12.01.2011

Anfang einer Begegnung mit Michael Eggert

Michael Eggert
Lieber Horst, ich habe natürlich polemisch zugespitzt. Aber es läuft eben auf eine frömmelnde, moralisierende und theoretische Esoterik hinaus: "Für die Wahrheit (und ihre individuelle Erkenntnis) muss man sich bereit machen [...]"
Moderne Esoterik ist konkret, gegenwärtig, gegenwartsbezogen, praktisch und prall von Leben. Sie bewährt sich im Alltag. Sie wartet nicht auf ein jenseitiges "Irgendwann" und berauscht sich bis dahin an ihren theoretischen Qualitäten. Mein Ding ist das nicht.
09.01.11 21:55

Michael Eggert
Lieber Herr Niederhausen, "Vielleicht habe ich Sie ja so in Rage gebracht.." Nein, überhaupt nicht. Ich denke, wir müssen uns nichts nachtragen, auch wenn wir uns nicht näher gekommen sind. Ich bedaure das. Es handelt sich ja nicht einfach um verschiedene Standpunkte, sondern um ganz unterschiedliche Arten des Lebens und Denkens, die nur im Rahmen des gemeinsamen Themas Anthroposophie aufeinander stossen. Man kann sich respektieren, muss aber auch sehen, dass das völlig unterschiedliche Kulturen sind, die "Anthroposophie" eben auch unterschiedlich auffassen.
09.01.11 22:19


Lieber Herr Eggert, dass Sie es bedauern, dass wir uns nicht nähergekommen sind, hat mich berührt, denn das hätte ich wirklich nicht mehr erwartet. Aber was nicht ist (das Näherkommen), kann ja noch werden.

Ja, die Esoterik bewährt sich im Alltag. Aber über meinen Alltag bzw. mein Privatleben spreche ich nicht und Sie kennen es nicht. Was Sie wahrscheinlich kennen und wissen, ist, dass ich wegen meiner Webseite entlassen wurde. Auch das ist „anthroposophischer“ Alltag... Freies Geistesleben gibt es da nicht. Und auch dieser Blog und das Ringen um Erkenntnis ist doch realer Alltag? Wenn Sie in alledem nur Theorie erleben, dann tut es mir leid. Hier im Blog sind es natürlich nur Worte. Sie müssen mit Leben gefüllt werden. Ob und wie ich das tue, sehen Sie nicht. Ich weiß ja mittlerweile sehr deutlich, was Sie an meinen Aufsätzen zu sehen meinen. Aber das ist Ihre Sache.

Ich weiß gar nicht, ob unsere Art des Lebens so unterschiedlich ist, wie Sie das nach den Unterschieden des Denkens vermuten – Ihr Leben kenne ich schließlich auch nicht. Was ich öffentlich schreibe, gibt wirklich nur einen Ausschnitt meines Lebens. Glauben Sie etwa, dass ich im Leben ein solcher Dogmatiker bin, wie Sie nach meinen Aufsätzen den Eindruck haben? Das ist doch gerade das Geheimnis: In meinen Aufsätzen geht es um Erkenntnisfragen. Im Leben geht es nicht nur um Erkenntnis... Aber das Leben kann man nicht auf eine Webseite stellen. Sie versuchen das in gewisser Hinsicht, und das gelingt in dieser Form auch schön, aber das ist nicht mein Ding.

Unsere Differenz besteht zunächst eigentlich nur darin, dass Ihnen diese Erkenntnisfragen nicht so wesentlich erscheinen, weil Sie sagen „...muss und kann nur jeder selbst definieren“ und ich in dieser Form da nicht mitgehen kann. Und weil wir auf diese Weise offenbar verschiedene Auffassungen von der Wahrheit und dem Wesen der Anthroposophie haben, halten Sie mich für einen Dogmatiker. Gut, daran kann ich nichts ändern. Über das Leben und die gelebte Esoterik aber sagt das alles noch sehr, sehr wenig aus. Alles Gute nun.

Michael Eggert
Lieber Herr Niederhausen, es ist eine gemeinsame Niederlage, wenn es uns nicht gelingt, wenigstens die Basis für eine Verständigung zu finden. Ich rechne es Ihnen hoch an, dass Sie an der Sache dran bleiben. Ich will das mit der "Dogmatik" nicht zu hoch hängen - wichtiger ist mir die Sache mit der "Reinheit", die Sie in meinen Augen suchen. Anthroposophisch gesprochen ist unser Gegensatz geradezu biblisch: der Kain und Abel Mythos. Ich bin ein Pragmatiker, der eine Willensschulung im Alltag sucht - der Wille, der hell wird (Erkenntnis). Sie sind Priesterlich gestimmt, Abel eben, die Reinheit und die Klarheit der Lehre verkündend - das Umsetzen kommt dann in mancher Hinsicht später. Im Vordergrund steht bei Ihnen die "Erkenntnis". Steiner beschrieb ähnliche Gegensätze in Platonikern und Aristotelikern. Es ist eben eine Tatsache, dass dieser Gegensatz innerhalb und außerhalb der "Gesellschaft" selten aufgelöst worden ist. Die ständigen Ausgrenzungen zerreissen aber auch den anthroposophischen Impuls. Es entstehen im Umkreis ständig Gräben. Das ist, unabhängig von unseren privaten Erfahrungen, sehr bedauerlich.
09.01.11 22:57

Michael Eggert
[...] "und das tun eben Leute wie Gronbach, Hau, Grauer und Co, und sie tun es sicherlich nicht nur aus so einem läppischen Grund, um jemanden zu ärgern." Ja, was ist der Grund? Felix beschäftigt sich Jahren und Jahrzehnten aktiv mit der Anthroposophie, nicht als Mitglied, sondern als etwas, woran er sich reibt. Aber er kann auch wirklich nicht aufhören, sich daran zu reiben. Er ist genauso mit ihr verbunden, wie der, der glücklich und zufrieden im Inneren der AAG sitzt und an ihren Brüsten nuckelt. Höchstwahrscheinlich sogar mehr, denn er wirft ständig Fragen auf und bewegt andere Menschen auch mit. Menschen, die sich reiben, arbeiten auch an dieser Bewegung- vielleicht in der Funktion, auf innere Unwahrhaftigkeiten, auf Geheuchel usw stossen. Eine Satire über Dornach ist auch dann ein anthroposophisches Buch, wenn es Ihnen nicht gefallen sollte, ja sogar wenn das den Autoren selbst so gar nicht recht wäre.
09.01.11 23:48

Steffen
@Herrn Niederhausen: Vorweg ich sehe Sie nicht als Hassprediger.
Ja, das was ich beschrieben habe mit dem Mädel und ihrer Puppe - das ist wirklich schlimm (sie war übrigens 6 Jahre alt als das passierte, ist heute 12 Jahre, sorry, das muss ich korrigieren), aber leider noch nicht alles...aber nun lass ich's genug sein, denn es könnte der Eindruck entstehen, als wolle ich nachtreten oder Anthroposophie schlecht machen o.ä. - was ganz und gar nicht der Fall ist.
Es geht mir um Teile der selbsterlebten Realität und die einiger Anderer und letztlich auch um Wahrheit, vielleicht nur meine Wahrheit, wer weiss...Und verallgemeinern kann man das schon gar nicht. [...]
10.01.11 00:46


Lieber Steffen, vielen Dank. Wenn Sie wollen: fahren Sie ruhig fort mit dem, was „noch nicht alles“ ist. Ganz im Sinne dessen, was Manroe sagte – dass man die Anthroposophie nicht mit dem, was heutige Realität ist, verwechseln darf –, wird mit Sicherheit nicht der Eindruck entstehen, sie wollten nachtreten oder die Anthroposophie schlecht machen. Mit dem, was heute auch in negativem Sinne Realität ist, muss man sich schon auseinandersetzen (in anderer Weise ist das ja auch mein Anliegen, auch wenn dieses nun wieder für Sie ja teilweise gerade zu den negativen Aspekten zählt, aber das können wir ja einfach mal kurz vergessen...).

Lieber Herr Eggert, vielen Dank für Ihre Antwort. Ich habe ja ausführlich versucht, mich verständlich zu machen, aber was ich sagte, wurde von Ihnen bisher doch immer wieder im wesentlichen abgelehnt und verspottet. Jetzt in diesem Moment gehen Sie darauf ein – und was Sie sagen, ist außerordentlich interessant und scheint mir eine breite Basis für eine Verständigung zu bilden.

Aber: Meinen Alltag kennen Sie doch gar nicht? Ich würde der Erkenntnis wirklich keinen Wert beimessen, wenn ich nicht auch den hellen Willen suchen würde. Er bedeutet für mich zum einen durchaus genau dieses: das als wahr Erkannte in den eigenen Willen hineintragen (innerlich wahrmachen). Und zum anderen auch: Verständnis in der Begegnung. Den anderen mit all seinen Unvollkommenheiten annehmen. Vielleicht glauben Sie das noch immer nicht – aber ich sage nochmals: Im Leben geht es nicht nur um Erkenntnis, sondern darum, wie die anderen Menschen eben zunächst sind oder vielleicht auch bleiben wollen.

Auf der Erkenntnisebene kann man auf Unwahrhaftigkeiten oder Unwahrheiten ganz klar und scharf hinweisen – und eben auf Erkenntnis hoffen. Im Leben in seiner Gesamtheit muss man es oft hinnehmen, wenn konkrete Menschen z.B. unwahrhaftig usw. bleiben wollen, und man muss dann oft mit all diesen Gegebenheiten mitleben, die Folgen mitleiden usw. – Oder nehmen Sie uns beide: Ich habe in Bezug auf Ihre Äußerungen auch schon einiges scharf kritisiert, was ich für notwendig hielt – aber in dem Moment, wo wir um Verständigung ringen, ist alle Kritik vergessen.

Noch einmal zu Felix: Satire, wem Satire gebührt. Ich habe selbst gesagt, dass viele tote Formen diese Ironie durchaus verdienen. Aber Felix reibt sich ja an weit mehr – und er hat keinen Sinn für die hohe Essenz dieser Geistes-Wissenschaft. Aber da geraten ja selbst wir in Diskussionen...

Noch einmal zum Willen: Ich würde es so formulieren, dass der Wille dann hell wird, wenn er selbstlos wird und eine moralische Intuition in sich aufnimmt. Wenn man im therapeutischen Bereich arbeitet, ist diese Selbstlosigkeit „relativ“ einfach, denn da sind Menschen, die in intensiver Weise Hilfe brauchen. Aber auch hier ist die Erkenntnis sehr, sehr wesentlich – denn, bevor ich dem Menschen helfen kann (Wille), muss ich doch erkennen, was er braucht. Diese Erkenntnis, wenn sie wahr ist, ist noch nicht der helle Wille, sondern umgekehrt der Wille im Denken (auch wenn Sie dieses Denken vielleicht mit Recht nicht im „Kopf“ bzw. im Frontalhirn empfinden, sondern wirklich draußen bei dem anderen Menschen).

Wenn man intensiv therapeutisch arbeitet, ist es von diesem Moment der Erkenntnis natürlich nur ein winziger Augenblick zum nächsten Schritt: Der Erkenntnis im Willen. Aber das wollte ich sagen: Wenn Sie mit Ihrem ganzen Willen innerlich danach fragen, was einem anderen Menschen fehlt bzw. was ihm helfen kann, dann sind sie mit Ihrem ganzen Willen im Denken – und erst im Augenblick der Erkenntnis (bzw. im nächsten Augenblick) kann dieser ganze, nun „erleuchtete“ Wille zusammen mit dem Denken (der Erkenntnis) wieder „hinunter“ in den Willen, d.h. in die äußere Tat.

