06.05.2022

Warum das Mädchen anziehen s o l l

Die zarte Eros und ihr heiliges Geheimnis.


Inhalt
Das Heilige und seine Bekämpfung
Das Heilige und die Nicht-Macht
Vom Geheimnis der Hingabe
Von der Berührung – und ihrem Verlust
Eros und sein heiliges Geheimnis
Zwischen Begehren und Liebe
... und das gesamte Feld
Was ist ein Mädchen?
Reine Seele
Und die Jungen?
Die zarte Eros
Epilog


Das Heilige und seine Bekämpfung

Die Gestalt des Mädchens ist von einem heiligen Geheimnis umgeben. Dieses zu leugnen, ist gleichbedeutend mit einem völligen Sturz in einen materialistischen Relativismus – dessen Folgen (ich erwähne nur Geopolitik, Ukraine-Krieg, Rüstungs-, Wirtschafts- und Bereicherungswettläufe) wir heute nicht nur unmittelbar miterleben, sondern in denen wir selbst tief drinstecken.

Die Leugnung aller Sphären, die nicht unmittelbar dem kalten, gleichgültigen Intellekt zugänglich und ,verfügbar’ sind, bedeutet eine unbeschreibliche Verarmung des menschlichen Innen- und dann auch Außenlebens, deren Folgen buchstäblich unüberschaubar sind. Auch Strömungen, die sich für (politisch etc.) emanzipatorisch halten, machen sich nicht klar, was eine Reduktion auf das jeweils materialistisch Naheliegende für ungeheure Konsequenzen hat – denn sie leben längst in diesen Konsequenzen und haben daher keinen Vergleich mehr.

Wo der Begriff des ,Heiligen’ schwindet und gewisse moralische Regungen zunehmend nur noch intellektuell begründet und ,empfunden’ werden, da ist der Sieg der intellektuellen Kopfsphäre unausweichlich – und die Sphäre des Herzens, der wirklichen, realen Empfindungen wird immer mehr nur noch eine bloße Illusion. Sie schwindet dahin, wie auch auf materieller Ebene ein Muskel schwindet, der nie mehr belebt wird und tätig sein darf.

Wo der Begriff des ,Heiligen’ schwindet, da kommt es zu einer erschreckenden Empfindungs-Atrophie – und es gehört bereits zu dieser, dass sie nicht einmal mehr erkannt und empfunden wird. Denn nur mangelndes tieferes Empfinden kann darüber hinwegtäuschen, dass an die Stelle der eigentlichen Sphäre des Herzens zunehmend bloße Gedanken treten – auf deren Dominanz man vielfach sogar noch stolz ist. Während die Empfindungen mehr und mehr ersetzt werden durch eine zunehmend oberflächliche Emotionalität, durch einen neuen Empörungs-Kult, durch Kämpfe um Rechthaberei, durch Sündenbock-Kämpfe und dergleichen mehr. Es gibt hunderte von Ablenkungsmanövern, die alle eines gemeinsam haben: Den Verlust realer Empfindungen nicht bemerken zu lassen.

Inzwischen hat sich dieses intellektualisierte Bewusstsein derart gut gegen diese Selbsterkenntnis immunisiert, dass es bereits jeden Versuch der Rückkehr zu einem auch nur ansatzweise heiligeren, reineren, tieferen, aufrichtigeren Empfinden auf diverseste Weise verunglimpft – vor sich selbst und allgemein. Sei es als naiv, sei es als seinerseits bloß ,emotional’, ,sentimental’ oder ,weltfremd’, ,nicht weiterführend’ etc. Es steht ein ganzes Kriegsarsenal der Rationalisierungen zur Verfügung, um die Sphäre der wirklichen, der tiefen und wahren Empfindungen zu einem Niemandsland zu machen – zu einem Todesstreifen, der von niemandem mehr betreten wird, beginnend mit der eigenen Seele.

Das Heilige und die Nicht-Macht

Jahrhundertelang wurde der Begriff des Heiligen zugleich missbraucht – durch Institutionen, die von wehrlosen Hütern des Heiligen zu machtvollen, unheiligen Privilegien- und Machtzentren wurden. Nicht immer wird das Heilige durch Macht korrumpiert, denn es ist auch selbst eine Macht. In unserer Zeit jedoch, dem Zeitalter der Freiwerdung von allen Bestimmungen, der Individualisierung – die kein ,Selbstläufer’ ist, sondern sozusagen selbst ein heiliges ,Telos’, ein der Menschheitsentwicklung eingeschriebenes ,Ziel’ –, ist jede Macht immer mehr Missbrauch, und zwar unmittelbar auch am Heiligen selbst.

