08.05.2022

Die Verlogenheit der modernen Seele in Bezug auf das Mädchen

Der lange Weg zur Wahrheit.


Inhalt
Cancel-Kultur und Angst
Der Schatten
Das Mädchen – egal
Rettung eines Mädchens
Ausgerechnet ein Mann?
Der totalitäre Missbrauchsdiskurs
Das Mädchen ist nur Objekt
Das glückliche Opfer?
Die zarte Eros – eine Göttin
Vom Mangel an Zärtlichkeit
Wie kann man...?
Wie kann man nicht?
Die unglaubliche Abstraktheit
Goldenes Kalb und Hexenjagd
Gauguin oder: Wer ist zu verurteilen?
Vom Missbrauch der Begriffe
Vom ausgeblendeten Missbrauch
In welcher Welt leben wir?
Was ein Mädchen ist
,Gleichmacherei’ und Liebe
Das wirkliche Mysterium
Die Offenbarung
Neubeginn


Cancel-Kultur und Angst

Ich stelle in Bezug auf meine Bücher ein verbreitetes Schweigen fest. Dies ist verständlich, wenn man das zutiefst mächtige Narrativ in Anschlag bringt, das heute dominiert. Es ist aber nicht verständlich, wenn die Seele den Anspruch hätte, wahrhaftig zu sein – oder zu werden.

Der folgende Aufsatz wird Gedanken entfalten, die das Ausmaß der Verlogenheit der modernen Seele zeigen und erlebbar machen werden.

Meine Romane behandeln das zutiefst Anziehende der Gestalt des Mädchens. Darf das Mädchen heute anziehen? Jedenfalls nicht eine männliche Seele, die nicht einem extrem engen Korridor der Gleichaltrigkeit gehorcht – andernfalls schlägt das mächtige Narrativ zu, das mit dem Missbrauchsdiskurs korreliert und einem absoluten Tabu entspricht. Die Seele wird also durch Angst konditioniert. Sie will sich auf keinen Fall außerhalb des kollektiv erlaubten Diskurses stellen – und würde dies bereits tun, wenn sie sich für meine Romane interessieren würde. So tiefgreifend wirkt der Diskurs. Es ist Angst.

Wir leben generell in einer Zeit der ,Cancel-Kultur’ – deren Regime durch Corona regelrecht explodiert ist. Innerhalb kürzester Zeit haben sich die Meinungs-Korridore geschlossen, wurden die erlaubten Ansichten ,uniformiert’ und wurden sämtliche anderen Ansichten in schärfster Weise stigmatisiert. Dies und vieles andere ist ein Vorgeschmack auf die Orwell’schen Welten, die uns noch erwarten werden.

Der Schatten

Jede Realität hat ihr dunkles Gegenbild, ihren Schatten, das, was sie verdrängt und nicht wahrhaben will. Die scharfe Rhetorik, die andere Meinungen abdrängt, stigmatisiert, zensiert, nicht mehr abdruckt, die YouTube-Konten sperrt und mit Blockwart-Mentalität zu entscheiden beansprucht, was noch gesagt werden darf – diese Demonstration der Macht bewirkt genau das, was sie einzuschränken vermeint: Eine Zunahme zum Beispiel von ,Verschwörungstheoretikern’, weil nämlich tatsächlich eine Diktatur Gestalt anzunehmen beginnt. Auch ich bin gegenüber jenen sehr skeptisch, die in ihre Verschwörungsblasen abdriften – ebenso aber auch gegen die ,Maßnahmen’, die nicht realisieren, wie sehr damit die Demokratie selbst erodiert. Es ist völlig offensichtlich, dass in einem Teufelskreis immer beide Seiten Schuld haben.

Wenn wir es nicht schaffen, als Gesellschaft zu kommunizieren und alle zu erreichen, dann haben wir als Gesellschaft selbst versagt. Aber – in einem Staat, der es einfach nicht schafft, die obszönen Reichtümer so zu besteuern, dass die Ausbeutung, mit der diese Reichtümer zustande kommen, immer wieder rückgängig gemacht wird – in einem solchen Staat besteht offenbar überhaupt nicht mehr der Anspruch einer Gemeinsamkeit aller. Rhetorisch-populistisch wird er zwar stets erhoben, aber er ist ja nicht wahrhaftig. Und genau das ist eben Thema dieses Aufsatzes: die Wahrhaftigkeit.

Andererseits gibt es Menschen, die innerlich so abgedriftet sind, dass sie auch überhaupt nicht mehr erreichbar sind – aber dann sind wir auch bereits wieder bei dem Thema des letzten Aufsatzes: dem ungeheuren Verlust von Seele überhaupt. Einem Verlust, der sich ungebremst fortsetzen wird, solange der brutale Kapitalismus und Materialismus mit aller Macht fortgesetzt werden wird. Auch hier besteht wieder der unmittelbarste Zusammenhang. Der Kapitalismus schafft sich entgegen seiner stets geschönten Rhetorik seine eigenen Dämonen – und dies schafft dann wieder den Vorwand, nach und nach zu einem Orwell- und Polizei-Staat zu werden. Wer es wirklich wollte, könnte in jeder Sekunde umsteuern – aber es ist ja so viel bequemer, die Dinge laufen zu lassen und von ,Sachzwängen’ zu sprechen, als an einer wirklichen, einer durchgreifend menschlichen Zukunft zu arbeiten und eine echte Vision zu haben.

Das Mädchen – egal

Und in dieser Wirklichkeit steht nun auch das Mädchen. Das Mädchen! Das Mädchen, das immer dann vergessen wird, wenn es gerade nicht stört – und das einem immer dann wieder einfällt, wenn fern am Horizont ein Mann auftaucht und man wieder in seinem verinnerlichten ,Missbrauchsnarrativ’ aktiviert wird und seine Abwehrhaltung einschalten kann, mit der man dann auch wunderbar selbstgerecht empfinden kann, dass man ja wer weiß was für die Mädchen tut – indem man sich zum Beispiel sorgfältig davor hütet, einen meiner Romane zu lesen. So hängen die Dinge zusammen! Man macht um sie einen großen Bogen – und hat schon das Gefühl, unglaublich vorbildlich zu sein. So stark wirkt das Missbrauchsnarrativ!

Aber dem Mädchen ist damit in keinster Weise geholfen – null. Es steht noch immer in derselben Wirklichkeit. Die Welt ist noch immer ein Chaos. Die Reichen werden noch immer immer reicher, die Natur wird noch immer zerstört, die Äcker werden noch immer Friedhöfe für Insekten und Wildpflanzen, die Vögel werden seltener, Bayer und Rheinmetall machen Profite, zahllose Menschen verarmen immer weiter, darunter auch solche, die dann zum Beispiel Mädchen missbrauchen... Aber selbst wenn dies nicht geschähe, ist die Welt, wie sie ist, ein einziger Missbrauch an den Mädchen. An den Mädchen, die mit einem reinen Herzen auf die Welt kommen, heranwachsen – und erschlagen werden. Von der Wirklichkeit.

Und die Tatsache ist: All diese Mädchen sind all den modernen Seelen ,scheißegal’, um es einmal drastisch zu sagen. All den modernen Seelen, die ja selbst kräftig verdrängen, dass sie nichts tun können, dass sie irgendwo auch selbst leiden – oder auch nicht mehr leiden, weil sie sich genügend abgestumpft haben. Oder die mit der Welt, wie sie ist, sogar sehr gut klar kommen, ja sogar vielfältig profitieren – und sie gar nicht anders haben wollen.

