24.07.2012

Ein Beitrag zur Zensur innerhalb von Attac

Innere Zirkel und bedenkliches Menschenbild – ein Aufruf zur Besinnung


Inhalt
Die Vorgeschichte
Grundlagenmaterial unerwünscht
Der Einschlag der Zensur
Entwürdigung individueller Beiträge und Entmündigung aller
Der weitere Verlauf
Irgendetwas geklärt?


Die Vorgeschichte

In diesen Tagen musste ich die Erfahrung der real existierenden Transparenz, Offenheit und Zusammenarbeit innerhalb von „Attac“ machen. Ebenso wie beim real existierenden Sozialismus handelte es sich auch hier um ein Zerr-, ja ein Gegenbild des Bezeichneten.

Worum geht es? Ich habe mich in den letzten Wochen intensiv mit der Finanzkrise befasst, die ja inzwischen das politische und mediale Geschehen völlig beherrscht.

In der Überzeugung, dass angesichts des visionslosen und symptombefangenen Agierens der Politiker eine klare Gedankenbildung möglichst vieler Menschen notwendig ist, habe ich schon im November 2011 das zweibändige Werk „Zeit der Entscheidung“ veröffentlicht. Als ich es seinerzeit dem Attac-Webshop anbot, erhielt ich zuerst gar keine Reaktion und auf Nachfrage dann eine Ablehnung mit der Begründung, dass sich ein Werk in dieser Preislage nur schwer verkaufen lassen würde.

Dabei kostete mein Werk bei 800 Seiten nur 22,90 Euro, und der Shop enthielt unter anderem ein Buch von Fritz Haug für 19,50 Euro mit nicht einmal dem halben Umfang, ein Buch über kreativen Straßenprotest mit nur rund 200 Seiten für 20 Euro und ein Büchlein über Attac selbst mit bloßen 120 Seiten für 24,90 Euro!

Meine Antwort auf diese Mail war:

Muss es sich denn unbedingt „leicht“ verkaufen lassen? Der Attac-Webshop ist doch auch dazu da, Bücher überhaupt zugänglich zu machen? Mit 22,90 Euro (für zwei Bände, insgesamt 800 Seiten) liegt das Buch doch sensationell niedrig und nur wenige Euro über den 200-Seiten-Büchern aus dem Shop? Ist die Verkaufslogik nicht etwas, was gerade bei uns nicht voll zur Geltung kommen sollte? Und auch nicht muss? Der Shop ist ja nicht gezwungen, Bücher kontinuierlich zu verkaufen – sondern für denjenigen, der danach sucht, sind sie zu finden... Könntet Ihr nicht für drei, vier Monate den Versuch machen? Es lohnt die Lektüre (und auch den Preis) wirklich...


Darauf erhielt ich dann wiederum überhaupt keine Antwort mehr...

Doch dies ist nur die Vorgeschichte.

Grundlagenmaterial unerwünscht

Am 25. Juni schickte ich einen kleinen Hinweis auf meinen langen Aufsatz zum Fiskalpakt an die Diskussionsliste:

Liebe Mitstreiter,
anbei ein ausführlicherer Aufsatz mit wichtigen grundlegenden Gedanken und Informationen:
Der Fiskalpakt – Selbstmord Europas durch Strangulierung
Online unter: www.holger-niederhausen.de/index.php?id=798 (dort mit Links).
Herzliche Grüße an alle,
Holger Niederhausen, Berlin


Zwei Tage später begann ich, auf meiner Webseite eine umfassende Linksammlung mit verschiedenen entscheidenden Aufsätzen zur Krise zusammenzustellen. Am 4. Juli folgte eine weitere Zusammenstellung von entscheidenden Zitaten zur Macht des Geldes. Diesen Hinweis schickte ich am nächsten Tag ebenfalls an die Diskussionsliste. Als ich merkte, dass diese Mail nicht weitergeleitet wurde, wurde mir bewusst, dass solche Hinweise weniger für die Diskussions-, als für die Gruppen-Mailingliste gedacht sind – und so schickte ich die Mail am 7. Juli an diese:

