17.12.2017

Von der Schönheit und der Hässlichkeit der Seele

Eine Besinnung auf die in der Seele lebenden Realitäten.


Inhalt
Das Moralische als Wesen der Seele
Vom Hässlichen der Seele
Von der Abwehr gegen das Läuternde
Vom Leben der Seele
Das Mädchen und der Spott


Das Moralische als Wesen der Seele

Es gibt Begriffe, über die muss man nicht nachdenken. Sie sind so mit dem innersten Wesen verbunden, haben einen so innigen Zusammenhang mit diesem, dass man unmittelbar weiß, was gemeint ist, ohne dies intellektuell auseinandernehmen zu müssen. Zu diesen Begriffen gehören die Schönheit und das Hässliche. Die Seele hat zu diesen Begriffen ein unmittelbares Verhältnis. Und wenn sie innerlich lebendig ist, umfasst dieses Verhältnis auch ein unmittelbares Empfinden. Eine Liebe zum Schönen, zu allem, was bereits dieser Begriff umfasst, und etwas anderes gegenüber dem Hässlichen – ein Zurückschrecken, ein Sich-zurückgestoßen-Fühlen, ein Zu-sich-selbst-Kommen, weil man sich diesem fremd fühlt.

Solche Begriffe sind es, die einen darauf aufmerksam machen können, dass man eine Seele hat. Denn es ist die Seele, die darauf reagiert, die eine Verwandtschaft oder Fremdheit, eine Sehnsucht oder Abwehr spürt. Die Welt der Seele aber ist eine moralische. Nirgendwo ist sie wertfrei – die Seele liebt oder erschrickt, sie bewundert oder verachtet, sie sehnt sich nach etwas und empfindet Unverständnis gegenüber etwas anderem. Warum ist das so? Weil sie in sich allertiefste ,Maßstäbe’ hat, die wie ein heiliger Urgrund vor allem anderen da sind. Diese ,Maßstäbe’ aber sind so lebendig, dass sie im Grunde fast das Wesen der Seele selbst sind. Man kann sagen, die Seele hat eine heilige Sehnsucht nach dem Guten. Aber man kann sogar auch sagen, die Seele ist diese heilige Sehnsucht nach dem Guten. Und in dem Maße, wie sie diese heilige Sehnsucht verliert, verrät, abschwächt oder missachtet ... verliert sie sich selbst, verrät sich selbst, schwächt ihr eigenes Leben und Wesen und missachtet es.

Das wahre Wesen der Seele ist durch und durch moralisch – und moralisch ist hier gemeint als ein essenzielles Wärme-Licht, das zum Beispiel in den Märchen aufleuchtet und das ganz und gar das Leben der Seele ist. Die Seele muss dieses Moralische nicht von außen ,lernen’ oder ,übernehmen’, wie eine fremde Imprägnierung oder eine sonstige Entfremdung, sondern es ist ihr ureigenes Leben. Das Moralische ist gleichsam ihr Urquell, aus dem sie ihre Existenz bekommen hat, was sie nun als eigenes Leben in sich trägt.

Um der Freiheit willen und damit diese heilige Welt des Moralischen noch mehr ihr Ur-Eigenes wird, wurde der Seele der Selbst-Impuls eingepflanzt: Luzifer. Und als zweiter Einschlag kam dann hinzu die Abstraktheit, die wirkliche Trennung vom moralischen Empfinden: Ahriman. Luzifer gab den Selbstbezug, das Ego, Ahriman dessen zunehmende Kälte. Das Selbst könnte auch in reiner Form selbst die Wahrheit suchen und lieben – wenn es ihm aber um das eigene Rechthaben geht, wirkt in ihm Luzifer. Man kann aber auch die Wahrheit der Atombombe finden. Wenn nicht zugleich die Liebe zum Guten im Herzen lebt, wirkt Ahriman. Die Gegenmächte wirken, damit die Seele in Freiheit und selbst die Liebe zum Guten und überhaupt zu ihrer heiligen Heimat wiederfinden kann – als ihre ureigene Liebe.

Vom Hässlichen der Seele

Wenn nun ein Blogger anonym in Bezug auf den letzten Satz meines Aufsatzes „Das Mädchen und Luzifer“: „Das Mädchen hat es nicht verdient, dass seine heilige Gestalt so verwechselt wird.“ kommentiert:

Das Goldene Blatt – 17.12.2017 03:20
[...] Niederhausen ist wie Das Goldene Blatt nur krasser!

dann offenbart dies die – offenbar selbst gewollte und selbst gewählte – größtmögliche Entfernung von dieser wahren Heimat der Seele.