Urbildlich wird dies bereits daran deutlich, dass Christus selbst auf alle Macht verzichtet hat – und stattdessen Opfer wurde. Erst dieses Mysterium führte zur Überwindung sogar der Todeskräfte selbst. Diese wurden nicht durch Macht überwunden, sondern durch das, was geradezu das Gegenteil aller Macht ist: die Liebe. Die Liebe erst ist die absolute Macht – weil sie die absolute Anti-Macht ist, eine Nicht-Macht. Ein Mysterium.

Wer aber das Heilige abtut als etwas heute unnötig Gewordenes, begreift nicht, mit welcher Macht und Wucht heute der Kampf um die Seele geführt wird. Die ganze oben beschriebene Zeitenströmung unterliegt selbst einer unsichtbaren Macht, die ganz und gar darauf aus ist, alles real Heilige auszurotten – und sogar schon den Begriff. Es soll keine heilige Mysterien mehr geben. Schon der Blick auf ein neugeborenes Baby soll nichts weiter auslösen als ein paar sentimental-süßliche, nebeldünne Seelenregungen – und selbst diese sollen mit der Zeit und in naher Zukunft immer mehr verschwinden. Es geht um die Ausrottung der realen Seele selbst. Übrig bleiben soll ein intellektuelles Konstrukt, das allenfalls noch Rudimente von Seelischem enthält, als unbedeutendes Anhängsel.

Nur wenn das Wesen des Menschen als ein übersinnliches begriffen wird, wird verständlich, warum ein neugeborenes Baby viel tiefere, heiligere, substanziellere Empfindungen lebendig zu machen vermag. Es vermag dies deshalb, weil es ganz real von einer höheren Welt zeugt, der es noch sehr, sehr nahe ist und die es regelrecht mitbringt, hereinholt, wie ein Wunder... Wir müssen endlich den Mut haben, unseren realen Empfindungen – so wir sie überhaupt noch haben – aufrichtig gegenüberzutreten, sie überhaupt zuzulassen ... und ihnen dann bis zu ihrer Quelle zu folgen...

Vom Geheimnis der Hingabe

Das bedeutet eine tiefste Aufrichtigkeit der Seele. Denn unmittelbar ist klar, dass diese Haltung überhaupt nicht ,bequem’ ist. Bequem ist die süßliche Sentimentalität einem Baby gegenüber, denn per Definition dieser Empfindung wurde das Baby damit bereits zu einem bloßen ,niedlichen Etwas’ reduziert und erniedrigt – seine Unschuld zu einem bloßen selbstbespiegelnden ,Seufzer’ missbraucht und seine heilige Botenschaft einer unendlich heiligen, reinen und hohen Sphäre überhaupt nicht begriffen, bemerkt, zugelassen.

Jedes Baby wird damit umfassender verleugnet, als es Petrus gegenüber Christus tat – denn Petrus wusste wenigstens noch, was er verleugnete. Die moderne Seele weiß es nicht einmal mehr! Und warum nicht? Weil sie sich so unbeschreiblich selbst-herrlich wohlfühlt in ihrer Ignoranz alles Heiligen. Weil gerade diese Ignoranz der Mittelpunkt des modernen und postmodernen Ich-Gefühls ist: im Grunde besteht dessen Zentrum in einer plumpen Ent-heiligung von allem. Dadurch sitzt dann das Ich selbst so unermesslich sicher und großartig und feist auf seinem eigenen, ignoranten Thron... Genau das, was wir ganz normales, gewöhnliches ,Selbstgefühl’ nennen.

Man stürze die Seele in einen Pfuhl der Profanität – und heraus kommt das heutige gewöhnliche Selbstgefühl – weder fähig zu Empfindungen des Heiligen und heiligen Empfindungen noch überhaupt willig dazu. Denn jede einzelne dieser Empfindungen würde seine eigene Grundlage gefährden: die des absolutistisch im Sattel seiner eigenen Selbstempfindung sitzenden Ichs.

Warum? Weil jede heilige Empfindung und jede Empfindung des Heiligen verbunden wäre mit dem Geheimnis der Hingabe. Würde man sich dem real erlebten Heiligen nicht hingeben, wäre der Hochmut vollkommen – die Ur-Geste Luzifers. Die moderne Seele aber verwirklicht exakt diesen Hochmut, verbirgt ihn aber vor sich selbst, indem sie das Heilige zusätzlich noch komplett leugnet. So kann sie sich bequem in diesem Hochmut grenzenlos ausbreiten, ohne je an ein Hindernis zu stoßen – allenfalls solche Hindernisse, die (mit demselben Hochmut) bekämpft werden können, nicht aber heilige Hindernisse...