Die große Linksammlung zur Finanzkrise:
►►► bit.ly/M7GNTT
Zitate zur Diktatur des Geldes und seiner Schöpfer:
►►► bit.ly/Lrx6VK
Herzliche Grüße,
Holger Niederhausen, Berlin


Auch diese Mail wurde nicht weitergeleitet! Dies geschah erst, als ich am 10. Juli nachfragte...

Wenige Tage später stellte ich zwei weitere umfassende Seiten zusammen: Über 50 ganz entscheidende Zitate unmittelbar zur Finanzkrise und insgesamt drei Seiten mit einer extrem detaillierten Chronik der Ereignisse, die alles andere, was im Internet dazu zu finden ist, deutlich übertreffen dürfte. Und so erweiterte ich meinen Hinweis durch eine zweite Mail an die Gruppenliste am 15. Juli:

Große Sonderseiten zur Finanzkrise:
► Große Zitatesammlung mit über 50 entscheidenden Zitaten zur Krise und integrierter Chronik.
► Große Linksammlung mit bisher weit über 200 Aufsätzen wichtiger Akteure und Experten.
► Zitate zur Macht des Geldes - Über 30 zentrale Zitate mit sorgfältiger Quellendokumentation.
► Ausführlichste Chronik.
► und mehr.
www.holger-niederhausen.de/index.php
Herzliche Grüße,
Holger Niederhausen, Berlin


Am 17. Juli erhielt ich die Nachricht, dass diese Mail ganz und gar abgewiesen wurde:

"Ihre Nachricht wurde vom Moderator als unangebracht erachtet. –
Hallo Holger, wir haben eine interne - im Konsens getroffene - Vereinbarung darüber, dass "Eigenwerbung" nur sehr begrenzt über unsere Listen gelassen werden sollte. Abgesehen von der Werbung für Deine eigene Webseite haben sich bei Deiner Zitatensammlung auch einige Attacis gefragt, warum Du Artikel mit demokratischer und sozialer Stoßrichtung (also attac-like) und Artikel mit eher neoliberal-patriotischer bzw. nationalliberaler Kritik durcheinandergemischt hast. Beste Grüße von [...]"


Weil ich diese Mail übersah und mehrmals nachfragte, erhielt ich schließlich nochmals eine ähnliche Mail:

Hallo Holger, der Grund ist, dass Du es mit dem Bewerben Deiner eigenen Seite etwas übertreibst und das widerspricht den Regeln, die von der Listen-AG im Konsens beschlossen wurden. Darum lasse ich nicht alle Deine Mails durch, sondern "dosiere" sie etwas [!!! H.N.]. Außerdem gab es hinsichtlich Deiner Linkliste durchaus auch die Frage von einigen Attacis, warum Du attacnahe Beiträge mit eher nationalliberalen Beiträgen a la Gauweiler durcheinanderschmeißt - ohne sie zumindest als konträre Standpunkte zu kennzeichnen. :-) lg von [...] (der zuständig ist).

Der Einschlag der Zensur

Ich „übertreibe das Bewerben meiner Seiten“, indem ich Material, was ich zusammengestellt habe, auf meine Seite stelle? Darf meine Seite etwa überhaupt nicht existieren? Soll ich meine Zusammenstellungen etwa als Anhang (öffnet eh keiner) oder gar als Papierausdruck an Attac schicken!? Was ist das für ein seltsames Menschenbild, wenn Attac doch ein Netzwerk sein will, die eigenen Aktivitäten und Webseiten seiner Mitglieder aber nicht genannt („Werbung“) werden dürfen?

