24.11.2010

Streit um den Ausnahmezustand

Zunächst schreibt Hartmann: „Mieke Mosmuller schreibt engagiert, mutig, sich auf eigene geistige Erfahrungen stützend [...]“. Dann zitiert er ihre sehr wesentliche Beschreibung des Ausnahmezustandes, den sie als „Das Tor zur geistigen Welt“ beschreibt. Er kommentiert dies mit den Worten, er könne aus eigener meditativer Erfahrung „bestätigen, dass es möglich ist, ein denkendes Hervorbringen zu vollziehen und zugleich lichtvoll anzuschauen.“

Dann aber schließt er unmittelbar die Frage an, ob dies zugleich der „Ausnahmezustand“ sei, von dem Rudolf Steiner im dritten Kapitel der „Philosophie der Freiheit“ spricht (und mit dem sich Muschalle und Ziegler beschäftigen).

Das ist er natürlich nicht, denn hier spricht Rudolf Steiner ja gerade noch von der Unmöglichkeit der aktuellen Beobachtung des Denkens. Dennoch führt das innere Tun der Philosophie der Freiheit gerade zu dem Ausnahmezustand, den Mieke Mosmuller schildert, und genau darauf weist sie hin. Ihre Kritik an Muschalle und Ziegler betrifft die Tatsache, dass deren Ausführungen nicht zu diesem Ausnahmezustand führen, sondern dazu, dass sie entweder ganz im Geiste des dritten Kapitels und seines „nie“ (Muschalle) verharren[1] oder aber im weiteren Prozess der Selbstuntersuchung des Denkens sich in abstrakte Gesetzmäßigkeiten verlieren (Ziegler, siehe meinen Aufsatz „Der Unterschied zwischen Renatus Ziegler und Mieke Mosmuller“).

Hätte Hartmann wirklich das gleiche Erlebnis des Ausnahmezustandes wie Mieke Mosmuller, würde er dies sehen.

Hartmann aber verteidigt Muschalle und Ziegler mit den Worten, sie nähmen „zunächst einfach Formulierungen Rudolf Steiners ernst, die die Beobachtung des gegenwärtigen Denkens kategorisch ausschließen“.  Das dritte Kapitel ist aber nur das dritte Kapitel und nicht die ganze Philosophie der Freiheit. Bei Muschalle wird die „Unbeobachtbarkeit“ aber ein Grundgesetz und bei Ziegler eigentlich auch, indem er später zwar von „Gewahrwerden“ schreibt, nicht aber von Anschauung, und Mieke Mosmuller meint wirklich Anschauung. Gegenwärtiges Anschauen des Denkens.

Hartmann folgt ihr dann darin, dass das dritte Kapitel die Verhältnisse im toten Denken schildert, versteht aber nicht, warum Mieke Mosmuller Muschalle und Ziegler, die sich mit diesen Verhältnissen „intensiv und äußerst differenziert ... beschäftigen, wie Rudolf Steiner selbst das ja auch getan hat, als Gegner der Anthroposophie hinstellt“.

Die Antwort ist sehr einfach: Rudolf Steiner schrieb die Philosophie der Freiheit und gab mit ihr ein Werk, an dem man zum lebendigen Denken erwachen soll. Beschäftigt man sich nach der Philosophie der Freiheit mit den Verhältnissen im toten Denken, führt man von der Philosophie der Freiheit weg. Man kreuzigt sein eigenes Denken und den Leser gewissermaßen an das dritte Kapitel, anstatt den Weg der Auferstehung zu gehen, indem man die Philosophie der Freiheit innerlich energisch mit-tut.

In völligem Gegensatz zu diesem innerlichen Mit-tun steht ein „akribisches Sich-damit-Beschäftigen“. So wird man auch da im toten, abstrakten Denken bleiben, wo man über das dritte Kapitel hinausgeht...

Von totem Denken und fehlenden Flügeln

Natürlich ermöglicht (so Hartmanns berechtigte, aber wohl doch auch rhetorische Frage) gerade das tote Denken die Freiheit des Menschen – aber nur deshalb, weil es ihm die Freiheit lässt, aus diesem Tod heraus selbst wieder das lebendige Denken zu finden, wodurch es sein eigenes wird. Anthroposophie ist gerade der Weg zum Leben – und im reinen, lebendigen Denken findet der Mensch die wahre Freiheit, die Freiheit von sich selbst, von seinem Leib und all dessen Einflüssen. Anthroposophie beginnt mit dem lebendigen Denken. Wenn man ausführliche Studien zu den „Verhältnissen im toten Denken“ betreibt, begräbt man die Anthroposophie in dem Sarg, aus dem sie gerade herausführen soll.