Die Mädchen sind vollkommen egal. Es interessiert niemanden. Nicht, was sie empfinden; nicht, was sie denken; nicht, woran sie leiden; nicht, wie sehr sie leiden. Willkommen, Verlogenheit! Und erst, wenn wieder ein Mann auftaucht – wir kennen das Szenario inzwischen –, wird es wieder akut, wird die Seele wieder aktiv, schaltet sie wieder ihre Abwehr ein und sagt sich: Nein, davon will ich nichts wissen! Spüren wir es jetzt? Spüren wir jetzt endlich etwas? Willkommen, Verlogenheit, Teil zwei!

Rettung eines Mädchens

In dem gerade erschienenen Roman, den ich dem 250. Geburtstag des großen Romantikers Novalis widmete, geht es um ein Mädchen, das durch die Corona-Maßnahmen absolut gescheitert ist. In der Schule. In Mathematik. In anderen Fächern. Ein tief seelenvolles, knapp zwölfjähriges Mädchen, das an der seelenlosen Bildschirm-Technologie schlicht zerbrochen ist, einfach nicht mehr mitgekommen...

Und nun kann man sagen: Selbst schuld, wenn sie so ,seelenvoll’ ist, vielleicht etwas ,überzüchtet’... Oder auch: ,Armes Ding, na ja, es geht bestimmt manchen so.’ Oder auch: ,Was sollen sie denn machen? Corona hat uns allen viel abverlangt.’ Oder was auch immer – alle Antworten sind gleich falsch, weil sie alle den gleichen Mangel an Empathie beweisen, eine Gleichgültigkeit, die sich auch sehr gut als Sentimentalität tarnen kann, wenn es darauf ankommt.

Und nun kommt ein Mann und hilft diesem Mädchen. Voller Liebe. Voller Einsatz. Voller Verständnis. Allein schon das würde diesen Roman tief lesenswert machen – denn man würde wieder spüren können, wieviel Liebe und Verständnis, wieviel Einfühlung und wieviel Zartsinn überhaupt möglich sind. Wie besonders auch wiederum ein Mädchen sein kann. Man würde selbst endlich begreifen, zumindest ansatzweise, was für Mädchen heute existieren – und leiden. Hilflos umhergeworfen, von Entwicklungen, in denen sie schlicht untergehen...

Ist man sich dafür zu schade? Oder hat man ,genug Eigenes’ um die Ohren? Oder ist das für einen ,so was von irrelevant’? Wird hier vielleicht wieder deutlich, wie selbstbezogen und engstirnig man ist? Wie wenig einen das Schicksal der übrigen Welt wirklich angeht? Kann es sein, dass man meine Romane schon deshalb nicht liest, weil man nicht aus dem eigenen, letztlich sehr schönen Schlaf herausgerissen werden will? Und man tarnt es nur mit der vermeintlichen Ansicht, dass einen so ein ,Mädchen-Roman’ doch nun wirklich nicht interessieren müsse, weil man von der ,Zielgruppe’ her doch nun wirklich nicht dazugehöre?

Offenbar meint man, meinen immer wiederkehrenden Hinweis tatsächlich aggressiv ignorieren zu können: ,► Wichtiger Hinweis: Wer meinen würde, ich schriebe nur ,Mädchen-Bücher’, der irrte essenziell – diese Mädchen sind Botinnen des immer verschütteteren Wesens der menschlichen Seele überhaupt.’ So steht es auf diesen Seiten zu fast jedem Buch... Aber natürlich ist man sehr frei darin, zu meinen, das alles nicht zu benötigen...

Ausgerechnet ein Mann?

Und ja, das andere ist dann eben der Mann... Warum muss dem Mädchen ausgerechnet ein Mann helfen? Das kann ich sofort beantworten: Weil sonst das Narrativ ja nicht gefährdet wäre! Wir waren doch bei der Wahrhaftigkeit...

Die Wahrhaftigkeit erweist sich immer erst da, wo es auch ,wehtun’ kann. Wo es schwierig wird. Wer immer schon fertige oder auch nur schnelle Antworten hat, ist mit großer Sicherheit nicht wahrhaftig. Allenfalls sehr selbstüberzeugt – und darüber hinaus oft auch dogmatisch oder auch einfach nur ängstlich ... und unbewusst oft auch dies beides. Und wir wissen ja bereits, dass das ,Missbrauchsnarrativ’ heute eines der allermächtigsten ist – da liegen sowohl Dogmatik als auch Angst ganz, ganz nahe...

Aber würde die Wahrhaftigkeit nicht gebieten, anzuerkennen, dass es zahllosen Missbrauch gibt? Selbstverständlich gebietet die Wahrhaftigkeit dies! Nur – dies ist die falsche Frage im falschen Moment. Denn die Wahrhaftigkeit gebietet natürlich weit mehr. Sie gebietet vor allem auch, den Willen aufzubringen zu unterscheiden. Denn sonst sind wir längst voll und ganz bei dem Dogma und dem Tabu angekommen – und haben uns ihm, ihnen beiden, unterworfen. Und genau das – genau das tut die Wahrhaftigkeit nie. Gerade darum ist sie wahrhaftig.

Und die Wahrhaftigkeit beginnt nicht eher, als bis die Seele vor sich selbst tief anerkennt, dass da ein Mann ist, der einem Mädchen wirklich hilft, so tiefgehend, wie es fast nicht vorstellbar ist, weil er eine unglaubliche Fähigkeit hat, sich auf das Mädchen einzulassen ... und zu erkennen, was das Mädchen braucht ... und ihm genau dies auch geben und schenken zu können.

Schon hier beginnt also die Wahrhaftigkeit. Zu erkennen, dass genau dies geschieht. Und dass man selbst dies weder geschafft hätte, erst recht nicht so wunderbar – und auch überhaupt weder tut noch getan hätte. Sicher, viele haben in diesen zurückliegenden Monaten Nachhilfe für ihre Kinder gegeben oder organisiert, aber darum allein geht es überhaupt nicht. Es geht um viel mehr – und muss es in dieser seelenlosen Zeit auch. Aber dafür müsste man den Roman eben einmal lesen – sonst macht man sich noch immer Illusionen über das ,letztlich doch sehr belanglose Thema’. Und dann versteht man das Mädchen immer noch nicht... Und um das Mädchen sollte es doch eigentlich gehen – oder nicht?

Aber ich wiederhole: Das Mädchen ist den meisten ja völlig gleichgültig. Solange, bis der Mann auftaucht. Der eigentlich gar nicht auftauchen sollte. Denn dann könnte einem das Mädchen auch weiterhin gleichgültig sein. Nun aber ist man gezwungen, in diesen lästigen anderen Modus umzuschalten – wieso also immer diese Bücher...!?

Der totalitäre Missbrauchsdiskurs

Wer jetzt noch nicht wahrhaftig genug ist, zu begreifen, um dessen Wahrhaftigkeit ist es wahrhaftig nicht gut bestellt. Und das meine ich nicht ironisch. Es ist sehr, sehr ernst. Man sollte den Mut zur Selbsterkenntnis haben – gerade, wenn man mit Urteilen regelrecht angefüllt ist. Und ... der Missbrauchsdiskurs füllt einen fast automatisch an. Die Wahrhaftigkeit würde es gebieten, sich nicht anfüllen zu lassen, sondern selbst zu urteilen – was um so schwieriger wird, je mächtiger ein Diskurs und ein Narrativ wird.

