06.06.2016

Symptome der Kälte

Eine Antwort (nicht nur) auf Ansgar Martins. 


Was ist die Krankheit der Welt? Selbstzerstörung und gegenseitige Zerfleischung.
Ansgar Martins schreibt ganz aktuell:

Wer Steiner sät, wird heute Neurechte ernten. [...] An Steiners Rassismus und Völkerpsychologie hat Niederhausen ohnehin nichts auszusetzen. (vgl. Unwahrheit versus Wissenschaft) Seine gleichzeitige Sympathie für die Partei „Die Linke“ passt zur sog. „Querfront“, man denke an den national-sozialen Kurs Sarah Wagenknechts oder die Phantasien Dieter Dehms. Breiter betrachtet: Linke und rechte Anti-Globalisierer ziehen dem unentrinnbaren Bann des wahrlich kalten Kapitals die falsche Wärme ethnischer oder kultureller Kollektive vor und damit den „Volksorganismus“ (mag er auch diskurstheoretisch artikuliert sein) der prekären bürgerlichen Existenz. Darin kommen auch rechte Ethnopluralisten und linke „Identitäts“-Fanatiker, die Religionskritik für „Islamophobie“ halten, zusammen: Statt Selbstbestimmung für die Individuen und reflexive Freiheit gegenüber allen traditionalen Verhaltensregeln zu fordern, soll je „das Eigene“ oder „das Fremde“ qua Dasein als unbedingt erhaltenswert gelten (anthroposophisch würde das noch durch die Ontologie der „Volksseelen“-Missionen unterfüttert). Die Apologeten des Islamismus und die Fans der AfD argumentieren von einem vergleichbaren Kulturbegriff aus.


Was will Martins eigentlich erreichen? Hasserfüllt scheint er sich einer Mission verschrieben zu haben: dem Zertrümmern von allem, was nicht seiner Weltsicht entspricht. Aber selbst diese wird nicht klar. Lieber zerpflückt Martins genüsslich mit seiner intellektuellen Schärfe alles und jeden, ohne einmal positiv zum Ausdruck zu bringen, für welche Welt eigentlich sein Herz schlägt. Lieber türmt er analytische Terminologie bis auf Soziologen-Niveau, als einmal selbst Wärme zu zeigen.

Mit ist es egal, in welche Schublade mich jemand wie Martins steckt. Für mich ist Martins aber beispielhaft für Menschen, die durchaus etwas Richtiges wollen, dabei aber weit über das Ziel hinausschießen und so im Grunde selbst wieder zu Zerstörern werden. Er jongliert mit Begriffen wie „Querfront“ und „Ethnopluralisten“, kann aber nicht einmal den Namen einer Frau richtig schreiben, die ihm an sozialem Impuls und Menschlichkeit weit überlegen ist: Sahra Wagenknecht.

Er baut ein mächtiges Entweder-Oder auf, statt zu erkennen, dass es um ein Sowohl-als-auch geht. Wer tritt denn nicht für die Selbstbestimmung des Individuums ein? Sowohl Rudolf Steiner als auch Sahra Wagenknecht haben für den Kampf um diese Selbstbestimmung des Individuums wohl unendlich viel mehr getan als jemand wie Ansgar Martins. Und wer wissen will, wo ich selbst stehe, braucht nur einmal meinen neuesten Roman „Sonnenmädchen“ zu lesen. An diesem Roman wird man erleben, worum es geht, wenn einem die Zukunft wirklich wichtig ist – und man dies nicht nur behauptet.

Recht haben und Recht behalten wollen viele – jeder mit seinem eigenen intellektuellen Hochmut. Wirkliche Zukunftskräfte liegen darin nicht verborgen. Diese finden sich nur in der wirklichen Wärme. Diese hat ihre Quelle nicht im Kopf...