Hartmann aber sagt (urteilt), Mosmuller schieße „gewaltig über das Ziel hinaus“, das Werk Rudolf Steiners sei „hoch komplex und vielschichtig“ und Muschalle und Ziegler würden „dieser Vielschichtigkeit gewissenhaft Rechnung zu tragen versuchen“.

Wie das!? Hat Rudolf Steiner etwa sein Werk überwiegend oder ganz auf das tote Denken gegründet? Oder ist wiederum nur die Philosophie der Freiheit gemeint? Dann ist nochmals zu betonen, dass die Philosophie der Freiheit ein Schulungsbuch für die Erweckung des lebendigen Denkens sein soll, keine Quelle für wissenschaftliche Doktorarbeiten über das tote Denken!

Hartmann zitiert dann Mieke Mosmullers Satz, dass „beim geistigen Forschen Wahrnehmung und Begriff immer in einem Akt gegeben sind“ und versucht, ihn mit einem Zitat aus den „Grundlinien...“ zu widerlegen, wo Rudolf Steiner sagt, dass das Erkennen auch in der Anschauung des Geistigen nicht prinzipiell anders werde. Die geistige Anschauung, die durch die in „Wie erlangt man...?“ beschriebenen Seelenvorgänge auftrete, sei wiederum nur die Wahrnehmungsseite, zu der die entsprechenden Gedanken vom Geistigen hinzukommen müssen. Auch die geistigen Wahrnehmungen müssen also immer mit Begriffen erkennend durchdrungen werden – darin sieht Hartmann den „springenden Punkt des ganzen Streites“.

Nun ist das Werk Rudolf Steiners aber so vielschichtig, dass er hier von dem Übungsweg spricht, der in „Wie erlangt man...?“ gegeben ist, dass es aber auch den Übungsweg der Philosophie der Freiheit selbst gibt, „welcher sicherer und vor allem genauer, dafür aber auch für viele Menschen schwieriger ist“ (Rudolf Steiner, GA 13). Auf diesem Weg ist die Intuition die erste Stufe, die unmittelbar erlangt wird, und in der Intuition sind Wahrnehmung und Begriff eindeutig unmittelbar in einem Akt gegeben. Sie sind aber auch schon in der Imagination nicht voneinander getrennt, nur für das menschliche Bewusstsein. In der Inspiration tritt auch der Begriff dann in die Anschauung. Dies ist etwas völlig anderes als die „gedankliche Durchdringung“ bei der gewöhnlichen Erkenntnis!

Hartmann weist darauf hin, dass Ziegler sehr wohl davon spreche, dass der Ausnahmezustand an „die Grenze zur aktuellen Geisterfahrung“ führe und sein Sinn in der Bewusstmachung und Überwindung dieser Schwelle liege, und fährt fort: „Vor dem Hintergrund dessen. was Ziegler in seinem Buch geistig entfaltet, erscheint einem der Kampf Mieke Mosmullers an manchen Stellen ihres Buchs wie ein Kampf gegen Windmühlen...“

Hier muss man nun wirklich in aller Schärfe darauf hinweisen, dass es nicht um schöne Worte geht, sondern um die reale Frage, was Ziegler unter „aktueller Geisterfahrung“ versteht. In dem o.g. Aufsatz habe ich gezeigt, dass dies etwas völlig anderes als die reale Intuition ist, von der Mieke Mosmuller spricht. Es ist also kein Kampf gegen Windmühlen(flügel), sondern ein notwendiger Kampf gegen die Abstraktion, die die Flügel des Geistes nicht finden kann.

Rhetorische und wesentliche Fragen

Und deswegen ist es nicht, wie Hartmann meint, eine wesentliche Dimension bzw. Frage, wie Anthroposophen miteinander ins Gespräch kommen können, sondern die Frage ist: Was ist Anthroposophie?