Und das bedeutet nicht, die Tatsachen zu leugnen. Es bedeutet, sich eine innere, moralische Freiheit dem gegenüber zu bewahren, was sich an die bloßen, die reinen Tatsachen anschließt. Ich überspitze es einmal, um es in aller Kürze verständlich zu machen: Es werden viele Mädchen missbraucht, also muss man einen gewissen Umgang mit Mädchen zu einem Tabu machen. Corona ist gefährlich, also müssen wir alle mit Maske herumlaufen, dreimal geimpft sein, uns ständig testen etc. Autos sind gefährlich, also dürfen wir nur mit Helm auf die Straße gehen. Das Leben ist gefährlich, also dürfen wir nicht geboren werden...

Tatsachen werden immer gedeutet – und die Schlussfolgerungen können einseitig sein, überzogen, von Angst geprägt, diktatorisch, totalitaristisch oder regelrecht absurd. Sie können einem nicht seltenen Missbrauch begegnen wollen – und gleichzeitig selbst zu einem drastischen Missbrauch werden. Weil sie ein Gefängnis errichten. Ein Gefängnis von Gedanken, von Urteilen, von Verboten, von Verdächtigungen, von Unterstellungen, von Angst und Paranoia. Und das alles sind, wenn es erst einmal eingesetzt hat, Selbstläufer – es geschieht einfach. Und am Ende will es dann immer niemand gewesen sein... Oder man rationalisiert es ganz wunderbar, ist völlig überzeugt, dass das alles so notwendig ist – und wird selbst zum Blockwart. Das Schwarz-Weiß-Denken erfüllt alles.

Wer das Tabu nicht aufrechterhält, begünstigt, ja bejaht den Missbrauch. Wer keine Maske aufsetzt, sich nicht dreimal impft und sich nicht ständig testet, begünstigt, ja bejaht die Toten. Wer nicht nur mit Helm auf die Straße geht, begünstigt, ja bejaht den eigenen Verkehrstod. Wer sich auf die Welt bringen ließ, begünstigt, ja bejaht sein eigenes Sterben.

Manchen Menschen gegenüber ist es sinnlos, zu versuchen, ihnen klarzumachen, dass die Weigerung, sich einer Diktatur zu unterwerfen, nicht bedeutet, dass man den anderen Missbrauch gutheißt. Dass es einfach nur bedeutet, sich von keiner Seite missbrauchen zu lassen. Dass es einfach nur bedeutet, wahrhaftig zu bleiben – und sich nicht dem zu unterwerfen, was anscheinend so viele Seelen so sehr lieben, weil es dadurch so bequem wird: das Schwarz-Weiß-Denken.

Das Mädchen ist nur Objekt

Die Wahrhaftigkeit in Bezug auf das Missbrauchsnarrativ würde gebieten, sobald es um ein Mädchen geht, sich zu fragen, wie es dem Mädchen geht. Das wäre die Mindestanforderung, wenn man behaupten wollte, es ginge einem um dieses Mädchen. Es ist traurig, das überhaupt aussprechen zu müssen.

Aber selbst wenn man diese Frage hätte, könnte sie einem noch immer sehr gleichgültig sein. Viele Menschen haben diese Frage nämlich nur scheinbar – sie halten sie sogar nur in Reserve, um immer dann ,draufzuhauen’, wenn es auch nur den Anschein haben könnte, dass es dem Mädchen schlecht geht, während im Grunde und ansonsten ihnen das Mädchen völlig gleichgültig ist. Es ist also nur ,Verschiebemasse’ und ,Schachfigur’ – ein bloßes Instrument, um die eigene moralische Überlegenheit oder schlicht und einfach die bloße eigene ,political correctness’ zu beweisen und zu erleben. Das Mädchen wird zum Objekt für den bloßen eigenen Narzissmus, der sich in Empörungs-Handlungen gefällt und diese braucht, um sich überhaupt existent zu fühlen. Das Mädchen wird missbraucht, um sich selbst zu bestätigen.

Natürlich werden bei diesen Gedanken zahlreiche Seelen aufheulen vor Empörung – und es sei ihnen gegönnt. Denn sie alle (ich überspitze wieder ein wenig) – sie alle setzen sich kein bisschen ein für eine Welt, in der die Mädchen weniger leiden würden, weil sie menschlicher wäre. Weniger egoistisch. Weniger zerstörerisch. Weniger ungerecht. Sie alle sind nur Sklaven eines übermächtigen Narrativs, dem sie gehorchen, wenn es angetriggert wird – um im übrigen wieder in den Tiefschlaf zu verfallen, wenn es nicht angetriggert wird. Und vielen von ihnen geht niemals auf, dass die meisten Mädchen überhaupt nie im Sinne des Narrativs missbraucht werden – dass aber alle Mädchen mit einem empfindsamen Herzen tagtäglich missbraucht werden, von einer Welt, die durch eine übermächtige Tiefschlaf-Fraktion aufrechterhalten wird.

Und zu dieser Fraktion gehören nun einmal alle, die sich um ein Mädchen überhaupt nicht kümmern, das ihnen nicht auffällt – und denen ein Mädchen überhaupt nur dann auffällt, wenn sich ihm am Horizont ein Mann nähert, und die diesen Mann selbst dann verurteilen, wenn er ein Mädchen regelrecht gerettet hat, inmitten eines Schulsystems, vor dessen Horror man selbst die Augen verschließt, weil es ja zu viel Verantwortung bedeuten würde, sie zu öffnen...

Das glückliche Opfer?

Es ist also regelrecht abartig, welche unglaubliche Macht dieses ,Missbrauchsnarrativ’ erlangt hat. Seine Macht ist so groß, dass das Denken bereits aussetzt, sobald es auch nur irgendwie anwendbar sein könnte. Schon da denken die Seelen nicht mehr selbst, sondern lassen in sich denken – und die Antworten sind dadurch natürlich klar, denn sie sind längst festgelegt. Alles ist festgelegt: das Opfer, der Schuldige, das Urteil.

Aber was, wenn das ,Opfer’ sich unendlich wohlfühlt, den ,Schuldigen’ liebt – und nie so glücklich war wie jetzt? Dann muss doch irgendetwas nicht stimmen... Und wehe denen, die jetzt meinen, mit dem Mädchen müsste irgendetwas nicht stimmen, oder mit seiner Wahrnehmung, seinem Urteil! Wehe denen, die jetzt meinen, sogar das Mädchen zurechtbiegen zu müssen, damit das Narrativ weiterhin stimmt. Es ist erschütternd, dass manche Seelen so wenig Wahrhaftigkeit besitzen, dass sie sogar völlig an der Realität vorbei weiter ihr Narrativ umklammern, nur damit es keine Lücken und Risse bekommt. Sie wünschen sich, dass auch dieses Mädchen ein Opfer wäre – sie wollen, dass es ebenfalls ein Opfer ist, denn dann stimmt das Narrativ ja wieder! Sie wünschen sich Mädchen als Opfer, ohne Ausnahme. Weil die Erkenntnis, dass ein Mädchen vielleicht kein Opfer ist, zu anstrengend wäre...

Der Mann ist definitiv ein Opfer – nämlich ein Opfer seiner eigenen Liebe. Liebe ist im Gegensatz zu Missbrauch etwas, wogegen man sich nicht wehren kann. Sie ereilt einen. Es gibt niemanden, der die Liebe verhindern könnte, wo er von ihr einmal ergriffen wurde. O ja, man kann sie verdrängen, man kann sie abtöten, aber auch das ist nur denen möglich, die nicht wahrhaft lieben. Gegen die wahre Macht der Liebe ist man machtlos – und es wäre sogar sinnlos, gegen die Liebe selbst zu kämpfen, denn die wahre Liebe dient immer dem Leben.