Demgegenüber ist die Hingabe die völlige Umkehr aller Seelengesten und -regungen. Die Hingabe entäußert sich aller vermeintlichen eigenen ,Heiligkeit’ und Großartigkeit und erkennt etwas Anderes als wahrer, als schöner, als gütiger, als heiliger schlechthin.

Die Hingabe erst macht wahrhaftig, macht aufrichtig, macht selbstlos ... läutert die Seele bis auf den Grund.

Von der Berührung – und ihrem Verlust

Hingabe entsteht nicht ,im luftleeren Raum’. Nur die Selbstherrlichkeit ist gleichsam im luftleeren Raum möglich – wie ein Baron Münchhausen, der sich am eigenen Schopf in großartige Höhen ziehen konnte. Das moderne Ich kann sich sozusagen ohne jede Grundlage auf jede beliebige Dimension ,aufblasen’. Dass auch dabei wieder eine luziferische Macht behilflich ist, können wir einmal für einen Moment beiseitelassen.

Hingabe aber ... ist überhaupt nur denkbar in einem Gegenüber, einem Begegnungs-Geschehen. Es existiert etwas, was die Hingabe auslöst, zumindest aber ihr heiliger Zielpunkt ist.

Man muss in dem, was die Hingabe auslöst, nicht von vornherein etwas ,Höheres’ oder ,Heiliges’ sehen – denn auch die grenzenlose Schönheit der Natur, ja einer einzelnen Blume, kann eine tiefe Hingabe der Seele auslösen. Und doch sollte sich die Seele einmal in aller Tiefe fragen, was hier dann eigentlich geschieht – wie gesagt immer, wenn sie dazu überhaupt noch fähig ist. Was geschieht, wenn die Seele von einer tiefen Schönheit berührt wird?

Wir haben hier schon eine halbe Antwort. Es geschieht tatsächlich eine Berührung. Etwas, was die moderne Seele ebenfalls überhaupt nicht mehr ernst nimmt. Was ist eine Berührung? Eine durch die Sinne hindurch geschehende übersinnliche Berührung, denn das Mysterium von Schönheit ist zweifellos eine sinnlich-übersinnliche Realität, ja Macht... Was ist Berührung? Was ist Schönheit, tiefe Schönheit, für die Seele? Wir stehen hier vor echten Mysterien, und eine Seele, die diese Mysterien nicht mehr ernst nimmt und ihnen in heiligster Aufrichtigkeit nachgeht, um in der gebotenen Demut ihre Quellen zu ergründen, schafft sich selbst ab – schleichend, und immer getarnt durch die unausweichliche (post-)moderne Selbstgewissheit, die zu jeder (Selbst-)Lüge bereit ist...

Schönheit ... ist berührend ... oder sie lässt die Seele kalt. Eine Seele, die gelernt hat, immer mehr im ,Selbstzentriertheits-Modus’ zu funktionieren, kann nicht mehr berührt werden, weil ihre Berührungsfähigkeit atrophiert ist, hingeschwunden. Sie hat es verlernt, sich hingeben zu können. Das Gegenteil ist das Nehmen, das Konsumieren, das schnelle Abscannen, der ganz normale Wahnsinn des weitgehend entseelten Intellekts und ihm angeschlossener Ego-Funktionen der Gefühlssphäre. Nackt und leer wird so die Welt – obwohl sie immer noch von ,Fun’, ,Spaß’ und ,Aktionen’ überfließen kann. Wie gesagt, der Ablenkung der Seele von der Wahrheit sind (fast) keine Grenzen gesetzt...

Eine Seele, die nicht mehr berührt werden kann, wird jedoch immer leerer und leerer, die Dinge um sie herum werden immer hohler, denn das wahrhaft Begegnende wird ja immer illusionärer. Begegnung ist nur da möglich, wo eine Seele sich tief einlässt. Das aber verlernt die moderne Seele gerade. Wie in einem antiken Drama stehen sich gegenüber: Konsum oder Kommunion – im Sinne tiefster übersinnlicher Vereinigung. Und die moderne Seele wird immer unfähiger zu dem Wunder des letzteren. Sie konsumiert Waren, Dinge, Eindrücke – aber alles hinterlässt sie immer unerfüllter, weil es immer weniger real ist. In ein bereits volles Glas kann nichts mehr hinein. Und die moderne Seele ist randvoll. Sie kann nicht mehr berührt werden, nicht mehr wahrhaft...

