21.01.2018

Die Birkholz’sche und die wahre Entwicklung

Neue Gedanken.


Inhalt
Das Herodes-Problem
Die Birkholz’sche Definition...
... und ihr Fehler


Das Herodes-Problem

Völlig unerwartet hat Stephan Birkholz jetzt wirklich einen Gedanken gebracht, zumindest eine Definition – und das ist schon einmal etwas! Er schreibt:

Stephan Birkholz – 20.01.2018 19:20
Er [also ich] gebärdet sich hier geradezu als Eingeweihter, der genau weiß, wie es ist und wie alles hätte richtiger bezeichnet werden müssen.
Diese Aussage, die er mir gegenüber schon mehrfach in ähnlicher Form ausgesprochen hat, ist wohl Ausdruck seines Urproblems - des Herodes-Problems: 'Wenn hier einer Ein-Geweih hat, dann bin das ich'. [...]
Niederhausen zersägt meine Aussagen wie folgt:
Entstehung besagt ja so unglaublich viel mehr als Entwicklung. Vor allem enthält es nichts von einem hineingelegten Sinn oder Ziel oder so etwas – wogegen Birkholz vielleicht eine enorme Abneigung hat. Der aus der Zukunft kommende Wesensstrom darf für ihn nicht sein – oder er kann ihn nicht denken, nicht zusammendenken mit Entwickelung.
Er behauptet damit: 'Entwicklung' sei der aus der Zukunft kommende Wesensstrom (den Birkholz nicht 'denken könne' oder 'wogegen er eine enorme Abneigung habe').
Tatsächlich ist aber Entwicklung das aus der Vergangenheit kommende, in die Zukunft hinein gehende, während Entstehung/Genese den aus der Zukunft kommmenden Wesensstrom in der Gegenwart verdichtet.
Selbst elementarste Logik scheint unter der Geweih-Last den Dienst zu versagen...

Er kann es offenbar nicht lassen, wütend gegen mich zu wettern. Jetzt spricht er von einem ,Herodes-Problem’. Dabei wies ich anfänglich nur auf sein Mosern und Hadern mit Begriffen hin, die für Andere überhaupt kein Problem darstellen. Entwicklung ist so ein zentraler, tiefgründiger Begriff – und wer verkündet mal eben salopp, dass er, ,insbesondere in Steiners Schreibweise’, schon lange ein Problem damit habe? Stephan Birkholz! Hätte er es nicht auf seine typische Weise gesagt und wenig später hinzugefügt, dass dieser Begriff, weil er so wenig ,organische Assoziationen’ ,generiere’, für ,unser heutiges’ Verständnis von Evolution ,recht unbrauchbar’ sei – seine Auslassungen wären mir keine Zeile wert gewesen. Offenbar ist das Generieren von Assoziationen für ihn wichtiger, als einen Begriff rein gedanklich einfach zu vertiefen und das eigene Verständnis dieses Begriffes zu ... entwickeln.

Ich hatte zunächst nur versucht, die Fülle und Bedeutung dieses Begriffes erlebbar zu machen – was ihm dann nur seinen ,Piraten-Spott’ wert war. Nun lenkt er von seinem eigenen selbstgerechten Hadern mit diesem Begriff ab, indem er mir ein ,Herodes-Problem’ andichtet. Erst Pirat, dann Herodes – und alles nur, weil ich schrieb, er gebärde sich wie ein Eingeweihter, besserwisserisch den Begriff ,Entwicklung’ gegen etwas anderes austauschen wollend und offenbar selbst nicht wissend, gegen was dann aber.

Vielleicht würde Birkholz im Laufe von Jahren die Weisheit des Begriffes ,Entwickelung’ erschöpfen können, wenn er sich darum bemühte. Dann könnte er mit Morgenstern sagen: ,Wenn Unmut oft mich anfocht: nun – es war der Unmut eines Knaben!’ Man bleibt jedoch stehen und entwickelt sich nicht, wenn man sich nicht einlassen kann auf Begriffe, auf die in ihnen schlummernde Tiefe, auf das noch nicht Erschöpfte. Dazu muss man bereit sein – und erst dies führt zu wachsender, sich entwickelnder Reife, zu Entwicklung überhaupt.