Die tief bedenklichen Hintergründe dieser Position werden in meiner ausführlichen Antwort deutlich:

Lieber [...],

das habe ich geahnt – und kann es trotzdem nicht fassen. Es gibt also in der Gruppenliste, deren Ziel es ist, dass sich alle Mitglieder vernetzen und auf Wichtiges hinweisen können, eine willkürliche Zensur und dies noch in dreifacher Weise! Erstens wird bestimmt, dass etwas „Werbung“ sei, selbst wo es um wichtigste objektive Zusammenstellungen geht, die jedes einzelne Mitglied interessieren könnten. Zweitens wird definiert und zensiert, was „zu viel“ ist – offenbar sind schon zwei Mails „zu viel“! Und drittens wird zensiert, was dem Inhalt nach „nicht gewünscht“ ist – und wenn es nur ein paar Links sind, die „nicht attacnah genug“ neben hunderten von ausgesprochen „attacnahen“ Links stehen!

Diese Bevormundung und Zensur ist schlimmer als alles, was ich je gedacht hätte – und es ist mit meinen Idealen einer transparenten, solidarischen Gemeinschaft von Menschen, die sich für eine bessere Welt einsetzen, absolut unvereinbar.

Für Dich am „Schalter“ (der ein Hebel der Macht ist) mag es ein kleiner, unbedeutender und darüber hinaus gerechtfertigter Moment sein, eine von Dutzenden hereinkommenden Mails einfach zu blockieren und zu verwerfen – doch die wirkliche, tiefere Realität dieser Handlung ist eine ungeheure, denn es ist der reale Einschlag der Zensur mitten in die Struktur und Organisation von Attac. Durch diese kleine (scheinbar unscheinbare) Handlung wird Attac von einem offenen Netzwerk zu einer Organisation mit Hierarchien, mit Zensur, mit Heimlichkeiten, mit Bevormundung, mit Ausschluss...

Nach genau diesen Mechanismen und Taktiken funktionieren die Parteien, die Politbüros, die Machtzirkel.

Und wohlgemerkt: Es geht nicht etwa um so weltbewegende Entscheidungen w.z.B., wie der nächste Flyer gestaltet sein soll, wo man sich ja in der Tat fragen könnte, ob man hier basisdemokratische Prozesse zulässt oder lieber allein entscheidet – sondern es geht um eine Mailingliste und hier um eine einzige Mail und hier um einen Hinweis auf umfangreiches, wichtiges Material (Linksammlungen, Chroniken usw.)!

Die Haltung, mit der diese Zensur begründet wird, wirft ein zutiefst negatives Licht auf Attac und die dahinterstehende Denkweise.

Denn offensichtlich liegt der Fehler jener Linkseiten mit hunderten von Aufsätzen und Zitaten verschiedenster Autoren, die ich in tagelanger Arbeit zusammengestellt habe, darin, dass es meine Zusammenstellung ist? Dass sie sich auf meiner Webseite befindet? Oder dass ich es war, der auf diese (meine) Sammlung hingewiesen hat?

Offenbar ist es völlig in Ordnung und sogar gern gesehen, auf Fremdbeiträge hinzuweisen, auf Artikel und Leistungen anderer Menschen – aber niemals auf das, was man selbst zusammengestellt und – selbstverständlich! – auf seine eigenen Webseiten gestellt hat?

Dies also soll ein „Bewerben der eigenen Seite“ sein, noch dazu ein „übertriebenes“?

Dann vertritt Attac ein zutiefst individualitätsfeindliches Menschenbild nach dem Motto: Du bist nichts, die anderen sind alles. Ein merkwürdiges Menschenbild! Und vor allem: Selbstverständlich sind hier einige „gleicher als gleich“! Denn die einen dürfen Zensur ausüben, und was sie als „Werbung“ und als „übertrieben“ bezeichnen und beurteilen, das ist so. Das Urteil des Listenmasters schafft die Wirklichkeit und ist Gesetz. Orwell lässt grüßen.

