07.03.2012

Tea Party oder: Die Macht des Geldes

Der folgende Aufsatz ist ein sehr kleiner Auszug aus meinem umfassenden Buch "Zeit der Entscheidung" zur Finanz- und Gesellschaftskrise (S. 500-511), hier aus dem Kapitel "Der Klassenkampf der Reichen". | Mehr zum Buch links.


Wie sehr in den USA die Reichen die absolute Macht haben, offenbarte sich drastisch in dem Kampf um die Erhöhung der Staatsschulden-Ober­gren­ze im Juli 2011.

John Boehner, der republikanische Sprecher des Reprä­sen­tanten­hauses, lehnte in Verhandlungen mit Präsident Obama auch die klein­sten Steuer­erhöhungen ab. Und Mehrheitsführer Eric Cantor ließ dann [1]

[...] vielversprechende Verhandlungen mit Vizepräsident Joe Biden platzen, weil er nicht bereit war, Steuerschlupflöcher für Hedgefonds, Ölfirmen und Besitzer von Privatflugzeugen zu stopfen. [Und so] legt dies nahe, dass es den Republikanern nicht mal um die freie Marktwirt­schaft geht. Wer Billionen an Ausgabeneinsparungen ablehnt, um für Besitzer von Privatflugzeugen Steuerschlupflöcher zu bewahren, der be­geistert sich nicht für Adam Smith – sondern für die Wahlkampfspenden seiner Milliardärsfreunde. [...]
Wie dieses Spiel ausgeht, ist vorhersehbar, denn es endet immer auf die gleiche Weise: die Demokraten werden zuerst die Nerven verlieren. Sie sind zu verantwortungsvoll, um den Staatsbankrott wirklich zu riskieren. Schweren Herzens werden sie um fünf vor zwölf deshalb fast alle repu­blikanischen Forderungen abnicken. [...] Empfänger der ohnehin mageren Arbeitslosenhilfe oder der staatlichen Krankenversicherung werden tiefe Einschnitte erleben, während die Milliardäre keinen Cent mehr für ihre Privatjets werden zahlen müssen.

Der Konflikt um die Anfang August 2011 drohende Zahlungsunfähigkeit der USA eskalierte so weit, dass Obama äußerte, das Wohlergehen des gewöhnlichen Amerikaners müsse dem Kongress wichtiger sein „als irgendein Gelöbnis, das jemand mal als Kandidat unterzeichnet hat“.[2]

Diese Äußerung warf ein kurzes Licht auf die sonst immer verborgene Wirklichkeit, die in den USA das politische Geschehen bestimmt.

Es handelt sich um ein Gelöbnis, das Grover Norquist formulierte, der Chef einer extrem mächtigen Lobbyorganisation mit dem Namen Americans for Tax Reform (ATR). Seit über zwei Jahrzehnten (!) legt die ATR dieses Gelöbnis jedem Kandidaten vor, der ein öffentliches Amt anstrebt. Wer es nicht unterzeichnet, setzt sich dem geballten Zorn der rechtsgerichteten (um nicht zu sagen rechtsextremen) Basis der Republikaner aus. Von den derzeit 287 republikanischen Abgeordneten und Senatoren im US-Kongress haben nur 12 nicht unterschrieben...

Was besagt dieses Gelöbnis? Es verpflichtet den Unterzeichner,

[...] sich allen Versuchen zu verweigern, die Einkommen­steuersätze zu erhöhen oder bestehende Abschreibungs­möglichkeiten zu streichen, solange dies nicht zu weiteren Steuersenkungen führt. 

Das also ist US-amerikanische Realpolitik! Die Verhinderung jeder höheren Belastung der Reichen zu Lasten des Allgemeinwohls! Ausgehend von einem Gelöbnis, das jeder Republikaner unterschreiben soll, womit er regelrecht seine Seele verkauft.

Sehr treffend nannte Arianna Huffington, die Chefredakteurin der Huffington Post, Norquist Grover den dun­klen Fürsten (der rechten Anti­steuerbewegung)...

Norquist sprach sein Ziel schon 2001 ganz radikal und rechtsextre­mistisch aus:

Ich möchte den Staatsapparat so weit verkleinern, dass ich ihn in der Badewanne ertränken kann. 