Aber was ist dann mit der Anziehung? Der Mann fühlt sich ab einem gewissen Punkt von dem Mädchen doch auch angezogen? Umfassend angezogen...

Was soll damit sein? Diese Anziehung, die bereits der Titel mit ,Die zarte Eros’ umschreibt, vertieft seine Liebe nur. Erst dadurch wird sie ja so tief, dass sie die der Lehrer, die nur so allgemein unterrichten und das Schulsystem aufrechterhalten, und die der Eltern, die nur so allgemein Nachhilfe organisieren und ebenfalls das System aufrechterhalten, weit überragt – wodurch er der Einzige wird, der dem Mädchen wirklich helfen kann.

Die zarte Eros – eine Göttin

Bereits im vorigen Aufsatz versuchte ich, erlebbar zu machen, dass die zarte Eros – hier weiblich verstanden, als jene zarteste Anziehung, die gerade vom Mädchen ausgeht –, gerade eine heilige Quelle des Lebens selbst ist, gleichsam das Wirken einer sanften Göttin, und dass die Berührung, die von dieser Göttin (und von dem Mädchen) ausgelöst wird, eine Liebe entzündet, die reiner ist als jede andere Liebe, die von der gewöhnlichen Seele gekannt wird.

Das Phänomen nahezu aller Begegnungen, die in meinen Romanen geschehen, ist, dass die männliche Seele (die in vielen Romanen auch die eines Jungen ist) durch die Begegnung mit dem Wesen des Mädchens selbstloser und buchstäblich besser wird, als sie es bis dahin war.

Und hier würde die Wahrhaftigkeit des außen stehenden Beobachters beginnen müssen: sich zu fragen und real mitzuerleben, was wirklich geschieht.

Denn ja, ein Teil dieses Geschehens ist dann, dass der Mann (oder Junge) sich wirklich nach diesem Mädchen sehnt. Denn er liebt es ja, er begehrt es auch – wie man ein Mädchen begehrt, nämlich sehr, sehr zart, sehr behutsam. Und die Folge all dessen ist, dass sich in der Liebe zu einem Mädchen das Begehren in etwas verwandelt, was von Sehnsucht praktisch nicht mehr unterscheidbar ist. Es wird gleichsam hilflos.

Und was bedeutet das? Das bedeutet, dass in jeder wahren Liebe zu einem Mädchen – eigentlich in jeder Liebe überhaupt – diese Liebe sich in etwas verwandelt, was dem geliebten Wesen ganz die Führung übergibt... Die Liebe entmachtet sich selbst, und zwar stets, weil sie unfähig ist, Macht zu entwickeln, denn Macht würde ihr völlig widersprechen. Jeder Mensch, der einmal wahrhaft geliebt hat, kennt dieses Mysterium. Die Liebe ist machtlos – sonst ist es nicht die Liebe.

Und nun müsste man nur den Mut – und die Wahrhaftigkeit – haben, diese Erkenntnis auch auf die Begegnung eines Mannes mit einem Mädchen anzuwenden. Der Mann, der ein Mädchen liebt, kann es nicht missbrauchen. Es ist unmöglich. Und das Mädchen weiß das.

Vom Mangel an Zärtlichkeit

Und deswegen – wegen dieser Tatsache und wegen dieses Wissens, das das Mädchen hat – kann sich ein Mädchen bei einem Mann unendlich geborgen fühlen. Denn – und das ist es eben, was das ,Missbrauchsnarrativ’ so erschütternd verkennt – ein Mädchen kann sich von einem Mann tatsächlich unendlich geliebt fühlen. Es kann dieses Erlebnis wie ein unendliches Geschenk wahrnehmen.

Will man etwa darüber richten, wie ein Mädchen etwas wahrnimmt und erlebt?

Und in dem Roman ,Die zarte Eros’ ist eben auch die Frage aufgeworfen, wieviel Zärtlichkeit Mädchen heute überhaupt noch erleben – und ob das ausreicht. Oder ob wir nicht längst in einer Wüste leben, emotional gesehen, und zwar auch wegen des Missbrauchsdiskurses. Einer Wüste, in der die meisten Mädchen ganz gut zurechtkommen, weil sie auch immer mehr Ecken und Kanten entwickeln, ganz wie die Jungs – aber manche Mädchen eben nicht. Und manche dieser Mädchen gehen eben auch emotional unter. Ihnen fehlt tatsächlich Zärtlichkeit – und niemand erkennt es. Denn der Missbrauchsdiskurs verbietet es ja sowieso. Und wo ein Tabu waltet, kann man auch gar nichts mehr erkennen, es entsteht buchstäblich ein blinder Fleck...

Der Mann schenkt dem Mädchen also Zärtlichkeit – und das Mädchen ist glücklich! Man muss es wiederholen: Das Mädchen ist glücklich! Und jetzt ... verliebt sich der Mann. Spätestens jetzt wird es zahllosen Lesern unangenehm... Warum? Weil es jetzt für sie schwierig wird. Das auszuhalten. Was auszuhalten? Den Widerspruch zwischen dem Narrativ und der realen Situation. Das Narrativ sagt: Ein Mann darf sich nicht in ein Mädchen verlieben. Die Realität sagt: Er hat es aber getan. Oder auch: Die Liebe hat es getan. Sie hat ihn ereilt – ohne zu fragen.

Soll der Mann nun dem Narrativ gehorchen und sich spätestens jetzt von dem Mädchen fernhalten – und diesem so ein Trauma bereiten? Denn das wäre doch die Konsequenz, die alle sklavischen Anhänger des Narrativs so bereitwillig in Kauf nähmen: ,Ja, um jeden Preis soll er sich jetzt fernhalten, der Perverse!’ Und wieder beweisen sie damit nur, dass das Ausagieren ihrer eigenen archaischen Straf-, Verachtungs- und Ausscheidungs-Regungen ihnen wichtiger ist als das Mädchen. Wieder beweisen sie damit, dass das Mädchen für sie nur Verschiebemasse ist. Gut genug, um das Narrativ zu bestätigen, indem auch das Mädchen sich diesem zu unterwerfen hat.

Das Mädchen will aber nur eines: Dass sich nichts ändert. Und das Wunder geschieht: Es ändert sich nichts... Die Verbindung wird nur noch inniger. Und warum? Weil es die Liebe ist, die wirkt. Sonst nichts. Auch die begehrende Liebe bleibt Liebe – und das geliebte Wesen bleibt immer das Heiligste überhaupt. Und das Mädchen ist glücklich – denn es fühlt sich noch immer geliebt, sogar noch mehr...

Wann – wann sind wir endlich bereit, das Urteil dem Mädchen zu überlassen? Wann geht es uns endlich und wirklich um das Mädchen – und um nichts sonst?

Wie kann man...?

Dieser Punkt – so selbstverständlich er sein sollte – wird vielleicht erst kommen, wenn man verstehen wird, wie man sich in ein Mädchen verlieben kann. Ganz real. Wenn man es ganz real verstehen wird.

Nicht einfach nur theoretisch. Sondern wirklich. Auch dazu gehört Wahrhaftigkeit. Denn ohne sich von der Allmacht des Narrativs zu lösen, wird man es nicht verstehen können.

Und das ist seltsam genug. Denn das Narrativ besagt, es ginge allen angeblich um das Mädchen – aber wie haben längst festgestellt, dass das nicht so ist. Dem Mädchen wird nicht einmal die Entscheidung überlassen. Nicht einmal die Wahrnehmung! Man kann immer sagen: Ja, du nimmst das so und so wahr, aber deine Wahrnehmung ist falsch – und wir wissen es besser. Wie schön, dass man das Mädchen zu einem so dummen Wesen erklären kann! Zu einem bloßen Objekt der eigenen Narrativ-Bestätigung sozusagen – denn mehr ist das Mädchen dann wirklich nicht mehr. Es ist ganz zum Objekt geworden. Etwas, was man immer dem Mann vorwirft... Während der Mann, der das Mädchen liebt, es nie zum Objekt machen würde. Niemals.