Andere Werbung dagegen darf offenbar sein: Attac-Webshop, Attac-Flyer, Attac-Materialien. Die Frage ist nur: Wer ist Attac? Wer, wenn nicht die Gemeinschaft aller Mitglieder? Offenbar aber stimmt dies nicht. Das reale Attac, das dann auch Zensur ausübt, sind nur wenige Menschen – die angestellten Mitarbeiter, die Webshop-Betreiber, die Listenmaster, die Ko-Kreis-Mitglieder. Die vielen Mitglieder von Attac dagegen sind nicht Attac – sie sind zwar Mitglieder, aber das heißt, sie sind nur Unterstützer von Attac, nicht Attac selbst. Ähnlich wie bei politischen Wahlen haben sie zwar verschiedentlich aktives und passives Wahlrecht – aber die eigentlichen Entscheidungen treffen immer diejenigen, die die Posten, Funktionen und Stellen haben.

Attac als vollkommener Spiegel unserer Welt – in der ja auch immer nur ein Prozent einer Funktionselite die wirklichen Entscheidungen trifft, während die anderen (das Wahlvolk, das Fußvolk, das Gefolge, die Unterstützer) sich zwar „Mitglieder“ nennen können, aber immer von den gnädigen Entscheidungen der Oberen abhängig bleiben.

Und so dürfen diese Entscheidungs- und Machtträger darüber befinden, ob die gesamte Mitgliedschaft eine Linkliste erhalten darf, von einer Mail und ihrem Inhalt erfahren darf ... oder nicht.

Auf der Diskussionsliste passieren wahrscheinlich sogar sehr kontroverse Beiträge die Zensurschranke – aber auf der Gruppenliste darf nicht einmal eine simple Mail mit einer Handvoll Links auf umfangreichste Zusammenstellungen von Artikeln, Zitaten und eigenen Beiträgen die Mitglieder erreichen, weil dies angeblich zuviel Eigenwerbung dessen ist, der diese Arbeit geleistet hat!? Wie krank ist denn diese Argumentation?

Die Attacis dürfen also nur auf Attac-eigene Materialien zurückgreifen oder aber auf Materialien, die z.B. die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die taz oder irgendwelche anderen externen Akteure bereitstellen (auf die man dann hinweisen darf) – aber niemals auf das, was sie selbst leisten? Und darauf hinweisen dürfen sie schon gar nicht, denn das wäre „Werbung im eigenen Sinne“!? Es sei denn, es sind Ko-Kreis-Mitglieder oder andere Attacis, die sich bereits einen „Namen“ gemacht haben, denn das sind dann ja „offizielle Vertreter“, die wieder auf eigene Beiträge hinweisen dürfen?

Entwürdigung individueller Beiträge und Entmündigung aller

Hinter alledem steckt wirklich ein mittelalterliches, extrem hierarchisches Menschenbild, das die Menschen – selbst die eigenen Mitglieder! – in (mindestens) zwei Klassen und Stände einteilt. Und dann wird ein demütigendes, jede Konstruktivität und Zusammenarbeit vernichtendes Spiel gespielt: „Ich darf was, was Du nicht darfst...“ Auf diese Weise ist auch Attac über das autoritätshörige Mittelalter noch nicht hinausgekommen und reproduziert dieses wie alle anderen Institutionen, die heute noch existieren und Macht haben, obwohl sie längst nicht mehr zeitgemäß sind!

Wie auf diese Weise jemals „eine andere Welt möglich“ sein soll, ist mir rätselhaft. Die Welt von Attac ist ebenso ungleich wie die neoliberale Welt, gegen die Attac (auf diese Weise vollkommen vergeblich) kämpft. Da ist mir die letztere in mancher Hinsicht sogar noch lieber: Denn hier, in der Welt da draußen, weiß man von vornherein, woran man ist. Bei Attac ist es selbst in einer Mailingliste, die der umfassenden, allgemeinen Vernetzung dienen soll (!), letztlich dasselbe, nur intransparent und in der Denk- und Handlungsweise letztlich völlig unwahrhaftig.

