterscheiden können zwischen einer blinden, dogmatischen Verehrung des „Doktors“ und einer sehenden – weil selbst den Schulungsweg gehenden – Verehrung für den „Meister des Abendlandes“.

Es ist klar, dass dem heutigen Menschen die „Verehrung“ völlig fremd ist – doch der Anthroposoph kann auch wissen, woran das liegt... Es ist nun ebenso klar, dass ohne eine solche wirkliche, tiefe Verehrung der Weg der Anthroposophie nicht möglich ist.

Eine gewisse Grundstimmung der Seele muß den Anfang bilden. Der Geheimforscher nennt diese Grundstimmung den Pfad der Verehrung, der Devotion gegenüber der Wahrheit und Erkenntnis. Nur wer diese Grundstimmung hat, kann Geheimschüler werden. [...] Der Eingeweihte hat sich nur dadurch die Kraft errungen, sein Haupt zu den Höhen der Erkenntnis zu erheben, daß er sein Herz in die Tiefen der Ehrfurcht, der Devotion geführt hat. [...] Wer eine solche Vorbereitung nicht mitbringt, dem erwachsen schon auf der ersten Stufe des Erkenntnispfades Schwierigkeiten, wenn er nicht durch Selbsterziehung die devotionelle Stimmung energisch in sich zu erzeugen unternimmt.
Rudolf Steiner, „Wie erlangt man...“, S. 19ff.


Michael Eggert kennt diese Stimmung nicht – er mag anderes behaupten; wer aber diese Stimmung wirklich kennt, der kann unter keinen Umständen (auch nicht, wenn er etwas vollkommen ablehnen muss) zu einer solchen sarkastischen Sprache greifen, wie Eggert es tut.

Ohne einen solchen Untergrund aber kommt man in der Erkenntnis der Anthroposophie nicht weiter – kann man auch in Bezug auf den Erkenntnisweg einer Mieke Mosmuller nur zu völligen Fehlurteilen kommen.

Eggerts Sätze sind dann reine Hohlformeln, die er selbst niemals zu füllen in der Lage ist:

„Aber Anthroposophie neu zu denken, ohne ihren Kern zu verraten, wird in naher Zukunft in Ermangelung tragfähiger Konzepte sicherlich weiterhin eine Herausforderung sein.“
23.5.2009, „Durchgangsstation“

Im Gespräch bleiben – Gegner unter sich

Bezeichnend ist ferner, dass Eggert mir schon gleich nach unserem sehr bald fruchtlos beendeten Austausch vorwarf, ich würde zur „Fragmentarisierung“ der anthroposophischen Bewegung beitragen, während er umgekehrt gleichsam reflexartig Mieke Mosmuller bekämpft und voller Sarkasmus kritisiert. Bezeichnend vor allem deshalb, weil er weiterhin an den Sinn eines Dialogs mit Gronbach, Hau & Co. glaubt, mit deren Gedanken er nicht auf eine Stufe gestellt werden will, aber zu denen er auch den Kontakt nicht abbrechen will, obwohl er darin überhaupt keinerlei Anthroposophie sieht...

So antwortet er jenem Robert z.B. am 25.5. in demselben Blog:

Das Erleuchtungskonzept Gronbachs ist in meinen Augen reaktionär, weil es darin um ein Negieren des Ichs, der Persönlichkeit des Individuums, um eine Negierung der Entelechie, um eine Ablehnung realer geistiger Begegnung usw geht. In das entrückte Ich, das sich in einer All-Einheit auflöst, zieht die Erleuchtung quasi ein. Der neue Schritt Steiners war gerade der, dass man das unter Einbezug der Persönlichkeit macht, dass man versteht und sehr kritisch beäugt, was man in so einer Situation für Begegnungen erlebt. Das Denken wird mit Willen erfüllt, aber nicht beiseite geschoben. Die Erleuchtung Gronbachs ist eben das, was Steiner bei Blavatsky schildert. Keine Spiritualisierung des Denkens, sondern eine reale Erfahrung, deren Quellen im Dunkeln bleiben, weil es keine Instanz mehr gibt, die diese Erfahrung wach und aufmerksam auch bewerten kann. [...] Die Propaganda Gronbachs behauptet, das sei eine moderne neo- anthroposophische Bewegung. Für mich ist es der alte luziferische Mist, der zwar beeindruckt, aber auch arg illusionär und selbstbespiegelnd ist.