Aber wie kann man sich in ein Mädchen verlieben? Aus Sicht des Narrativs gefragt: Wie kann man nur! Aber das ist keine Frage, das ist ein Urteil. Eine Verurteilung. So aber wird man nie wahrhaftig.

Wie kann man sich in ein Mädchen verlieben? Man könnte die Frage einmal umkehren. Sie würde dann lauten: Wie kann man sich nicht in ein Mädchen verlieben? Und wenn diese Frage rein rhetorisch ist, kann die Seele auf einmal all jene unzähligen Aspekte empfinden, die die Liebe zu einem Mädchen einfach heraufrufen. Die so unendlich auf der Hand liegen. Und zwar nicht etwa auf ein eher niederes Begehren bezogen, sondern auf das objektiv Berührende eines Mädchens. So berührend, dass man jener Seele, die sich nicht in ein Mädchen verliebt, fast unterstellen muss, dass sie irgendetwas in sich unterdrückt... Dass sie ihre Seele künstlich verhärtet, um nicht auch nur in die Nähe... Ja – wie war das mit der Angst? Die Angst ist sehr praktisch. Sie erledigt viele Dinge von selbst. Sie führt sehr bequem und automatisch dazu, dass man sich nicht ... in ein Mädchen verliebt. Wo das doch auch überhaupt nur Ärger machen würde...

Merkt man jetzt wieder, wie es um die Wahrhaftigkeit steht?

Wie kann man nicht?

Aber es soll an dieser Stelle nicht konfrontativ werden. Die eigenen Verleugnungen kann jeder mit sich selbst abmachen. Dennoch wäre es von großer Bedeutung, sich einmal klarzumachen, was an einem Mädchen nicht nur liebenswert ist – das ist bereits ein sehr herabgedämpftes, geradezu ,sediertes’ Erleben –, sondern was wirklich dazu imstande ist, eine unwiderstehliche Liebe in die Seele einschlagen zu lassen. Wir wollen es einmal so existenziell begreifen... Und uns auch nicht in die Ausflucht retten, dass so etwas doch bei ,jedem Menschen’ geschehen könne – und warum es denn unbedingt ein Mädchen sein müsse.

Wir wollen einmal wirklich die Frage verfolgen, warum es bei einem Mädchen ganz besonders so sein könnte, dass man sich verliebt, und zwar rettungslos und sehr aufrichtig...

Und wer jetzt wiederum argumentiert, das wäre dann doch nur eine verborgene und verkappte ,Selbstliebe’, wenn man sich in ein derart liebenswertes Geschöpf verliebt, wie es ein Mädchen ist, der hat noch immer nichts verstanden. Denn natürlich könnte sich die ,wahre Liebe’ in jedes Geschöpf verlieben, noch das hässlichste und das am wenigsten liebenswerte – aber warum bringt man dieses Argument gerade jetzt, wo es um das Gegenteil geht? Nämlich um die Frage, die ja eigentlich offensichtlich ist – warum man sich gerade in ein Mädchen verlieben kann. Um diese Frage geht es jetzt, und man sollte davor ein einziges Mal nicht weglaufen.

Im Grunde ist es geradezu erschütternd, überhaupt irgendeinen Anlass haben zu müssen, dies erklären zu müssen – denn ohne das Narrativ wäre es geradezu selbstverständlich, dass man sich insbesondere und vor allem in ein Mädchen verlieben kann – weil alles dazu geeignet ist, dass dies geschieht. Nicht nur geeignet, sondern geradezu dafür bestimmt.

Wie ich schon im letzten Aufsatz andeutete, hat nicht nur die Natur bestimmt, dass man(n) sich in ein Mädchen verliebt, sondern auch die höhere Weltordnung der guten geistigen Mächte. Denn das Mädchen – urbildlich verstanden, wie ich es immer tue, mehr oder weniger –, ist sowohl in seiner ganzen Erscheinung als auch seinem inneren Wesen nach schöner als andere Wesen. Es offenbart eine Schönheit, die seiner Erscheinung wie auch seinem Wesen nach gleich erschütternd ist. Die Schönheit ist ohnehin ein Mysterium – wo auch immer sie auftritt. Bei einem Mädchen kann sie überwältigend sein. Das Mädchen kann geradezu eine Allmacht haben – und sein.

Und ich behaupte, dass dies von einer heiligen Vorsehung auch so gemeint ist... Die Mädchen sollen eine Macht sein, die die Seelen erschüttert, immer wieder – erst recht in einer Zeit, in der es nichts anderes mehr gibt, was eine solche Macht haben könnte...

Die unglaubliche Abstraktheit

Wir stehen hier vor dem Mysterium dessen, was Goethe das ,Ewig-Weibliche’ nannte. Aber man kann es noch sehr viel weiter spezifizieren. Das Ewig-Weibliche ist tatsächlich auch eine Macht, aber das ,ewige Mädchen’ ist in seiner zarten Macht vielleicht noch unendlich erschütternder... Und als Zeugnis könnte ich hier die Poesie der Jahrhunderte anführen – die stets bewies, wie groß und wie leuchtend die Macht der zarten Eros, dieser Göttin, und ihrer anmutigen Trägerin war und noch immer ist.

Es ist sehr aufschlussreich, dass immer sehr allgemein über das ,Ewig-Weibliche’ gesprochen wird, in gebildeten Kreisen etwa, in wohlgesetzten Zirkeln und Vorträgen – es ist sehr aufschlussreich, wie man dabei zugleich das wirklich Erschütternde vollkommen leugnen und von sich distanzieren kann. Man kann wunderbar von dem ,Ewig-Weiblichen’ sprechen und doch an der Realität vollkommen vorbeigehen...

Das Gleiche betrifft das Verhältnis zu Novalis. Man kann ihn als Dichter bewundern, man kann sogar seine Romantik, ja sogar seinen magischen Idealismus bewundern. Man kann sogar akzeptieren, dass er sich unsterblich in ein zwölfjähriges Mädchen verliebt hat – aber das ist es dann auch. Es wird ein Faktum wie eine Geschichtszahl. ,753 – Rom kriecht aus dem Ei.’ Oder: ,1789, Französische Revolution’. Genauso eben auch: ,Novalis liebte Sophie von Kühn. Erst starb sie, dann starb er. Die Liebe war unglaublich idealistisch und hat ihn zum Romantiker gemacht.’

Man kommt über das Abstrakte einfach nicht hinaus. Man begreift noch immer nicht, wie man sich in ein Mädchen verlieben kann – absolut existenziell. Es wird noch immer verdrängt wie ein unangenehmer Steuerbescheid. Es ist eine hochgradige Verleugnung. Oder man fasst es bei Novalis so auf, dass es natürlich alles hoch geistig gewesen sei – bis in die Ewigkeit reichend oder sogar noch darüber hinaus, und natürlich sei da gar nichts Körperliches gewesen, körperliche Anziehung erst recht nicht – und wenn, dann hatte das nichts damit zu tun, dass Sophie noch ein Mädchen war...

