14.01.2018

Über den Kreis der Hüterinnen

Gedanken zu einem entscheidenden Roman.


Durch meine Gedanken und Empfindungen in der Begegnung mit dem „Egoisten“-Blog, die jetzt im Januar zu neun teilweise sehr langen Aufsätzen führten, ging ein anderes fast unter – das Erscheinen meines Romans „Der Kreis der Hüterinnen“.

Auch die Erlebnisse der letzten Tage, gipfelnd in dem Ende, in das alles mündete, machten mir eines sehr deutlich: wie sehr in unserer Zeit die Seele verlorengeht – und damit das Menschliche selbst. Es war wie eine erneute Bestätigung. Eine Bestätigung im Kleinen von dem, was jede aufrichtige Seele im Großen und überall erkennen kann.  

Man denkt auch von der Anthroposophie nicht groß genug, wenn man nicht einmal für einen Moment die Demut besitzt, mit vollem Mut zu ahnen, wie groß die Seele sein könnte. Und mit groß meine ich die Heiligkeit aller edlen Empfindungen – und dies dann in größter Tiefe vorgestellt oder verstanden. Für diese Ahnung braucht man nicht einmal die Anthroposophie, sondern nur den Mut und auch eine entsprechende Sehnsucht. Was dann zu einem Erlebnis wird, wird eine Anthroposophie.

Der Kranke erlebt seine Krankheit nicht. Die sterbende Seele ist noch stolz auf ihre eigenen Sterbeprozesse – und spottet herum, um diejenigen zu begeifern, die das Sterben nicht mitmachen. Aber die Notwendigkeit bleibt: dem Sterben der Seele ein Heilendes entgegenzusetzen.

Genau das ist der Inhalt des Romans „Der Kreis der Hüterinnen“. In diesem Roman geht es auf keiner Seite um die Anthroposophie, sie spielt darin überhaupt keine Rolle – aber um die heilige Frage nach der Seele geht es darin auf jeder Seite. Und niemand kann eine Anthroposophie finden, wenn er nicht durch die Frage nach der Seele hindurchgeht, in tiefstem Sinne. Tut er dies nicht, wird jedes Sprechen von Anthroposophie immer mehr eine Lüge – und die Löcher der Wahrhaftigkeit werden immer größer werden, „bis solche Löcher so groß werden, dass wir keinen Boden mehr haben“ (Rudolf Steiner).

Der „Kreis der Hüterinnen“ ist ein Ausnahme-Roman – weil seine Akteurinnen Ausnahmeerscheinungen sind, im allerbesten und tiefsten Sinne. Was ich schon nach „Sonnenmädchen“ und „Engel-Mädchen“ schrieb, schreibe ich auch jetzt: Man wird diesen Roman nicht aus der Hand legen, ihn gelesen habend, ohne ein anderer Mensch geworden zu sein.

Dieser Roman und seine Handlung, genauer: die Handelnden, sind ein Heilmittel – ein reines Heilmittel, pur, nichts anderes, nur das. Man muss mit dem Heilenden und dem Rettenden ernst machen, und genau das tun diese Mädchen, die sich selbst „die Hüterinnen“ nennen. Es ist nicht ohne Grund, dass man einen so außergewöhnlichen Namen wählt. Sie sind sich bewusst, aus einem unschuldigen und betroffenen Herzen heraus, was verlorengeht und was gerettet werden muss – und was nur gerettet und wiedergefunden werden kann, wenn es gehütet wird. Und genau das tun sie. Sie retten es. Sie finden es wieder. Weil sie die Hüterinnen sind.

Es gibt wenige Bücher, von denen man sagen kann, dass sie in unserer Zeit eine wesentliche Rolle spielen. Die meisten bewegen sich auf Nebenschauplätzen, bleiben an der Oberfläche, behandeln wesentliche Fragen zu abstrakt und so weiter. Literatur bleibt Belletristik, Sachbücher kommen als Ratgeber daher, ganz, ganz wenige Bücher berühren die zentrale Katastrophe unserer Zeit. Dann wird analysiert, oder es werden Rezepte empfohlen, oder es kommt die Flutwelle der „Esoterikbücher“ – und man ist nach einem Wust von Lesen noch immer der Alte. Mit dem „Kreis der Hüterinnen“ ist dies alles völlig anders. Allein schon, weil es nicht um Erleuchtung, sondern ein Eintauchen in das Heilige selbst geht. Diese Prozesse können sehr zart sein – sie bleiben das, was sie sind und was heute so unendlich fehlt.

Ich werde nicht müde, in diesem Jahr immer wieder zu betonen, dass das Mädchen eine Heilerin ist. In diesem Roman aber tun sich die Mädchen sogar zusammen. Und zusammen bilden sie ... den Kreis der Hüterinnen.

Die destruktiven Prozesse in der Welt und in den Seelen werden ihren Fortgang nehmen. Was in der Welt geschieht, ist nur eine Folge dessen, was in den Seelen geschieht. Was die Hüterinnen erkannt haben, ist, dass es viel zu einfach ist, mit dem Finger auf Andere zu zeigen, weil das eigentliche Geschehen schon längst jeden Einzelnen betrifft. Es ist eine Entwicklung, die weit, weit über die bloß äußeren Fragen hinausgeht.

Der „Kreis der Hüterinnen“ weist mitten in das Zentrum der eigentlichen Frage unseres Zeitalters. Es ist, in aller Tiefe verstanden, die Rettung der Seele