Die Anmerkung bezüglich der Zusammensetzung der von mir verlinkten rund 300 Beiträge ist ebenso tief merkwürdig. Damit also eine Linkliste die mündigen Attac-Mitglieder erreichen darf, muss sie vorher die Zensurschranke „einiger Attacis“ passieren, die darüber befinden, ob es in dieser Liste vielleicht einige Links gibt, die nicht „attacnah“ (genug) sind!? Und wenn es einzelne Links gibt, die diesen „einzelnen Attacis“ nicht passen, dann darf die ganze Liste nicht passieren?

Ist Euch eigentlich klar, wie intolerant das ist? Ich dachte immer, die Linke unterscheidet sich von der Rechten durch echte Toleranz und Offenheit. Das ist auch so – es gilt aber offenbar nicht für viele real existierende Bewegungen, die sich nur als „links“ ansehen, ohne in den wesentlichen inneren Grundempfindungen auch links zu sein.

Wenn selbst ich als Schöpfer meiner umfassenden Linkzusammenstellungen sogar darauf verzichtet habe, mich von Diskussionsbeiträgen von Gauweiler, Fischer, Merkel oder wem auch immer zu distanzieren und einzelne Beiträge einfach deshalb verlinkt habe, weil sie für das ganze Geschehen der letzten Monate wesentlich, prägend und wichtig zu wissen sind, dann brauche weder ich noch irgendein anderes mündiges Attac-Mitglied die Anweisung irgendeines Mitglieds des „inneren Zirkels“, die einzelnen verlinkten Beiträge meiner umfassenden Zusammenstellung seien zuvor zu kennzeichnen!

Wie kommt es, dass ich angesichts der Attac-Zensur plötzlich mehr Solidarität mit Peter Gauweiler empfinde als mit der Organisation Attac? Diese Frage könnte für die Mitglieder des „inneren Zirkels“ ein Koan zur Meditation und Besinnung sein...

Was ist eigentlich wichtiger? Ob einzelne Links in einer umfassenden Linksammlung „attacnah“ sind oder nicht – oder ob Attac selbst seinen eigenen Idealen nah ist oder nicht? Mit der internen Zensur steht Attac seinen Idealen ferner als fern. Es ist durchaus eine offene Frage, ob sich Attac und Peter Gauweiler in ihren Positionen nicht in vielerlei Hinsicht nahe sind oder mit gutem Willen annähern könnten. Doch die Zensur innerhalb von Attac und die eigentlichen Ideale von Attac stehen sich wirklich unvereinbar gegenüber – und das heißt: der innere Zirkel handelt hier definitiv gegen das wahre Ideal dieses Netzwerkes!

Die entscheidende Frage angesichts des ganzen Vorganges ist: Wie denken die ungezählten mündigen Attac-Mitglieder darüber? Wie denken sie über den Wert meiner zusammengestellten Materialien, wie denken sie über den Vorwurf der „Werbung“, wie denken sie über den Vorgang der Zensur? Und was hätte zum Beispiel jemand wie Rosa Luxemburg über diesen Vorgang gedacht?

Wir werden sehen, ob Du bzw. Attac in der Lage ist, diesen Vorgang transparent zu machen, so dass sich diese mündigen Mitglieder dazu äußeren können. Ich zumindest mache diesen Vorgang transparent.