Und die andere Alternative, oder besser, die andere Un-Alternative – denn beide strotzen gleichermaßen vor Wesenlosigkeit –, ist, Novalis zu einem Vorläufer der modernen ,Pädophilen’ zu erklären – was ja heute überhaupt ein dankbares Hobby ist. Wir sahen bereits, wie man die eigene Seele dadurch wunderbar aufwerten kann. Wie man in tief perverser Weise ,Blockwart’ spielen kann, ohne dass es jemand merkt, weil einem sogar noch von verschiedenen Seiten applaudiert wird... Merkt man, wie sehr man hier in ein dumpf-kollektives, niederstes Schmutz-Denken abgleitet? Ein Denken, das oft nur damit zu tun hat, andere auf das niedrige Niveau herabzuziehen, auf dem man sich selbst bewegt (was man aber nicht wahrhaben will?).

Goldenes Kalb und Hexenjagd

So wird es heute ja mit allen gemacht, die sich auch nur irgendwie mit Mädchen ,eingelassen’ haben – fast könnte man wieder meinen, das Mädchen wäre so etwas wie eine ,vergiftete Gabe’, wenn man sich nicht gerade noch erinnern würde, dass es angeblich um den ,Schutz’ des Mädchens geht. Aber in Wirklichkeit geht es mehr noch um das Narrativ, dem alle nun hinterherlaufen wie dem Goldenen Kalb.

Heute stehen alle auf der Anklagebank, die sich der ,Kontaktschuld’ schuldig gemacht haben. Wer sich mit einem Mädchen eingelassen hat – in welcher Form auch immer –, ist heute bereits pädophil, muss sich diesen Stempel gefallen lassen. Geradezu lüstern und geifernd wird dieser Stempel heute verteilt, die Leute gieren geradezu danach, in die vorderste Front der ,politisch Korrekten’ aufgenommen zu werden – und die Auszeichnung ,Pädophilen-Jäger des Tages’ zu verdienen. Die einfachste Psychologie könnte einen wissen lassen, dass auch hier wieder niederste Instinkte aufgerufen werden. Aber dafür müsste man wieder wahrhaftig sein... Das ist heute etwas Mangelware...

Wie erbärmlich einfach ist es heute, den Brücke-Malern ihren Umgang mit nackten, sehr jungen Mädchen vorzuwerfen! Niemand fragt, was das wahre Ziel der Maler dabei war – nämlich die Unbefangenheit eines Mädchens, die Lebendigkeit, das Unsagbare, was eine Frau bereits überhaupt nicht mehr hat. Aber all das zählt plötzlich nicht mehr, weil – wir haben ja jetzt das ,Narrativ’, und dem müssen wir uns ja unterwerfen. Ja, Fritzchen, brav, du dienst dem neuen Führer gut... Ja, ich weiß, dass das heftiger Tobak ist, dies mit dem Faschismus zu vergleichen. Aber man sollte es auch einmal unter diesem Blickwinkel empfinden, innerlich. Wie sehr gibt man eigentlich sein eigenes Denken bereits ab – und wie faschistoid ist ein Narrativ, wenn dies geschieht?

Aber wir sind selbst verantwortlich dafür. Es ist das Kollektiv selbst, das ein Narrativ zu einer faschistoiden, geradezu grenzenlosen, totalitären Macht werden lässt. Wir selbst sind es – die es entweder stoppen können und seine begrenzte Wahrheit anerkennen ... oder die es zu einem absoluten Diktator werden lassen, dem, ich wiederhole es, die konkreten Mädchen absolut gleichgültig sind. Absolut. Dem es einfach nur noch um Unterwerfung geht. Totale Unterwerfung.

Die Brücke-Maler haben den Mädchen nichts getan. Aber bekanntlich werden die Mädchen heute ja auch überhaupt nicht mehr gefragt. Niemand fragt sich, wie es den Mädchen gegangen ist. Ob sie sich vielleicht in dem Kreis der Brücke-Maler wohl gefühlt haben. Ob sie gerne gemalt wurden. Und wenn es vielleicht auch um das Geld gegangen ist, was sie als Modelle dringend brauchten, weil ihre Familie arm war – fragt sich wiederum niemand, woran das lag. Etwa vielleicht am Kapitalismus? An den ungerechten Verhältnissen – gegen die letztlich gerade auch die Brücke-Maler als Bohemiens revoltiert haben? Aber nein, auf diesem Auge sind wir blind. Wir sehen nur nackte Mädchen... Aber nichts, wirklich nichts deutet darauf hin, dass sich diese Mädchen nicht wohlgefühlt haben...

Und mehr noch: Während alle anderen dem ,Narrativ’ hinterher rennen, war Kirchner der Einzige, der Fränzi später besucht hat, nach Jahren. Alle anderen haben sich für das Mädchen und die Frau überhaupt nicht interessiert. Kirchner aber war sie nicht gleichgültig. In keinem Moment.

Gauguin oder: Wer ist zu verurteilen?

Man könnte diese Überlegungen auch einmal auf Gauguin ausweiten, der aufgrund einer aktuellen Ausstellung derzeit wieder sehr diskutiert wird. Bekanntlich lebte auch Gauguin nacheinander mit drei Mädchen zusammen, die auch seine Modelle waren.

Hier wird es nun tatsächlich sehr schwierig, denn Gauguin schwängerte sie auch, steckte sie sogar mit Syphilis an – und natürlich macht man ihm das jetzt alles zum Vorwurf: Dass er Mädchen schwängerte, dass er sie mit Syphilis ansteckte – und natürlich, dass es überhaupt Mädchen waren.

Wären es Frauen gewesen, hätte kein Hahn danach gekräht. Es interessiert auch niemanden, ob die Mädchen freiwillig bei ihm waren oder nicht. Ab wann ein Mädchen auf Tahiti ganz regulär sexuell mündig war, schwanger werden konnte. Was Schwangerschaft und Kinder auf Tahiti bedeuteten und nicht bedeuteten. Wer die Syphilis auf Tahiti noch alles verbreitete – und was man damals dagegen tun konnte oder eben auch noch nicht konnte. Das alles interessiert nicht – es interessiert nur das Narrativ, und reflexartig schlagen die Gedanken zu, die man überhaupt nicht selbst gebildet hat, weil sie für einen längst gebildet worden sind.

Und weil man sich Gauguin so herrlich schön herausgreifen kann, interessiert es auch keinen, dass die Kultur Tahitis bereits seit einem Jahrhundert durch den europäischen Kolonialismus vernichtet worden war – und dass Gauguin, obwohl selbst Europäer, diesen Kolonialismus regelrecht geißelte und das Ursprüngliche suchte, was er fast nicht mehr fand, weil alles schon so schlimm war. Aber wir verurteilen nicht etwa die Kolonialisten – und uns selbst, als Europäer –, nein, wir verurteilen Gauguin, der sich danach sehnte, dass das alles nicht so gekommen wäre... (Und ja, natürlich verurteilen wir auch den Kolonialismus insgesamt, nicht wahr, aber das ist jetzt ja nicht so wichtig, jetzt geht es um Gauguin...). Und so nimmt die Unwahrhaftigkeit und Verlogenheit einfach kein Ende. Nirgendwo...

In Wirklichkeit sind auch diese Mädchen, die mit Gauguin lebten, uns gleichgültig – wir interessieren uns nicht einmal für ihre Namen. Alles, was uns interessiert, ist das Verurteilen-Können als solches. Auch wir wollen Blockwarte sein. Und herrlich schön die Augen verschließen können vor dem, was wir wirklich verurteilen sollten. Zum Beispiel unseren eigenen Tiefschlaf tausend anderen Dingen gegenüber.

Vom Missbrauch der Begriffe

Mädchen können auf unendlich unterschiedliche Weise begehrt, geliebt, verehrt werden – man kann sich auf unterschiedlichste Weise von ihnen angezogen, berührt, erschüttert fühlen.

