26.01.2017

Vom völligen Verschwinden der Wahrheit im Postfaktischen

Die „Egoisten“ und ihr Wirken.


Inhalt
Noch einmal: nach unten offen
Abstieg in die Unterwelt
Die neue Qualität des Lügens
Die „Egoisten“ und das Postfaktische


Noch einmal: nach unten offen

Die Kommentare bei den „Egoisten“ entwickeln sich immer weiter – ohne ihren eigenen Charakter reflektieren zu können.

Nachdem Ingrid meinem Satz zugestimmt hatte: „Die Menschheit kann nur nach einer immer mehr wachsenden inneren Reinheit streben – oder sie wird untergehen.“ antwortete Rainer Herzog:

Rainer Herzog – 26.01.2017 18:24
@ Ingrid,
ist das denn so schwer zu verstehen...? Es ist mir schon klar, dass wir im "inneren Raum" am meisten frei sind und das es deshalb für "die Welt" wichtig ist, wenn wir uns alle weiter entwickeln. Der eine mit Meditation, der andere mit sonstwelchen Übungen, der andere mit Mädchenbetrachtungen.
Ja und? Das macht man doch auch (wenn möglich) wenn es keinen Putin, Trump und keinen Syrienkrieg und keine AfD gibt, oder?

Er zeigt damit, dass er das Wesentliche noch immer nicht verstanden hat. Das Wesentliche sind jene Kräfte, die überhaupt eine andere Zukunft herbeiführen können – eine grundlegend andere Zukunft. Denn Putin, Trump, Syrien und AfD sind Ergebnisse jener Kräfte, die jetzt in der Welt wirksam sind. Ich habe in meinen letzten Aufsätzen gezeigt, wie eng die innere Haltung der „Egoisten“ mit diesen Kräften verwandt ist. „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“. Ich sehe die innere Reinheit bei den Egoisten nicht – ich sehe Spott, ich sehe Entstellung, ich sehe Herabwürdigung. Es mag sein, dass Rainer Herzog meditiert oder sonstwelche Übungen macht. Wo sind die Früchte? Und was setzt er Putin, Trump, Syrien und der AfD entgegen? Was er mir entgegensetzt, sieht man ja.

Rainer Herzog – 26.01.2017 18:32
Gerade entdeckt: Der Meister hat 4 (!!) neue Artikel geschrieben, 3 über uns, meine Güte.
Er scheint uns möglicherweise doch immer mehr zu mögen; dass er uns als "Avantgarde" bezeichnet hat, rechne ich ihm jedenfalls, bei aller Kritik, hoch an.
Sind die Texte denn gut? Kann/soll man die lesen? (Ich habe keine Zeit mich so hineinzusteigern in diesen Klamauk, kann das immer nur überfliegen).

Selbsternannte Avantgarde. Eine Avantgarde, die sich so sehr innerlich entwickelt hat, dass sie gar nichts mehr lesen muss, weil sie die Konfrontation mit ihrem eigenen Spott und ihren Entstellungen und Herabwürdigungen als „Klamauk“ definiert – selbstverständlich ohne Deutungshoheit. Und zugleich sich spöttisch beim Kollektiv vergewissert, ob irgendjemand für diesen „Klamauk“ mehr Zeit hat. Das sind die wahren Über-Flieger...

Abstieg in die Unterwelt

Und dann die Antwort:

Stephan Birkholz – 26.01.2017 18:39
Kennst Du einen, kennst Du alle - wie bei seinen Büchern.
Kein weiterer Erkenntnisgewinn möglich...
Klingt arrogant, ist aber so...

Ja, das ist so, wenn die Arroganz sich selbst vernagelt. Die Weisesten können überall etwas lernen – die Arrogantesten wissen immer schon alles unbesehen. Denn sie können ja bis ins Tiefste der Persönlichkeit hineindeuten und finden da nur das Armseligste vom Armseligen. Das kleine Kind, das Opfer, den Inquisitor, den Unentwickelten – und was dergleichen Deutungen mehr sind, wahlweise zum Aussuchen. Die selbsternannten „Hobbits“, „Menschenfreunde“, „Humanisten“ etc. sind nicht arrogant, nein – es ist schlimmer. Viel, viel schlimmer. Diese Art von Spott und Selbstgewissheit reicht selbst in die schwarze Magie hinein, nur dass sie das gar nicht merken. Es sind unbewusste Schwellenübertritte.