Die Birkholz’sche Definition...

Aber jetzt hat er immerhin eine Definition gebracht:

Tatsächlich ist aber Entwicklung das aus der Vergangenheit kommende, in die Zukunft hinein gehende, während Entstehung/Genese den aus der Zukunft kommmenden Wesensstrom in der Gegenwart verdichtet.

Ich habe aber nicht gesagt, dass Entwicklung der Zukunftsstrom ist, sondern ich habe gesagt, dass man die volle, tiefe Bedeutung des Begriffes ,Entwicklung’ nur empfinden kann, wenn man diesen Zukunfts-Wesensstrom mitdenkt – und dass man dann, mit dieser Fülle, nicht mehr mit dem Begriff hadern kann, dass dies völlig verschwinden würde.

Für mich ist nun die von Birkholz gebrachte ,Festlegung’ nichts anderes als eine weitere Wortklauberei, denn hier trifft es mehr als sonstwo zu, was Steiner sagte: dass man die Dinge nicht festlegen, nicht definieren könne, sondern dass sie viel weiter seien, als es eine Definition erfassen könne. Wenn wir schon beim Geweih sind: könnte es sein, dass Birkholz durch seine eigenen Definitionen von der Wirklichkeit ,gehörnt’ wird?

Wenn man bei Entwickelung nur an das ent-wickeln des vorher Hineingewickelten denkt, also etwa an das bloße Sich-Entfalten des schon im Keim Angelegten, dann hätte man den reinen Vergangenheitsstrom vor sich: Der Keim enthält schon alles, und er entfaltet das, was schon da ist. Der ,fertige’ Baum ist nur der ,ent-wickelte’ Keim. Aber so einfach ist die Wirklichkeit eben nicht – jedenfalls nicht, sobald man das Menschenreich betritt.

Birkholz bringt zwei Begriffe, Entwicklung und Entstehung, die überhaupt keine Polarität sind. Dabei wird nicht einmal klar, was er mit dem Vergangenheitsstrom meint. In einem anderen Kommentar schrieb er, dass er generell ,immer eher in Richtung Genese, Entstehung, Entfaltung, Metamorphose’ denke und den Begriff Entwicklung ,nicht ganz mit unter diesen Hut bringen’ könne. Nun ordnet er ihn aber plötzlich eindeutig dem ,Vergangenheitsstrom’ zu – wieder ohne zu sagen, was das sei. Eine Geburt oder das Entfalten einer Blüte scheint für ihn, da ,Entfaltung’, nicht dazuzugehören. Offenbar denkt er ,immer eher’ in Begriffen, die er nun dem ,Zukunftsstrom’ zuordnet. Entwicklung ist für ihn der Gegenpol – und mit diesem kann er offenbar wenig anfangen.

... und ihr Fehler

Der ganze Fehler liegt aber in der falschen Begriffspolarität Entwicklung/Entstehung, denn dies ist keine Polarität, und so ist auch seine Zuordnung Vergangenheits-/Zukunftsstrom schlicht falsch, denn die wirkliche Polarität ist, wie Ingrid korrigierend bemerkte, die der Evolution und Involution. Involution kann wieder mehrere Bedeutungen haben. Zum einen das Sich-Zurückziehen, die Einfaltung, die Samenbildung, das Ruhen vor und für eine neue Entfaltung. Zum anderen das fortwährende Hineinweben des Zukunftsstromes in die Gegenwart, die ja zunächst unsichtbar geschieht und dann, in einer Umstülpung, sich entfaltet, zur Erscheinung kommt. Steiner spricht in diesem Zusammenhang aber statt Involution auch von einem Dritten: der Schöpfung aus dem Nichts.

Man kann an Impulse denken, die von den höheren Wesenheiten in den geschichtlichen Verlauf der Kulturentwicklung einverwoben wurden (Involution) – und sich dann jeweils in darauf folgenden Zeiten entfalteten (Evolution). Dies führte dann zu neuer Entwicklung oder zur ,Entstehung’ von Neuem, wie auch immer man es nennen mag. Entwicklung ist eben nicht nur Ent-wicklung von Altem, sondern auch Entwicklung von immer wieder neu aus der Zukunft kommend keimhaft in das Alte neu Hineingelegte – das sich dann wiederum entfaltet. Man kann es dann eben auch ,Entstehung’ nennen, aber es unterliegt dem gleichen Prinzip: Involution von Neuem, unsichtbar, über-sinnlich – und dann Ent-wicklung dieses Hineingewobenen, so dass es sich entfaltend in Erscheinung tritt.

