09.09.2015

Von Erkenntnisstreben, Liebe und dem Gift des Spottes

"Wer den Spott auf sich zieht..."


Ein Mensch auf dem Eggert-Blog schrieb in Bezug auf mich und den von ihm eingerichteten, gegen mich und die Art meiner Aufsätze gerichteten Blog:

Nein, der Blog besteht nicht wegen Ihnen und nicht um Sie lächerlich zu machen [...]. Sie ziehen – wie ich Ihnen schon mal gesagt habe – selbst den Spott auch sich...


So kann man nur denken, wenn man noch in einer dualistischen Welt lebt, in der das Schwarz-Weiß-Denken vorherrscht. Da kann man denken: Ich bin unschuldig, der Spott wird geradezu aus mir herausgezogen, und zwar von dem Anderen. Genauso kann man es dann mit anderen Gefühlen machen. Ich bin unschuldig, es ist der Andere, der durch seine Taten den Hass auf sich zieht.

Merkt man eigentlich, was allein in diesen wenigen Worten „auf sich ziehen“ liegt? Die komplette Verantwortungslosigkeit für die eigenen Gefühle und die Alleinschuld des Opfers, das man sich gesucht hat. Rechte Gesinnungen, ohne das sie als solche erkannt werden...

Natürlich, in einer Welt von schwarzen Schafen zieht das weiße Schaf den Spott (und darunter versteckt den Hass) auf sich. Christus ist deshalb am Kreuz gestorben. „Auf sich ziehen“ findet immer dann statt, wenn die Taten der Täter weit weg geschoben werden.

Natürlich, in einer Welt, in der die Ehrfurcht ohnehin verspottet und gehasst wird, zieht jeder, der davon spricht, den Spott auf sich. Wenn etwa der Geheimschüler versuchen soll, diese Stimmung in der Seele bei jeder Gelegenheit energisch in sich wachzurufen – dann ist dies etwas, was der ganzen übrigen Welt widerspricht. Und warum ist dies so? Weil in dieser übrigen, fast völlig ehrfurchtslosen und gottentleerten Welt diese Gefühle nicht mehr gekannt und gewollt werden. Wäre es anders, bräuchte der Geisteslehrer sie nicht zur energischen Übung angeben.

Wir leben in einer Welt, in der die Empfindungen und Gedanken sehr, sehr weitgehend in den Händen der Widersachermächte liegen – und wir erleben es sehr oft nicht, aber wir könnten dies wissen, denn Steiner hat die Wege zu diesem Wissen und auch zum Erleben dessen geöffnet.

Alles, was nicht in Ehrfurcht, Erkenntnis und Liebe getaucht ist, unterliegt dem Herrschaftsbereich jener Mächte dieser Welt.

Liebe gegenüber dem anderen Menschen auch da, wo er andere Wege zur Wahrheit sucht als man selbst – das ist die Qualität des christlichen Elements.

Ich bin für einen Menschen eingetreten, dessen Wahrheitssuche ich erlebt habe. Über seine Gesinnung habe ich nicht geurteilt, denn die wirkliche Gesinnung eines Menschen liegt nicht so offen zutage, wie die, die sofort viel schneller urteilen, meinen. Warum ein Streben nach der historischen Wahrheit wesentlich ist, habe ich beschrieben. Es geht um Wahrhaftigkeit überhaupt. Die Liebe zur Wahrheit soll immer größer sein als die eigene Begierde nach der angenehmsten Lieblingswahrheit, die man gerne hätte.

Die Liebe zur Wahrheit kann sich dann auch mit der Liebe zum Mitmenschen verbinden – auch gegenüber jenem Mitmenschen, dessen Wahrheitsstreben ihn an andere Orte als die eigenen führt. Diese anderen Orte müssen weder zu Spott noch zu Abwehr führen. Auf der Ebene des Wahrheitsstrebens kann man ringen, kann man auch das, was man als Unwahrheit erkannt zu haben meint, zu bekämpfen versuchen, während man für das eintritt, was man als Wahrheit erkannt zu haben meint. Auf der Ebene der Begegnung mit dem Menschen an sich kann dagegen immer das Element der Liebe herrschen.

Spott ist das Gegenteil – Spott ist Wahrheitsanspruch und Lieblosigkeit in einem. Gefährlich und traurig in einem. „Ein Mensch zieht den Spott selbst auf sich.“ In dieser Denklogik liegt das Gefährlichste, was im Menschen liegen kann: die Begründung des Opfertums, keine Liebe, sondern eine dem Mitmenschen feindliche Logik.

Dass Herbert Ludwig für das freie Individuum eintritt und damit eine Liebe zum Menschen haben muss, entnehme ich auch wiederum seinem aktuellsten Aufsatz von heute. Er prangert die unvorstellbare Kälte der Hartz-IV-Maschinerie an. Nicht nur Flüchtlingsheime brennen in unserem Land, sondern überall brennt auch diese Schande, dass in einem so reichen Land so mit Menschen umgegangen werden kann, wie wir es sonst von totalitären System erwarten würden. Jeder Angriff auf ein Flüchtlingsheim ist ein unerträglicher Angriff auf die Menschenwürde. Die Behandlung von Flüchtlingen ist es oft ebenfalls. Die Behandlung von Menschen, die in die Armut und Bedürftigkeit fallen, ist es oft ebenfalls.

Wir leben in einer Zeit, in der die Macht der Widersacher immer stärker wird – ich kann es nur wiederholen. Das Einzige, was hilft, ist, die Gegenkräfte und einzigen Heilmittel spirituell so stark zu machen, wie es heute noch kaum vorstellbar ist: die Erkenntniskräfte, die Ehrfurchtskräfte, die Liebeskräfte.