Norquist gründete die ATR 1985 auf Bitten von Ronald Reagan. Er war eine Schlüsselfigur in der Präsident­schafts­kampagne von George W. Bush und für dessen Steuersenkungen.

Jeden Mittwoch finden im ATR-Haupt­quartier (nahe dem Weißen Haus) Treffen einflussreicher konservativer Aktivisten statt – und nach ihrem Vorbild ähnliche Treffen in fast allen Staaten. Norquist selbst verdient für seine Teilzeitarbeit bei der ATR 200.000 Dollar im Jahr...[3]

Akribisch haben zwei Ökonomen aus Yale und Berkeley die Steuerpolitik der letzten Jahrzehnte in einem aktuellen Buch[4] untersucht – und sprechen von einem „dreißigjährigen Krieg“ der Superreichen.

Die Umverteilung wird in ihrem vollem Ausmaß erst sichtbar, wenn man die obersten 0,1 Prozent (den tausendsten Teil!), die 300.000 reichsten US-Amerikaner, in den Blick nimmt. 20% aller Einkommenszuwächse – nach Steuern! – gingen zwischen 1979 und 2005 an diese winzige Gruppe, und ihr Anteil am Volkseinkommen stieg von unter 3% auf über 12%!

In einer Buchbesprechung heißt es:[5]

Hacker und Pierson vergessen nichts, gehen alle Steuerreformen der vergangenen 30 Jahre durch und geraten dabei immer wieder aufs Neue ins Staunen. Die beträchtlichen Begünstigungen sind so präzise bestimmt, dass sie in ihrer kumulativen Wirkung erst sichtbar werden, wenn man die reichsten Einkommensklassen unter das Mikroskop nimmt: „Es ist, als ob die Regierung eine Wirtschafts- und Steuerpolitik entwickelt hätte, die dem Prinzip der smart bombs folgt, nur dass diese Bomben gefüllt sind mit großen Mengen Geld für ausgewählte Empfänger.“ 

Man kann weitere Zahlen nennen: 1970 bis 2008 blieb das reale Jahres­einkommen der unteren 90 Prozent fast konstant bei 31.000 Dollar – das der obersten 0,1 Prozent jedoch stieg um 385% auf 5,6 Millionen Dollar![6]

Und vergessen wir nicht: Wo sich der Reichtum einmal gesammelt hat, wächst er noch, und zwar immer schneller! Der bloße Zins verursacht und beschleunigt immer weiter das Wachstum der Vermögen – so wie wenn der Wagen auf der mit Geldscheinen gepflasterten Straße (siehe S. 446) immer schneller fährt und alles, was er überfährt, dem Wagenbesitzer gehört...

Seit 1976 stieg der Anteil des obersten Prozent am Gesamteinkommen von 8,9% auf 23,5%. Diesen Extremwert gab es schon einmal 1928, bevor dann die Große Depression begann... Doch völlig selbstherlich prägte ein Analystenteam der Citigroup schon 2005 den Begriff „Plutonomy“ für die Wirtschaft der Reichen, und Chefstratege Ajay Kapur schwärmte:[7]

Wirtschaftliches Wachstum wird angetrieben und weitgehend konsumiert von den vermögenden Wenigen. .. Die Erde wird getragen von den mus­kulösen Armen dieser Unternehmens-Plutokraten. 

Tief eindrücklich ist dann die Tatsache, dass sich das durchschnittliche Einkommen der US-Haushalte während der Finanzkrise und der daraufhin einsetzenden offiziellen Rezession um 3,2% sank, und dass sich dieser Trend danach noch beschleunigte: Während die Gesamtwirtschaft also wieder leicht wuchs, sanken die Einkommen um weitere 6,7% auf nun 49.900 Dollar oder rund 37.250 Euro pro Jahr und Haushalt.[8]

Da nun die Einkommen und Vermögen der Reichen und Superreichen kontinuierlich eklatant wachsen, sind die Verluste der übrigen 90 Prozent noch deutlich größer als diese durchschnittlichen 10%! Inzwischen lebt jeder sechste Erwachsene und jedes fünfte Kind unter der Armutsgrenze...[9]

                                                                                                                        *

Ein weiteres Beispiel für die ungeheure Macht einzelner Menschen und ihres Geldes sind die Brüder Charles und David Koch.