Ganz offenbar kam auch diese Bemerkung wieder von Stefan Birkholz, dessen hasserfüllter Spott mir gegenüber eine ganz charakteristische Note hat. Er wirft mir ,Neid, Mißgunst, Verbitterung über das Leben, Vereinsamung’ vor, aber den Hass seiner eigenen gehässigen Spottkommentare empfindet er nicht. Er behauptet, mir würde ,von Zeit zu Zeit die Wutgalle überkoch[en]’, wenn ich ,das rege Leben im Egoblog’ sehen würde – aber nichts ist weniger absurd. Die Wirklichkeit ist, dass in mir eine Abscheu lebendig wird, wenn ich sehe, mit welcher Hässlichkeit dort miteinander umgegangen wird – Hässlichkeit in Bezug auf die Sprache, auf das Übergriffige, auf das Seelische. Das mag ein ,reges Leben’ sein, wenn manchem dort manchmal die ,Galle überkocht’ – aber für mich sind dies Todesprozesse. Jedes Mal wird dann das heilige Leben der Seele abgetötet, um auf diese Weise fern von ihm seine giftigen Kommentare, seine Galle, seinen Spott, seinen Hass oder was auch immer abzusondern.

Es ist klar, dass ich mir mit diesen Äußerungen von neuem die tiefe Antipathie von so manchem zuziehe, der all dies wieder als zu ,heilig’, zu ,dogmatisch’, zu ,besserwisserisch’, zu ,belehrend’, zu ,starr’, zu ,gekünstelt’ oder was auch immer ansieht. Es ist deutlich, dass Menschen, die mit ihrer Galle entweder noch nicht umgehen können oder nicht umgehen wollen, sich als viel ,authentischer’ und ,lebendiger’ empfinden, wenn sie ab und zu eben Galle spritzen. Sie werden sich auch weiterhin das Recht herausnehmen, zu spotten – und dies gerade als ,humorvoll’, ,progressiv’, ,wahrheitsnah’ oder was auch immer ansehen.

Die Wahrheit aber ist, dass die Seele in jedem Moment das tut, was ihrem gewordenen Wesen entspricht. Wenn sie spottet, dann ist ihr Wesen spottend. Wenn sie den Spott verabscheut, dann ist ihr Wesen ein den Spott verabscheuendes. Und wer der Anthroposophie nahesteht, kann selbst wissen, wo die Widersacher wirken und das Seelenleben in Besitz nehmen.

Von der Abwehr gegen das Läuternde

Worum es mir geht, das ist das Läuternde. Und ich stelle fest, dass viele Menschen so weit von der allen Seelen gemeinsamen wahren Heimat entfernt sind, dass sie selbst über den Gedanken der Läuterung schon spotten müssen – weil sie ihn eigentlich hassen. Selbstverständlich muss dann auch darüber gespottet werden, wenn ein Mensch diesen Gedanken vertritt – und erst Recht, wenn er dies mit einem Ernst tut, der geradezu lächerlich ist. Dass aber dieses ,Lächerliche’ nur der eigene Impuls zum Spott ist, während andere Menschen, deren Seele nicht so sehr von Spottlust durchzogen ist, es keineswegs lächerlich finden, wird nicht gesehen. Für einen Hammer ist alles ein Nagel – der Spott aber ist der Hammer der Seele...

Die Gestalt des Mädchens nun ist für eine Seele, die sich nicht läutern will, sondern sich dagegen wehrt, mit vollem Recht ein Stein des Anstoßes. Die Seele stößt sich daran – denn ihr begegnet etwas, gegen das sie sich heftig wehrt. Und so nimmt sie Anstoß und stößt das, was ihr begegnet, von sich:

Valentin – 17.12.2017 11:01
Töchter der Sonne, vereinigt euch ;)
Sorry, mir kommt das alles vor wir ein schlechter Scherz...und manchmal auch wie Werbung für eine alternative Waldorf-Babypuppe...

Hier offenbart sich eine Scheidung der Geister, besser gesagt der Seelen, in solche, die mehr oder weniger verstehen können, und solche, die es weder können noch wollen. Die letzteren meinen vielleicht, nur einen ,dogmatischen’ oder sonstwie hassenswürdigen Geist zurückzuweisen, tatsächlich verspotten sie aber mit jeder Zeile auch das Mädchen selbst.