Herzliche Grüße,
Holger Niederhausen

Der weitere Verlauf

Die weiteren Reaktionen bestätigten meine Erlebnisse in unerwarteter Klarheit, wobei verschiedene Sichtweisen sehr unmittelbar aufeinander prallten. Dass die folgende Diskussion überhaupt geführt wurde, spricht eindeutig für Attac, dennoch bleibt das Problem und die Frage, um die es geht, in unverminderter Schwere bestehen. Mir geht es um Transparenz als Voraussetzung für Wahrhaftigkeit, Bewusstseinsbildung und Besinnung. Daher werde ich die Reaktionen hier wiedergeben – ohne Namen. Es geht nicht um Bloßstellung einzelner Menschen, und es ist auch nicht so wesentlich, wer etwas gesagt oder getan hat; das Geschehen als solches ist jedoch eine Realität, und um diese geht es mir.

Nachdem ich meinen offenen Brief gestern Abend an die Liste geschickt hatte, wurde dieser heute veröffentlicht, und der Moderator antwortete mir:

Lieber Holger,
es ist schwer zu argumentieren, wenn Du den entscheidenden Hinweis einfach überliest: Es gibt Regeln für die Listen, welche von der zuständigen Listen-AG aufgestellt wurden - da herrscht keine Willkür, höchstens eine gewisse persönliche Auslegung.  (https://listen.attac.de/mailman/listinfo/gruppen)
Ich bitte Dich mir zu glauben, dass ich über die Auslegung meiner Moderationstätigkeit sehr attacisch und im Sinne unseres Netzwerks nachdenke... Da aber der Hinweis auf Deine Seite bereits einmal rumgegangen war und ich daher jeden Zensurverdacht sehr entspannt von mir weisen kann, habe ich Ihn im Sinne des Vermeidens von zuviel "Eigenwerbung" kein zweites Mal durchgelassen... Ist ja nicht so, dass Du Deine Seite und Deine Bücher nicht schon das ein oder andere Mal vorgestellt hast. Andere Attacis kennen diese Regel ja auch und halten sich daran.
Du kannst gerne alles so transparent machen, wie Du es für richtig hälst - allerdings fällt das, worüber Du Dich so aufregst, ganz einfach in meinen Arbeitsbereich, und dass es eine Moderation der Mailinglisten gibt, war ja ursprünglich ein Wunsch derjenigen, die darauf posten. Und um ganz genau zu sein: Dabei handelt es sich eben nicht um die Gesamtheit der Attacis! Die Gruppenliste ist in erster Linie für die Vernetzung der Gruppen und deren aktiver Mitglieder konzipiert.
Ganz klar: Wenn die Moderation eine/n dann mal trifft, ist das natürlich nicht so schön - aber es entspricht dem Wunsch des Netzwerks.
Die Anmerkung hinsichtlich der Vermischung der unterschiedlichen Positionen in Deiner Linkliste war einfach nur ein Weiter-Kommunizieren von Irritationen, die bei einigen Attacis aufgetreten sind. Nimm es als Hinweis, was Du vielleicht noch ändern könntest.
lg von ...


Im Laufe einer einzigen Stunde folgten dann vier Beiträge:

Lieber Holger,
auf Deiner beworbenen Website bietest Du u. a. (bezahlte) Dienstleistungen an. Das ist natürlich Dein gutes Recht, aber ob eine solche Eigenpromotion auf der Attac-Gruppenliste akzeptabel ist, halte ich zumindest für diskussionswürdig (aber bitte nicht hier).
Für Einwände gegen die Moderation dieser Liste gibt es eine zuständige Instanz, meines Wissen die AG Mailinglisten. Nichts für ungut, aber so lange die sich nicht geäußert hat, müsstest Du die Sache vielleicht nicht unbedingt vor die ganz breite Basis zerren. Nur meine Meinung.
Schöne Grüße, ...