Kaum jemand wird ihre Namen kennen, und doch haben sie einen ebenso ungeheuren Einfluss wie Grover Norquist. Denn die Brüder Koch, Besitzer von Koch Industries mit einem Vermögen von 35 Milliarden Dollar, sind die Hauptgeldgeber der Tea-Party-Bewegung.

Diese angebliche „Graswurzelbewegung“, die 2009 im Zuge der Konjunktur- und Bankenrettungs­programme erstarkte, ist – wie wir gleich sehen werden – eine marktradikale, extrem „libertäre“, in vielerlei Hinsicht geradezu staatsfeindliche Bewegung, die sogar die Republikaner noch vor sich hertreibt.[10] Einen kleinen Eindruck gibt ein Leitartikel der Frankfurter Rundschau:[11]

Die Tea Party hat die große ideologische Auseinandersetzung, die die USA im Prinzip seit den Zeiten des New Deal spaltet, auf ihren nackten, eigentlichen Kern zurückgeführt. Es geht darum, ob die USA ein [mini­maler, H.N.] Sozialstaat bleiben [...]. Oder ob sie eine Raubtiergesell­schaft werden, in der jeder das Recht auf seine ganze Beute [...] hat und jede Steuer als Diebstahl betrachtet wird.
Die Tea-Party-Ideologen führen diese Auseinandersetzung ohne jeden moralischen und politischen Anstand und mit einer gnadenlosen Härte [...]. Auch, indem sie [die Tea Party] den ersten schwarzen Präsidenten zu einem Vogelfreien erklärt hat, zu einem Hassobjekt, das keinerlei Respekt mehr verdient. 

Was aber haben die zwei Koch-Milliardäre damit zu tun? Dies beschreibt ein Beitrag „Zwei Brüder auf Kreuzzug“ in der Süddeutschen Zeitung:[12]

Fred Koch war Mitglied der obskuren John Birch Society, die selbst US-Präsident Dwight D. Eisenhower für einen kommunistischen Agenten hielt. Er impfte seinen Kindern eine tiefgreifende Abscheu gegen den Sozialstaat ein. [...]
Die Kochs wollen einen Minimalstaat. Steuern auf Einkommen und Unternehmensgewinne sollen radikal gesenkt oder ganz abgeschafft, Sozialtransfers gestrichen werden. [...] Die Kochs wollen den totalen Kapitalismus, und sie sind bereit zu kämpfen – gegen ein staatliches Gesundheitssystem, gegen den Klimaschutz und alles andere, das sie für Auswüchse des Sozialismus halten. [...]
Das Magazin New Yorker hat jüngst geschildert, wie die Kochs dem Rechtsruck Amerikas den Weg bereiteten. Über Jahre spannten sie ein Netz von Stiftungen und politischen Organisationen, die marktradikale Kandidaten unterstützten. Sie knüpften Kontakte zu konservativen Leitfiguren wie Rupert Murdoch, der mit seinem Kampagnen-Kanal Fox News ebenfalls großen Anteil am Aufstieg der Tea Party hat. Sie finanzierten Denkfabriken, förderten rechte Blogger und ließen Zweifel am Klimawandel streuen. Wie viel Geld die Kochs in ihr politisches Projekt gesteckt haben, lässt sich nicht beziffern. Zu geschickt haben sie ihre Spuren verwischt. 

Und der sehr ausführliche Artikel im New Yorker zitiert Charles Lewis, den Gründer der Watchdog-Organisation Center for Public Integrity:[13]

Es gibt niemanden sonst, der derart viel Geld investiert hat. [...] Sie verfolgen ein Schema gesetzesfeindlicher politischer Manipulation und Verschleierung. Ich bin seit Watergate in Washington gewesen, und ich habe nie so etwas gesehen. Sie sind das Standard Oil der heutigen Zeit. 

Insider nennen die Koch-Firma längst den „Kochtopus“ (von octopus = Krake). Geschickt halten sich die Brüder so weit wie möglich im Hinter­grund, doch seit den 80er Jahren haben sie über 100 Millionen Dollar in Dutzende scheinbar unabhängige Organisationen investiert.

Ein ehemaliger Freund von Charles Koch, Gus diZerega, bringt dessen Denken und das Problem in einem Satz auf den Punkt:

Vielleicht hat er Profit (making money) und Freiheit verwechselt. 