Der Wille wird hier also gerade deshalb selbstlos, weil er sich der Erkenntnis zur Verfügung stellt, nach der Erkenntnis sucht – und zwar nach der Wahrheit, nach dem, was dem anderen Menschen wirklich fehlt (nicht was ich glaube, dass ihm fehle). Erkenntnis ist doch die Schule der Selbstlosigkeit. Zur Wahrheit findet das Denken (nicht das abstrakte, sondern das wirkliche, lebendige Denken) nur, wenn es mir persönlich „egal“ ist, was ich als Wahrheit finden werde – wenn es nur die Wahrheit ist. Dann spricht sich die Wahrheit aus. Dann leuchtet im Denken die Erkenntnis dessen auf, was der andere wirklich braucht. Aber auch das ist nur möglich, wenn sich das Denken rein machen kann von allen Vorstellungen, Urteilen usw. – und wenn sich der Wille diesem Denken ganz zur Verfügung stellen kann, so dass es stark genug ist, die reale Wahrheit in sich aufleuchten zu lassen.

Außerhalb von therapeutischen Zusammenhängen liegt die Sache etwas anders. Dort geht es nicht immer darum, dem anderen Menschen unmittelbar in irgendeiner Not zu helfen. Dort kann es z.B. um die Erkenntnis als solche gehen – und diese kann auch etwas ganz Wesentliches sein. Anthroposophie als Geisteswissenschaft z.B. ist zunächst ein Erkenntnisweg. Es geht doch ganz wesentlich um die Frage, wie man überhaupt zur Geist-Erkenntnis kommt, ja, was das überhaupt ist. Und hier geht es mir darum, deutlich zu machen, dass es wirklich großer Anstrengungen bedarf, um überhaupt die ersten Schritte zu dieser Geist-Erkenntnis hinter sich zu bringen, das Denken rein und selbstlos zu machen usw.

Und ich möchte noch einmal sagen: Ironie, Spott, Sarkasmus usw. sind absolute Gegenkräfte auf dem Weg zu einem solchen reinen Denken, denn sie verstricken den Menschen gerade in seiner (unverwandelten) Persönlichkeit.

Ich weiß nicht, was Sie von diesen Absätzen auch so sehen (können) – ich hoffe nur, dass es sich für Sie nicht wieder nur wie Theorie anhört. Ich meine die Dinge sehr ernst und real.

Ich sage damit nicht, dass ich vollkommen sei, auch ich kann jede Kritik annehmen (und muss ja mit meinem Betonen gewisser Erkenntnisfragen auch viel Kritik einstecken, die ich in diesem Fall aber zurückweise, die ich aber dennoch unzählige Male innerlich geprüft habe und noch immer wieder prüfe...).

Vom hohen Erkenntnisernst

Rainer
Lieber Herr Niederhausen, "meinen Alltag kennen Sie doch gar nicht"... Das stimmt, aber man kann sich schon anhand von Texten, Beiträgen und Kommentaren ein gewisses und vorläufiges Bild von einem anderen machen. Das Geschriebene ist, ähnlich wie das Gesprochene sehr eng mit dem Denken und mit dem Ich verbunden. Die Texte Ihrer Website sind für mich auch keine "Hassprediger-Texte" aber vermitteln mir eben den Eindruck von einer andauernden, etwas anstrengenden und verurteilenden Erkenntnisschwere. Dass mit Ihren Texten nicht "der ganze Holger Niederhausen" erfasst ist, hat auch keiner gesagt, aber der obige Eindruck drängt sich mir auf.
10.01.11 08:47

manroe
Ich erlebe in den Texten von HN Erkenntnispräzision - und wie sollte es auch anders sein als so präzise wie möglich, andernfalls wäre es kein Erkenntnisbemühen. Und es liegt nun einmal im Wesen der Erkenntnis, das sie auch (ver)urteilt. Und eine lebendigere Leichtigkeit gehört hier doch gar nicht hin! Humor könnte die Grenzen ein wenig weicher erscheinen lassen, aber warum? Wenn man Erkenntnisstreben nicht wirklich ernst nimmt, wird es für mich zumindest ein wenig schlüpfrig. Alles eine Frage von Gesinnung und auch einer Verantwortung dem Kern gegenüber. Und das Bedürfnis präzise Erkenntnis ins Leben zu integrieren ist doch ein ganz anderer Vorgang --"meinen Alltag kennen Sie doch gar nicht" -- eben deshalb!
10.01.11 09:29


Ja, genauso sehe ich es. Von dem notwendigen Ernst gegenüber der Erkenntnis gerade auch gegenüber unangenehmen Wahrheiten,
hat Rudolf Steiner oft gesprochen – und er hat auch gesagt, dass die meisten Menschen dies eben zu anstrengend finden. Da ich gerade auf diesen Punkt immer wieder eingehe, kann natürlich sehr schnell ein sehr einseitiges Bild entstehen. Aber es gibt auf meiner Webseite eben auch andere Aufsätze. Und wie gesagt: Man sollte es sich mit diesen Dingen nicht einfach machen, sie nicht leicht nehmen.

Natürlich ist das Geschriebene eng mit dem Denken verbunden. Aber in mir entsteht natürlich auch ein gewisser Eindruck, wenn ich erlebe, wie andere Menschen die Dinge viel leichter nehmen, wie dann auch immer wieder Ironie aufkommt, ein Sich-Lustig-Machen oder ein Sich-Ärgern an dieser „Erkenntnisschwere“, die dann mit „Deutungshoheit“ in Verbindung gebracht wird usw. – Der Mensch ist zur Erkenntnis berufen! Und das ist nicht immer angenehm, es gehören auch unangenehme Erkenntnisse dazu. Natürlich kann man auch „alles so stehen lassen“ und nach dem Motto „jedem das Seine“ leben. Aber dann empfindet man noch nicht die rechte, die starke Verantwortung oder auch Beziehung gegenüber dem inneren Kern, wie Manroe sagt.

Die Anthroposophie hat eine innere moralische Substanz, eine hohe Essenz, jenseits alles Moralisierens. Und der Mensch ist eigentlich dazu berufen, diese Substanz in sich lebendig zu machen, denn es ist eigentlich seine ureigenste Substanz. Anthropo-Sophia! Warum nur wagen wir es nicht, das ganz ernst zu nehmen? Es ist eine Lebensaufgabe, diesen Ernst und diese hohe Gesinnung in sich lebendig zu machen.

Dass dabei Humor und Freude nicht verlorengehen, habe ich bereits gesagt – sie vertiefen sich. Der Humor gewinnt sein eigenes Gewicht und seinen Platz. Nicht alles wird immer wieder leicht genommen, sondern der hohe (nicht bleischwere oder saure!) Ernst wird von Zeit zu Zeit immer wieder vom Humor durchstrahlt. Und die Freude – nun, sie durchdringt immer mehr alles, genährt von einer wachsenden Liebe, die auch immer wieder die Harmonie sucht, aber nie um den Preis der Aufgabe jener Essenz. Und so kann sie, wenn es um diese Essenz geht, auch sehr streitbar werden und doch im Herzen den Frieden und die Liebe zum anderen Menschen bewahren.

zuhörerundleser
Herr Niederhausen, ich finde die Auseinandersetzung interessant, informativ und fruchtbar. Ich positioniere mich eindeutig auf der liberalen, erlebensbezogenen Seite von Michael Eggert und stimme Ihrem Wunsch nach mehr Ernsthaftigkeit zu. Diese finde ich sehr klar bei Michael Eggert. Das eine schließt das andere nicht aus. Ich bin jemand, die sich der Anthroposophie annähert und über viele Hintergrundinformationen im anthrop.Ambiente nicht verfügt. Ich mache die Erfahrung: je mehr ich mich mit R. Steiner auseinandersetze, umso mehr respektiere ich ihn und empfinde große Wertschätzung seinem Werk gegenüber. Es erwächst ganz natürlich Achtung, Würde, große Dankbarkeit und Lebensfreude aus dieser Begegnung.
Ihren Aufruf nach seriösem Erkenntnisstreben kann ich zustimmen, weil es meiner inneren Haltung entgegenkommt, über das „wie“ bin ich unterschiedlicher Meinung.
Ein Buch, wie es die Vier geschrieben haben gefällt mir nicht, weil ich es seicht, literarisch schwach, humorlos und traurig finde. Traurig wohl deshalb, weil ich den Eindruck habe, dass entleerte Begriffe von anth. Eltern an deren Kinder weitergegeben wurden, die sich jetzt davon befreien möchten, indem sie sich über diese entleerten Begriffe lustig machen. Begriffe, Worte, die ursprünglich bedeutungsvoll aufgeladen waren. Ich sehe in dem „sich lustig machen wollen“ keine Entwicklung, sondern ein im-Kreis- bleiben. Pubertieren bedeutet für mich, das warme, seicht gewordene Elternhaus zu verlassen und zu einem neuen Ausdruck zu finden.
Da Sie beruflich in einem anthrop. Umfeld verankert sind, kann ich verstehen, warum dies für Sie eine öffentliche Angelegenheit ist.
Wenn Sie den Begriff Wahrheit verwenden, so nehme ich an, dass Sie sich damit auf die Essenz der von Steiner vermittelten Geisteswissenschaft beziehen. Nun handelt es sich für mich bei dem Begriff Wahrheit nicht um einen Begriff, den nur die Anthroposophie für sich in Anspruch nehmen kann. Damit ergibt sich für mich die eine Schwierigkeit in der Festlegung einer Wahrheit. Die zweite Schwierigkeit in der Definition von Wahrheit sehe ich in der Tatsache, dass sich in Steiners geisteswissenschaftlichen Mitteilungen Aussagen finden, die nicht universell, sondern persönlich konditioniert und korrekturbedürftig sind.
An diesem Punkt beginnt mein mich mit der Anthroposophie in Beziehung-setzen, das nicht beliebig ist, sondern ansetzt an einem großen Erbe, mit dem ich versuche respektvoll umzugehen. Ein von mir sehr geschätzter Anthroposoph meinte: die Anthroposophie ist kein fertiges Bauwerk, Steiner hat uns Pläne, Richtlinien, Indikationen für ein großartiges Gebäude hinterlassen, erbauen müssen wir es. Heute. [...]
10.01.11 15:09


Lieber Zuhörerundleser bzw. liebe ZuL, mit Ihren Gedanken zu dem Buch der Vier sprechen Sie auch mir aus dem Herzen. Ja, in Bezug auf die Wahrheit meine ich die Essenz der Geisteswissenschaft. Das ist nicht das, was Rudolf Steiner dann in Worte fassen konnte, sondern das ist die Quelle, aus der er schöpfte. Das Reich des Geistes, das Reich der Wahrheit und des Logos (siehe oben). Der von Ihnen geschätzte Anthroposoph sagte: Erbauen müssen wir heute. Und das würde ich auch sagen – aber was müssen wir erbauen? Unsere Erkenntniskraft und Erkenntnisfähigkeit, unser Organ für wesenhaft Geistiges.

Es reicht nicht, aus Rudolf Steiners Plänen Papierflieger zu basteln, wir müssen die von ihm gewiesenen Wege gehen – und nicht aufhören und entweder glauben, wir seien doch schon recht weit gekommen, oder aber Angst vor unserer eigenen Courage (oder Berufung) bekommen! Der Mensch ist zur (Geist-)Erkenntnis berufen – und Rudolf Steiner wollte vor allem anderen in dieser Hinsicht nicht einsam bleiben, blieb es aber doch...