Und dennoch ist es Eggert wichtig, mit solchen Gegnern wie Felix Hau im Gespräch zu bleiben:

Lieber Michael, [...] Mich pisst - wie du weißt - auch so einiges an, was sich "anthroposophisch" nennt. Die Frage, welche Interpretation von Anthroposophie und Steiner die "wahre" ist, darfst du allerdings gerne mit Holger, dem Verfolger diskutieren - ich halte sie für albern.
Interessanter ist schon, welche Interpretation von Anthroposophie Interesse weckt und zukunftsfähig ist und welche nicht ... Das wird dann wohl "die Zukunft" entscheiden. [...]
Herzlich, Felix

Lieber Felix, Naja. Um Reinhalten und wahre Lehre geht es doch gar nicht. Und hysterisch wie Niederhausen bin ich schon gar nicht. Ich habe oft genug gesagt, dass man diese 50-Cent-Erleuchtung seit Ewigkeiten an jeder Ecke bekommt, sagen wir nur mal Gurdjeff, Osho, TM, was Du willst. Das als die Zukunft von Anthroposophie großmäulig zu verkaufen, ist lediglich lächerlich und absurd. Das ist einfach ein zu alter und abgelegter Stiefel. Die ganze Sache wird sich an chronischer Langeweile totlaufen, vielleicht bildet sich eine kleine Szene, die das goutiert. Ne, das halte ich nun wirklich nicht für die Lösung der Probleme der AG.
Herzlich, Michael


Felix Hau hält also die Frage nach der wahren Anthroposophie für albern. Die Zukunft entscheidet sich daran, welche „Interpretation“ von Anthroposophie interessant genug sein wird...

Michael Eggert erwidert Hau, er sei nicht so „hysterisch wie Niederhausen“. Er erklärt Hau einfach abgeklärt, der Irrtum um Gronbach werde sich „an chronischer Langeweile totlaufen“. Zunächst erkennt Eggert also nicht den Unterschied zwischen wahrem Ernst und Hysterie. Er hält mich für „hysterisch“, bloß weil ich die Gegner der Anthroposophie ernst nehme, während er seine eigene ehrfurchtslose Abgeklärtheit für das Richtige hält! Eggerts Abgeklärtheit enthält gleichzeitig die naive Vorstellung, Gronbachs „Mission“ werde sich an Langeweile totlaufen – und übersieht, dass Gronbachs Verkündung zweifellos faszinierend und interessant ist, was Hau ja auch gerade vorher betont hatte.

Bezeichnend ist also, dass Eggert mit den Anhängern einer „Erleuchtung“, die als Zukunft von Anthroposophie zu verkaufen er als „lächerlich und absurd“ bezeichnet, den Kontakt pflegt, während er Mieke Mosmuller und ihre Bücher ins Lächerliche zieht – offenbar, weil sie den Kontakt mit ihm als sinnlos bezeichnen würde...

Der lebendige Rudolf Steiner – abgelehnt...

Mieke Mosmullers Buch „Der lebendige Rudolf Steiner“ wird von Eggert als „keineswegs originell“ bezeichnend, vielmehr als „Devotionalie“. Nun – es ist sehr verständlich, dass ein Mensch, der die Devotion nicht kennt, sondern ablehnt, ein Buch, das auf wahrer Ehrfurcht basiert, so bezeichnen muss. Eggerts Gesinnung erweist sich ja bereits an der Überschrift seines Artikels: Offenbar ist ihm schon der Titel des Buches „Der lebendige Rudolf Steiner“ ein Dorn im Auge. So muss er ihn – und Rudolf Steiner selbst (das muss man erleben können!) – ins Lächerliche ziehen, indem er titelt: „Der lebendige (wahre, tolle, ewige) Rudolf Steiner“...