Unter anderem wurde 1989 bekannt, dass Koch Industries Indianer um Rohöl im Wert von 31 Millionen Dollar betrogen hatte. Einige Jahre später wurde der Konzern wegen über 300 Ölaustritten von insgesamt über 10 Millionen Litern angeklagt und zahlte in einem Vergleich 30 Millionen Dollar Strafe. – Auch in der Leugnung und Relativierung des Klimawandels nehmen die Kochs eine zentrale Rolle ein.[14]

Die wichtigsten Organisationen der direkten Einflusssphäre des „Koch­topus“ sind:

  • Cato Institute: 1977 mit Geld der Kochs gegründeter libertärer Think Tank, bis heute mit mehreren Millionen Dollar unterstützt. Heute hat das Institut über 100 Vollzeitmitarbeiter, und seine Experten und Studien werden von den Mainstream-Medien vielfältig zitiert.
  • Mercatus Center: Anfang der 80er Jahre mit über 30 Millionen Dollar unterstützt, ebenfalls bis heute. Gründer Richard Fink ist zugleich Präsident der Charles G. Koch Charitable Foundation sowie Chef der Koch Industries Lobby-Operationen in Washington.
  • Citizens for a Sound Economy: 1984 als „Graswurzel­bewegung“ ge­gründet.
  • Americans for Prosperity (AFP): 2004 spalten sich die Citizens in Freedom Works (Dick Armey) und AFP (David Koch und Richard Fink). AFP wird quasi die „Ausbildungsorganisa­tion“ der Tea-Party-Bewegung.


Auf einem Gipfeltreffen mit 2.000 Aktivisten Anfang Oktober 2009 sagt Koch, dass er schon bei der Gründung eine wirkliche Massenbewegung vor Augen hatte. Die Webseite jenes Defending the American Dream Summit zeigt Ronald Reagan vor dem Capitol...

Weitere Organisationen schufen ein Netz von Polit-Bloggern, Aktivisten usw., das nur aktiviert werden musste, als die Tea-Party-Bewegung ins Leben gerufen wurde:[15]

  • Sam Adams Alliance (SAA): 2006 gegründet. Vorsitzender Eric O’Keefe ist Ex-Chef der National Libertarian Party, Vorstandsmitglied von Ameri­cans for Limited Government und ehemaliger Projektleiter von Kochs Citizens for a Sound Economy; Präsident John Tsarpalas ist Ex-Chef der Republikaner in Illinois. Praktikanten konnten sich über das Charles G. Koch Summer Fellow Program bewerben. Einer der Direktoren ist Denis Calabrese, Ex-Stabschef von Richard Armey, Ex-Mehrheits­führer der Republikaner im Repräsentantenhaus. 88% des Budgets kamen 2008 aus einer ungenannten Spende von 3,7 Millionen Dollar.
    2008 führte das von Mediendirektor Eric Odom eingerichtete SAA-Projekt Samsphere in mehreren Staaten Trainingsseminare durch, um ein landesweites Netz von Polit-Bloggern aufzubauen.[16]
  • Americans for Limited Government: Im Mai 2004 von John Tillmann gegründet. Er ist auch Vorstandsmitglied der SAA (und war in deren Gründungsphase Präsident). Spenden im Jahr 2005 kamen zu 99% von drei ungenannten Großspendern.
  • American Majority: 2008 gegründetes „politisches Trainingsinstitut“, großteils von SAA finanziert. Gründer sind die Zwillinge Ned und Drew Ryun, ersterer war Redenschreiber von George W. Bush. Der Film (Astro)Turf Wars dokumentiert, wie ein Seminar von American Majority Tea-Party-Aktivisten instruiert, im Internet „liberale“ Bücher, Filme etc. massenhaft schlecht und „konservative“ Medien mit „sehr gut“ zu bewerten.
  • American Liberty Alliance: Im März 2009 von Eric Odom gegründet.


Die Tea-Party-Bewegung selbst entstand folgender­maßen:
[17]

Im Januar 2009 beschimpfte der einflussreiche Radiomoderator Rush Limbaugh (seine Show hat bis zu 20 Millionen Hörer pro Woche!) das Konjunkturpaket von Präsident Obama als „Klientelpolitik“.[18] Daraufhin gab es u.a. in Florida und Washington erste Proteste gegen die neue Regie­rung, die natürlich sofort von Rupert Murdochs Fox News und anderen Medien aufgegriffen wurden.