Dazu müsste die Erkenntnis Platz greifen, wo überall man sich durchgehend im toten Denken befindet und dass dieses tote Denken mit Anthroposophie nichts zu tun hat, weil es darum geht, die reale Schwelle zu überschreiten und das lebendige Denken zu finden, nicht ein Gewahrwerden der Gesetzmäßigkeiten des (toten) Denkens. Die Gesetzmäßigkeiten des lebendigen Denkens wären so lebendig wie dieses lebendige Denken selbst...

Hier am Ende von Hartmanns Aufsatz finden sich echtere Fragen – aber erst, nachdem seine diversen Urteile über Mieke Mosmullers Buch bereits vorausgegangen sind. Und auch in den abschließenden Fragen selbst stecken noch immer verschiedenste Urteile, wodurch sie nicht nur moralisierend wirken, sondern schlichtweg falsch gestellt sind. (Ich habe die ganze Frage der „Kritik“ schon mehrfach ausführlich behandelt und habe dies auch jetzt wiederum getan in dem Aufsatz: Eine Frage um Leben und Tod – aber warum kämpfen?).

Hartmann fragt weiter: Wie kommen Anthroposophen miteinander ins Gespräch? Indem sie aufhören, vorauszusetzen, dass sie Anthroposophen sind und vor allem versuchen, die Frage nach dem Wesen der Anthroposophie mit allem Ernst zu beantworten. In dieser Frage wird man sich wieder finden können – wenn man wahrhaftig genug ist.

„Wie können wir lernen, Kritik zu üben, die sich als fruchtbar erweist?“ – Kritik ist immer fruchtbar, wenn sie zur Erkenntnis führt. Ob sie sich für den Kritisierten „als fruchtbar erweist“, hängt von ihm und seiner Erkenntnisliebe ab. Bei Mieke Mosmullers Kritik geht es nicht um den Kritisierten, sondern um das Kritisierte bzw. um die Erhellung der Hindernisse für ein Verständnis des lebendigen reinen Denkens, welches das reale Tor zur Anthroposophie ist.

„Wie können wir uns gegenseitig helfen, die Tiefe und Größe des Werks Rudolf Steiners immer besser zu verstehen?“

Ich glaube, das größte Problem dabei sind die eigenen inneren Hindernisse. Die Frage ist: Will man das Werk Rudolf Steiners überhaupt so tief und groß verstehen, wie es ist? Die zweite Frage ist dann: Will man auch anerkennen, dass jemand diese Tiefe und Größe in berührender Weise erfasst, weil er selbst auf dem inneren Schulungsweg weit fortgeschritten ist? Will man überhaupt zuhören, wovon er dann zu sprechen hat? Das scheinen mir die entscheidenden Fragen zu sein. Die Abwehr, die den Büchern von Mieke Mosmuller von manchen Menschen aus entgegengebracht wird, hat mit genau diesen inneren Hindernissen zu tun.

Die Hinweise und Hilfen zu einem Verständnis der Tiefe und Größe von Rudolf Steiners Werk sind da – aber sie auch zu ergreifen, das muss man selbst wollen...

Überhebliche Forderung nach Dialog?

Hartmann wirft es Mieke Mosmuller vor, dass sie Muschalle als „Nominalisten“ bezeichnet und hält ihr entgegen, dass Muschalle „die Worte, die Steiner gebraucht, akribisch ernst nimmt und ihren jeweiligen Bedeutungshintergrund exakt zu verstehen sucht, und [...] dabei zu anderen Ergebnissen kommt als sie selbst.“ Hartmann stellt es also im Grunde so hin, als würde sie Muschalle nur deshalb einen Nominalisten nennen, weil er zu anderen Ergebnissen kommt! Dann würde ja wahrhaftig die menschliche Eitelkeit walten und es in keiner Weise um die Wahrheit gehen. Hier wird ganz deutlich, dass Hartmann den ungeheuren Unterschied in Inhalt und Methode nicht erkennt. Wie aber soll ohne diese Erkenntnis etwas anderes entstehen als Fehlurteil über Fehlurteil?

Trotz dieses Mangels an Erkenntnis und Verständnis wagt Hartmann es unmittelbar darauf, etwas in Frage zu stellen, was er eine „methodische Voraussetzung“ von Mieke Mosmuller nennt – und beweist gerade dadurch nochmals sein Unverständnis.

