12.09.2014

Das Schreckliche in der Welt und das Gute – Fragen eines Kindes

Die menschliche Seele und Christus.


„Großvater, warum passiert immer so viel Schreckliches in der Welt?“

„Hmm, was meinst Du, Kind?“

„Es gibt doch so viele Kriege... Es gibt Verbrechen. Es gibt Tierquälerei. Die Natur wird zerstört... Warum tun die Menschen so etwas?“

„Nun ... sie denken nicht an Christus...“

„Wie meinst du das, Großvater? Immer redest du von Christus. Was ist denn mit ihm? Ist es denn so einfach... Man muss nur an ihn denken, und dann...?“

„Du wirst doch nächstes Jahr, zu Ostern, konfirmiert? Lernt ihr davon denn nicht etwas in der Konfirmationsvorbereitung?“

„Nein – ich weiß nicht. Da lesen wir ein bisschen im Evangelium, sprechen darüber, lernen gerade das Glaubensbekenntnis, und so weiter. Aber was hat Christus denn mit Heute zu tun?“

„Nun – er ist doch da...?“

„Wie, ‚da’?“

„Er ist da, bei uns, bei allen Menschen. Er ist bei uns ... und die Frage ist nur: Weiß man dies, oder nicht? Und was bedeutet das dann...“

„Aber wie ist er da? Und warum tut er dann nichts?“

„Hmm, hast du Mama gern?“

„Ja, warum?“

„Wie ist dann deine Liebe zu ihr da?“

„Sie ist einfach da – in mir.“

„Und so ist auch Christus da.“

„Aber was macht er? Er macht doch nichts? Warum denn nicht?“

„Kind... Wenn du wüsstest, wie unendlich viel er allein dadurch tut, dass er da ist! Wir tun nichts – wir müssten uns fragen, warum wir nichts tun...“

„Was tun wir nicht?“

„Wir wenden uns nicht zu Ihm. Wir tun so, als ob Er nicht da wäre – die ganze Zeit tun wir so, die ganze Welt.“

„Sollen wir denn an ihn denken? Was bringt das?“

„Was ‚bringt’ es, dass du deine Mama lieb hast?“

„Nichts, ich hab sie einfach lieb.“

„Und trotzdem streitet ihr manchmal?“

„Ja, wenn sie zum Beispiel wieder einmal will, dass ich mein Zimmer aufräume oder so.“

„Siehst du, das ist ein Unterschied...“

„Wieso?“

„Nun ... wenn man wirklich an Christus denken würde, könnte man nicht mehr streiten...“

„Warum denn nicht?“

„Weil man es nicht mehr wollen würde. Alles in einem würde dann nicht mehr streiten wollen – oder können, wie man es auch ausdrücken will...“

„Wieso das nicht?“

„Weil man weiß, dass es falsch ist. Weil man in seiner Seele auf einmal das Gute tun möchte.“

„Wenn man an Christus denkt?“

„Ja, aber wenn man wirklich an ihn denkt. Ohne dass man eine Beziehung empfindet, geht es natürlich nicht. Ohne dass man eine Sehnsucht empfindet...“

„Was für eine Sehnsucht?“

„Eine Sehnsucht nach dem Guten – eine Sehnsucht danach, dass man mit der eigenen Seele das Gute tun und wollen kann. Und eine Erkenntnis, dass in Ihm, in Christus, dieses Gute ganz und gar da war – und noch immer ist.“

„Aber was bringt das?“

„Nun, wenn du dich ganz danach sehnst, das Gute zu tun, dann willst du doch nicht mehr streiten?“

„Nein – aber was bringt es, dass in Christus das Gute da war?“

„Was das für eine Bedeutung hat, erkennt man erst, wenn man eine Beziehung zu Christus sucht – oder findet. Denn dann wird Christus für die Seele eine Realität. Und dann begreift man auch erst, was das heißt: ‚In Ihm ist das Gute da.’ Das ist nicht nur ein Vorbild – wie man es auch in den Evangelien finden kann –, sondern Er selbst ist das Gute. Und Sein Wesen ist die Kraft in der Seele, das Gute auch wirklich zu tun... Wenn die Seele eine Sehnsucht nach dem Guten hat, hat sie in Wirklichkeit also zugleich eine Sehnsucht nach Ihm. Aber dass das so ist, muss die Seele selbst erkennen wollen.“

„Wenn ich also ein guter Mensch sein will, dann habe ich eine Sehnsucht nach Christus?“

„Ja, ob du es weißt oder nicht.“

„Und die, die Krieg machen und so weiter, haben keine Sehnsucht?“

„Doch, in jeder Seele lebt tief innerlich die Sehnsucht nach dem Guten. Aber diejenigen Mächte, die die Seele davon abbringen wollen und können, sind dann stärker...“

„Welche Mächte sind das?“

„Es sind dieselben, die dich mit deinem Bruder streiten lassen. Es sind dieselben, die dir einen Widerwillen eingeben, wenn deine Mutter etwas sagt, was du nicht tun willst. Es sind diejenigen Mächte, die der Seele diejenigen Gedanken und Gefühle geben, die Streit und Zwietracht bringen – der Krieg ist dann nur noch eine weitere Stufe...“

„Bin ich dann also ein schlechter Mensch?“

„Nun ... jeder Mensch ist so, dass in seiner Seele eine Sehnsucht nach dem Guten lebt, dass er aber sehr oft etwas ganz anderes tut... Die Frage ist immer: Was denkt, was fühlt, was tut die Seele in jedem einzelnen Moment...?“