Es erinnert ein wenig an den Streit zwischen Realisten und Nominalisten: Die Nominalisten konnten einfach nicht mehr erfassen, wovon die Realisten sprachen, weil sie es erlebten. Es wäre ein Leichtes gewesen, in reiner Wahrheitsliebe zu sagen: ,Es tut uns leid, aber wir wissen nicht, wovon ihr sprecht’. Stattdessen musste es Kampf und Spott sein... Die Tragik der Nominalisten ist, dass sie ja auch das wahre Wesen von Spott und anderem nicht mehr erleben können, also auch nicht mehr die damit einhergehende Wandlung der Seele zur Hässlichkeit und so weiter. Die Tragik der Nominalisten ist, dass ihnen die tiefere Empfindungsfähigkeit als solche verlorengeht.

Das Mädchen könnte ihnen diese tiefe Empfindungsfähigkeit wiederbringen. Aber sie verspotten es gerade – wie ein Kranker den Arzt aus dem Zimmer jagt. Das Mädchen könnte jede Seele heilen – aber eine Seele, die ihre Heilung noch gar nicht möchte, ja sogar ihre Krankheit noch gar nicht empfindet, wird es doch immer wieder von sich stoßen.

Vom Leben der Seele

Wir alle, als moderne Seelen, sind unglaublich stark im Intellekt gefangen. Sogenannte ,Theologen’ diskutieren längst vergangene ,Gottesvorstellungen’, die aber Erlebnisse waren, und tun dies ohne jede eigene Berührung – abstrakt, inhaltsleer, seelenlos, also tot. Das Gleiche gilt für das Mädchen. Ja, es lebt auch in den Märchen – und doch nützt es nichts, nun in den Märchen herumzukramen und sich dort des Mädchens zu vergewissern, wenn es für einen dennoch nur Märchen bleiben. Es nützt auch nichts, Jungs Forschungen über die Archetypen zur Kenntnis zu nehmen oder darüber hin und her zu diskutieren, wenn man nicht in deren Realität eintaucht. Das Seelenleben besteht nur aus Realitäten – und überall, wo es nicht zu einer Realität kommt, ist das Seelenleben ... tot. Dann bewegt man sich eben nur in jenem Intellekt, der einem von Ahriman geschenkt wird und der einen unglaublich frei lässt. Eine Freiheit des Todes... Man kann sich dann zu Tode spotten, man kann auch alles zu Tode diskutieren, aber der Tod ist bereits des Intellekts Anfang.

Das Leben ist etwas anderes. Das Leben der Seele ist, wieder tief empfinden zu lernen: Ja, Nein, Gut, Böse, Schön, Hässlich. Nicht um ein Schwarz-Weiß geht es, sondern um ein Wiederfinden der Tiefe, überhaupt der Lebendigkeit, der Realität. Das Übrige ergibt sich im Laufe dieses Weges fast von selbst. Denn in dem Maße, in dem die Seele ihre Tiefe wiederfindet, taucht sie ja wiederum ein in ihr wahres Lebenselement. Es ist ihre eigene wieder immer lebendiger werdende Liebe zum Guten, die sie dann führt. Diese Liebe überwindet dann selbst alles Schwarz-Weiß. Voraussetzung dafür aber ist die Sehnsucht nach einem Wiederfinden der Tiefe – und damit auch der Heiligkeit, denn in der Tiefe wird diese wieder gefunden. Ohne die Sehnsucht nach Läuterung wird die Seele auch die wirkliche Liebe nicht finden. Das ist eine Tatsache, denn die Liebe ist der Endpunkt. Sie ist sozusagen keine ,billige Hure’, die man am Wegesrand mal eben so an sich reißen und besitzen kann. Wer auch nur irgendwie glaubt, die wirkliche Liebe ohne tiefe Läuterung ,haben’ zu können, der irrt ganz und gar. Und das ist Luzifer, das sind die Gegenmächte.

Die Liebe zum Guten ist etwas absolut Heiliges – denn es ist das innigste, zarteste Erleben der Seele, ihr ,offenbares Geheimnis’. Aber erst im heiligen Eintauchen in das Seeleninnere kann dies ganz empfunden werden. Sonst und im Alltag wird es immer wieder überrollt von viel profaneren Seelenregungen oder Nicht-Regungen oder sogar bösen Impulsen. Das Sich-Zurückziehen in das absolute Heiligtum der Seele ist die völlige Gegenbewegung. Und erst hier kann das Heilige gefunden werden – und mit ihm die Frage: Wie kann ich dies nun festhalten, nicht wieder verlieren, wenn ich, buchstäblich, an die Oberfläche zurückkehre...