Mieke Mosmuller schreibt: „Jeder, der die gedankliche Arbeit eines anderen Menschen bespricht, stellt sich eigentlich über ihn. Denn er setzt voraus, dass er auf einem höheren Standpunkt stehen kann, von wo aus er einen Überblick über die Arbeit hat und deshalb besser sieht als der Verfasser.“

Hartmann aber erwidert: „Ist das zwangsläufig so? Gibt es nicht eine Möglichkeit, jenseits der sich überhebenden Kritik miteinander zu kommunizieren, und zwar den Dialog? Man denke etwa an die platonischen Dialoge und die Tradition des Erkenntnisgesprächs. Ein Dialog kann zustande kommen, wenn ich meinem Gegenüber zuhöre, wenn ich versuche, ihn zu verstehen, auch über einzelne Worte hinaus.“

Es ist eigentlich unglaublich, dass er dies an dieser Stelle schreibt. Denn was tut er? Er überhebt sich doch wirklich fortwährend über Mieke Mosmuller. Nicht nur, dass er ihre Kritik unfruchtbar nennt und er ziemlich unverhüllt persönliche Motive unterstellt, sondern er behauptet auch, sie verstehe gar nicht, dass Muschalle und Ziegler Steiner sehr ernst nähmen und eigentlich doch von etwas sehr Ähnlichem sprächen wie sie selbst usw. – Und dann schlägt er vor, dem Gegenüber zuzuhören und ihn über das einzelne Wort hinaus zu verstehen!

Mieke Mosmuller hat ein Buch geschrieben und die gedankliche Arbeit von Muschalle und Ziegler besprochen. Sie bezeugt die Reinheit ihrer Erkenntnis dadurch, dass sie genau weiß, dass man sich mit einer solchen Besprechung immer über einen anderen Menschen stellt. Hartmann scheint dies nicht zu wissen – und er hört ihr auch gar nicht zu, denn sie schrieb nun einmal nicht „Dialog“!

Und vor diesem Hintergrund ist es inzwischen sogar eine Unverschämtheit, dass Hartmann seine Besprechung ausdrücklich „Versuch eines Dialogs“ genannt hat! Er überhebt sich über Mieke Mosmuller, merkt es offenbar noch nicht einmal, obwohl er dieses geistige Gesetz (und nicht eine methodische Voraussetzung!) sogar zitiert, und er hört ihr nicht einmal zu, von Verstehen ganz zu schweigen. Vielleicht sollte er selbst damit anfangen, die Tugend des Erkenntnisgespräches zu üben, indem er getreu und selbstlos wiederholt, was der Andere gesagt hat. Und wenn er selbst wirklich an einem Dialog interessiert wäre, hätte er Mieke Mosmuller Ende Oktober bei ihrem Seminar in Hamburg begegnen können, wo er ja lebt.

Hermeneutik oder der Weg der Erfahrung

Stattdessen stellt Hartmann weitere rhetorische Fragen, die einen Dialog unmöglich machen, denn er ist nun einmal ebensowenig bereit, sich auf die Position von Mieke Mosmuller einzulassen:

In schwierigen und weitverzweigten Erkenntnisfragen von Gegnerschaft zu sprechen, halte ich auf dem Weg der Wahrheitssuche für unfruchtbar; zumal wenn die „Gegner“ sich gewissenhaft und begründet auf das Wort Rudolf Steiners stützen. Ist es nicht hermeneutische Naivität, zu meinen, die Aussagen Rudolf Steiners zur Beobachtung des Denkens ließen nur eine einzige Deutung, nur ein Verständnis zu, nämlich das eigene? Entspringt es nicht einem alten, geradezu inquisitorischen Denken, abweichende Deutungen in die Ecke der „Gegnerschaft“ zu stellen?


Das Argument der „Unfruchtbarkeit“ ist sehr einfach und bequem – natürlich hat dann immer derjenige, der scharfe Kritik zu üben sich gezwungen sieht, Unrecht. Über seine Beweggründe und die Wahrheitsfrage muss man sich gar keine Gedanken mehr machen, denn es gilt ja immer das Dogma: Wir sind doch alle Anthroposophen...

Wenn es so einfach wäre, dann wäre es selbstverständlich unendlich unvernünftig und sinnlos, Kritik zu üben. Es ist aber nicht so einfach. Und ich kann nur immer wieder wiederholen – die Frage: Was ist Anthroposophie? ist die wichtigste, und sie muss eine wahre Antwort finden, ohne dass man bereits Dogmen voraussetzt!