„Und wenn ich nicht aufräumen will, dann tue ich etwas Schlechtes?“

„Das musst du selbst fühlen, Kind. Das Gute und das Schlechte ist nicht etwas, was man von außen sagen oder erklären kann – denn dann würde es doch gar nichts nützen? Aber wenn du selbst etwas fühlst, dann weißt du es...“

„Aber was soll ich denn fühlen?“     

„Du sollst nichts fühlen... Aber sieh mal. Wenn du nicht aufräumen willst, ist das denn gut? Es ist sicher nicht das Gute. Es ist vielleicht für dich gut, weil du keine Lust hast. Ja, vielleicht fühlst du dich in der Unordnung sogar wohl? Aber fühlen sich denn die Dinge wohl, die unordentlich herumliegen müssen? Und wie geht es deiner Mutter, die darüber doch traurig ist? Wenn man fühlen kann, wie sich Andere fühlen, dann fühlt man, was das Gute ist – was man tun müsste, um etwas für Andere zu tun...“

„Und wenn ich aber einfach nicht aufräumen will?“

„Ja – was dann?“

„Bin ich dann ein schlechter Mensch?“

„Das kann dir nur dein eigenes Gewissen sagen. Aber das Gute tust du an diesem Punkt dann jedenfalls nicht. Vielleicht ja woanders. Doch es ist leicht, das Gute da zu tun, wo man Lust dazu hat. Schwer dagegen ist es, es auch da zu tun, wo die eigene Lust oder Unlust einen daran hindern will. O, wie stark ist diese Lust und diese Unlust! Sie ist ja immer viel stärker als das Gute...“

„Und dann?“

„Dann tut man nur, was man will. Und wenn einem was nicht gefällt, dann streitet man – und wenn die Erwachsenen sich gegenseitig genügend geärgert haben, gibt es manchmal Krieg...“

„Und wie sollte es dann sein?“

„Nun ... es sollte Menschen geben, die stark das Gute wollen – und es auch tun. Die nicht dann aufhören, wenn sie einmal keine Lust haben. Sondern, die dann erst wirklich anfangen! Die sich gerade selbst überwinden, weil sie das Gute stärker wollen, als ihrer eigenen Lust zu folgen oder ihrer eigenen Unlust zu gehorchen. Diese Menschen bringen das Gute in die Welt, denn sie tragen es wirklich in sich...“

„Und das hat mit Christus zu tun?“

„Ja, denk doch nur: Er hat nie an sich gedacht. Alles, was er getan hat, hat er für die Menschen getan. Er ist sogar für die Menschen durch den Tod gegangen – um von da an als der Auferstandene immer bei ihnen zu sein. Und Er, der in allem ganz und gar das Gute getan hat, Er ist zugleich das Wesen des Guten. Frage dich nur, wie Christus auf eine Sache schauen würde; was Er getan hätte – und du weißt immer ohne jeden Zweifel, was das Gute ist. Aber man weiß es dann nicht nur ... Er möchte einem auch die Kraft geben, es zu tun. Wenn man sich Ihm wirklich zuwendet, kann man diese Kraft immer finden!“

„Die Kraft, doch aufzuräumen, obwohl man keine Lust hat?“

„Ja – das ist nur ein winziges, winziges Beispiel. Wenn man wirklich das Gute tun will, darf es auf diese Lust gar nicht ankommen. Sondern dann bekommt man gerade Lust, aufzuräumen – weil man wirklich das Gute tun möchte! Wie sollte das nicht eine ganz andere, ganz neue Lust und Freude geben!“

„Ja, wenn ich an Mama denke, oder auch an die Dinge – wenn sie sich wirklich nicht wohl fühlen, wie sie so daliegen –, dann möchte ich plötzlich aufräumen...“

„Siehst du... Und außer Christus gibt einem auch sein Diener, der Erzengel Michael, Kraft. Denn er ist es ja, der den Drachen besiegt. Und der Drache ist es gerade, der in einem diese Unlust so stark macht; der nicht möchte, dass man an Andere denkt. Der einen hart und fest nur in sich selbst verschließen möchte. Aber Michael gibt einem die Kraft und den Mut, sich selbst zu besiegen – den Teil in einem, der so schnell von dem Drachen besiegt wird. Aber in Wirklichkeit ist man gerade der, der das Gute tun will – und diesem gibt Michael Kraft. Kraft und eine strahlende Rüstung. So wird man selbst ein Drachenbezwinger. Und so folgt man zusammen mit Michael dem Christus, dessen leuchtende, warme Liebes-Kraft in der Menschenseele leben will...“

„Das ist so schön Großvater, wie du das sagst. Da ist das Gute auf einmal ganz leicht.“

„Ja, wenn man daran denkt, ist es wunderschön und scheint auch sehr leicht zu sein. Aber dann kommt das äußere Leben – und bringt auf Schritt und Tritt die Versuchungen, die Prüfungen, die wirklichen Drachenkämpfe. Warte also, bis dir der Drache das nächste Mal wirklich begegnet – und dann versuche, das Gute noch immer wirklich stark zu wollen. Dann wirst du ein wirklicher Drachenkämpfer...“

„Ja, das will ich versuchen. Und jetzt will ich erst einmal aufräumen...“