Eines aber ist die Liebe zu einem Mädchen nie: pädophil. Es ist einfach ein völliger Unsinn, mit diesen Begriffen um sich zu werfen, wie es einem in seiner lüsternen Blockwart-Mentalität vielleicht gefällt. Auch dies ist Teil der umfassenden Verlogenheit, die hier mitspielt. Der Begriff ,pädophil’ bezieht sich auf eine Anziehung durch Kinder. Und das ist wirklich im strengen Sinne gemeint. Eine Bedingung für den Begriff ist die fehlende Geschlechtsreife. Es geht um Anziehung durch Kinder vor der Pubertät. Alles andere ist nicht pädophil. Dafür müsste man einfach nur einmal auf Wikipedia nachschauen – aber vielfach reicht die Wahrhaftigkeit nicht einmal dafür...

Spürt eine männliche Seele die Anziehung durch Mädchen jenseits der Pubertät, so handelt es sich um eine Anziehung durch geschlechtsreife Mädchen, und das hat eine vollkommen andere Qualität, wie selbst derjenige anerkennen müsste, der im Übrigen das Tabu vertritt und sich dem Narrativ unterwirft. Er dürfte zumindest nicht mehr mit dem lüsternen Kampfbegriff ,pädophil’ um sich werfen – ganz abgesehen davon, dass es auch zahllose pädophil empfindende Menschen gibt, und die allermeisten dieser Menschen auch keine Kindmädchen missbrauchen. Mit einem bestimmten Begriff immer nur Täter zu meinen, ist selbst pervers und verachtungswürdig. Aber so weit ist die heutige Diskussion eben schon gesunken...

Dass sich selbst die Wissenschaft etwas schwer tut, Begriffe für die Liebe zum Mädchen im engeren Sinne zu finden, ist selbst schon ein Armutszeugnis – es sei denn, man setzt voraus, dass dies deshalb so schwer ist, weil diese Liebe regelrecht natürlich ist. Aber allein schon, weil für diese Liebe der Begriff ,Pädophilie’ so umfassend missbraucht wird – wie gesagt, als Kampfbegriff –, wäre es notwendig, andere Begriffe bekannt zu machen. Die ,Hebephilie’ bezieht sich auf beide Geschlechter allgemein – Hebe ist die griechische Göttin der Jugend. Geht es aber um die Liebe zum Mädchen, so gibt es das wunderschöne Wort ,Parthenophilie’, das das griechische Wort für Jungfrau bzw. das noch jungfräuliche Mädchen oder auch Mädchen überhaupt enthält.

Wenn wir nun noch berücksichtigen, dass auch Maria, jenes jungfräuliche Mädchen, das dann den Gottessohn gebar und das nach allen alten Quellen höchstens vierzehn Jahre alt war, den Namen Jungfrau (parthenos) trug, sind wir wieder in der heiligen Sphäre des umfassenden Mysteriums des Mädchens angekommen...

Vom ausgeblendeten Missbrauch

Das Narrativ ist nur ein Aspekt der Wirklichkeit. Ja – es gibt Missbrauch, selbstverständlich. Überall auf der Welt gibt es Missbrauch. Auch an Mädchen. Es gibt ihn an der Natur, an anderen Menschen, an der Wahrheit, an der Seele selbst – und an all dem leiden Mädchen. Sexueller Missbrauch ist schlimm, erst recht da, wo er schwerwiegend ist. Aber in Bezug auf Missbrauch an Mädchen gibt es auch physischen Missbrauch, emotionalen Missbrauch, es gibt Vernachlässigung – aber all dies interessiert erneut unendlich viel weniger (obwohl all dies extrem viel häufiger ist!).

Warum? Liegt es daran, dass das ,Narrativ’ tatsächlich totalitär geworden ist? Liegt es daran, dass ,Sex & Crime’ so geeignet ist, unsere Empfindungen hochzupeitschen – bis hin zu einem Universal-Narrativ, das schließlich alles beherrscht? So, wie ,Corona’ zwei Jahre lang alles beherrscht hat – während kein Hahn danach kräht, dass der Zusammenbruch der Lieferketten seinerseits unzählige von Millionen von Hungernden und vielleicht auch Toten gefordert hat und fordern wird – oder auch nur hunderte von Millionen in die Armut stürzte, die ja bekanntlich mit einem viel früheren Tod verbunden ist? Aber wen interessiert das schon... Und wen interessiert es schon, dass hierunter auch viele Mädchen sein werden... Sie wurden ja nicht missbraucht, also passen sie nicht ins Narrativ, also müssen wir uns etwas anderem zuwenden...

Aber Armut begünstigt Missbrauch sehr wohl. Auch jetzt wieder werden wir vor extremen Verwerfungs- und Verarmungsprozessen stehen, wenn die Energiepreise explodieren, weil ja unbedingt die totale Konfrontation mit Russland gesucht werden musste, sozusagen der Endkampf – viele wollen nun ihrerseits Russland regelrecht von der Landkarte tilgen. Und niemand fragt sich, was das für die Realität bedeutet. Oder ob es diesen Preis wert ist. Wie ja auch Albright auf die Frage, ob eine halbe Million verhungerte Kinder im Irak den Preis wert waren ... diese Frage bejahte. Möglicherweise werden wir furchtbare soziale Kämpfe erleben, schon in naher Zukunft. Sicher aber ist, dass unter all dem die Mädchen am allermeisten leiden werden. Aber – wir wissen es schon – wen interessiert das wirklich...

Dass in einer sich verwerfenden Welt, in der die Preise verrückt spielen, weil nichts mehr sicher ist außer die Unsicherheit – und die Bereicherung derer, die selbst damit noch spekulieren, die an neuen Rüstungsmilliarden verdienen und die sogar auf Krieg hoffen, weil sie militärische Falken sind –, dass also in einer solchen Welt unzählige Mädchen real missbraucht werden, wirklich auch ganz real, sexuell, ganz einfach, weil die Armut zunehmen wird, die Konflikte, die Kriege, alles Unmenschliche ... das sollte selbst die geringste Wahrhaftigkeit begriffen haben.

Warum dennoch nicht sämtliche Kräfte auf Friedenssuche und Friedensaktivitäten gerichtet werden, entzieht sich schlicht meinem Verständnis. Es ist nur ein Schluss möglich: Es geht gar nicht wirklich um Frieden – ebenso wenig wie es um die Mädchen ging und geht. Ganz aktuell geht es um die möglichst dauerhafte Schwächung und Unterwerfung Russlands. Offenbar kann man nur noch in diesen Kategorien denken. Aber das bleibt ja nicht aus, wenn man sich täglich selbst vielfach unterwirft – zum Beispiel mächtigsten Narrativen, die in letzter Zeit sogar in immer schnellerer Folge auftauchen...

In welcher Welt leben wir?

Den Mädchen ist so nicht gedient – sie wird man auf diese Weise nur immer noch mehr dem Missbrauch zum Opfer vorwerfen. Aber vielleicht ist das ja sogar gewünscht. Hat man doch so wieder Brennstoff für das Narrativ... Jedes missbrauchte Mädchen eine Bestätigung. Ist das nicht wunderbar? So muss man schlicht einfach überhaupt nichts ändern...

Würde es einem aber wirklich um die Mädchen gehen, so würde man eines zuallererst tun müssen, geradezu dringlichst: Sich von ihnen berühren zu lassen... Und zwar zum ersten Mal wirklich...