Michael ist durchaus ernsthaft, in vielem, in manchem bis vielem anderem nimmt er die Dinge für mein Empfinden zu leicht, aber das ist eben ein Punkt, der uns trennt... Ein spannender Punkt wären z.B. die Widersacher. Michael sagt einfach: „kenne ich nicht aus eigener Anschauung.“ Und weiter? Da lassen sich unzählige Subtexte denken... Das ist mir zu salopp, ganz abgesehen von den Schimpfereien, die ich um so weniger verstehen kann, als er sagt, ich bringe ihn gar nicht wirklich in Rage, aber darüber sind wir ja jetzt erstmal hinweg. Auch hat er sich ja in Cartoons auch über Steiner selbst lustig gemacht. Das sind Dinge, die ich absolut nicht verstehen kann. Ich verstehe nicht, warum er das nötig hat oder warum er Spaß daran hat – und das sind eben Dinge, die uns wirklich trennen, da ist wieder der andere Ernst, der in meinen Augen absolut notwendig ist, um in essentiell wichtiger Hinsicht innerlich weiterzukommen.

Christus und Geisteswissenschaft

Steffen
[...] Ich denke jetzt insbesondere an Michaels Worte, dass es nach Steiner doch zwei Hauptströmungen bzw. Gruppierungen gibt (Kain und Abel) und diese kaum zueinander finden können? [...] Teilen Sie denn Michaels bzw. Steiners Gedanken bezügl. dieser zwei Gruppierungen? - und wenn ja, wie würde das dann in der Realität für Sie aussehen können, im Zusammenhang mit dem Wesen - Anthroposophie?
Dann - Steiner hat mal erwähnt (ich durfte das u.a. im Steinerarchiv lesen), dass wir sogar das Chrituswesen noch "heranbilden" - ja sogar daran mitwirken IHN sichtbar zu machen. Und zwar u.a. durch diese drei Eigenschaften: Staunen (im weitesten, auch spirituellen Sinne), Gewissen und Liebe. Und man könnte doch jetzt durchaus zu dem Schluss kommen: Das Christuswesen steht noch über dem Wesen Anthroposophie (bestenfalls durchdringt es Anthrop.).
Zudem - dieses Wesen Christus, zutiefst mit unserem Ich verbunden, könnte doch auch viel unabhängiger, fast gefahrloser "bedacht" werden. Unabhängiger eben von manchmal schwieriger Wesensdynamik und -zugehörigkeit, gerade in heutiger Zeit, wo es doch immermehr auf Individualität, Einzelgängertum und Wahlverwandtschaften sowie Grüppchen-Bildungen hinauszulaufen scheint...Aber mit Chistus kann man immer in Verbindung treten, eben mit unserem ICH oder dem Ich Bin, völlig frei und freilassend.
OK - Das sind halt so Gedanken und Fragen [...]
10.01.11 13:39


Lieber Steffen, bevor wir uns jetzt in eine eher theoretische Diskussion über Strömungen verlieren, würde diesmal ich gerne dazu aufrufen, bei der unmittelbaren Erfahrung zu bleiben. Ich habe in meinen letzten ausführlichen Beiträgen das Gespräch mit Michael begonnen – es wäre nun wichtig zu sehen, was er oder auch andere darauf antworten.

Sicher gibt es die scheinbaren Theoretiker und die scheinbaren Praktiker, aber wie ich versuchte anzudeuten, sind sie doch oft näher an einer gemeinsamen Basis, als man denkt. Rudolf Steiners „Philosophie der Freiheit“ läuft darauf hinaus, dass man sich in der Wahrheit immer begegnen kann und auch wird – und darauf vertraue ich auch. Allerdings braucht es wie gesagt einige Anstrengungen, um sich einander verständlich zu machen und den anderen auch wirklich zu verstehen.

Das Wesen des Christus und seine Beziehung zum Wesen Anthroposophie – auch dieses beides möchte ich wirklich nicht leicht nehmen und mal eben dies oder das dazu sagen. Wenn es nur so leicht wäre, mit dem Christus oder auch nur unserem höheren Ich in Verbindung zu treten! Dann hätten wir doch schon hier auf Erden das Paradies. Rudolf Steiner sagte einmal, dass die meisten Menschen, die glauben, zum Vatergott zu beten, allenfalls mit ihrem Engel in Berührung kommen. Und er sagte auch, dass fast alles, was man für Liebe hält (und Christus ist ja das Wesen der Liebe!), eigentlich nur Selbstliebe ist. Es ist also wirklich nicht so einfach!

Ja, Staunen, Gewissen und Liebe. Aber all diese Dinge sagen sich so leicht – und sind es wirklich nicht. Die ersten Schritte kann man ja machen – und dann schnell glauben, schon vieles verwirklicht zu haben. Aber das Ganze kann schnell auf der Stufe „Wassermann-Zeitalter“, Flower Power, New Age, „wir lieben uns alle“ usw. stehenbleiben. Ich schätze das nicht gering. Aber wie weit ist es doch noch zu einem vollen Christentum! Denn wie schnell passiert es, dass man sich im nächsten Moment doch wieder beschimpft, verspottet, anschreit und, und, und. Oder man zieht sich wirklich sehr erfolgreich auf einen friedvollen All-Liebe-Standpunkt zurück, liebt sich in dieser All-Liebe aber doch auch ganz gehörig wohlig selbst.

Ich meine, das wirkliche Christentum, das wirkliche Sich-Verbinden mit Christus geht noch viel, viel weiter. Dazu gehört dann auch wieder jene Selbstlosigkeit, die man gerade im Erkennen und im Wahrheitsstreben erringen kann. Und der Christus ist nun einmal zugleich auch der Logos. Anthroposophie ist eigentlich die Sprache des Christus, so hat Rudolf Steiner es gesagt. Und Michael, der Kämpfer für die Wahrheit und der Hüter der kosmischen Intelligenz, die nun die menschliche werden soll, ist das Antlitz Christi. Und Sophia, die Weisheit, die Geist-Erkenntnis, sie zeigt heute wieder den Weg zu Christus, nachdem der Mensch ihn verloren hat. Das alles sind Worte, die Rudolf Steiner betonte und aus denen man empfinden kann, dass es kein leichter Weg zu Christus ist, der mal eben gegangen werden kann. Das Denken muss sich vollkommen verwandeln, wenn der Mensch die Anthroposophie lebendig aufnehmen und wahrmachen will.

Liebe und Weisheit müssen sich vermählen, gegenseitig befruchten – dann vertieft sich das Christentum, dann findet der Mensch immer mehr zu dessen wahrem Wesen. Und wenn wir Menschen mit möglichst großem Erkenntnisernst (!) nach einer wahren, tiefen Christuserkenntnis ringen, dann werden wir auch die Kraft haben, dieses starke Erkenntnisstreben darauf zu richten, uns gegenseitig zu verstehen – und dann wird dies auch gelingen, immer tiefer.

Steffen
[...] Deshalb fragte ich: Was Sie denn nun unter diesem Wesen verstehen, vor allem wie ES unter dem Gesichtspunkt "Kain und Abel" von Menschen gebildet werden kann - wie gesagt, Sie haben es ja sehr deutlich als Steinermitteilung, als Wesen herausgestellt. Was ich ja nachempfinden kann, dass eben hinter allem Wesent-Liches steckt, aber auch Wesent-Liches geschaffen werden kann, im Sinne einer Schöpfung des Menschen, durch Gedanken und Gefühle.
10.01.11 16:37


Ich kann nicht sagen, an welcher Stelle Steiner ausdrücklich von einem Wesen sprach. Einmal sagte er auch ungefähr: Anthroposophie ist eigentlich ein übersinnlicher Mensch. Alle Erkenntnis – auch die Anthroposophie – ist ja eine menschliche. Der Mensch Rudolf Steiner konnte sich zu dieser ungeheuer weitreichenden und tiefgehenden Erkenntnis erheben. Zugleich ist es die ursprünglich kosmische Intelligenz, Weisheit, nun in einem Menschen erschienen und verwirklicht. Dadurch wird die Wissenschaft durchchristet, der Mensch erkennt die Welt in ihrer wahren seelisch-geistigen Wesenhaftigkeit. Wenn Du fragst, wie die Anthroposophie nun von Menschen „gebildet“ werden kann, dann würde ich genau dies sagen: Die wesenhafte Geist-Erkenntnis wahrmachen. Und in einer Vorstufe dessen: Sie vollkommen ernst nehmen, ja überhaupt für möglich halten. Rudolf Steiners Lebenswerk vor sich haben und sich sagen: Das ist reale Erkenntnis. All das, von dem er da in diesen ganzen Jahrzehnten gesprochen hat, ist Realität! Eine Realität, die wir zunächst nicht mehr wahrnehmen, zu deren Erkenntnis wir jedoch aufgerufen sind. Man sagt immer: „Das konnte nur Rudolf Steiner“. Aber wenn das so wäre, hätte die ganze Anthroposophie gar keinen Sinn. Die vollkommene Verwandlung des Denkens und der ganzen Seele zu einem übersinnlichen Organ der „Geist-Empfängnis“ ist möglich. Anthroposophie in diesem Sinne ist wiederum: ein Erkenntnisweg, aber man muss sich natürlich mit aller Kraft auf den Weg machen, wenn man auf diesen Weg vorankommen will. Vor allem aber: Man muss ihn durch und durch ernst nehmen.

Von Wahrheit und Liebe – das Mädchen und die Barbiepuppe

Ich möchte noch einmal Steffens kurze Erwähnungen in Bezug auf schwere seelische Verbrechen an Kindern im Namen der „Anthroposophie“ aufgreifen: Hieran kann man wirklich sehr viel über das Verhältnis von Wahrheit und Liebe lernen.

Man kann zu der reinen Erkenntnis kommen, dass es eine Wahrheit ist, dass Barbiepuppen ein schlechtes Spielzeug sind – dass sie viele Phantasiekräfte abtöten, die Vorstellung in eine gewisse Richtung lenken, das ästhetische Empfinden beleidigen (bzw. zerstören) und so weiter. Wir wissen das alle. Hier bewegen wir uns auf der Ebene der Erkenntnis: Es ist eine Erkenntnisfrage, und sie ist sehr klar und immer differenzierter zu beantworten, wenn wir uns im Wahrnehmen, im Empfinden und natürlich im Denken schulen. Schon die Wahrnehmung des ästhetisch-moralisch-sittlichen (im Sinne von Goethe) Unterschiedes zwischen Stoff und Plastik ebenso wie alle anderen Wahrnehmungen sind bereits DENKEN in der Wahrnehmung.

Man kann also im Denken und im denkend-fühlend-erkennenden Wahrnehmen zu Wahrheiten kommen. Wenn es diese Wahrheiten nicht gäbe, wäre Erkenntnis gar nicht möglich.

Nun aber kommt das übrige Leben hinzu. Das „reale Leben“. Die Erkenntnis ist ebenso real, aber das Leben bringt oft Geschehnisse, die der (wahren) Erkenntnis widersprechen. Also: Das Kind bekommt eine Barbiepuppe geschenkt. Wir konnten es nicht verhindern, indem wir vorher mit der Oma gesprochen haben – nun hat das Kind die Barbiepuppe, und, das ist entscheidend, sie liegt nach einigen Tagen nicht herum, sondern es hat sie in sein Herz geschlossen...

Ja, da hat also das Leben eine andere Antwort gegeben. An der Erkenntnis vorbei. Die Oma hat dem Kind diese Puppe aus Unkenntnis geschenkt. Hätte sie sich vorher dieselben Fragen gestellt, wäre sie sicher auch zu einer anderen Puppe gekommen. Sie hat es aber nicht getan, und so ist dieser Verkaufshit der US-Spielzeugindustrie in die Hände des Kindes gelangt, und es hat die Barbiepuppe in sein Herz geschlossen...

Unsere Erkenntnis ist also eine ganz reale Wirklichkeit – und das Geschehen im Leben ebenfalls. Würden wir dem Kind die Puppe nun wegnehmen, so würden wir ihm das Herz aus dem Leibe reißen und gegen das Leben handeln.