Am 19. Februar bildete ein Kurzbeitrag von Rick Santinelli auf CNBC Business News den zündenden Funken. Er griff Obamas Homeowners Affordability and Stability Plan an, der überschuldeten Hausbesitzer unter anderem mit Zinssenkungen helfen sollte, und rief zu einer „Chicago Tea Party“ auf: Investoren sollten ihre Hypotheken-Derivate in den Lake Michigan werfen.[19] Man solle nicht die „Looser“ belohnen, die sich sogar bei minus 2% Zinsen kein Haus leisten könnten. Später nannte Santinelli dies „die besten fünf Minuten meines Lebens“.

Innerhalb von wenigen Stunden nach Santinellis Aufruf richtete Eric Odom (bis Januar 2009 Mediendirektor der SAA) die Seite OfficialChicago­Tea­Party.com und Facebook-Seiten ein und wurde ein führender Online-Aktivist der Bewegung. Wenig später begann auch Americans for Prosperity die Organisation von Tea Party Demonstrationen.[20]

Die Bewegung war geboren, und die Americans for Prosperity wurde ihre wesentliche Ausbildungs-, Organisations-, Koordinierungs- und Finanzie­rungsorgani­sation...[21]

All diese Organisationen gewinnen zunehmenden Einfluss. Im Internet werben sie damit, für das Wohl der Menschen zu wirken; als „gemeinnützige“ Organisationen genießen sie sämtliche Steuervorteile.

In Wirklichkeit aber zeigt sich, dass sie alle inzestuös untereinander verbunden und von extrem wenigen Personen dominiert und auch finanziert sind. Es sind keine Graswurzel-, sondern Gehirnwäsche-Organisationen.

Verschiedenste Menschen lassen sich so instrumentalisie­ren, demonstrie­ren gegen Obama und kämpfen ohne es zu wissen für die weitere Privilegie­rung der Reichen und Superreichen...

Außerhalb des unmittelbaren Koch-Einflusses kommen noch weitere Organisationen und Einzelpersonen hinzu:[22]

  • Council for National Policy (CNP): 1981 gegründete Sammlungsbewe­gung der politischen und christlichen Rechten, deren über 450 eigentlich geheime Mitglieder (u.a. Richard Armey, Jack Abramoff und Pat Robertson) sich dreimal jährlich treffen.
  • Conservative Action Project (CAP): 2009 gegründet, Ableger des CNP. Chairman ist Edwin Meese, Generalstaatsanwalt unter Reagan.
  • State Policy Network: 57 konservative und libertäre Think Tanks.
  • Erick Erickson: Herausgeber des 2004 gegründeten Blogs RedState.com. Seine 2009 begonnenen „Morning Briefings“ erreichten schon Anfang 2010 per Mail 70.000 Abonnenten.
  • Jim DeMint: Senator, von Anfang an zentrales Bindeglied zur Partei der Republikaner, Mitglied der fundamentalistischen christlichen Vereinigung The Family, Autor des Buches „Saving Freedom: We Can Stop America’s Slide into Socialism“.
  • Creative Response Concepts (CRC) Public Relations: PR-Firma von Greg Mueller, Ex-Kommunikationschef des früheren Präsidentschaftskandida­ten Pat Buchanan.
  • Ron Paul: US-Abgeordneter und Präsidentschaftskandi­dat 2008 und 2012. Ende 2007 konnte er an einem Tag die Rekordsumme von 6,0 Millionen Dollar einsammeln. Er ist revisionistisch gegen Sozialprogramme und Krankenversicherung und will den Staat radikal minimieren. Er hat enge Beziehungen zur John Birch Society, die dies ebenfalls will und diverse kommunistische Verschwörungstheorien pflegt. Weitere Beziehungen gibt es zur Constitution Party, die u.a. das Bildungs- und Gesundheitsministe­rium abschaffen und die Rechtssprechung auf ihre biblischen Wurzeln zurückführen will, und zu rassistisch-neokonföderierten Strömungen.[23] Seine Campaign for Liberty gehört zu den Hauptsponsoren der Tea-Party-Proteste.


