29.08.2018

Mysterium des Herzens

Holger Niederhausen: Mysterium des Herzens. Roman. Books on Demand, 2018. Paperback, 300 Seiten, 12,90 Euro. | Bestellen bei Books on Demand oder Amazon.


Soeben erschienen:

Die fünfzehnjährige Diana hat so tiefe Gedanken und Empfindungen, dass sie sich wie durch einen Abgrund von ihren Altersgenossen getrennt erlebt. Als sich ein Junge ihrer Klasse in sie verliebt, erlebt sie zum ersten Mal so etwas wie eine Brücke. Aber dann begegnet ihr noch ein Junge, der extrem intelligent ist, aber offenbar nicht fühlen kann. Und ausgerechnet in diesen Jungen verliebt sie sich – und nimmt den Kampf um seine Seele auf...

Leseprobe


Sie betrachtete ihr Spiegelbild, gedankenversunken. Wie kam es, dass man gerade dieser Mensch war und kein anderer? War man das? Und wer war das, den man so sah, in so einem Spiegel?

Ein schönes Mädchen ... sie sah ein schönes Mädchen. Eine Weile betrachtete sie es so, als ob es ein fremdes Mädchen sei, an irgendeiner Straßenecke. Oder hinter einer Fensterscheibe. Der Spiegel als Fensterscheibe...

Und dieses Gefühl hatte sie oft. Dass sie gar nicht sie selber war. Nicht der, den man im Spiegel sehen konnte – und den Andere auch ohne Spiegel sahen. Sondern jemand ganz anderes. Oder keiner von allen. Nichts, was man sehen konnte. Die Gestalt, die sich im Spiegel zeigte, war zufällig. Sie hatte eigentlich keine Bedeutung...

Ihr Blick blieb an der herausgebrochenen Ecke des Spiegels hängen – links unten. Wann war diese Ecke herausgebrochen? Sie konnte sich nicht daran erinnern. Es musste vor ihrer Zeit gewesen sein. Und das war auch so etwas: manche Worte, manche Formulierungen. ,Vor meiner Zeit’... Wann war das gewesen? War etwas vor ihrer Zeit gewesen? Sie konnte sich nicht vorstellen, jemals einmal nicht dagewesen zu sein – ihrem Spiegelbild zum Trotz.

Aber diesen Spiegel hatte man auch einmal hergestellt. Da waren Menschen gewesen, und sie hatten einen Spiegel gemacht – diesen Spiegel. Sie wusste nicht, wie man Spiegel machte. Sie nahm sich vor, es herauszufinden. Aber, jedenfalls, dieser Spiegel wurde irgendwann gemacht – auch schon ,vor ihrer Zeit’, denn er war älter als die herausgebrochene Ecke. Vielleicht machte man so etwas heute auch ganz mit Maschinen, auch früher schon, und der Mensch legte nur einen Hebel um, und eine Spiegelmasse ergoss sich in eine Form, erkaltete – und fertig war der Spiegel. Und zwar genau jener Spiegel, in dem sich Diana Lehmann dann fünfzehn Jahre später betrachten würde – falls er nicht zu lange in der Fabrik und im Geschäft gelegen hatte, bis ihre Eltern ihn gekauft hatten.

Eltern... Wieso hatte man Eltern... Sie hatte sich all diese Gedanken schon unzählige Male gemacht – und nie eine Lösung gefunden. Natürlich, die Schule hatte eine Lösung, die Wissenschaft hatte eine Lösung. Aber was war überhaupt Wissenschaft? Warum gab es Wissenschaft? Und was wusste die Wissenschaft wirklich?

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