29.08.2019

Die Katastrophe als Kurzinfo. Vom Verlust der Seele

29.08.2019

Über die wahre Krankheit unseres Zeitalters.


Inhalt
Eine Talkshow wie ADHS
Eines tut not


Eine Talkshow wie ADHS

Ein kleiner Bericht von Christian Bartlau auf Web.de über die gestrige Maischberger-Sendung ,die woche’ bringt das Drama und die Katastrophe unserer Zeit auf den Punkt: ,Eine TV-Talkshow wie ADHS’.[1]

Maischberger hatte viele Themen, unter anderem den brennenden Regenwald. Klimaforscher Karsten Brandt war gekommen und erläuterte differenziert die Problematik und die Folgen.

Was es denn bedeute, wenn die Regenwälder Amazonas verloren gingen, wollte Maischerger wissen. "Global gesehen reden wir dann nicht von 2 Grad Erwärmung, sondern von vier, sechs, acht Grad." - "Oh", sagte die Moderatorin, stellte noch eine kurze Frage – und sprang auf.
"Herr Brandt, großes Thema, gute Hinweise. Danke." Die Welt geht also unter, aber wir müssen jetzt weitermachen mit den nächsten Themen. [hier ab 11:00 min]

Und Bartlau kommentiert weiter exakt, was hier eigentlich geschieht:

Offenbar hält es die Redaktion für modernes Fernsehen, wenn sie einfach die Reizüberflutung simuliert, der sich ein durchschnittlicher Internetnutzer den lieben langen Tag lang aussetzt.
Ein unbewusster Klick auf Facebook, irgendein Filmchen gestartet, krass, die Heißzeit wird die Erde unbewohnbar machen, parallel den neuen Böhmermann auf YouTube geschaut, worum ging's nochmal? [...]
Die acht Grad Erwärmung, die Maischberger immerhin ein "Oh" entlockt haben, reichen noch für ein, zwei Fragen an die drei Experten im Studio, dann ist die Wirkung verpufft, weiter geht’s zum nächsten Themen-Häppchen.

Das ,Themen-Hopping’ mag modern anmuten, denn der moderne Mensch ist ja über alles ,im Bilde’ und mit allem ,vernetzt’, er weiß ,Bescheid’ – und dann?

Dieses moderne Ideal, das sich in solchen modernen Talkshow-Formaten grandios wiederspiegelt, zeigt die ganze Sackgasse der Moderne. Denn es mündet in die absolute Sinnlosigkeit. Wie Dagobert Duck seine Taler anhäuft und mit vollen Händen nicht, weiß wohin und wozu – so häufen Maischberger und Co. Fakten an und erkennen nicht, wie sehr wir alle damit immer mehr nur in eine Sinnlosigkeit geraten. ADHS. Informations-Wahnsinn. Der Kopf wird ein riesiger Tatsachen-Speicher, der aus den Nähten platzt wie Dagoberts Geldspeicher – aber der Mensch fühlt dabei nichts mehr.

Der Intellekt hypertrophiert mit seinem (egoistischen) ,guten Gefühl’, über alles Bescheid zu wissen, aber gleichzeitig ist er von nichts betroffen. Der Mensch hat die Fähigkeit der Betroffenheit verloren. Die Seele ist nur noch im hilflos ohne echte Empfindungen dahintreibenden Kopf, aber nicht mehr im Herzen.

Talkshow-Events blasen diese Gefühlsarmut nur weiter auf. Sie versuchen vielleicht instinktiv noch, betroffen zu machen – aber die Moderatoren sind es ja selbst nicht mehr. Es ist nur noch Show und Schein. Es ist – Verlust der Seele. Es ist ... Verrat an der Seele.

Der Mensch wird immer unmenschlicher, weil ihm sein Fühlen immer mehr entgleitet – und die ,modernen’ Medienformate fördern dies noch! Das Weltgeschehen als Unterhaltung – die nahenden Katastrophen als kurzes Info-Event!

Eines tut not

Ich schreibe meine Bücher nicht umsonst. Die Krankheit der Seele ist weit fortgeschritten – und viele Menschen sind inzwischen sogar schon stolz, dass sie diese Krankheit haben und weiter vorantreiben: den Verlust des Herzens. Den Verlust aller tieferen Gefühle und Empfindungen.

Selbst sogenannte Anthroposophen schwimmen auf dieser Welle mit. Alles muss immer moderner erscheinen – und das bedeutet seelenloser. Oder man flüchtet sich in Ironie und Sarkasmus (wie Michael Eggert auf seiner ,Egoisten’-Seite). Das wahrhaft Aufbauende, allein Zukunft Schaffende geht verloren – die Kräfte des Herzens entgleiten der Seele, weil sie in grenzenloser Faulheit, in Hochmut oder einfach nur tiefster Blindheit nichts, nicht das Geringste dafür tut, dass diese heiligen, ja dem Menschsein absolut notwendigen Kräfte ihr erhalten bleiben.

Sich auf etwas auszuruhen, reicht nicht. In unserer Zeit bricht alles Seelische weg, was nicht gehütet und gepflegt, vertieft und geheiligt wird. Das Gleichnis von den Talenten ist so aktuell wie nie zuvor. Wer sein Talent vergräbt, um es zu bewahren, dem wird es gerade genommen werden.

Unsere Zeit vergöttert das äußere Wachstum – dabei kommt es wie nie zuvor auf ein inneres Wachstum an. Nicht im Sinne von ,Leistungsdenken’, sondern im Sinne von heiliger Hingabe.

Es ist eine Frage des Wieder-unterscheiden-Könnens von wesentlich und unwesentlich. Nur eines ist wesentlich: dass wir selbst wesentlich werden. Unsere Zeit wird immer wesenloser, sie verliert alles Wesen. Damit verliert auch die ganze umgebende Welt ihr Wesen. Die Welt kann nur gerettet werden, wenn sie einem wahrhaft etwas bedeutet. Diese Fähigkeit verlieren die Seelen aber gerade. Sie stehen immer mehr vor einem Nichts. Es ist wie ein Tanz auf dem Vulkan – das Datengewitter der Bildschirme lenkt einen von der zunehmenden eigenen Wesenlosigkeit ab, bis es zu spät ist und die Leere einem ins Gesicht grinst. Die ganze Zeit hat man nicht gemerkt, dass sich das eigene Herz immer mehr aufgelöst hat. Am Ende aber steht man vor dem Nichts.

Oder man arbeitet in heilige Tiefen. Nur dann steht man nicht nur wieder vor Etwas, sondern man taucht ein in ein neues Leben, das Wachstum ist, heiliges Wachstum und das einzige Wachstum, auf das es ankommt. Auf das alles ankommt.

Quelle

[1] Der Weltuntergang ist nicht genug: Eichhörnchen jagen mit Maischberger (Christian Bartlau, Web.de, 29.8.2019).