12.10.2018

Erinnerungen einer Volljährigen

Holger Niederhausen: Erinnerungen einer Volljährigen. Roman. Books on Demand, 2018. Paperback, 174 Seiten, 9,90 Euro. | Bestellen bei Books on Demand oder Amazon.


Soeben erschienen:

In der Weihnachtszeit beginnt die achtzehnjährige Naemi ein Tagebuch und blickt darin zurück auf die letzten zweieinhalb Jahre ihrer Liebesbeziehung mit einem viel älteren Mann. Auf diese Weise wird das Tagebuch zu einem berührenden Zeugnis einer einzigartigen Begegnung und einer unvorstellbar reinen Liebe voller Romantik und Magie – mit tiefen Antworten auf die Frage, wie dies überhaupt möglich ist. 

Leseprobe


Nun bin ich also achtzehn. Achtzehn Jahre alt geworden... Und plötzlich also erwachsen. Das fühlt sich merkwürdig an – denn man merkt keinen Unterschied. Und doch ist da ein Unterschied. Der Unterschied besteht darin, dass einen plötzlich alle akzeptieren. Als erwachsen. Als ob es von diesem Tag, dieser Minute, dieser Sekunde abhinge. Aber es ist so. Die Menschen brauchen diese Grenzen. ,Jetzt ist die kleine Naemi erwachsen. Eben war sie noch klein und unerwachsen, jetzt ist sie es, und wir dürfen nicht mehr ,klein’ sagen. Wir entschuldigen uns bei ihr, sie ist nicht mehr klein.’

Das ist so seltsam. Die Menschen haben keine Ahnung, dass die Grenzen ganz woanders liegen – oder sie wollen trotzdem ihre festen Grenzen. ,Du kannst ja machen, was du willst, aber laut diesem Formular hier bist du zu diesem Zeitpunkt noch nicht erwachsen. Aber, warte, ich sehe gerade, es dauert nicht mehr lang, sogar nur noch fünf Minuten. Also gut, wir warten diese fünf Minuten, und dann bist du erwachsen. Dann haben wir für dich keine Grenzen mehr.’ Es ist alles so absurd. Aber gut, jetzt habe ich diesen Sprung gemacht. Auf einmal bin ich also ,erwachsen’. Auch vor den Augen der Menschheit.

Wolf hat mir zu meinem achtzehnten Geburtstag dieses Tagebuch geschenkt. Er hat nichts dazu gesagt, nur gelächelt. Es hat einen wunderschönen lederartigen Einband mit Pflanzenmotiven, rankenartig gewunden. Vielleicht ist es sogar echtes Leder. Ich liebe es jedenfalls und habe ihn vor Freude umarmt und geküsst dafür. Er wusste, dass ich früher Tagebuch geschrieben habe. Dann ist es etwas verlorengegangen – auch, weil ich gar keine Zeit mehr zum Schreiben hatte. Es ist schade, dass man nicht für alles Zeit haben kann. Aber, jedenfalls wusste ich sofort, dass ich wieder anfangen würde, mit diesem Buch. Und so ist es ja auch, nun tue ich es ja gerade. Aber – es wird kein gewöhnliches Tagebuch werden. Denn es wird ein Erinnerungsbuch werden. Ich will irgendwie wenigstens ein bisschen von den letzten Jahren nachholen, die ich nicht festhalten konnte. Nicht auf dem Papier. In meiner Seele schon. O, wie sehr habe ich sie in meiner Seele!

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