Eros und sein heiliges Geheimnis

Hingabe entsteht nicht ,im luftleeren Raum’ – etwas löst sie aus. Und genau dies war die heilige Mission des Eros seit seiner Existenz. Für die Griechen war das Wesen des Eros noch etwas Göttliches, Teil des Mysteriums. Man erlebte, dass eine Macht von der Seele Besitz ergriff – und dass sie sich dieser Berührung gar nicht entziehen konnte. Aber Platon begriff noch mehr. In seinem ,Symposion’ lässt er Diotima gegenüber Sokrates beschreiben, wie Eros zu dem Höchsten führe – der Idee des Schönen selbst.

Platon erkannte also, dass Eros in seinem ganzen heiligen Wesen das Hinanziehende ist – etwas, was Goethe dann am Ende des weltberühmten ,Faust’ dem ,Ewig-Weiblichen’ zuschrieb. Es geht um das Mysterium des Läuternden, der tiefen Verwandlung.

Und es musste viel geschehen, bis der heilige Eros zur niederen Erotik degenerierte, die, sehr körperbezogen, ihrerseits fließende Grenzen zur bloßen Sexualität hatte, ja sogar zur Pornografie. Wir können in dieser Entwicklung erneut die ganze Entseelung miterleben, der die Seele über Jahrhunderte hinweg zum Opfer fiel. Andererseits aber gab es natürlich schon im alten Griechentum die ganze Spannbreite zwischen einem Heilig-Idealischen und direktester Sexualität. Bereits die griechische ,Jünglingsliebe’ kannte hier alle Stufen.

Das Hinabziehen in das bloß Körperliche ist aber gerade nicht die Mission des Eros – ist aber möglich, weil Eros gerade im Grenzbereich zwischen Sinnlichem und Übersinnlichem sein Reich hat und beides verbindet. Eros ist im Grunde das Mysterium der Anziehung an sich. Verliert die Seele durch ihre eigene Dumpfheit jedoch das Übersinnliche, so bleibt nur noch das Sinnliche übrig – in dem sie sich verliert. Sie missbraucht dadurch sich selbst, alles andere und auch das heilige Wesen des Eros. Bloße Erotik ist bereits Degeneration – und wird es um so mehr, je (bloß) körperlicher diese wird. Eros selbst ist viel umfassender, viel heiliger.

Eros ist Anziehung an sich. Aber nicht einfach physische Anziehung, sondern umfassende Anziehung – letztlich: Berührung. Und wo eine Seele nicht mehr berührt wird, tief innerlich, unendlich seelisch, da ist nicht Eros schuld, sondern die Seele selbst, die sich verdumpft hat, in die Dumpfheit gefallen ist – bereits viel zu sehr, obwohl sie es nicht begreift.

Schon im Wunder der Blume am Wegesrand wirkt Eros – denn es wirkt Schönheit. Anziehende Schönheit. Berührende Schönheit. Verwandelnde Schönheit. Und es ist einzig und allein die Schuld der modernen Seele, sich nicht mehr anziehen, berühren, verwandeln zu lassen. Dies sind die Grade der Dumpfheit, der Degeneration, des Verlustes von Seele.

Eros rettet eigentlich in jedem Moment aus dem Verfall der Seele an die bloße Materie. Aber die meisten Seelen fallen ungebremst, denn sie sind blind und unempfänglich geworden. Schönheit löst in ihnen allenfalls noch eine sentimentale Registrierung aus, nicht aber mehr innere Erschütterungen.

Zwischen Begehren und Liebe

Und nun sind wir bei dem Mädchen. Gegenüber dem Mädchen hat bereits ein jahrzehntelanger Missbrauchsdiskurs jede Anziehung ,verboten’. Anziehung kann man aber nicht verbieten – sie existiert. Also muss sie unterdrückt werden. Und hier beginnt bereits eine ungeheure Verlogenheit. Denn man hat ja längst verlernt, die Unterscheidungen zu treffen – oder überhaupt das Wesen von Eros zu verstehen. Und weil die ganze Menschheit den Weg in die Materie hinein nimmt, kommt es einem völlig illusorisch vor, dass es auch einen entgegengesetzten Weg geben könnte – einen Weg der Befreiung aus der Materie-Dumpfheit. Es ist nun aber gerade das Mädchen, das diesen Weg weist...

Bevor wir diesen begreifen können, müssen wir uns in den Unterschied und die Beziehung zwischen Begehren und Liebe vertiefen.