Hallo Holger und alle,
als ehemaliger Admin dieser Liste, der das Leiden und die Konflikte rund um diesen undankbaren Job gut kennt, möchte ich auch noch ein paar Takte zu Holgers Mail schreiben.
Ich finde ...s Reaktionen durchaus angemessen und im Rahmen seines Moderationsauftrags. Holgers Arbeit ist zweifelsohne ehrenvoll und viele der Zitate und Links sind ausgesprochen nützlich. Dennoch fiel er auch mir schon auf als ein Listenschreiber, der wirklich jede Gelegenheit nutzt, um sein Buch zu bewerben.* Wenn dann zwei Mails kurz nacheinander kommen, die praktisch auf dieselbe (kommerzielle) Seite hinweisen, frage ich mich auch, ob da nicht doch eher andere Zwecke verfolgt werden als die der politischen Zusammenarbeit.
Die Diskussion über die richtige oder falsche Auslegung der Moderationsaufgabe sind meist sehr undankbar. Holger schießt mit seiner Reaktion aber ziemlich krass den Vogel ab. "Attacs individualitätsfeindliches Menschenbild", "Zensurschranken", "Entwürdigung", "Funktionselite" etc ... hallo? Hier wird die eigene Unkenntnis über den Zweck des Kommunikationskanals Gruppenliste zu einem Popanz aufgebaut, der mit dem Anlass wirklich gar nichts mehr zu tun hat. Ich mag gar nicht die einzelnen Punkte zurechtrücken, erfahrungsgemäß eskaliert sowas in unendliche Diskussionen, die zu nichts führen außer Zeitaufwand und Nervenverlust. Dass Attac nicht so funktioniert, wie er hier bemerkenswert unzulässig verallgemeinert, und es bei dem Anlass der Moderationsentscheidung eigentlich um was ganz anderes geht, blendet er kurzerhand aus. Diskurstaktisch möchte Holger offensichtlich seinen Gegner moralisch vernichten, nicht über die bestmögliche Zusammenarbeit reflektieren.
Diese Form der Auseinandersetzung halte ich für unsere Attac-Kultur für unangemessen und habe sie glücklicherweise nur selten angetroffen, hauptsächlich bei Konflikten mit sogenannten Listentrollen. Ich hoffe, die Auseinandersetzungen im beworbenen Buch sind sachlicher geführt als der vorliegende Konflikt ...
Ich bitte darum, dass dieser Konflikt nicht weiter über die Listen ausgetragen wird.
Viele Grüße ...

* das ist eine sehr negative Sichtweise. Ich hatte am 30.11.11 für mein Buch geworben. Danach hatte ich am 27.12. und am 21.01. in zwei grundlegenden Beiträgen auf die Problematik diversester Einzelaktionen hingewiesen, ohne dass es einen grundlegenden Wandel im Denken der Menschen gibt. In diesem Zusammenhang wies ich ebenfalls auf mein Buch hin, in dem es zentral auch um diesen Wandel geht. In anderen Beiträgen erwähnte ich es wiederum mit keinem Wort.

Lieber Holger Niederhausen,
wir haben in vergangenen Jahren leider auch schon häufiger die Ablehnung von Nachrichtenweiterleitungen etc. über verschiedene attac-Listen als Zensur kennengelernt. Oft ohne Begründung. Ich habe einfach keine Lust mehr, das immer wieder zu diskutieren. Aber wehre Dich, wenn Du die Kraft dazu hast! Ich finde Deine Seite sehr informativ!
Freundliche Grüße ...

Hallo Holger,
ich bin 2001 zu Attac gekommen. In dem Zustand, wie sich Attac z.Z. befindet, würde ich niemals dort beitreten.
Schade um die wenigen guten Leute, die sich noch bemühen.
Gruß ...

Irgendetwas geklärt?

Ich antwortete dann:

Lieber ..., liebe Listenmitglieder,

ich danke für die Antworten – hier sind stichwortartig meine wesentlichsten Gedanken zu der ganzen Angelegenheit:

1. Offenbar sind auf der Gruppenliste gegenseitige Hinweise auf wichtige Zusammenstellungen und Fakten gar nicht gestattet. Da ich auch keine andere entsprechende Mailingliste kenne, scheint es diese Möglichkeit überhaupt nicht zu geben.