Wie hängen Erkenntnis und Liebe hier zusammen? In unserer eigenen Erkenntnisfrage galt unsere ganze Liebe der Wahrheit – und wir fanden sie in der sehr differenzierten Erkenntnis, was in einer Barbiepuppe eigentlich vorliegt und welche Wirkungen sie hat. Nun, wo das äußere Leben mitgesprochen hat, muss der Erkenntnisprozess weitergehen. Unsere Liebe gilt doch unserem Kind. Geleitet von dieser Liebe dehnt sich die Erkenntnis nun auch auf das aus, was sich ereignet hat: Wir erkennen die Liebe, mit der das Kind diese Puppe ins Herz geschlossen hat. Wir empfinden auf der einen Seite die Wahrheit, die wir fanden, und wir empfinden auf der anderen Seite das, was das Kind empfindet. Und wir wägen ab: Was beeinträchtigt die Puppe in den Seelenfähigkeiten des Kindes? Und was richten wir an, wenn wir sie ihm wegnehmen? Die Antwort (und damit die richtige Erkenntnis, die Wahrheit) kommt unmittelbar, wenn man sich ihr nicht verschließt...

Das ist der Zusammenhang zwischen Erkenntnis und Liebe. Die Liebe zur Wahrheit führt auch wirklich zur Wahrheit. Dennoch muss die Erkenntnis, wenn es nicht nur um das reine Erkenntnisleben, sondern um das ganze Leben geht, auch dieses ganze Leben in sich aufnehmen. Die reine Erkenntnis bewegt sich im Reich der Wahrheit. Im Leben ist das Wichtigste die Liebe – man betritt das Reich des Guten. Die Wahrheit wird zum Dogma, wenn die Liebe vergessen wird – sie verliert die Verbindung mit dem Leben.

Wenn die Wahrheit mit dem Leben verbunden bleibt, dann wandelt sie sich fortwährend. Es ist eine Wahrheit, dass eine Barbiepuppe mit den Seelenkräften etwas macht – aber es ist auch eine Wahrheit, dass das Kind diese Puppe ins Herz geschlossen hat...

Dennoch sind reine Erkenntnisse sehr wichtig, denn ohne sie kann sich nie etwas ändern. Ohne sie wird man gar nicht wissen, wie Barbiepuppen unter der Oberfläche auf das feinere seelische Empfinden wirken; ohne sie wissen das weder die Mütter, noch werden je die Omas etwas davon erfahren und so weiter. Das reine Erkenntnisstreben ist von außerordentlicher Wichtigkeit, dieses Erkennen muss geübt werden, sonst hat man es nicht, entwickelt es sich nicht weiter. Und es gibt nicht nur die seelischen Verbrechen, die man verübt, wenn man die Wahrheit zum toten Dogma werden lässt und hartherzig durchsetzt, sondern es gibt die noch viel zahlreicheren seelischen Verbrechen, die wir alle täglich begehen, weil wir überhaupt aus völliger Unkenntnis an der Wahrheit vorbeihandeln.

Gerade das macht die Anthroposophie doch so fruchtbar – konkret in der Medizin, der Landwirtschaft und so weiter: Dass es immer mehr möglich werden kann, aus echter Wesenserkenntnis heraus zu handeln. Darum ist es so wichtig, die (eigenen!) Erkenntniskräfte zu üben und zu stärken. Und eben auch die moralischen Kräfte. Denn je tiefer man in die Wirklichkeit eindringt, um so stärker erweist sich jede Erkenntnis als moralisch.

Ein kurzes, starkes Harmonieempfinden – und der Umschwung

Ingrid
Ihr Lieben, mit Staunen und Freude lese ich die vielen Kommentare, die sich gestern und heute hier ergeben haben - vielen herzlichen Dank an alle. [...]
10.01.11 18:34

Steffen
Hallo Herr Niederhauser, ja dann ist es 'nur' der Anthropos und die Sophia...dann soll es erstmal gut sein. Danke auch für die interessante Erklärung zu Erkenntnis und Liebe bezogen auf d. Barbiepuppe. Und ich stimme Ingrid zu - das Geschenk war aus Liebe geschenkt (Omas meinen es meistens gut und manchmal auch ZU gut ;-) Schön, dass du wieder hier bist, trotz aller vergangenen Wider-Sachen ;-)
Die Wildwest-Kneipe ist einigermaßen hergestellt, die zerbrochenen Wiskyflaschen, Spiegel und Stühle zusammengefegt und entsorgt.. Dank auch an den Chefwirt! Bis dann..
10.01.11 19:10

manroe
Wenn das man kein christliches Ereignis ist, was hier in den letzten Tagen stattgefunden hat. Von üblen Beschimpfungen bis hin zu fast Umarmungen und im Zentrum beginnt der Stammtisch zu leuchten. Und dieses Licht ist von uns hier geschaffen worden. Und das meine ich nicht als: "harmoniesüchtigen" Ausdrucksweise..." sondern als schlichte Tat-Sache.
Lieber Holger, in einem ähnlichen Sinne wünsche ich Dir für Deinen Prozess einen positiven Ausgang! Möge das wahre Licht erhellen, was man aus Furcht unterdrückt.
10.01.11 22:11

zuhörerundleser
Herr Niederhausen, ich empfinde Übereinstimmung mit Ihrer Aussage“....die Essenz der Geisteswissenschaft. Das ist nicht das, was R.Steiner dann in Worte fassen konnte, sondern das ist die Quelle, aus der er schöpfte.“
Wenn ich diesen Gedanken weiterführe, so ist die Quelle größer als die Worte, die sie transportieren und die Quelle existiert auch ohne die Worte. Man kann Zugang zu ihr finden, ohne auch nur einen einzigen anthroposophischen Begriff zu verwenden oder auch nur zu kennen. Die Quelle ist universell und jenseits jeglicher kultureller/sprachlicher Prägung.
„Ein spannender Punkt wären z.B. die Widersacher. Michael sagt einfach „kenne ich nicht aus eigener Anschauung“
meine Antwort darauf ist: – diese Haltung ist verständlich, wenn er sich an die Quelle anzubinden vermag, ohne anthroposophische Begriffe bemühen zu müssen. Diese Anbindung nehme ich wahr - genauso wie einen gelegentlichen Wutausbruch – ich schätze beides. Dies ist meine Interpretation – was Michael dazu meint überlasse ich ihm.
10.01.11 22:19

Michael Eggert
Liebe ZuL, ja, ich denke auch, dass es auf anthroposophische "Inhalte" wenig ankommt - wesentlich ist die Methodik, die Faktizität und Konkretheit. Die "Inhalte" stellen lediglich Hinweise dar - ein Medium, ähnlich wie etwa das Werk von Beuys. Zu dem "Eigentlichen" hat jeder Mensch Bezug, weil es sein eigenes Eigentliches ist. Es gibt sicherlich viele Wege "dorthin", nicht zuletzt über erlittenes Leid oder praktizierte Kunst, über Zen und über einen Spaziergang unter Weiden am Rhein.
10.01.11 23:01


Lieber manroe, vielen Dank für Deine guten Wünsche!

Leider muss ich aus meiner Anschauung sagen, dass zur Sperrstunde dann doch wieder alles relativiert wurde. Und das ist etwas, was ich nicht fassen kann... Es tut mir leid, ZuL, ich kann mich noch nicht verabschieden. Ich sagte: Die Essenz der Geisteswissenschaft ist die Quelle, aus der Rudolf Steiner schöpfte. Und Sie machen daraus: Man kann Zugang zu ihr finden, ohne auch nur einen einzigen anthroposophischen Begriff zu kennen.

Das stimmt nicht! Man braucht alle diese Begriffe, und sie müssen in einem lebendig werden, um zur Quelle zu kommen! Rudolf Steiners Worte sind nicht die Quelle, aber seine Begriffe strömen aus dieser Quelle – und deswegen weisen sie den Weg dorthin. Anthroposophie ist ein Erkenntnisweg, sie ist die Sprache des Christus, und sie brauchte zu ihrer Offenbarung das ganze jahrzehntelange Lebenswerk Rudolf Steiners. Sie ist nicht wortlos wie Zen! Sie ist der Weg zu dem Weltenwort in all seiner Differenziertheit. Und man glaube doch nur nicht, dass man „Anschluss“ daran findet, wenn man den modernen Schulungsweg nicht geht und die geisteswissenschaftlichen Begriffe nicht zu Hilfe hat!

Und Michael geht dann noch weiter und sagt: Zu dem „Eigentlichen“ (also zur Quelle der Geisteswissenschaft?) findet jeder Mensch schon durch Leid oder Zen oder einen Spaziergang. Nein, lieber Michael. Wozu dann überhaupt Anthroposophie? Wenn Leid oder ein Spaziergang schon reichen? Dass Du die Widersacher aus eigener Anschauung nicht kennst, zeigt gerade, dass das nicht reicht.

Das ist eben gerade dieser Relativismus, den ich meine: Wahlweise „Wir haben uns alle lieb“ oder „Wir haben doch alle Anbindung an das Eigentliche.“ Wo ist denn die differenzierte Menschenerkenntnis, spirituell bis in den Leib hinein, die Erkenntnis der Hierarchien und Widersacher, die Erkenntnis der Erlebnisse der Seele nach dem Tode und, und, und? Ein Spaziergang am Rhein und alles da? Nichts da!

Glaubt irgendjemand, Steiner hätte gesagt: Macht meinetwegen auch Zen, dann habt ihr’s auch?

Ratlos...

Über „die wortlose Tiefe und Einfachheit“ der Erfahrung

Rainer
Guten Morgen, Herr Niederhausen. Was mich so ganz persönlich noch einmal interessieren würde: Gibt es eigentlich auch nicht-anthroposophische spirituelle Autoren, die Sie, vielleicht ansatzweise, anerkennen oder sogar schätzen?
Liebe ZuL, ich sehe es ähnlich wie Du: Es kommt auf die Quelle und die lebendige Substanz der Anthroposophie an, nicht auf die Worte, die in den 370 Büchern stehen. Ich glaube, die anthroposophische Bewegung hat sich etliche Jahrzehnte daran gewöhnt, anhand der (zugegebenermaßen faszinierenden) Begrifflichkeit Steiners eine überschaubare und Halt gebende "geistige Welt" einzurichten. Was bleibt auf der Strecke: Die unmittelbare Gegenwart, wie sie sich in mir und in meinem gelebten Alltag Tag für Tag neu und immer anders manifestiert, die wortlose Tiefe und Einfachheit meiner konkreten Erfahrung.
Steiner wusste um diese Gefahr, er hat einmal gesagt (ich weiß nicht mehr wo genau), dass es sinnvoll wäre, sogar das Wort "Anthroposophie" jede Woche (!) durch ein neues Wort zu ersetzen.
11.01.11 05:36


Guten Morgen, Rainer. Ob ich auch nicht-anthroposophische spirituelle Autoren schätze? Warum denn nicht? Vielleicht sogar mehr als „anthroposophische“. Das ist es doch: Es kommt immer auf den Anspruch an. Wie können wir nur von den Vorurteilen freikommen? Warum kann man nicht jeden Menschen in seinem Streben anerkennen und schätzen? Es muss allerdings ein echtes, reales Streben sein. Die echten Geistessucher aus allen Jahrhunderten kann ich nur tief anerkennen. Auch die letzten hundert Jahre gehören dazu, auch wenn sich hier eine vielschichtige Tragik auftut.