Begehren sehen wir als selbstbezogene Regung, die Liebe als aufrichtige selbstlose Regung der Seele. In Wahrheit aber sind die wirklichen Verhältnisse noch viel komplexer.

Es gibt ein sehr selbstloses Begehren, dieses können wir Sehnsucht nennen. Oder auch Romantik. Oder auch Liebe. Und es gibt eine sehr selbstbezogene ,Liebe’, die sich völlig darüber hinwegtäuscht, dass sie keine Liebe ist – man denke nur an sich selbst ,aufopfernde’ Mütter, die aus einer geradezu pathologischen Beziehung ihre subtile Selbstbestätigung saugen und auch ihrem hilflosen Opfer jede Lebenskraft nehmen. Liebe ist nur da eine Realität, wo sie das Wohl des geliebten Wesens wirklich meint. Andernfalls ist sie nur eigenes Bedürfnis.

Nahezu keine Liebe ist absolut selbstlos. Wäre sie es, dürfte sie sich nicht einmal erschüttern lassen von Undankbarkeit, absoluter Einseitigkeit und anderem. Und wir dürfen uns vorstellen, dass selbst das Gotteswesen bei der Schöpfung eine lebendige Beziehung zu seinen Geschöpfen ersehnt hat – und nicht etwa ein abstrakter ,Werkmeister’ war, der aus lauter ,Liebe’ alle Wesen erschaffen hat und weiter nichts. Anders gesagt: Die Sehnsucht nach Erwiderung ist noch kein Widerspruch zur Selbstlosigkeit – man kann sagen, diese Sehnsucht ist der Liebe inhärent, ist sie doch ganz und gar Begegnungsqualität. So, wie ein liebender Gott nicht zugleich allmächtig sein kann, weil er seine Allmacht spätestens aus Liebe für immer beschränken würde, so kann die Liebe nicht absolut gleichgültig gegenüber der Frage der Erwiderung sein, weil sie ihrem ganzen Wesen nach auf das Wunder der Kommunion angelegt ist.

Die Liebe selbst kennt also das Begehren nach dem anderen Wesen – in welcher Form auch immer. Auch Gott begehrt den Anderen, die Begegnung, die Harmonie, die Vollkommenheit des Gegenseitigen.

... und das gesamte Feld

Davon zu unterscheiden ist nun das körperliche Begehren, also das Begehren im engeren Sinne. Ausgelöst wird auch dieses oft von der Schönheit selbst, also von einem Mysterium. Es wird dann aber zu etwas, was vom Ego-Zentrum ausgeht und einem Besitzenwollen entspricht, ja, mehr noch, einem Erlebenwollen intensiver körperlicher Lust. Und so kommt man auf diesem Weg der Erkenntnis zum Begriff der Lüsternheit. Hier erst ist die wirkliche Polarität erreicht – es ist jene zwischen Liebe und Lüsternheit. Der Liebe geht es um das andere Wesen – der Lüsternheit um die eigene Lust.

Lüsternheit kann einem anderen Wesen niemals gerecht werden, denn es degradiert dieses immer – und zwar zum Objekt, Objekt der eigenen Lust.

Ganz anders das Begehren. Das Begehren ist zunächst nur die wirkliche Tatsache, eine Objektivität – die Entsprechung zur realen Anziehung, die vorhanden ist. Ein anziehendes Wesen wird begehrt, sonst wäre es nicht anziehend. Somit ist das Begehren zunächst die natürliche Antwort auf das Wirken von Eros, dem Wesen der Anziehung. Wo Eros lebt, wird notwendigerweise das Phänomen des Begehrens hervorgerufen.

Das Begehren zu verteufeln, wie es gewisse frühe Kirchenväter taten, ist also sinnlos – denn es richtete sich auf Tatsachen. Die einzige Frage ist: um was für ein Begehren handelt es sich? Und erst hier wird die Verlogenheit verlassen und die Wahrhaftigkeit betreten. Die Wahrhaftigkeit selbst würde es erfordern, sich einmal zu fragen: Was ist eigentlich ein Mädchen...?

Was ist ein Mädchen?

Ein Aspekt würde als Antwort beinhalten: Ein Mädchen ist ein weibliches Wesen, dessen Jugend und Schönheit auf tiefe Gesundheit schließen lassen, so dass es zusammen mit seiner gegebenen Fortpflanzungsfähigkeit aus evolutionsbiologischer Sicht zu einer geradezu idealen (Geschlechts-)Partnerin wird. Bereits diese basale Tatsache erklärt, warum Mädchen von Männern jeden Alters nicht nur anziehend gefunden, sondern tatsächlich auch begehrt werden. Das moderne Tabu der ,Minderjährigkeit’ ändert daran nichts, es steigert das Begehren sogar nur, weil, wie bereits die grundlegendste Seelenforschung weiß, das Verbotene zugleich als solches anziehend wird...