Während Gronbach die Rückkehr der Gurus propagiert (weil er offenbar sich selbst zunehmend als einen spirituellen Lehrer empfindet), darf es für Eggert einen Rudolf Steiner, der ein in seiner Einweihung alle Mitmenschen weit überragender Meister war, nicht geben. Selbst das Zeugnis all jener Menschen, die Zeitgenossen von Rudolf Steiner gewesen waren, zählt für ihn nichts. Selbst die unmittelbaren Erfahrungen, die Mieke Mosmuller in „Der Heilige Gral“ beschreibt, weil sie den von Rudolf Steiner gewiesenen Weg weit gegangen ist, bedeuten ihm nichts.

Es kann nicht sein, was nicht sein darf – das moderne Bewusstsein duldet nichts über sich, auch wenn es dies so vielleicht nie zugeben würde... Vielleicht ist der eine weiter als der andere, aber so weit, wie versteinerte Steiner-Anhänger Steiner darstellen, kann dieser gar nicht gewesen sein... Und so hat man sich wieder eine perfekte Selbstimmunisierung gebastelt: Wer Steiner höher stellt, als das eigene (Eggerts) Urteil reicht, der verfasst überflüssige Devotionalien...

Betrachten wir zum Schluss nur noch einen einzigen Absatz aus Eggerts Auslassungen:

„Es ist erstaunlich, dass ein Buch wie dieses, das die menschliche Intelligenz zu retten sich kämpferisch anhebt, das sich prallvoll von „reinem Denken“ als Prinzip und Methode gibt, derart konventionelles, völlig uninspirierendes Wortgestrüpp produziert, das allenfalls dazu taugt, Heiligenbildchen wie in Lourdes zu prägen und eine trunkene Anhängerschaft zu schaffen. In mancher Hinsicht hat die Frau ja recht. Es finden sich in manchen ihrer Diagnosen, auch in der (bei ihr lediglich behaupteten) Kraft des reinen Denkens, die ich ihr nicht absprechen möchte, interessante Ansätze. Aber ihre mangelnde Systematik, ihr Furor, ihre blossen Behauptungen und die Tatsache, dass sie vollkommen gängige, konventionelle Einstellungen zu Rudolf Steiner, die etwa die Hälfte aller Anthroposophen durchaus kennen und oft auch teilen, zu einmaligen, neu geschöpften Erkenntnissen aufbläst, schaffen ein seltsam irreales, altbackenes und devotes Büchlein, das keinen frischen Wind aufkommen lässt, sondern eine bleierne Müdigkeit hinterlässt.“

...überlesen und missachtet

Man kann nur sagen: Hier sagt jedes Wort unendlich viel mehr über seinen Autor (Eggert) als das Buch, das er zu charakterisieren glaubt. Urteile über Urteile, die darauf beruhen, dass überhaupt nichts erkannt, empfunden, erlebt wird. Eggert schreibt von „uninspirierendem Wortgestrüpp“ und merkt nicht, dass es sein Versäumnis ist, von diesen Worten nicht inspiriert zu werden, sondern nur an „Lourdes“ denken zu müssen. Er kritisiert die mangelnde Systematik und die Begeisterung („Furor“) und merkt nicht, dass es sein totes Denken ist, dass eine bestimmte Art von Systematik verlangt und die geistige Systematik überhaupt nicht erleben kann, die Begeisterung dagegen ablehnt. Er redet von „bloßen Behauptungen“ und merkt nicht, dass man geistige Erfahrungen letztlich nicht beweisen kann, sondern dass sie selbst nacherlebt werden müssen – etwas, wozu Eggert eben gerade nicht in der Lage ist...

Eggert spricht von „gängigen, konventionellen Einstellungen“, die „etwa die Hälfte aller Anthroposophen durchaus kennen und oft auch teilen“ – und merkt nicht, dass es bei Mieke Mosmuller nicht um „kennen“ oder „teilen“ geht, sondern um reale Erfahrungen, um eine reale Beziehung zu Rudolf Steiner, zum lebendigen Rudolf Steiner... Entweder er hat die entsprechenden Stellen völlig überlesen, oder er tut sie als Metapher etc. ab:

Jeder Mensch, der sich im Sinne des Meisters des Abendlandes zum Bewusstsein der reinen Form erhebt, findet unmittelbar die Individualität dieses Meisters als Freund neben sich. Er fühlt das verbindende Karma. Die Form muss jedoch Kraft sein, sonst leitet sie den Geist nicht. Überall, wo ein Bewusstsein der Form der Anthroposophie – ein Gewahrwerden der reinen Form des Denkens – da ist, ist der Meister des Abendlandes da.
Der lebendige Rudolf Steiner, S. 110.