So setzt sich die Tea-Party-Bewegung auch aus einer höchst gefährlichen Mischung aus libertären Steuergegnern, fundamentalistischen Christen, nationalistisch-rassistischen Strömungen und Staatsgegnern zusammen, die von ihren Think Tanks, Blogs und Vereinigungen vorangepeitscht werden...

                                                                                                                        *

Aber erinnern wir uns, dass selbst die „normalen“ Republikaner bereits durch ein Gelöbnis zu einem Extremismus verpflichtet sind und eine Klien­telpolitik der Superreichen verfolgen.

Was war das Ergebnis des Konflikts um die Schulden-Obergrenze?

Angeblich ein „Kompromiss“. Die Obergrenze soll um bis zu 2.400 Milliarden Dollar erhöht werden. Dafür sollen innerhalb von zehn Jahren 1.000 Milliarden Dollar eingespart werden, und ein Ausschuss soll bis Ende November weitere Einsparungen von 1.500 Milliarden Dollar erarbeiten.

Zahnlos kündigte Obama an, dass dabei dann auch die Reichen einen Beitrag leisten müssten.[24]

Der bekannte US-Ökonom Paul Krugman kommentiert:[25]

Indem demonstriert wurde, dass rohe Erpressung funktioniert und keine politischen Kosten nach sich zieht, wird dies Amerika mit großen Schritten dem Status einer Bananenrepublik entgegenführen. 

Allein diese kurzen Betrachtungen zeigen, dass der Macht des Geldes in unserer heutigen Welt kaum Grenzen gesetzt sind und dass der Einfluss Einzelner, die den totalen Kapitalismus anstreben, ungeheuerlich ist. Und schon jetzt haben wir – man muss es immer wieder sagen – eine gigantische, schleichende Umverteilung...

Und glauben wir nicht, dass dies nur im fernen Amerika stattfindet! Noch bevor es in Großbritannien im August 2011 zu den schweren Unruhen kam, meldete sich nach dem Murdoch-Skandal der offizielle Thatcher-Biograph (!) Charles Moore öffentlich zu Wort.[26] Die FAZ zitiert ihn:[27]

Es hat mehr als dreißig Jahre gedauert, bis ich mir als Journalist diese Frage stelle, aber in dieser Woche spüre ich, dass ich sie stellen muss: Hat die Linke nicht am Ende recht? [...]
Die Stärke der Analyse der Linken liegt darin, dass sie verstanden haben, wie die Mächtigen sich liberal-konservativer Sprache als Tarnumhang bedient haben, um sich ihre Vorteile zu sichern. „Globalisierung“ zum Beispiel sollte ursprünglich nichts anderes bedeuten als weltweiter freier Handel. Jetzt heißt es, dass Banken die Gewinne internationalen Erfolgs an sich reißen und die Verluste auf jeden Steuerzahler in jeder Nation verteilen. Die Banken kommen nur noch „nach Hause“, wenn sie kein Geld mehr haben. Dann geben unsere Regierungen ihnen neues. [...]
Es zeigt sich – wie die Linke immer behauptet hat –, dass ein System, das angetreten ist, das Vorankommen von vielen zu ermöglichen, sich zu einem System pervertiert hat, das die wenigen bereichert. 


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Fußnoten

 