Das Mädchen und der Spott

Ich weiß nicht, was es an der heiligen Gestalt des Mädchens zu verspotten gibt. Denn das Mädchen hat all das, was unsere Seele jedes Mal verliert – wenn sie es denn überhaupt im innersten Heiligtum findet. Was unsere Seele bei ihrer Rückkehr an die Oberfläche des Alltags, an die Profanität des Erdenlebens, immer wieder verliert, das lebt unmittelbar und unverlierbar in der Seele des Mädchens, in der ganzen Seele. Jenes Heilige, das wir ganz nur im Vorgeburtlichen oder im Nachtodlichen oder in der tiefen Meditation finden und das uns sonst nur in jener geheimnisvollen, heiligen Sehnsucht nach Läuterung ,ruft’ – das lebt in voller Aufrichtigkeit und tiefer Reinheit in der Seele des Mädchens. Das gerade ist es, was die Märchen so eindrücklich schildern – die gleichsam sonnenleuchtende Wirklichkeit eines reinen Herzens. Dies kann einen nun völlig kalt lassen, es kann einen zu müdem oder gehässigem Spott anregen, oder es kann einen in unbeschreiblicher Tiefe berühren...

Die moderne Seele ist so fern ihres Ursprunges, dass sowohl die Märchen als auch solche ,Bilder’ überhaupt ihr unendlich fern sind. Sie hat nicht einmal mehr eine Ahnung, was sie damit ,soll’. Aber diese Bilder sind gleichsam ihre ,letzte Rettung’. Denn sie ist dabei, ganz zu versinken – immer mehr in die Arme der Widersacher. Sie merkt ihre eigene Abstraktheit und zunehmende Oberflächlichkeit ja nicht – denn auch das Aufwachen soll etwas Ureigenes sein, der Beginn der wirklichen Befreiung. Davor aber empfindet sie gerade einen subtilen Stolz über ihre Verlorenheit, das gerade ist der Hochmut, der sich im Tod der Seele gerade sehr wohlfühlt, denn es ist die größtmögliche Entfernung von der heiligen Heimat. Die Seele möchte spotten, sie möchte frei sein von jeder moralischen Verantwortung – und sie ist es, denn so tief gesunken ist sie, sie ist völlig ,frei’, die Gegenmächte geben ihr diese Freiheit... Also spotte Seele, mit jedem Spottwort liegst du gleichsam hurend in Ahrimans Armen!

Das Mädchen ist der Seele eigentlich unendlich nahe. Denn die Seele weiß unmittelbar, was ein reines Herz ist. Sie braucht dazu auch keinerlei anthroposophische Begriffe oder gar Deutungen – die Seele weiß, was das Mädchen ist... Aber der abstrakte Intellekt setzt sich darüber hinweg, es interessiert ihn in Wirklichkeit nicht näher. Er stellt sich und seine eigene Dumpfheit in den Mittelpunkt – und ist sogar noch stolz über seine Armseligkeit, zementiert diese mit jedem Gallegift, das er aus sich heraussetzt, um andere Seelen zu demütigen oder der Lächerlichkeit preiszugeben. Jede Seele weiß, was das Mädchen und sein reines Herz ist – aber man kann sich diesem Wissen auch sehr verschließen, um weiter ungerührt fern von seinem Wesen dahinzuleben und so zu tun, als wäre die Läuterung der Seele das Letzte, was in dieser Welt wesentlich wäre – oder als wäre man selbst der Letzte, der ihrer bedürfte.

Mit der Verspottung der reinen Gestalt des Mädchens aber wird die Seele hässlicher als jemals zuvor – und sie offenbart ihre eigene unglaubliche Ferne von jeglicher Seelenschönheit.

Der Spott ist aber nur einer der letzten Auswüchse des von niederen Empfindungen genährten Intellekts. Der Intellekt ist insgesamt der große Zersplitterer aller Seelenschönheit und -ganzheit. Ihm ist nichts heilig und er lässt nichts heil oder ganz – sondern muss es analysieren, interpretieren, deuten, kurz: mit seinen Todesinstrumenten erschlagen. Aber das Mädchen will der Seele ja gerade das Leben bringen. Bevor es das jedoch kann, schlägt der Intellekt bereits zu... Entweder in all seiner Abstraktheit oder sogar noch mit all seinem Spott. Und wieder zersplittert er das, was ihm nahte, um ihn zu heilen. Und das unreine Herz empfindet das Wohlgefühl, das in Tod und Vernichtung liegt... Ahriman und Luzifer – und die ihrer selbst völlig entfremdete Seele ihre Beute.

Und das Mädchen fragt: Warum denn spottest du immer so? Und wann wirst du das Gute so ganz und gar lieben, dass du deine Armut empfinden kannst? Ich wünsche es dir...