[...] können wir uns zu ihm wenden und Fragen stellen. Er kann uns Erkenntnisse schenken, wir können Ratschläge im Erkennen bekommen. So wirkt die Beziehung zu seiner Seele.
Dazu müssen wir uns zuerst zum reinen Denken hinaufbegeben. Die Art des reinen Denkens müssen wir dann in eine gewisse Ähnlichkeit mit der Arbeit Rudolf Steiners zu bringen versuchen. Man muss sich also im reinen Denken in seine Art einleben. Von da aus muss man sich dann seine eigene Frage anschauen, und im Moment des Anschauens wird schon die Antwort in uns gedacht. [...]
Dem Christus können wir das Vertrauen zutragen, dass Er unser Karma auch wirklich ändern kann. Der Geistesforscher gibt lebendig wirksame Ratschläge.
Ebd., S. 180f.


Diese Stellen also überliest Eggert – und so kann er nicht im Ansatz verstehen, dass die Individualität, die den Namen Rudolf Steiner trug, tatsächlich die Aufgabe hat, die menschliche Intelligenz zu retten.

Eggert unterhält sich stattdessen weiter mit Menschen wie Rainer und Felix Hau, die an einem Menschen wie Mieke Mosmuller achtlos vorbeigehen und die Bedeutung und das Wesen des Denkens verkennen:

Im Laufe meines langen Anthrolebens bin ich durchaus immer mal wieder Menschen bei den Anthros begegnet, die (glaubhaft)von eigenen höheren Erfahrungen berichtet haben; allerdings haben diese Personen sich ausnahmslos von Steiner und der GA-Anthroposophie mit der dazugehörigen Sprache und Begrifflichkeit entfernt, bzw. distanziert.
Rainer, 28.5.2009

Erleuchtung hat mit Denken überhaupt nichts zu tun.
Felix Hau, 28.5.2009

Eine zweifache Unfähigkeit

Wenn Eggert behauptet, „Der lebendige Rudolf Steiner“ sei ein „seltsam irreales, altbackenes und devotes Büchlein, das keinen frischen Wind aufkommen lässt, sondern eine bleierne Müdigkeit hinterlässt.“, so leidet er an einer zweifachen „Krankheit“: Der Unfähigkeit zu wirklicher Verehrung und der Unfähigkeit zu einem Erleben der Wahrheit.

Wirklich, es ist manchmal etwas ungeheuer Schmerzliches, wenn man heute zum Beispiel zu Anthroposophen redet und eigentlich gezwungen ist, den Leuten lauter Dinge zu sagen, die ... doch die Welt auf den Kopf stellen [...] und es wird gar nicht aufgepaßt. Wenn man das ganze Schwergewicht dessen erfasst [...] so ist man erstaunt, mit welcher Gleichgültigkeit so etwas hingenommen wird.
Rudolf Steiner, 16.10.1923, GA 302a, S. 144.

Das ist es gerade: der Enthusiasmus im Erleben der Wahrheit! Das ist dasjenige, was da sein muß. Das ist dasjenige, was mir seit Jahren in einer so furchtbaren Weise in der anthroposophischen Bewegung Schmerz macht, daß die Menschen so fest auf den Beinen stehen, die Jungen fast genau so fest wie die Alten. [...] Leben Sie mit innerster Freude an der Wahrheit!
Rudolf Steiner, 5.7.1924, GA 317, S. 156.

Mit seinem Aufsatz hat Eggert eigentlich nur eines deutlich gemacht: Dass er von Mieke Mosmuller nichts verstanden hat, dass er Dinge, die ihn nachdenklich machen könnten, zudem überliest, und dass er neben blinder Missachtung auch zu sarkastischem Spott fähig ist.

Die „Fragmentarisierung der Bewegung“, aber auch die Zerstörung der Anthroposophie schreitet voran. Die Geister scheiden sich.