Die Bewusstseinsentwicklung geht weiter. Der Mensch soll heute zur Geisteswissenschaft kommen. Stattdessen kommt man heute zu „Jetzt und hier“, „All-Eins-Liebe“ und so weiter. All dies wird immer trivialer und immer unwahrer. Und die Suggestion wird immer größer, dass man dies ach so schnell oder schon jetzt (oder überhaupt jemals) verwirklicht habe. Der unverwandelte Egoismus, überhaupt der übergroße unverwandelte Anteil (dazu gehört auch Unentfaltetes, Bequemes, letztlich auch eine Form von Egoismus!) wird gar nicht mehr gesehen. Trotz allen guten Willens ist eine große Selbstlüge dabei, und das ist die eine Tragik. 

Und man übersieht oder versäumt den anthroposophischen Schulungsweg – denn es geht ja anscheinend viel leichter? Selbst Menschen, die der Anthroposophie schon begegnet sind, lassen die Anthroposophie dann „neben dem Leben herlaufen“ und glauben sogar, „es führen ja eh alle Wege zum einen“, sogar – wie Michael sagt – ein Spaziergang am Rhein. Da kann ich wirklich nichts weiter sagen. Ich kann jedes wahrhaftige Streben und jeden wahrhaftigen Autor schätzen – aber Anthroposophen sollten zumindest erkennen, was in der Anthroposophie gegeben ist. Die Geisteswissenschaft führt voll bewusst in Weiten und Tiefen, die so kein anderer Weg kennt. Die Menschen sind berufen, den in der Welt wirkenden Geist immer differenzierter zu erkennen – durch die Entwicklung ihrer eigenen geistigen Kräfte, durch die Verwandlung ihrer eigenen Seelenkräfte.

Was ich am wenigsten schätzen kann, sind nicht-anthroposophische Autoren und Leser, die sich aber als anthroposophische verstehen... Ein Zwischending gibt es nicht. Vom anthroposophischen Standpunkt aus muss man keine Strömung ablehnen, kann überall das Berechtigte sehen, aber auch die Tragik. Aber gerade wegen dieses umfassenden Standpunktes ist die Anthroposophie selbst kein Steinbruch, den man ab und zu mal besuchen kann, um sich den einen oder anderen Schatz herauszunehmen. Das kann man zwar tun, aber dann ist man kein Anthroposoph, sondern eine „spirituelle Elster“, wenn man so will.

Noch etwas zur „wortlosen Tiefe und Einfachheit meiner konkreten Erfahrung“ (Rainer). Der von Rudolf Steiner gegebene Schulungsweg, in dem das Denken bzw. die Verwandlung des Denkens eine so große Rolle spielt, geht ganz auf die konkrete Erfahrung hin. Gerade er will den Menschen mit der Wirklichkeit wieder verbinden (re-ligio)! Die Tragik des heutigen Bewusstseins ist ja gerade die Trennung – auch wenn diese kommen musste, damit der Mensch zunächst „frei von“ werden konnte.

Das Furchtbare ist, dass fast alle sogenannten „Anthroposophen“ ganz und gar in dieser vom Intellekt hervorgerufenen Trennung bleiben und diese sogar immer weiter ausbauen, indem sie mit Begriffen hantieren, bis es abstrakter und/oder schein-esoterischer und schein-heiliger nicht mehr geht. Aber: Das Denken soll sich nicht in den Tiefen der vom Intellekt vergewaltigten GA verlieren, sondern es soll den unmittelbaren Bezug zur Wirklichkeit finden. Wenn es diesen Bezug findet, dann verwandelt sich diese Wirklichkeit vollkommen! Die Tiefe der konkreten Erfahrung ist dann voll und ganz da. Auch die Wortlosigkeit und Einfachheit – recht verstanden.

Diese tiefe Erfahrung ist dann wortlos, aber nicht einfach nur da („ich bin“, „es ist“). Eben genau hier geht die Anthroposophie weiter in die Tiefe: Die Welt erweist sich als von Geist erfüllt, ganz konkret, so differenziert wie nur denkbar (oder wahrnehmbar). Denn: Der Intellekt macht viele Worte, die noch dazu vor Leere scheppern; die Wirklichkeit kann von Geist zu Geist erkannt werden. Dann aber ist es das (völlig verwandelte) Denken, das erkennt. Es ist Geisteskraft. Und das Erkannte ist im geistigen Sinne dann nicht wortlos – es spricht sich aus, unmittelbar, in einer klaren, großartigen Sprache. Man begegnet nicht der „einfachen Erfahrung“ wie im Zen, sondern man begegnet der wunderbaren Tiefe des Logos (des göttlichen Wortes) in seiner unermesslichen Vielfältigkeit und Fülle. Diesen Unterschied muss man verstehen wollen – dann beginnt die Ahnung dessen, was Anthroposophie wirklich ist und im Menschen werden will.

Von verschiedenen Zugängen zur Quelle

Ingrid
Lieber Holger, "Man braucht alle diese Begriffe, und sie müssen in einem lebendig werden, um zur Quelle zu kommen!" [...]
Aber es kann auch Menschen geben, die auf andere Weise zur "Quelle" finden. [...] Also, über Zen oder den Rheinspaziergang kann ich nichts sagen, denn davon weiß ich nichts. Aber daß der Weg über erlittenes Leid oder praktizierte Kunst "viel leichter" sein sollte als der anthroposophische Schulungsweg, das ist einfach nicht wahr. Wie kommst Du zu dieser Ansicht? [...]
Ich selbst bin erst vor einigen Jahren mit der Anthroposophie in Berührung gekommen, zu einer Zeit, als ich schon so manche Schwierigkeit meines eigenen Weges bewältigt hatte… und im Nachhinein, nun, da ich die "anthroposophischen Begriffe" ein wenig kennengelernt habe, bin ich noch immer verblüfft über die genaue Schilderung dessen, was ich heute ohne Bedenken als das "luziferische" und das "ahrimanische" Wirken etikettieren würde - eine Schilderung, die ich selbst in einem Briefwechsel aus früherer, vor-anthroposophischer Zeit gegeben habe. In einem Kommentar zu einem anderen Thema (Ärgernis Anthroposophie) habe ich bereits geschildert, daß ich Rudolf Steiner auch heute noch so lese, daß ich etwas vorher selbst Erkanntes bei ihm wiedererkenne. [...]
Es gibt sicherlich noch viele andere "Belege" darüber, daß gerade erlittenes Leid oder praktizierte Kunst auch ohne die "anthroposophische Quellfassung" zum Ziel führen können. Wie sonst hätte Rudolf Steiner damals in der "Weihnachtstagung", als er Albert Steffen als seinen Stellvertreter vorschlug, über ihn sagen können:
"Albert Steffen ist schon Anthroposoph gewesen, bevor er geboren worden ist; das muß man ihm anerkennen."?
11.01.11 12:43


Liebe Ingrid, Du hast teilweise Recht. Da die Anthroposophie unmittelbar mit den seelisch-geistigen Möglichkeiten des Menschen zu tun hat, kann auch das Leben selbst in der einen oder anderen Weise kleinere oder größere Einweihungen in der einen oder anderen Hinsicht geben. Dazu kommt das, was Rudolf Steiner über die übersinnliche Michael-Schule sagte und so weiter.

Aber: Wie weit reicht so eine Lebenseinweihung? Und ist man damit zum bewussten Geistesforscher geworden? Wenn es gut geht, möglicherweise in mancher Hinsicht. Aber man hat weder das Erkenntnisinstrument so umfassend und methodisch klar und bewusst ausgebildet, noch kann man es auf alle Gebiete des über-/sinnlichen Lebens anwenden.

In diesem Sinne war z.B. auch Goethe ein großer Geistesforscher. Und doch musste erst Schiller ihm sagen, was er da eigentlich tut (Schauen der Urpflanze als Idee), und Goethe hat gesagt, dass er an das Erkenntnisinstrument selbst gar nicht bewusst heranwill. Deswegen kam er auch nur bis zu gewissen Erkenntnissen im Tierreich und nicht zu einer Anthropo-Sophia, obwohl er natürlich als Künstler den Menschen seelisch dennoch sehr tief durchschaut hat, wie auch viele andere Künstler. Also – diese verschiedenen Einweihungen meine ich nicht, obwohl sie natürlich alle auf ihre Art Aspekte der geistigen Welten berühren.

Michael kennt nicht einmal die Widersacher, meint aber, man würde „Es“ schon bei einem Spaziergang erreichen können. Da reden wir einfach über verschiedene Dinge! Dass Du das Wirken der Widersacher durch eigenes Lebensschicksal so genau erleben gelernt hast, kann ich Dir wirklich sofort glauben. Aber das ist dann ein Teil der geistigen Welt – nicht der Erkenntnisquell, den ich meinte. Es gibt viele Menschen, denen sich auf diesem oder jenem Wege eine höhere Wahrnehmung eröffnet, die ihre Erlebnisse teilweise deuten können oder auch nicht und so weiter. Ich meine das durch und durch bewusste, vollkommen sichere und ganz durchschaute Entwickeln und Ergreifen dieses „neuen Sinns“, der „Geistesaugen“.

Ingrid
"Wie weit reicht so eine Lebenseinweihung?" Das ist sicherlich in jedem Leben anders. Ich halte nichts davon, das für irgendein anderes Leben zu beurteilen als für mein eigenes.
"Und ist man damit zum bewussten Geistesforscher geworden?" Nicht unbedingt. Auch das wird in jedem einzelnen Leben anders sein. Aber wo steht geschrieben, daß jeder Mensch ein "bewußter Geistesforscher" sein muß? Nicht einmal jeder Anthroposoph muß das. Auch Rudolf Steiner unterschied immer zwischen den "gewöhnlichen" Mitgliedern und den "tätig sein wollenden". [...]
[...] ich begreife noch nicht recht, was Du in diesem Zusammenhang mit "Teil der geistigen Welt" meinst.
11.01.11 14:51


Ich meine einfach den Unterschied zwischen über-sinnlichen Wahrnehmungen und der bewussten Ausbildung des Erkenntnisorgans. Mit dem Quell meinte ich vor allem die umfassende Entwicklung der Geist-Erkenntnis als klare Fähigkeit, nicht diesen oder jenen Einblick in diese geistigen Welten.

Ja, es muss nicht jeder ein bewusster Geistesforscher sein. Nur verzweifle ich an den fortwährenden Relativierungen, wenn es dann heißt, man kann auf verschiedenste Arten „Zugang zum Eigentlichen finden“: Zen, Spaziergang am Rhein usw.