Aber gehen wir weiter und lösen uns von dieser materiell gesehen grundlegendsten und aus materialistischer Sicht sogar einzigen Ebene. Alles Höhere jedoch wird nur noch in individuellem Ausmaß empfunden werden können, weil es nun auf die Konfiguration und Entwicklung der Seele selbst ankommt. Eine Seele zum Beispiel, die es ,gelernt’ hat, in einem Mädchen nur eine ,noch nicht fertige Frau’ wahrzunehmen, wird mit diesem defizitorientierten Blick in einem Mädchen nichts weiter wahrnehmen. Nichts weiter von seiner ganzen Fülle, mit der ein Mädchen vielleicht sogar mehr sein könnte als eine Frau – weil es sehr real sein könnte, dass dem Wesen des Menschen in der heutigen Entwicklung auch unendlich Wesentliches verlorengeht, wenn er, wie man so gedankenlos sagt, ,heranreift’.

Ein Mädchen hat noch eine tiefe Jugend – das ganze Mysterium der Jugend. Auch dies können wir zunächst leiblich betrachten, jetzt aber weniger im Sinne des unmittelbar physischen Begehrens als im Sinne des Geheimnisses von Jugend. Wir können dieses real spüren, wenn wir an Pflanzenspitzen denken – an das Zarteste, was es gibt: Zart, lebendig, das Leben selbst ... so unendlich zart und doch Asphalt sprengend, unbeugsam, aufrichtig, bedingungslos... Selbst in diesen Begriffen drängt sich zugleich das Seelische fast schon auf, der Bezug zum Seelischen, und doch wollen wir noch eine Stufe davor bleiben. Und dann kommt man zum Begriff des Ätherischen – zur Sphäre der Lebenskräfte selbst. Und schon dieser Bereich ist zutiefst berührend, wenn man erst einmal auf ihn aufmerksam geworden ist.

Nicht umsonst werden Mädchen immer wieder und wieder mit Blumen verglichen. Die zarte Kirschblüte ist das zauberhafteste Phänomen, was etwa die japanische Kultur kennt und verehrt. Aber ein Mädchen ist die tiefe Entsprechung dessen, ja die Steigerung – denn in eine Kirschblüte kann man sich nicht verlieben, in ein Mädchen aber schon. Man kann von dessen ätherischer Jugend so ergriffen und berührt sein, dass es mit einer bloßen Kirschblüte, die selbst schon ein Mysterium ist, gar nicht vergleichbar wäre... Aber die Seele muss sehr empfindsam und in gewisser Weise selbst zart geblieben oder wieder geworden sein, um das Wesen des Ätherischen wirklich erleben zu können und sich von ihm berühren zu lassen – ganz bewusst. Dann aber kann man nicht anders, als sich in ein Mädchen zu verlieben, auf welche Weise auch immer.

Reine Seele

Aber auch mit dieser bereits sehr heiligen Sphäre des Ätherischen ist das Mysterium des Mädchens noch längst nicht erschöpft. Ein Mädchen ist zugleich unendlich seelenvoll.

Dieser Satz wirkt natürlich geradezu lächerlich in einer Zeit, in der sich das Mädchensein allzu oft auf alberne Gespräche, ein bisschen TikTok hier, ein bisschen Instagram da und ansonsten die Sorge um das eigene Aussehen beschränkt. Erneut zeigt dieses holzschnittartige Szenario das ganze Drama der Menschheitsentwicklung, wie es im 21. Jahrhundert erreicht ist.

Ich meine jedoch stets das Wesen des Mädchens im urbildlichen Sinne. Und man braucht sich nur an die Poesie noch gar nicht lange vergangener Zeiten zu erinnern, um wieder viel tiefer begreifen zu können, was eigentlich ein Mädchen ist. Ein Mädchen, das vielleicht einen Brief von seinem Geliebten erhalten hat – oder selbst einen schreibt. Ein Mädchen, das von Idealen träumt, weil es sie selbst in seinem Herzen trägt! Ein Mädchen, das in der Lage ist, die ganze Welt zu idealisieren – mit Hoffnung, mit Vertrauenskräften, mit dem ganzen, ungebrochenen Mut eines Mädchenherzens...