2. Das Argument „Eigenwerbung“ bleibt, was es ist: gegen die einzelne Individualität gerichtet. Damit steht jeder unter Generalverdacht, ein Selbstdarsteller zu sein. Was soll das? Warum sind kurze Links auf mit viel Mühe zusammengestelltes Material „Eigenwerbung“? Nur weil man eben auf den persönlichen Seiten des entsprechenden Attac-Mitglieds landet? Was ist daran so schlimm? Man braucht doch die bereitgestellte einzelne Zielseite gar nicht zu verlassen!

3. Das „kommerzielle“ Argument ist ähnlich schlimm: Dass ich irgendwo auf meiner Seite (max. 5%) auch meinen Beruf anbiete, liegt nur daran, dass ich nicht für jeden Aspekt meines Lebens eigene Internetseiten haben will und kann. Ich bin ein und derselbe Mensch – und trotzdem hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Wenn man da von einer „kommerziellen Seite“ spricht, tut es mir leid. Dann muss man ihr eben fernbleiben und kann ich keine Hinweise auf Wesentliches mehr geben.

4. Hier geht es weder um mein zweibändiges Werk zur Krise (das ich angeblich bei jeder Gelegenheit beworben haben soll, allerdings haben sich weder der Attac-Webshop noch irgendein einzelnes Attac-Mitglied jemals dafür interessiert, seltsam genug), noch darum, dass ich irgendjemanden „moralisch vernichten“ wolle. Es erscheint mir allerdings zynisch, zu behaupten, man könne angesichts von Zensur (oder eben: restriktiven Listenregeln) über „bestmögliche Zusammenarbeit reflektieren“. Die Zusammenarbeit bestünde eben gerade in der Abschaffung der Zensur bzw. der Erweiterung der Listen!

5. Zur Zensur: Die Antworten von Jürgen Kruse und Michael Heinen zeigen, dass andere ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Auch von mir sind noch mehrere weitere Beiträge zurückgehalten worden, so am 20.02. eine ausführliche Antwort an Bernd Liefke, der eine wichtige Frage gestellt hatte, am 05.04. eine Antwort an Alexis auf dessen Angriff auf Günter Grass, am 06.04 ein Link mit einem ausführlichen Beitrag zum Grass-Gedicht, am 10.06. eine kurze Antwort auf Werner Rätz und seinen Angriff auf Rüdiger Heescher.

Mit herzlichen Grüßen an alle, die sich im Großen wie im Kleinen für ein wirklich menschliches Miteinander einsetzen,
Holger Niederhausen, Berlin

Und dann kam von einem anderen Attac-Mitglied noch diese an den Listenmoderator und die ersten beiden Folgebeiträge gerichtete Antwort, die mir ganz und gar aus dem Herzen sprach:

Lieber ... ... ...
Was ihr macht, ist eine Katastrophe für die Glaubwürdigkeit und Integrität von Attac
-- Auch ein bisschen Zensur bleibt Zensur --
Und jedes Wort, mit dem diese Zensur hier gerechtfertigt wird, steigert mein Entsetzen darüber. Die flotten Sprüche von ... über Sinn und Ziel beruhigen mich rein gar nicht.
-- zuviel Eigenwerbung
-- Schachtschneider neben Thomas Konicz als Zitate-Quelle
Das sollen Gründe für das Unterdrücken von Mails sein ???
NICHT IN MEINEM NAMEN !!!
Der Verweis auf Verfasser-Blogs und Websites mit ausführlichen Statements macht eine Mailingliste lesbarer. Eigene Blogs und Websites sind heutzutage Usus.
Liebe Leute, bitte bestätigt mir, daß die umstrittenen Verfahren nicht gängige Praxis sind, von der die Leserschaft nichts bemerkt.
Ansonsten müssen wir das beim nächsten Ratschlag klären.
Gruß ...