Der methodische Weg der anthroposophischen Geisteswissenschaft ist einzigartig, und was auf diesem Weg gefunden wird (werden kann), in seiner Umfassendheit, Differenziertheit und Klarheit, ist ebenfalls einzigartig. Es ist zunächst das Lebenswerk Rudolf Steiners – ich meine jetzt vor allem bezogen auf die Erkenntnis –, aber zugleich das Potential jeder Menschenseele. Genau dies möchte ich nicht relativiert sehen. Alles andere, auch den eigenen Anspruch usw., kann man immer wieder relativieren, wie man mag.

zuhörerundleser
Sie schreiben „Man braucht alle anthrop.Begriffe und sie müssen in einem lebendig werden, um zur Quelle zu kommen. R.Steiners Worte sind nicht die Quelle, aber seine Begriffe strömen aus dieser Quelle – und deswegen weisen sie den Weg dahin.“
Es gibt verschiedene Wege, um an die Quelle zu gelangen. Die Anthroposophie stellt EINEN dieser Wege dar. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn man sich für einen Weg entschieden hat, dann stimme ich mit Ihnen überein, dass es unerlässlich ist, die Landkarte mit der nötigen Ernsthaftigkeit bis ins tiefste Detail hinein zu studieren, dass es unerlässlich ist, sich die Technik zu erarbeiten und zu vervollkommnen.
Wenn ich eine Cellosonate von Bach spielen wollte, dann reicht es nicht zu sagen: „Ich verbinde mich einfach mit der Quelle - wozu soll ich mich lange mit dem Erlernen der Noten herumplagen.“ Ich nehme an, das leuchtet jedem ein.
„Und man glaube doch nur nicht, dass man „Anschluss“ daran findet, wenn man den modernen Schulungsweg nicht geht und die geisteswissenschaftlichen Begriffe nicht zu Hilfe hat.“
Wenn man den anthrop. Schulungsweg geht, bedarf es der geisteswissenschaftlichen Begriffe, so wie es der Noten und des jahrelangen Übens bedarf, um die Bachsonate zu spielen. Das Üben und der Ausdruck des Cellos nähern sich immer mehr der Quelle an. Irgendwann öffnet sich die Quelle und strömt. Nach Jahren der Zuwendung, der Liebe zum Spiel, legt der Musizierende die Noten weg, er braucht sie nicht mehr, er hat sie verinnerlicht. Er hat den Klang der Quelle kennen gelernt, er kommuniziert mit ihr und wird diesen Klang nun an JEDEM anderen Musikinstrument wieder erkennen.
11.01.11 15:24

Michael Eggert
Lieber Herr Niederhausen, "[...] Nur verzweifle ich an den fortwährenden Relativierungen, wenn es dann heißt, man kann auf verschiedenste Arten „Zugang zum Eigentlichen finden“: Zen, Spaziergang am Rhein usw."
Es handelt sich ja nicht um einen plötzlichen "Ruck" wie bei diesen sensationellen, aber häufig illusionären Erleuchtungserfahrungen, sondern um einen ganz allmählichen Umgestaltungsvorgang. Es gibt viele kleine Begegnungen und Erlebnisse, die allmählich zu einem dauernden sanften Lebenshintergrund werden. Dann erst kann die Sache reifen. Es gibt Vieles, was hinderlich ist wie z.B. bestimmte Ernährungsgewohnheiten, es gibt Vieles, was förderlich ist. Irgendwann ist es kein "Üben" mehr, sondern einfach Alltag des "sanften Willens". Von da ab reift es von selbst, d.h. es geht seinen eigenen Weg, man bekommt Hinweise und kommt in Situationen, in denen es sich bewährt oder nicht. Aus dem vielen Kleinen wird ein Ganzes. In dem Kleinen ist das Ganze eingefaltet enthalten. Man entfaltet es nach und nach, ganz leicht und ohne Anstrengung, ohne Drama und mit Freude.
11.01.11 15:26

Noch mitten im Verstehenwollen wieder Verurteilungen

zuhörerundleser
"Steiner hat nicht gesagt macht meinetwegen auch Zen, dann habt ihr`s auch." Das hat Steiner sicherlich nicht gesagt, denn zum einen hatte er eine respektvollere Sprache und zum anderen bin ich der Meinung, dass Steiner die Essenz des Buddhismus nicht in seiner Tiefe erfasst hat.
Wenn Steiner von Indien spricht, wirft er Brahamismus und Buddhismus meist in einen Topf. Man weiß nie genau, worauf er sich nun eigentlich bezieht, er behandelt das Thema zu undifferenziert, meist jedoch nimmt er Bezug auf den Brahamismus. Bei der Aufzählung der Kulturepochen springt er vom Brahamismus beginnend, meist direkt in die vorderasiatische Kulturepoche, ohne der revolutionären buddhistischen Geistesepoche ihren entsprechenden Raum einzuräumen. Revolutionär, weil diese universelle Geisteswissenschaft die vertikale Struktur des Brahamismus zugunsten einer weitgehend horizontalen Auslegung abgeschafft hat. Steiners Interpretation des Buddhismus ist beliebig, er versucht ein eigenständiges Geistgebäude seiner Geisteswissenschaft unterzuordnen. Mit Buddha hat sich ein Bewusstseinssprung in der Menschheitsentwicklung vollzogen, den Steiner m.E. nicht in seiner Essenz nachvollzogen hat. Ich möchte ausdrücklich sagen, dass ich dazu keine Antwort von Ihnen möchte, weil ich Ihnen dazu die entsprechende Kompetenz abspreche.

Was wir alle gemeinsam in den letzten Tagen gemacht haben, war, einen Boden aufzubereiten, auf dem fruchtbare Verständigung gelingen kann. Das ist uns auch teilweise gelungen. Es war für viele spürbar, dass ein kleines Pflänzchen begonnen hat Wurzeln zu fassen. Sie scheinen diese zarten Momente nicht aushalten zu wollen oder zu können, sondern treten mit Ihren intellektuellen Hausmeisterstiefeln auf dieses Pflanzchen. Ich kann Platten, die im Kreis bleiben und sich nicht zu einer Spirale öffnen, nichts abgewinnen. Auch Ihre Platte hat wieder begonnen sich im Kreis zu drehen und läuft sich dabei tot, anstatt das Neue, das entstanden ist zu wahren. Das ist der Punkt wo ich Sie nicht mehr in Ihrem Erkenntnisstreben wahrnehme, sondern wo ich bemerke, dass Sie beginnen zu zerstören. Es ist längst Ihr Widersacher, der spricht und der jetzt die Regie übernommen hat und Sie merken das nicht einmal. Sie verfügen über ein tiefes Erkenntnisstreben und haben gleichzeitig einen großen Widersacher in sich, jedoch nicht die Fähigkeit, das Eine vom Anderen zu unterscheiden, entwickelt.
Wenn Michael dann so einen Widersacher am Kragen packt und ihn mit einem Wutanfall hinauswirft kann ich das nur begrüßen – aus dem ganz einfachen Grunde, weil wir hier begonnen, haben fruchtbares Land aufzubereiten. Sie haben sicherlich einige fruchtbare Samen hinterlassen, ich schlage Ihnen vor jetzt aufzuhören, denn sonst werden die auch noch sauer. Ich werde auf keinen Ihrer Kommentare mehr antworten.
11.01.11 15:26

Ingrid
Lieber Holger, ah. Nun wird mir klar, wo die vielen vielen Mißverständnisse, die es mir hier immer wieder zu geben scheint, ihre Wurzel haben könnten:
"Mit dem Quell meinte ich vor allem die umfassende Entwicklung der Geist-Erkenntnis als klare Fähigkeit"
Wenn ich in der - zugegeben: ein wenig "materiellen" - Metapher der "Quelle" bleibe, so denke ich an Wasser, das aus der Erde heraussprudelt, für alle, die es - auf welche Weise auch immer - zu finden wissen.
Und wenn ich an "Zugang zum Quell" oder meinetwegen auch zum "Eigentlichen" denke, dann denke ich an einen Menschen, der dieses Wasser findet, sodaß er seinen Durst mit einem Schluck dieses Wassers stillen kann. Wo und auf welche Weise er dieses Wasser schöpft, das kann nicht nur von Mensch zu Mensch, sondern auch bei ein- und demselben Menschen von Mal zu Mal verschieden sein.
Das, was Rudolf Steiner uns hinterlassen hat, würde ich in dieser Metapher nicht als "Quell" bezeichnen, sondern einerseits als "Quellfassung", mit deren Hilfe auch Durstige, die von selbst keinen eigenen direkten Zugang zur "Quelle" finden, sich erquicken können (dort, wo er etwas aus der "geistigen Welt" mitteilt), und andererseits sozusagen als "Anleitung zum Bau einer eigenen Quellfassung" (dort, wo er Anleitungen zum "Schulungsweg" gibt).
Findest Du das auch "relativiert"?
11.01.11 15:29


Lieber Herr Eggert, danke für Ihre letzte Antwort. Das macht für mich deutlicher, was Sie mit dem heller werdenden Willen meinen.

Liebe Ingrid, ja, die Missverständnisse mit Quelle, Wasser usw. sind sehr schnell da, aber jetzt scheint es doch recht klar zu sein. Für mich macht es einen wesentlichen Unterschied, „nur“ diesen oder jenen Zugang zum Wasser zu haben oder aber einen Zugang zur Quelle/Quellfassung.

Worauf ZuL hinauswill, weiß ich nicht genau. Buddha und seine Schüler haben das menschliche Bewusstsein in der Tat sehr tiefgründig erforscht. Aber wie ist es mit der Erkenntnis des ewigen geistigen Wesens des Menschen? Und mit der Erkenntnis des „Geistigen im Weltenall“, und zwar in all seiner Differenziertheit, bis ins Physische hinein? Der entscheidende Unterschied liegt auch hier in der Methode.

Die Verurteilung von ZuL kann ich nicht verstehen – und auch nicht, wie sie nun glaubt, mich analysieren zu können. Es war von Anfang an klar, dass ich mich gegen eine Relativierung wehre. Mir kamen gerade die Beiträge, wo es anfing mit „jeder kann sich an die Quelle anbinden“ wie ein Zertrampeln eines solchen entstandenen Pflänzchens vor.

Ich habe gesagt, ich kann alles gelten lassen, aber die Reichweite, Erkenntnistiefe und vom Denken ausgehende Bewusstheit der anthroposophischen Geisteswissenschaft sind einzigartig.

Worin besteht das zarte Pflänzchen? Es kann doch nur in dem Bemühen bestehen, einander verstehen zu wollen. Dass irgendjemand hier seine Sichtweise in der Sache geändert hat (also abgesehen vielleicht von manchen Vorurteilen gegen meine Person) kann ich nicht sehen. Das Bemühen, die einzelnen Beiträge zu verstehen, war sicherlich überall da. Wie weit man einander jedoch überhaupt verstanden hat und wie weit nicht, ist die Frage. Oft ging es ja wirklich darum, überhaupt erst einmal Missverständnissen auf die Spur zu kommen.

Was ich oben über die Anthroposophie gesagt habe, ist für mich offensichtlich, und ich habe dazu noch keinerlei ausdrückliche Erwiderung gesehen. Wenn ZuL nun behauptet, ich würde nicht verstehen wollen, so finde ich das einfach nur tief traurig. Wenn es bei einem solchen Ende bliebe, könnte ich wirklich nur die umgekehrte Empfindung haben.

Ingrid
Lieber Holger, also, worauf ZuL und wohl auch andere hier hinauswollen, das ist wahrscheinlich ganz einfach, daß sie die Berechtigung ihrer jeweiligen Sichtweise von Dir nicht anerkannt finden, selbst dann nicht, wenn sie ihrerseits sich wirklich bemühen, Deine Sichtweise nachzuvollziehen.
Du sagst: "Dass irgendjemand hier seine Sichtweise in der Sache geändert hat (also abgesehen vielleicht von manchen Vorurteilen gegen meine Person) kann ich nicht sehen."
Ja - warum auch sollte irgendjemand seine Sichtweise in der Sache ändern? Du tust es ja auch nicht. Und ich finde das auch ganz richtig so. Jeder von uns hat sehr gute Gründe, warum er zu seiner ur-eigenen Sichtweise gekommen ist. Wenn wir, obwohl wir uns bemühen, auch andere Sichtweisen zu begreifen, dennoch dort weitergehen, wo uns unser eigenes Lebensschicksal hingeführt hat und auch weiterhin leitet, dann finde ich das ganz in Ordnung. [...]
Aber wenn ich lese, wie jeder von uns hier darlegt, was er meint und wie er die Sache sieht, dann bemühe ich mich nicht in erster Linie, zu sehen, was an all diesen "Sichtweisen" anders ist als das, was ich selber sehe, sondern ich versuche vor allem, zu erkennen, wo der jeweilige Andere seinen Zugang zu derselben "Quelle" gefunden hat wie ich. [...]
"Ich habe gesagt, ich kann alles gelten lassen, aber die Reichweite, Erkenntnistiefe und vom Denken ausgehende Bewusstheit der anthroposophischen Geisteswissenschaft sind einzigartig."
Ja. Das hast Du gesagt, und sagst es immer wieder. Und ich - und das ist wohl der Unterschied zwischen Dir und mir (und vielen anderen hier) - würde mich einen solchen Satz halt erst dann zu sagen trauen, wenn ich nicht nur die Anthroposophie, sondern auch alle anderen "Weisheitslehren" sehr sehr gründlich erforscht hätte, und zwar selbst und ganz direkt erforscht hätte, also nicht, indem ich lese, was ein anderer dazu sagt.
Das hab ich aber nicht getan, und würde es in diesem Leben wohl auch nicht mehr schaffen, selbst wenn ich jetzt sofort damit anfinge. Also kann ich diesem Deinen Satz weder zustimmen noch ihm widersprechen.
11.01.11 17:42

Klare Fragen oder „in eherne Form gegossen“?