  • [1] Yascha Mounk: Washington droht dasselbe Schicksal wie Athen. Focus.de, 12.7.2011.
  • [2] Stefan Schaaf: Grover Norquist – Obamas gefährlichster Gegner. FTD, 26.7.2011. Ebenso die folgenden Absätze einschließlich der zwei Zitate.
  • [3] Wikipedia: Grover Norquist.
  • [4] Jacob S. Hacker, Paul Pierson: Winner-Take-All Politics. How Washington Made the Rich Richer – And Turned its Back on the Middle Class. Simon and Schuster, 2010.
  • [5] Lutz Lichtenberger: US-Superreiche werden immer reicher – auf Kosten der Mittelklasse. Süddeutsche.de, 11.7.2011.
  • [6] Christian Wernicke: Amerikas Reiche - und der große Rest. Süddeutsche.de, 9.10.2011.
  • [7] Ebd.
  • [8] Thomas Spang: Die meisten Amerikaner verdienen immer weniger. FR online, 11.10.2011.
  • [9] 15% bzw. 22%, insgesamt 46 Millionen Menschen. Die Grenze liegt bei 45% des Durchschnitt­einkommens, also 22.314 Dollar (ca. 16.700 Euro). Frank Patalong: Armes Amerika, reiches China. Spiegel.de, 15.10.2011.
  • [10] Ein 10-Punkte-Katalog „The Contract from America“ fordert u.a. Steuersenkungen, Deregulie­rung, eine Zurückdrängung des Staates und eine Abschaffung der Gesundheitsreform. Nach einer Umfrage vom Oktober 2010 glaubten 53% ihrer Anhänger (gegenüber 22% der Gesamtbevöl­kerung), der Klimawandel werde keine ernsthaften Auswirkungen haben. (Wikipedia: Tea-Party-Bewegung). Dass selbst dieser Katalog den ideologischen Hintergrund nur sehr unzureichend offenbart, wird sich gleich zeigen.
  • [11] Holger Schmale: Politisch bankrott. FR online, 2.8.2011.
  • [12] Moritz Koch: Zwei Brüder auf Kreuzzug. Süddeutsche.de, 25.9.2010.
  • [13] Jane Mayer: Covert operations. The New Yorker, 30.8.2010. Hieraus auch die folgenden Anga­ben. Standard Oil war der Konzern des Rockefeller-Imperiums.
  • [14] Eine detaillierte Studie von Greenpeace zeigt, dass sie allein 2005 bis 2009 mit über 30 Millionen Dollar über 40 Organisationen unterstützten, die hier wie das Cato Institute und die Heritage Foundation eine entsprechende Rolle spielten. Exposing the dirty money behind fake climate science. Greenpeace International, 30.3.2010. | Koch Industries: Still fueling climate denial (2011 Update). Greenpeace USA, 14.4.2011.
  • [15] Anatomy of the Tea Party Movement: Sam Adams Alliance. Huffington Post, 11.12.2009.
  • [16] Origins of the Tea Party Movement: Part IIIA – Koch’s Outside Game. politicalchili.com, 15.3.2010. Dieser und weitere Artikel geben einen extrem detaillierten Einblick in die Hintergrundereignisse.
  • [17] Eine gute Zusammenstellung bietet: Jane Hamsher: A Teabagger Timeline: Koch, Coors, Newt, Dick Armey There From The Start. Huffington Post, 15.4.2009.
  • [18] Im Juli 2008 wurde bekannt, dass Limbaugh seinen Arbeitsvertrag mit Premiere Radio Networks, einer Tochter des Medienkonglomerats Clear Channel, bis 2016 verlängerte und dafür über 400 Millionen Dollar erhält (Wikipedia: Rush Limbaugh). 2009 verglich er Obama mehrfach mit Hitler.
  • [19] Die 1773 von Samuel Adams organisierte „Boston Tea Party“ war Mitauslöser der Revolution von 1775, in der die USA selbstständig wurden. Am 16. Dezember stürmten symbolisch als Indianer verkleidete Bostoner den Hafen und warf drei Ladungen Tee ins Hafenbecken, um gegen die (eher geringen) Kolonialsteuern zu protestieren.
  • [20] George Monbiot: Debt deal: anger and deceit has led the US into a billionaires' coup. Guardian, 1.8.2011.
  • [21] Die Querverbindungen wurden u.a. in dem Film (Astro)Turf Wars von Taki Oldham aufgedeckt. Astroturf ist eine Kunstrasenmarke für Sportstadien und ein Begriff für falsche, von oben organisierte „Graswurzel-Bewegungen“. astroturfwars.org.
  • [22] Jerry Markon: New media help conservatives get their anti-Obama message out. Washington Post, 1.2.2010.
  • [23] Origins of the Tea Party Movement: Part IV-D – Ron Paul’s White Nationalist Agenda. politicalchilli.com.
  • [24] Das letzte Wort hat der Kongress. ZEIT.de, 1.8.2011.
  • [25] The President Surrenders. N.Y. Times, 31.7.2011.
  • [26] „I’m starting to think that the Left might actually be right“. The Telegraph, 22.7.2011.
  • [27] Frank Schirrmacher: „Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat“. FAZ, 15.8.2011.