Man könnte sagen: Wer noch immer nicht weiß, was ein Mädchen ist, seinem Wesen, seinem Urbild nach, dem ist nicht zu helfen... Wirklich nicht mehr zu helfen. Er hat auch selbst verloren, was ihn zum Menschen machen würde – zum wirklichen Menschen.

Denn hier stehen wir nun längst inmitten der Sphäre des Moralischen. Und wer leugnen würde, dass das Moralische zutiefst mit dem Menschlichen zu tun hat, der ist tatsächlich ganz und gar buchstäblich ,von allen guten Geistern verlassen’.

Ein Mädchen aber hat zentral mit dieser heiligen Sphäre zu tun, es steht sozusagen regelrecht in ihrem Mittelpunkt.

Und die Jungen?

Ja, diese Frage drängt sich vielleicht auf – und ja, hier stehen wir bereits in einem anderen, traurigen Kapitel. Die Jungen übernehmen nun einmal seit Jahrtausenden das, was von den Männern ausgeht – und das war in der Vergangenheit nicht gerade das Zentrum des Moralischen ... und ist es bis heute nicht.

Wie der Mann, so der Junge, könnte man sagen. Und also sehen wir bei Jungen bereits all das sich einüben, was dann bei den Männern verfestigt auftritt: Konkurrenz, Imponiergehabe, Selbstbezug, Rangkämpfe, ebenso aber auch dumpfes Gruppenverhalten oder aber Einzelgängertum – was so weit geht, dass bis heute das ,autonome Individuum’ bis hin zum Egoismus als Grundlage des gesamten Wirtschaftslebens gilt.

Keine Rede davon, dass der Mensch ein Beziehungswesen ist. Dass er sich nur durch Kooperation entwickeln und nur durch Kooperation und Empathie als Menschheit überleben kann.

Kehren wir aber zum Wesen des Mädchens zurück, so sehen wir dieses Beziehungswesen unmittelbar vor uns. Wir sehen Kooperation, Empathie, Mitgefühl, eine tiefe emotionale Intelligenz – wir sehen im Grunde alles, was ein tiefes Menschentum ausmacht. Carol Gilligan etwa hat schon in den 80er Jahren auf diesen tiefgreifenden Unterschied aufmerksam gemacht – und darauf, dass überall viel zu sehr männlich gedacht und das so unglaublich andere Wesen der Mädchen überhaupt nicht berücksichtigt wird. Bis hin etwa zum heutigen Rechtswesen, wo es eben auch nur abstrakt um das Rechthaben geht, nicht aber um Kooperation, Ausgleich, Empathie. Nicht nur gesunder Menschenverstand, sondern auch echtes Herz-Denken, wie es nur die Mädchen können...

Selbstverständlich ist im Zuge der Postmoderne und der ,Emanzipation’ auch in die Mädchen all das eingezogen, was die männlich dominierte Kultur seit Jahrzehnten vorgelebt hat: Konsum, Genuss, Selbstbezug, ,Ego first’ und all das, was wir heute in Fülle beobachten können. Und dennoch offenbart sich in den Mädchen im Wesentlichen noch immer eine viel unschuldigere Seele als in den Jungen.

Die zarte Eros

Und wenn einem nun ein Mädchen begegnet, das all dies vereint – das Physische, das Ätherische, das Seelische in all seiner Tiefe und Reinheit ... wie könnte eine männliche Seele sich dann nicht in dieses Wesen verlieben, das fast aus einer ganz anderen Welt zu stammen scheint ... ähnlich wie das Neugeborene, aber doch ganz anders?

Bei keinem wirklichen Sich-Verlieben hat die Seele keine Wahl, es geschieht einfach – um wieviel mehr aber bei einem Wesen, in dem sich alles vereint, was diese Liebe überhaupt auslösen kann! Ein Wesen, bei dem sich sogar die Begriffe verwandeln. Denn jahrhundertelang wurde von Eros gesprochen, mit männlicher Endung und männlichem Artikel. Kümmern wir uns einmal nicht um die Endung, weil der Begriff einfach ein fester geworden ist – aber müsste man in Bezug auf ein Mädchen nicht endlich beginnen zu sagen, hier wirkt die zarte Eros? Eine Göttin...?

Dies ist um so naheliegender, als die Anziehung eines Mädchens so unglaublich anders ist als die Anziehung eines Jungen. Es walten hier einfach zwei ganz verschiedene Mächte. Bei dem Jungen ist es der Eros, bei dem Mädchen aber die Eros. Das Einzige, was sie verbindet, ist die Anziehung als solche, aber die Unterschiede sind weltenweit.