Stephan Birkholz – 26.01.2017 18:49
Ich denke, dass wir ihn mit unseren komplexen Gedanken so sehr überfordert haben, dass er in die vollkommene Dekompensieren geraten ist.
Wir sollten ihm jetzt wohl besser etwas Schonung zu seiner Genesung zugestehen.
Meine ich ernst, weder Spott noch Humor...

Das kann man ihm sogar glauben – solche Leute merken selbst nichts mehr von ihrer Seelenkonfiguration. Sie können spotten, aber selbst wenn sie meinen, nicht mehr zu spotten, gehen sie in diese nüchterne Seelendeutung über, die einem unendlichen Hochmut entspricht. Sie sind derart überzeugt von ihrer Deutung, dass sie dem Faschisten gleichen, der von dem Verderbten des Juden überzeugt war. Deutungshoheit – absolute Deutungshoheit. Kein Spott mehr – viel schlimmer. – Abgesehen von der invasiven Seelendeutung kompensieren sie selbst ihren Unwillen und ihre Unfähigkeit, meine Gedanken auch nur zeitlich einmal nachzuvollziehen. Nicht einmal überfliegen können sie sie mehr. Aber das ist ja auch gar nicht nötig – handelt es sich doch nur noch um dekompensierte Auswürfe eines pathologischen Geistes, der stets nur das Gleiche sagt. Das sind wirklich schwarzmagische „alternative facts“ – ein Dugin und ein Crowley, ein Putin und ein Trump würden sich über ihre Brüder im Geiste freuen...

Die neue Qualität des Lügens

Unglaublich passend dazu dann der Beitrag von „bobby“:

bobby – 26.01.2017 19:29
"…Die fehlende Unterscheidbarkeit von Lüge und Vernunft setzt den unbedingten, „imprägnierenden“ Willen durch, aber nicht mehr im initiatorisch- magischen Sinne, sondern als politische Machtpositionierung…" [...]
Im postfaktischen Zeitalter (Zeitalter der "Post-Truth") wird eine Schwelle überschritten. Je mehr bewusst gelogen wird desto mehr verschwindet auch der Maßstab zum Wahrhaftigen. Verzerrt bis ins Unerkennbaren. An der Stelle der Wahrheit des Erkennens manifestieren sich rücksichtlos gelogene und fanatisch befolgte Glaubensinhalte faschistischer Prägung. Unter Negierung jegliches Wahrheitsgehaltes.
So entstehen die Dämonen der Neuzeit.
Diese neue Qualität des Lügens hat es in dieser Konsequenz nicht einmal im Dritten Reich gegeben. Damals hat man sich teilweise noch bemüht Lügen und Verbrechen zu verbergen, weil man gewusst hat, dass sie das Tageslicht nicht vertragen.
Wahrheit und Lüge verhalten sich wie Licht und Schatten. Der Schatten verschwindet augenblicklich wenn das Licht nicht mehr erscheinen kann. Sogar die Dunkelheit wäre nicht mehr als solche erkennbar sollte das Licht dauerhaft nicht vorhanden sein. Die Welt würde im Chaos versinken. [...]

Das sind wesentliche Gedanken. Verbirgt sich die Lüge – oder tritt sie offen zutage, tritt sie selbstbewusst und Fakten schaffend an die Stelle der Wahrheit, verdrängt diese? Aber das Dritte Reich hat mit seiner Ideologie die Lüge auch schon ganz offen an die Stelle der Wahrheit gesetzt. Nur dass das Gewissen vieler Menschen noch lebendig war – und auch wenn das Dogma eindeutig war, das Herz im unmittelbaren Erleben noch wissen konnte, dass ein Jude auch ein Mensch ist wie alle anderen.

Daneben setzt eine Diktatur Macht und Gehorsam durch – im heutigen Zeitalter geht es jedoch tatsächlich um mehr. Es geht sogar in dem vermeintlichen Rahmen freierer Systeme (z.B. „gelenkte Demokratie“) darum, die Deutungshoheit zu gewinnen und die Wahrnehmung der Menschen so zu lenken, dass sie glauben, was sie glauben sollen. Wo immer dies möglich ist, kann dies mit geringsten Verschiebungen der Deutung und Aussagen-Färbung über Dreiviertel-, Halb- und Viertelwahrheiten bis hin zu wirklichen Fake News und Lügen immer wieder versucht werden.