Man sollte sich nicht mit hermeneutischen Spitzfindigkeiten beschäftigen und nicht von „inquisitorischem Denken“ sprechen. Man sollte nicht von einer einzigen oder mehreren Deutungen sprechen, sondern man sollte den Weg der Erfahrung gehen. Das ist nicht der Weg der Hermeneutik und nicht der Weg der Deutungen. Man lasse den Verstand und die akribische Untersuchung des vermuteten „jeweiligen Bedeutungshintergrundes“ beiseite; man lege die Kraft in das Denken selbst, nicht in die intellektuelle Scharfsinnigkeit des Verstandes und die seitenlange Untersuchung möglicher Bedeutungen und ihrer Konsequenzen. Es geht um das Denken, nicht um die Gedanken. Es geht um das Denken, nicht um seine angeblichen Gesetzmäßigkeiten.

Man diskutiere nicht über die „Philosophie der Freiheit“, man betreibe keine Textexegese und rätsele über mögliche verschiedene Deutungen von „Beobachtung des Denkens“. Man vollziehe die „Philosophie der Freiheit“ innerlich so kräftig wie möglich nach und übe Meditation. Dann wird früher oder später das Denken in die Anschauung treten. Nur darauf kommt es an – nicht auf etwas anderes.

Das christliche Element, das Hartmann bei Mieke Mosmuller da vermisst, wo er ein „Aburteilen von Muschalle und Ziegler“ feststellen zu können meint, liegt genau hier: in dem wahrhaftigen, unerschütterlichen Hinweisen auf den realen Weg, auf dem der Christus heute gefunden werden kann.

Es ist einfach nicht wahr, sondern eine wirklich absurde Behauptung, dass Mieke Mosmuller über diese beiden Menschen „richten“ würde („Richtet nicht...“). Aber sie sagt deutlich, dass deren Vorgehen und die in deren Büchern entfaltete Denkart nicht zur realen Anthroposophie führt, nicht zu dem realen Tor zur geistigen Welt. „Eure Rede sei ja, ja; nein, nein.“

Anmerkung


[1] Dieses „Verharren im Geiste des dritten Kapitels“ gilt auch dann, wenn sich bei Michael Muschalle tatsächlich, wie Hartmann zitiert, der Hinweis darauf findet, dass Rudolf Steiner auch von der Anschauung des gegenwärtigen Denkens gesprochen hat. Warum muss man diesen Hinweis bei Muschalle wie die Nadel im Heuhaufen suchen? Da Muschalle ihn kennt, ist es um so unbegreiflicher, warum er nicht nach dem Weg sucht, zu dieser Anschauung zu kommen! Stattdessen steht ein solcher Hinweis bei Muschalle da wie ein erratischer Block, um den er sich nicht weiter kümmert, denn seine ganze übrige Gedankenführung steht unter dem Zeichen der „ewigen Unbeobachtbarkeit“ des Denkens, und er mauert das Denken ebenso in die Abstraktion ein wie Ziegler. Ich greife nur zwei kleine Zitate aus dem Kapitel „Rudolf Steiners Begriff der Denk-Beobachtung“ heraus:

„Wenn ich Steiners Aussagen aus dem dritten Kapitel ernst nehme, wonach die Beobachtung des gegenwärtigen Denkens niemals möglich ist, dann kann das Erleben des gegenwärtigen Denkens – an dessen Möglichkeit ich keinen Augenblick zweifle – nicht seine aktuelle Beobachtung sein.“

„Diese Unbeobachtbarkeit gilt immer – daran hat Steiner nichts revidiert. Zum Erkennen des Denkens ist allerdings ein vertieftes Erleben allein ebensowenig ausreichend wie sein bloß anfängliches Erfahren. Zum Erkennen des Denkens gehört, daß es unter Begriffe gebracht werde. Und das geht einzig auf dem Wege einer denkenden Betrachtung von Denk-Erfahrungen – das ist: Beobachtung des Denkens.“


Während Mieke Mosmuller also die lebendige Anschauung des Denkens als reale Erfahrung hat und darum nicht daran zweifeln kann, dass das „nie“ keine absolute Gültigkeit hat, setzt Muschalle es absolut und zweifelt an Rudolf Steiners eigenen Worten zur Anschauung des gegenwärtigen Denkens, indem er sie zwar anführt, aber nicht davon abrückt, dass dies eigentlich unmöglich ist...