Nicht ,Entstehung’ ist der Zukunftsstrom, sondern Involution, das Hineinweben von erst zukünftig sich entfaltenden neuen Keimen in die Gegenwart. Es ist ein fortwährender Prozess. Und Entwicklung oder Entstehung ist die Folge.

Und so ist auch der Mensch fortwährend auf dem Weg in seine eigene Zukunft – weil sein eigenes Zukunftswesen ihm entgegenkommt. Und nur deshalb gibt es Entwicklung. Dies ist nämlich keineswegs das bloße Entfalten eines längst in ihn Hineingelegten (Vergangenheitsstrom), sondern echte Entwicklung ist fortwährendes Zusammentreffen von Vergangenheitsstrom und Zukunftsstrom. Der Zukunftsmensch ,involviert’ sich zunehmend in den Vergangenheits- und Gegenwartsmenschen – und das allein ist wahre Entwicklung. Alles Andere wäre nur Entfaltung und Älterwerden und schließlich Vergehen. Die Blüte öffnet sich und zerfällt wieder. In Wahrheit aber ist der Mensch, wenn er sein Menschentum wahrmacht, fortwährend in Entwicklung. Das aber bedeutet, der Zukunftsstrom ,involviert’ sich fortwährend – der Mensch entfaltet das, was immer neu in ihn hineingewoben wird, und das, was er selbst sich neu einwebt.

Alles, was nicht bloß karmische Konsequenz ist, sondern freies Gestalten der karmischen Bedingungen und Situationen sowie freies Gestalten neuen Karmas ist – Zukunftsstrom. Und allein dies bringt auch Entwicklung. Alles Andere ist nur das ,Auslaufen des Alten’ oder das fortwährende Sich-Fortleben alter Ursachen und daraus hervorgehender neuer Wirkungen, immer aber Vergangenheitsstrom.

Im Grunde geschieht der Einschlag von Neuem mit jeder wirklichen moralischen Intuition. Was aber ist eine solche anderes, als das ein rein Geistiges, aber Geistig-Moralisches, sich in einer Involution mit dem Menschenwesen verbindet? Das Menschenwesen ergreift die Intuition und verwebt sie sich ein – zugleich aber kommt auch die Intuition aus dem Reich des Ewigen dem Menschen entgegen, sie gibt sich ihm hin, und fortan ist sie in seinem Denken, Fühlen und Handeln, seinem ganzen Sein ,involviert’. Das Handeln aber bringt sie zur Erscheinung – und das ist die Evolution. Das Ganze war aber von Anfang an nicht Vergangenheitsstrom, sondern – Schöpfung aus dem Nichts. Wahre Entwicklung...

So wechselt überall im Leben Involution und Evolution ab im Offenbaren. Aber wer dabei stehenbleibt, betrachtet nur die Außenseite. Will man das Ganze betrachten, so muß noch ein Drittes hinzukommen, das hinter diesen beiden steht. [...] Erinnern Sie sich an das, was wir gestern hier betrachtet haben, wie die Gedanken schöpferisch sind, wie sie die Seele veredeln können, ja später sogar an der Formung des Körpers arbeiten. Dasjenige, was irgendein Wesen einmal denkt, die Gedankenschöpfung, die Vorstellungsschöpfung, die arbeitet, die wirkt weiter. Sie ist eine Neuschöpfung und zugleich ein Anfang, aber sie zieht Folgen nach sich. Wenn Sie heute gute Gedanken haben, so sind diese Gedanken fruchtbar für die fernste Zukunft, denn Ihre Seele geht ihren eigenen Weg in der geistigen Welt.
15.9.1907 GA 101, S. 174f.

Nicht um Definitionen geht es, sondern um die Schöpfung wirklicher Gedanken – und zwar von Gedanken, die die Seele veredeln. Wahre Entwicklung...