Es ist klar, dass Wahrhaftigkeit entweder vollständig sein muss, wahrhaftig geübt und gehütet – oder dass die Seele sehr, sehr schnell korrumpiert wird und sich an das „Postfaktische“ und damit Beeinflussende gewöhnt. Entweder wird die Wahrheit und das Wahrhaftige innig geliebt – oder man verfällt einer zunehmenden Indifferenz, sowohl im Moralischen als auch in der Unterscheidungsfähigkeit. Im Medienbereich bedeutet das dann zum Beispiel, dass man nicht mehr rein wahrnehmen und sauber Wahrnehmung und Deutung trennen kann, sondern dass die eigene Lieblings-Deutung immer schon mit einfließt. Dann geht es nicht mehr um die Wahrheit, sondern nur noch um die Deutungshoheit. Der Krieg um die Köpfe hat begonnen...

Die „Egoisten“ und das Postfaktische

Wo der Mensch aber nur noch von bewusst oder unbewusst manipulierten Darstellungen umgeben ist, verliert er fast jede Möglichkeit des Urteilens. Er müsste ja selbst vor Ort sein, um urteilen zu können – oder dem Berichtenden vertrauen können. Bewusste Lügen kann man mit einem vertiefen Wahrheitsempfinden immer noch irgendwie erkennen. Aber was ist, wenn der „Berichtende“ selbst nicht einmal merkt, wie sehr seine Wahrnehmung und untrennbar damit verbundene Deutung schon gefärbt ist? Das Ganze ist hochkomplex und wird noch komplexer, als heute alles miteinander zusammenhängt – Geldströme, Einschaltquoten, politischer Druck, Lobbyverbände, andere Einfluss nehmende Kräfte. Der unabhängige, idealistische, nur der Wahrheit verpflichtete Recherche-Journalismus – welche Chance hat er in dieser Welt? Wird er überhaupt noch erkannt? Geschätzt? Honoriert? In seinen Lebensbedingungen erhalten und gestützt?

Nein, die Lüge wäre nicht mehr erkennbar, wenn die ganze Welt nur noch aus Lügen besteht.

Gestern hatte ich ganz am Ende geschrieben:

Arbeiten wir also an den wahren Zukunftskräften. Wahrhaftigkeit wäre ein Anfang. Ein Ausrotten von Spott und Herabwürdigung bis an die Wurzel der bloßen Tendenz dazu wäre mehr – denn dann würde von selbst Wahrhaftigkeit allein übrigbleiben. Das ist meine Betonung des Heiligen und Reinen. Wer danach nicht strebt, kann zwar gegen all die vermeintlich Blinden wüten – aber es ist selbst auch kein Träger von Zukunftskräften. Und auf diese wird es in Zukunft allein ankommen.

Heute muss ich korrigieren: Diejenigen „Egoisten“, die Seelendeutung und Herabwürdigung auf eine Weise betreiben, dass sie selbst nicht einmal das Geringste bemerken – und sogar dann, wenn sie „nicht mehr spotten“ in dieser schwarzen Seelenhaltung verharren, sind nicht nur keine Träger von Zukunftskräften, sie sind Träger von Untergangskräften. Zukunftskräfte heiligen das Menschliche und sind selbst Heilig-Menschliches. Zerstörungskräfte vernichten das Menschliche. Sie sprechen von „Klamauk“, „Dekompensation“ usw. Orwells „Ministry of Truth“ hätte in seiner Wirkensweise nicht schlimmer sein können. Je mehr bewusst und unbewusst gelogen wird, desto mehr verschwindet auch der Maßstab zum Wahrhaftigen. Wenn eine Diktatur weiß, dass jemand der Böse ist, weil sie ihn als solchen definiert, gibt es kein Entrinnen. Wenn die „Egoisten“ wissen, dass jemand ein pathologischer Fall ist, auch nicht – denn ihr Wissen ist absolut, sie hinterfragen sich nicht mehr, sie zweifeln nicht an ihrer Deutung. Sie lügen, ohne überhaupt noch Lüge oder Wahrheit unterscheiden zu können. Ihre Deutung ist die Wahrheit – alles andere würde keinen Sinn mehr ergeben.

Willkommen im postfaktischen Zeitalter. Die „Egoisten“ zählen zu seinen Schöpfern.