Die Eros des Mädchens besteht gerade in ihrer Zartheit, in ihrer Sanftheit, in ihrer Liebe zum Guten, wie sie gerade ein Mädchen haben kann. Das bedeutet nicht, dass ein Mädchen rundum ,sanft’ sein muss – es kann auch provokativ und sehr selbstständig sein wie in meinem aktuellen Roman ,Der Mann und das Mädchen’. Dennoch ist es absolut unverwechselbar ein Mädchen und kein Junge – und diese Qualitäten in ihrer Tiefe zu erleben, ist wie eine Offenbarung.

Denn je mehr man in die Mysterien des Mädchens eintauchen kann, je mehr man sich von ihnen berühren lassen kann, desto offensichtlicher werden die erschütternden Irrtümer und Irrwege, Sackgassen, ja Abgründe einer bis heute männlich dominierten Kultur.

Und je mehr man sich in einer immer berührbareren Seele vom Wesen des Mädchens berühren lässt, desto mehr zieht sie hinan – die zarte Eros und das Mädchen selbst.

Und so erkennt man, wie eine Grenzvorstellung, die man im Kant’schen Sinne vielleicht nicht ,beweisen’ kann, die aber geradezu notwendig ist, wenn das Denken konsistent bleiben soll – so erkennt man, dass das Mädchen anziehen soll. Es ist nicht nur materialistisch-evolutiv ,vorgesehen’, sondern auch im Sinne einer seelisch-geistigen Vorsehung. Gäbe es die Mädchen nicht, so wäre die Menschheit wahrscheinlich längst in völlige Barbarei versunken.

Das Mädchen soll anziehen – und tut dies fortwährend.

Epilog

Die Frage ist nur, was geschieht, wenn die heiligeren Sphären dieser Anziehung überhaupt nicht mehr begriffen werden. Weder von den männlichen Wesen noch von den Mädchen selbst. Was ist, wenn die Mädchen es regelrecht aufgeben, in dieser umfassenden Weise anzuziehen? Dann stirbt die zarte Eros einen traurigen Tod – und die Menschheit wird ihr irgendwann folgen...

Meine Bücher dienen dem Ziel, die Wahrheit nie vergessen zu lassen, sondern der Seele wieder erlebbar zu machen, wie tief, wie umfassend sie empfinden könnte, wenn sie wieder eine Sehnsucht gewänne, das Verlorene wiederzufinden. Ohne die Sehnsucht ist die Welt verloren. Die Sehnsucht ist aber die Schwester der zarten Eros.

Ein Mann, der ein Mädchen liebt und von einem Mädchen innerlich berührt worden ist, könnte nie Krieg führen. Er könnte nie andere Menschen ausbeuten. Er könnte nie dem Wahn verfallen, Reichtum als solches wäre erstrebenswert – und er könnte auch vieles andere nicht mehr. All dies ist eine Wahrheit, und es hängt vieles mit ihr zusammen. Die Frage ist nur, warum die Menschheit sich für die wesentlichsten Wahrheiten so wenig interessiert. Aber auch dies gehört schon zu dem langsamen Tod der zarten Eros...

Überall da aber, wo sich ein Mann wahrhaft in ein Mädchen verliebt, geschieht das Gegenteil – und wieder wird ein Stück Welt tief und grundlegend geheilt. Noch ist die zarte Eros nicht tot – und noch haben wir es in der Hand, welchen Weg diese Welt gehen will. Den einer zunehmenden Kälte, Technizität, Abstraktheit, Anonymität, inhärenten Gewalt, Profitmaximierung, dies alles ein bisschen vertuscht durch das postmoderne ,Brot und Spiele’ ... oder den Weg des Mädchens.

Jeder Mann, der sich jemals in ein Mädchen verliebt hat, weiß um den abgrundtiefen Irrtum des anderen Weges. Würde es das Mädchen nicht geben, die Welt ,aller guten Geister’ müsste es erfinden.  Es gibt das Mädchen aber – und man soll sich verlieben. So aufrichtig, dass das Mysterium der Verwandlung geschehen kann – das Wunder der zarten Eros...

Würde dies wirklich geschehen, vielfach, bedingungslos – die Welt würde eines Tages nicht mehr mächtigen Männern folgen, sondern schwachen Mädchen. Mädchen mit einer emotionalen Intelligenz, die alle anderen weit überragt. Und die Welt könnte neu geboren werden. Verwandelt durch die heilige Eros ... der Mädchen.