Liebe Ingrid, ich habe nicht das Gefühl, dass die anderen meine Sichtweise mehr anerkennen als ich die ihre (bzw. umgekehrt). Hast Du dieses Gefühl?

Nein, niemand muss seine Ansicht ändern – ich wollte nur sagen, dass das zarte Pflänzchen dann aber doch nur in dem Bemühen bestehen kann, den anderen zu verstehen. Und ich weiß nicht einmal genau, worüber wir jetzt „streiten“, ich jedenfalls bemühe mich nach wie vor, zu verstehen! Und ich habe einiges noch immer nicht verstanden.

Ich bin z.B. nicht einmal sicher, wer von den anderen seinen Zugang zu dem, was jeder jeweils „das Eigentliche“ nennt, als „anthroposophisch“, wer als „Geisteswissenschaft“ und wer ganz anders bezeichnen würde. Wer sieht sich auf dem Boden der Geisteswissenschaft? Wer auf verschiedenen Böden (jeweils „mit halbem Fuß“?) und so weiter.

Aber meine eigentliche Frage im Anschluss an meine Aussage („Die Reichweite, Erkenntnistiefe und vom Denken ausgehende Bewusstheit der anthroposophischen Geisteswissenschaft sind einzigartig.“) ist:

- Wurde verstanden, was ich mit Geisteswissenschaft und völliger Verwandlung des Denkens zum Organ der Geist-Erkenntnis meine?
- Wer will dann meine Aussage bestreiten? (Du sagst zumindest, Du kannst es nicht beurteilen)

Ich sage doch nicht, dass andere Zugänge nicht berechtigt sind! Aber ich weiß nicht, worüber eigentlich nun Uneinigkeit besteht! Offenbar wird meine Aussage ja zurückgewiesen. Welche andere Aussage tritt dann an ihre Stelle?

Die Frage „derselben Quelle“ ist für mich nicht die wesentliche. Denn jede Art von Erfahrung, die über das Sinnliche hinausgeht, hat mit der „Quelle“ bzw. dem „Wasser“ zu tun. Und so wird jeder Mensch den seinen Zugang zu irgendetwas von diesem „Wasser“ haben. Insofern gibt es unzählige Zugänge, sämtliche spirituelle Strömungen bis hin zum Rhein-Spaziergang sind hier unterschiedslos anzuführen und auch anzuerkennen.

Meine Frage betrifft einzig und allein die Frage der Reichweite und der Methode (Bewusstseinsklarheit).

Kann man sich darüber denn nicht noch ein wenig einig werden oder aber zu eindeutigen Aussagen kommen?

Ingrid
Lieber Holger, "ich habe nicht das Gefühl, dass die anderen meine Sichtweise mehr anerkennen als ich die ihre (bzw. umgekehrt). Hast Du dieses Gefühl?" Nun ja, ein wenig schon. [...]
Denn ich würde diesen Satz so formulieren: Für mich macht es einen wesentlichen Unterschied, „nur“ diesen oder jenen Zugang zu einer "Quellfassung" zu haben oder aber einen Zugang zur Quelle/zum Wasser selbst. [...]
Zu Deinen Fragen, wer von uns sich nun auf welchem "Boden" sieht, ob "anthroposophisch" oder "geisteswissenschaftlich" oder sonstwie, kann ich natürlich nur über mich selbst etwas sagen. Aber bevor ich das tu, möchte ich doch fragen: Wieso ist es eigentlich so wichtig, das zu wissen?  Mir jedenfalls ist der Inhalt dessen, was gesagt wird, wesentlich wichtiger als die Frage, auf welchem "Boden" er gewachsen ist.
Dies hier ist ein Blog und keine geschlossene Gesellschaft mit Mitgliedskarte und Bekenntnispflicht. Was uns verbindet, so sehe ich es, ist ein gemeinsames Interesse. Ich persönlich würde zwar schon sagen, daß dieses gemeinsame Interesse die Anthroposophie ist, aber ich bin mir gar nicht sicher, ob die anderen das auch so sehen. Und es würde mich auch überhaupt nicht stören, wenn alle, inklusive Michael, das anders sähen. [...]

Und nun noch zu meinem eigenen "Boden": mir geht es ähnlich wie Bruno Walter, den ich weiter oben zitiert habe. Ich bin meinen eigenen Weg gegangen, ohne eine "spirituelle Tradition" im Hintergrund, um schließlich auf einem "Boden" zu stehen, den ich nicht anders benennen könnte als eben meinen eigenen.
Erst als ich schon halbwegs sicher auf diesem "Boden" stehen konnte, bin ich mit der Anthroposophie in Berührung gekommen. Und ich erkannte (und erkenne noch immer) in dem, was Rudolf Steiner sagt, sehr vieles wieder, das ich längst "mein Eigen" nenne. Das bewirkt wohl, daß ich auch allem anderen, was er sagt, ein gewisses "Vorschuß-Vertrauen" (nicht: eine gar nicht mehr überprüfenwollende Gläubigkeit!) entgegenbringe. Ich begreife längst nicht alles, was ich bei ihm lese, aber es wird im Laufe meiner Beschäftigung damit immer mehr. Es ist eine Entwicklung, die noch lange nicht abgeschlossen ist.
Ob ich mich "Anthroposophin" nennen kann/soll/will, weiß ich nicht. Manchmal bin ich mir dessen ganz sicher. Wenn ich aber bemerke, wieviele unterschiedliche Definitionen es zu geben scheint für den Begriff "Anthroposoph", werde ich wieder unsicher.
Aber diese Unsicherheit betrifft nur die Bezeichnung, die ich ja letztlich für unerheblich halte. Sie hindert mich nicht, immer sicherer auszuschreiten auf meinem eigenen Weg. Immer klarer mit der Anthroposophie. [...]
11.01.11 20:54

zuhörerundleser
[...] Ich bin HN auf diesem blog zum ersten Mal begegnet und nehme aus dieser Begegnung einige wichtige Anregungen mit, manches hat mich bereichert. Anderes lehne ich entschieden ab. Ich hoffe, dass auch er etwas mitnimmt und wenn es bloß etwas trauriges sein sollte. Es gibt für mich einen Punkt, wo sein „Erkenntnisstreben“ in sein Gegenteil kippt . An dem Punkt möchte ich das Gespräch beenden, auch kräftig.
Alles in diesem Universum ist in ständiger Veränderung und Evolution begriffen, HN scheint in eine Form gegossen zu sein, die sich ehern bis über die Ewigkeit hinaus bewahrt. [...]
11.01.11 21:05

Steffen
Also, ich wünsche jetzt erstmal allen einen schönen Abend...Vorher aber noch Dank an Ingrid für ihre Engelsgeduld und Dank auch an Lady ZuL für ihre brilianten Gedanken...für Eure Beiträge. Sammle mich nun etwas, bleibe schön bei mir und....ach, vielleicht brauch ich jetzt doch mal'n Schnaps..
11.01.11 21:05


Liebe Ingrid, dann geht es mir in meiner Frage eben doch um die Quelle und nicht nur um eine Quellfassung. Jede spirituelle Richtung stößt irgendwo auf Wasser. An welchem Punkt das ist, kann man von seinem Punkt aus nicht sagen. Entweder man sieht den Fluss schon hinter der nächsten Biegung nicht, oder man wähnt sich mitten im großen weiten Meer, kann aber nicht die Tropfen unterscheiden. Mit Quelle meine ich: Die Geisteswissenschaft kann sich im Wasser in jede Richtung bewegen, jeden der zahllosen Tropfen oder Wellen untersuchen. Bis dorthin, wo das Wasser im Erdreich (Physisches) versickert. Und so weiter. Das ist die Einzigartigkeit der Reichweite und Methode.

So wie ich Dich verstehe, ist diese Frage vielen offenbar weder erstaunlich noch wichtig. Wichtiger ist, selbst irgendwo den Kontakt mit dem Wasser zu spüren.

Gut, dann ist das genau der Unterschied. Wenn es aber wirklich so ist, sage ich: Entweder man erkennt die Bedeutung der Anthroposophie nicht, oder man erkennt sie sogar, aber es ist einem egal.

Offenbar ist es so, dass ihr, die ihr so denkt und empfindet, euch mit dem Geistessucher Rudolf Steiner verbunden fühlt, weil ihr ja auch Wasser entdeckt habt, so wie auch der Zen-Buddhist, der Brahmane, der Rhein-Spaziergänger usw. – und dass ihr euch gar nicht so sehr wundert, wie Rudolf Steiner derart unendlich viel Wasser finden konnte, bis zum Horizont und weiter (und ich meine jetzt wieder nicht den Einheits-Ozean, den viele kennen)... Und/oder ihr glaubt: „Ich brauche nur selbst weiterwandern, dann finde ich auch immer mehr Wasser.“ Oder: „Eigentlich wende ich ja schon genau dieselbe Methode an, Steiner war mir vielleicht ein wenig voraus, aber im Prinzip...“

Verstehst Du? Und ich bezweifele das. Oder will sich wirklich jemand als Geistesforscher ganz im Sinne Rudolf Steiners bezeichnen?

Aber da kommen wir nun natürlich wirklich nicht mehr weiter, denn wahrscheinlich werden doch viele auf dem „im Prinzip“ bestehen...

Natürlich kann jeder, der auch nur am Wasser spielt, glauben, er könnte oder werde auch ein großer Taucher werden. Aber das Beispiel von ZuL mit dem Üben reicht mir noch immer nicht. Man kann sehr wohl üben, zu schwimmen und sogar ein guter Schwimmer zu werden. Und doch kennt man dann z.B. die Welt unter Wasser nur ganz oberflächlich. Man muss wirklich energisch daran arbeiten, ein guter Taucher zu werden...

Das alles sind Bilder – aber ich hoffe, es wird ersichtlich, worauf ich hinaus will.

Wie auch immer – den meisten wird es wohl egal sein, was ich hier meine. Ihnen geht es um das Wasser, nicht um die Quelle oder die Fähigkeit, nun wirklich den ganzen Ozean in allen Breiten und Tiefen erforschen zu können. Das muss auch nicht sein. Ich will nur sagen: Rudolf Steiners Geisteswissenschaft ist Meisterschaft des Wassers in allen Dimensionen. Wenn einem aber das Wasser an sich am wichtigsten ist, muss man sich doch auch nicht darüber aufregen, dass es so ist? Mir kommt es ein wenig so vor, als hätten einige das Gefühl, ich wollte ihnen das Wasser leidig machen (oder sogar abgraben?). Um Himmels willen, nein!

Wenn diese Frage geklärt ist, kann auch ich einfach herumschauen und den Ausblick genießen und sehen, wie gut es jedem an seinem Plätzchen des großen weiten Flusses geht und was er da macht. Eine kleine Weile...

Aber nun sind ja leider schon alle verschwunden – ZuL hat keine Lust mehr, bescheinigt mir ein Tottrampeln zarter Pflänzchen und nun auch wieder eine ewig-eherne Formgegossenheit, Steffen dankt Dir für Deine Engelsgeduld, und die anderen haben sich überhaupt nicht mehr gemeldet. Ich finde diese Art der Dialogbereitschaft etwas seltsam... Nun ja, „Wasser“ ist nun einmal recht flüchtig... Dann gehe ich also auch wieder nach Hause, in der Tat mit etwas Traurigem.

