10.04.2018

Historisches Urteil zum Regenwaldschutz – und die Weltpresse schweigt

Wie die Medien unermessliche Mitschuld auf sich laden.


Es ist erschütternd, wie in unseren Tagen Ignoranz und Untätigkeit, was die gesamte Zukunft der Erde betrifft, in den Köpfen und Herzen walten.
Politiker ergehen sich in Sonntagsreden und in Alltagsfurcht, irgendetwas zum Schutze unseres Planeten zu unternehmen. Der Hang zu bloßem Egoismus herrscht vor. Wie hündische Sklaven hecheln sie dem Kapital – und das heißt: den Kapitalbesitzern – hinterher, anstatt diese zur Verantwortung zu zwingen. Die für das Wohl der Gesamtheit Verantwortlichen haben noch nicht verstanden, dass es längst um das Überleben der Menschheit geht.

Und die Medien? Oft genug ist deren Blindheit und Zahnlosigkeit nicht weniger ausgeprägt. Es ist wie die berühmte Starre des Kaninchens vor der Schlange. Die Schlange aber ist der Drache – Profitgier und Vernichtung, ein Gehen über Leichen. David gegen Goliath, wobei Goliath der Leviathan gesichtsloser Gier ist (die sehr wohl von Gesichtern getragen wird), während David – die ganze übrige Menschheit ist.

Und faszinierend ist, dass sich bisweilen einfache, regionale Tageszeitungen als das eigentliche Leuchtfeuer journalistischer Verantwortung erweisen können. Möglicherweise ziehen die verängstigten, auf Reputation und Sicherheit bedachten und so das journalistische Ethos verratenden größeren Medien in den nächsten Tagen vielleicht noch nach. Aber heute ist es einzig und allein der Berliner Tagesspiegel, der von einem historischen Gerichtsurteil berichtete: Regenwald-Rodungen im Amazonas: Kinder siegen vor Gericht gegen den kolumbianischen Staat.

Fünfundzwanzig junge Menschen, einige davon noch Kinder, hatten schon im Januar den kolumbianischen Staat verklagt, weil er nichts gegen die massive Vernichtung des Regenwaldes unternimmt. Und nun gab das Oberste Gericht Kolumbiens den Klägern vor wenigen Tagen tatsächlich Recht. Und nicht nur das – offenbar wurde die Amazonasregion sogar als juristische Person anerkannt. Das Oberste Gericht verwies darauf, dass die Rodungen 2016 enorm zugenommen hatten (tatsächlich war die Farc-Guerilla bisher auch ein Garant für den Schutz des Regenwaldes). Es forderte den Staat auf, innerhalb von vier Monaten Maßnahmen zum Schutz des Regenwaldes zu ergreifen – und zwar offenbar in Zusammenarbeit mit den Klägern.

Während in Kolumbien also ein historisches Urteil gefallen ist, stehen die Zeichen in anderen Staaten auf noch mehr Vernichtung. In Brasilien, wo sich die Farce gegen den beliebten Ex-Präsidenten Lula zu einer wahren Tragik gesteigert hat – er muss nun tatsächlich ins Gefängnis, obwohl er haushoher Favorit für die nächsten Wahlen war –, wurden seit Amtsantritt von Temer und seiner Clique mehrere Schutzgebiete drastisch verkleinert und die Umweltausgaben halbiert. In Ecuador plant die Regierung, große Teile des Regenwaldes zur Vernichtung durch Ölbohrungen und Bergbau freizugeben.

Als das historische Urteil in Kolumbien am 5. April gesprochen wurde, wurde dies von Reuters (englisch) berichtet. Aber selbst von der englischen Presse wurde es kaum zur Kenntnis genommen, geschweige denn bekannt gemacht. Außer dem Independent war es die englische Ausgabe der Deutschen Welle, die das Ereignis meldete. Wie lange wollen die Medien ihre Verantwortung noch in einem Ausmaß schleifen lassen, dass sie definitiv und drastisch mitschuldig an der sich ereignenden Katastrophe sind? Feigheit, Blindheit und Arroganz sind es, die unsere Erde zugrunde richten – neben der Gier derer, die ihre Vernichtung aktiv betreiben.