Michael Eggert
Lieber Herr Niederhausen, "Natürlich kann jeder, der auch nur am Wasser spielt, glauben, er könnte oder werde auch ein großer Taucher werden." Aber nein doch. Jeder, der seinen spirituellen Verstand beisammen hat, wird sich vor dem spirituellen Ehrgeiz vorsehen. Ansonsten haben Sie Recht - ich würde einen einzigen Tropfen dem "grossen ganzen Ozean" vorziehen. Der Tropfen hat auch den Vorteil, dass man die ganze Umgebung gespiegelt sieht. Im Ozeanischen versinkt man. Andererseits ist im Kleinen das Große sehr wohl enthalten. der Tropfen ist ein Schatz. Sie sollten das Kleinste nicht gering schätzen.
11.01.11 22:17


Lieber Herr Eggert, das sehe ich doch auch alles sehr wohl, und ich habe das doch auch mehrmals zum Ausdruck zu bringen versucht. Aber umgekehrt vermisse ich bei vielen der scheinbar sehr wasserkundigen Gäste die Ehrfurcht vor dem Größten. Aber auch das wird mir wieder nachgeworfen werden.

Ingrid
Lieber Holger, ja, ich denke schon, daß ich Dich inzwischen ganz gut begreife. Und nein, ich glaube nicht, daß einer von uns sich wirklich als "Geistesforscher ganz im Sinne Rudolf Steiners" bezeichnen will - ich ganz bestimmt nicht, und auch von den anderen hat es meines Wissens bisher niemand behauptet. Das würde auch meine Kräfte bei weitem übersteigen. Ich begnüge mich deshalb immer wieder mit dem "Tropfen", den ich ebenso wie Michael als "Schatz" empfinde - und vor dem ich durchaus auch Ehrfurcht habe.
Und nein, ich will Dir ganz sicher nichts "nachwerfen" - aber "Ehrfurcht", finde ich, ist etwas ganz Intimes, das nicht nur jeder einzelne ganz individuell empfindet, sondern von dem auch jeder selbst entscheidet, wieviel davon er in die Öffentlichkeit tragen will. [Man muss seine Ehrfurcht sicher nicht zeigen, aber Ehrfurcht oder ein Mangel an Ehrfurcht offenbaren sich durchaus! H.N.]
Nochmal: dies ist ein Blog und keine akademische Institution oder Hochschule für Geisteswissenschaft. Es geht hier - jedenfalls mir - nicht ausschließlich um "Erkenntnis", sondern auch viel um den Austausch darüber, wie man deren "Anwendung im Alltag" erleben kann. [...]
Ich habe mich wirklich sehr über dieses Gespräch gefreut und finde auch, daß wir - im Vergleich zu der Diskussion vor einem Jahr - einen sehr großen Schritt weitergekommen sind. Dafür möchte ich allen Teilnehmern sehr herzlich danken. Ich wünsche Dir auch weiterhin alles Gute.
11.01.11 22:59

Das vorläufige Fazit

Damit endete der Austausch. Es wurde einfach nicht klar, wer was in welcher Weise als das entscheidende Element der Anthroposophie bzw. Geisteswissenschaft versteht oder erkennt – oder wer diese Frage überhaupt wichtig findet oder wie oder was... Es war viel von Wasser die Rede, aber es war ein wässriges Hin und Her, in dem sich die meisten gar nicht mehr zu Wort meldeten. Nun gut, jeder hat mit dem Wasser zu tun, alle Klarheiten sind beseitigt, jeder bleibt glücklich bei seinem Tropfen. Nur ich armer Tropf bin so klug als wie zuvor...

Ein seltsames Völkchen, diese Weisen vom Wasser. Sie erzählen einander pragmatisch ein wenig aus dem Leben, fühlen sich ganz im Einklang miteinander, definieren ihre Beziehung zur Anthroposophie nach Gefühl und freuen sich an dem wunderschönen Tropfenglitzern.

Es geht hier nicht ausschließlich um Erkenntnis, sagte Ingrid. Das hatte ich zuvor auch gesagt, als es um die Barbiepuppe ging, aber offenbar ist schon ein wenig Ringen um die Frage nach dem Wesen der Anthroposophie und der Beziehung des Einzelnen dazu etwas, was die meisten nicht bis zum kristallklaren Ende durchhalten wollen. Zuvor werden lieber wieder die Vorurteile gegen HN erneuert, denn als ich an dieser Frage dran blieb, wurde ZuL böse und meinte, ich würde das entstandene zarte Pflänzchen wieder zertreten! Offenbar bin ich schuld, dass sie böse wurde und das Gespräch kräftig beendete...

So ist das mit dem „ewig sich wandelnden Universum“. Man will auch in der Erkenntnis nicht zum Punkt kommen.  Wie das Wasser immer weiter, wie die Elfen... „HN ist ja irgendwie doch nicht so ganz dogmatisch. Er interessiert sich? Gut erklären wir ihm, wo wir die Weisheit finden. Was? Er hat es noch nicht verstanden? Er will es genauer? Er will wohl nicht verstehen! Dabei war doch soeben im gemeinsamen Bemühen ein zartes Pflänzchen entstanden. Alles muss er wieder kaputtmachen. Er ist eben doch ein eherner Dogmatiker! Wir haben’s ja gewusst...“

Schön unterhält es sich, wenn alle das Gefühl haben können, an einem gemeinsamen Fluss teilzuhaben. Schön glitzert das Wasser, das allen gemeinsame Erfahrung ist. Doch wehe, wenn einer nach der Quelle, nach Methode, nach Geisteswissenschaft fragt. Und wenn er klare Aussagen will... Solange dies nicht geschieht, kann sogar der scheinbare Dogmatiker mit den Wasserwesen in ein Gespräch kommen, und ein fast christlich anmutendes Geschehen vollzieht sich... Doch kaum ertönt die unheilvolle Frage nach der Geisteswissenschaft – husch, ist das Völkchen verärgert!

Wer störte die glitzrige Schönheit
des leichten Verstehens
mit solch grober Frage!?
Und wer gibt mit unsrer Antwort,
dass am Quell jeder teilhat,
nicht leicht sich zufrieden?
Anthroposophie ist Hinweis für manche,
die dessen bedürfen!
Wir, die das Wasser schon kennen,
wir schätzen auch Steiner,
aber ihn und seine Begriffe,
nein, so dringend braucht ihn hier keiner...
Und welche Methode?
Hör auf zu fragen!
Sonst müssen wir leider
aus unserer Mitt’ dich verjagen...

Notwendige Schlussbemerkung und Steiners Einsamkeit

Nochmals: Dieses Fazit spiegelt meine Enttäuschung über das Scheitern der wirklichen Verständigung in der mir entscheidend wesentlichen Frage. In Bezug auf den gesamten gemeinsamen Prozess wird dieses Fazit den Menschen nicht gerecht – in Bezug auf mein Empfinden zu dieser Frage gibt es aber doch etwas von dem wieder, was ich an diesem Punkt erlebt habe. So lasse ich es hier stehen und vertraue darauf, dass man es als mein Empfinden und meinen Standpunkt in dieser einen speziellen Frage irgendwie verstehen kann, ohne darin eine Verurteilung zu sehen oder es sogar allzu sehr auf sich zu beziehen. Ich kann mir natürlich auch gut vorstellen, wie das Fazit manches Gesprächspartners aussieht – wahrscheinlich genau polar entsprechend... Aber ich hoffe, dass man zumindest auch die liebevolle Ironie spürt und sie nicht als „eherne Verbitterung“ deutet...

Dankbar weiß ich mich mit einigen Menschen in Bezug auf die Standpunkte und Sichtweisen tiefer verbunden. Diese werden das „Fazit“ erst recht nicht auf sich beziehen, sondern am meisten verstehen, wie und warum es zustandekam.

Letztlich hat Michael Eggert Recht: Seine Beziehung zur Anthroposophie definiert jeder selbst. Und so mag sie „nur einer von vielen Wegen“ sein, als Steinbruch oder Projektionsfläche dienen, unverstanden bleiben und so weiter. Verantwortung für das richtige Verständnis ihres Wesens haben nicht die, die sich noch gar nicht sicher sind, ob sie sich als Anthroposophen bezeichnen wollen, sondern letztere – und was diese aus der Anthroposophie machen, ist nicht selten am schlimmsten.

Mit Menschen, die gar nicht voller Hingabe den Kern (oder Quell) der Anthroposophie suchen, sollte man nicht über diesen Quell reden oder gar diskutieren wollen. Das kann nur scheitern und eben zu neuerlichen Vorwürfen führen. Da wäre eher die Einstellung des Paulus richtig:

Denn obwohl ich frei bin von jedermann, habe ich doch mich selbst jedermann zum Knecht gemacht, damit ich möglichst viele gewinne. Den Juden bin ich wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne. Denen, die unter dem Gesetz sind, bin ich wie einer unter dem Gesetz geworden - obwohl ich selbst nicht unter dem Gesetz bin -, damit ich die, die unter dem Gesetz sind, gewinne. Denen, die ohne Gesetz sind, bin ich wie einer ohne Gesetz geworden - obwohl ich doch nicht ohne Gesetz bin vor Gott, sondern bin in dem Gesetz Christi -, damit ich die, die ohne Gesetz sind, gewinne. Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, damit ich die Schwachen gewinne.

Und wenn die am Ufer Sitzenden oder die Schwimmer im Wasser sich nicht auch für die Tiefe interessieren, müsste man mit denen, die nur mit den Füßen im Wasser baumeln, zusammen am Steg sitzen, den Schwimmern ein Schwimmer sein und so weiter. Das tue ich auch – im übrigen Leben –, aber dort, wo es mir wirklich um Erkenntnis geht, kann und will ich es nicht.

Ich vergleiche mich nicht mit Steiner (auch nicht in dem folgenden letzten Absatz), ich weise nur auf das Problem der klaren Erkenntnis hin; rufe dazu auf, die Erkenntnisfrage nicht leicht zu nehmen – wenn man überhaupt den Quell der Anthroposophie sucht und einem nicht bereits einiges Wasser genug ist.

Um es noch einmal mit Christian Morgenstern zu sagen: Die zur Wahrheit wandern, wandern allein. Rudolf Steiner war sehr einsam. Er konnte alle verstehen, wurde aber von kaum jemandem im Innersten verstanden. In der Liebe war er darum nicht einsam – er liebte die Menschen, und das ist der Liebe genug. Aber in der Erkenntnis war er einsam, denn hier folgte ihm fast niemand in jene Tiefen oder auch in der klaren Erkenntnis des Weges, den er wies. Man folgte ihm, ja, aber nicht in der Weise und der Klarheit, die er erhoffte. Der damit verbundene Schmerz liegt nicht in der Einsamkeit an sich, sondern wiederum in der Liebe. Steiner sah, wie unendlich wichtig die Erkenntnis war, und deshalb war seine Liebe zu den Menschen mit einem großen Schmerz verbunden – Schmerz um die Menschen, weil er klar die ganze Tragik der unvollkommenen oder fehlenden, der leicht genommenen oder gar nicht gewollten Erkenntnis sah...

Die gemeinte Tragik ist menschheitlich und hat nichts damit zu tun, dass man individuell mit seiner Erkenntnis jeweils sehr glücklich sein kann.

Mit „manroe“ ging das Gespräch dann doch noch weiter. Er bestätigte, dass hier unterschiedliche Haltungen bzw. Gesinnungen vorliegen – und er konnte auch mein Fazit sehr gut nachvollziehen.