Ich kann es nur immer wiederholen: Wer dies wirklich täte, wer dies wirklich zuließe – sich vom Wesen des Mädchens berühren zu lassen –, und zwar nicht nur kurz einmal, sondern dauerhaft ... der würde wirklich erkennen... Er würde wirklich erkennen ... und ein anderer Mensch werden.

Er würde grundstürzend erkennen, dass wir in einer Welt leben, die den Mädchen diametral entgegengesetzt ist. Eine Welt, die wir selbst geschaffen haben – und die jetzt so aussieht, weil es um die Mädchen nie wirklich ging, um sie überhaupt zuletzt, nämlich gar nicht.

Und wir wissen, dass die Gestalt unserer Welt noch immer zutiefst patriarchalisch ist, männlich dominiert, maskulin, bis in alle Strukturen hinein. Und dass dieser Prozess noch immer weiter fortschreitet, nun unter dem Vorzeichen offizieller Gleichberechtigung, aber das bedeutet nahezu nichts, weil das strukturelle Geschehen weiterhin rein maskulin ist. Es geht um Bereicherung, es geht um Machtkonzentration, um Macht-Kämpfe, um Kämpfe überhaupt, auch Verteilungskämpfe, Deutungskämpfe, Flügelkämpfe, Richtungskämpfe. Kampf, wohin man blickt.

Es ist offensichtlich, dass das Mädchen das absolute Gegenteil von alledem ist. Worum geht es also überhaupt nicht, rein gar nicht? Um das Mädchen... Was bräuchte man, um dies wirklich zu erkennen, abgrundtief? Wahrhaftigkeit...

Was ein Mädchen ist

Und nun können die Ewig-Gestrigen oder auch die Narrativ-Soldaten natürlich erneut sagen: Deswegen muss man sich noch lange und noch immer nicht in ein Mädchen verlieben. Ihnen sei geantwortet: O doch, das muss man! Und wenn ihr es noch immer nicht begriffen habt, so erkläre ich es euch geduldig noch einmal. Geduldig wie ein Mädchen...

Ein Mädchen ist das Gegenteil des Bösen, des Dunklen, des Maskulinen, das so sehr und so leicht den Versuchungen der Macht erliegt – und dann so gerne die Welt und alles um sich herum dominiert. Und damit eröffne ich keinen neuen Dualismus, es ist einfach in seiner Tendenz die Wahrheit. Weder ist jedes Mädchen ein Engel noch jeder Mann ein Dämon – aber gerade das versuchte ich ja fortwährend zu verdeutlichen. Das Paradox ist doch gerade, dass jeder Mann, der sich einem Mädchen auch nur nähert, als eine Art Dämon wahrgenommen wird – vom Narrativ. So ist es aber nicht.

Es ist jedoch so, dass die männliche Seele das Mädchen trotz alledem, egal, wie weit sie selbst innerlich entwickelt ist, als das noch unschuldigere, reinere, lichtere Wesen wahrnehmen kann – und zwar mit Recht. Und dass die Mädchenseele und das Mädchenwesen insgesamt die männliche Seele und das männliche Wesen insgesamt auf eine sehr tiefgehende Weise zu heilen imstande ist. Das gerade ist dasjenige, was bereits im ,Faust’ das Ewig-Weibliche genannt wurde, aber wir wissen, dass das heilende Wesen auch hier ein Mädchen war – und dass es hier ganz konkret und spezifisch um das ,ewige Mädchen’ geht und nichts anderes.

Das Mädchen in seinem urbildlichen Wesen, von den Märchen bis zur Poesie der Jahrhunderte, ist ein heilendes Wesen. Und der Prozess des Sich-Verliebens ist gleichzeitig der Beginn einer Heilung – denn in diesem Geschehen wird die Seele so berührbar wie vielleicht sonst niemals. Sie wird fähig zu einer Hingabe wie vielleicht sonst niemals. Und sie wird so sehr verwandelt wie vielleicht sonst niemals. Und es ist ein Geheimnis: Was man liebt, dem wird man ähnlich. Liebe ist die verwandelnde Macht schlechthin.

Wenn die Welt besser werden soll, muss man sich in ein Mädchen verlieben – denn die Mädchen sind das Beste, was diese Welt hat.

Das muss man nicht anerkennen, es ist selbstverständlich auch nicht absolut gemeint – aber die Wahrhaftigkeit wird sehr fein und sehr tief erkennen können, wie es gemeint ist...

,Gleichmacherei’ und Liebe

Wer im Mädchen nur ein ,Schutzobjekt’, ein ,bloßes Kind’ und auch sonst nur etwas ,noch nicht ganz Fertiges’ sieht, der wird noch immer – selbst nach all diesen langen Gedanken – nicht begreifen, wie man sich in ein Mädchen verlieben kann.

Es ist interessant, dass sonst immer so sehr eine Art ,Gleichmacherei’ vorherrscht. Eltern ,sollen’ heute geradezu schon mit ihren Kindern ,partnerschaftlich’ umgehen, ,auf Augenhöhe’ und all das. Aber in Wirklichkeit ist dies natürlich doch irgendwo verlogen – denn Eltern bleiben natürlich Eltern, und wenn sie Kinder tatsächlich wie junge Erwachsene behandeln, wird es nicht nur albern, sondern eine Art Wahnsinn. Weder wird dabei berücksichtigt, dass Kinder noch gar nicht wirklich urteilen können (und es auch später nicht lernen, wenn man sie zu früh damit anfangen lässt), noch, dass Kinder ein tiefes Bedürfnis haben könnten, sich an Älteren zu orientieren. Denn: Wie will sich die Seele später selbstlos und wahrhaftig an der Wahrheit orientieren können, wenn sie von klein auf urteilen durfte, wie sie gerade lustig war? Und genau das sehen wir heute überall – in allen ,sozialen’ Netzwerken: Es wird geurteilt auf Teufel komm raus. Die Wahrheit interessiert überhaupt nicht – denn man besitzt sie ja schon...

Einerseits also ist diese Gleichmacherei absolut ,en vogue’ – und viele Eltern sind derart verunsichert, dass sie überhaupt keine Ahnung mehr haben, wie sie es machen sollen ... und gleichzeitig bleiben ,Kinder’ natürlich immer ,Kinder’. Allein schon der Zwang, in die Schule zu müssen – ein abgehalftertes, selektierendes, hoffnungslos intellektualisiertes, abstraktes System –, sichert die Dominanz der Älteren. Verweigern sich die Kinder, werden sie notfalls polizeilich vorgeführt... Kind bleibt Kind. Bis es achtzehn ist.

Auch dies alles führt dazu, dass man nicht begreifen kann, wie sich ein erwachsener (!) Mann in ein minderjähriges (!) Mädchen verlieben kann. Und dass dieser Altersunterschied für beide Seiten etwas tief Beschenkendes und Erfüllendes haben kann – und dass der Mann trotz dieses Unterschiedes das Mädchen ernster nehmen kann als alle anderen um das Mädchen herum. Nicht nur kann, sondern nimmt – denn die Liebe kann das Geliebte nur unendlich ernst nehmen, ja sie heiligt es sogar. Für den Mann ist das Mädchen nicht etwa ,nur’ ein Mädchen – sondern die ganze übrige Welt ist für ihn weniger als dieses Mädchen. Und warum? Weil das Mädchen das Menschliche so tief enthält wie vielleicht nichts anderes. Und der Mann sieht das, er empfindet das, er erlebt es. Und damit sind wir wieder bei Novalis.

Die Erschütterung einer männlichen Seele durch ein Mädchen. Es ist kein Wunder, dass ein Mädchen sich durch einen Mann ernster genommen fühlen kann als durch jeden anderen Menschen. Zum ersten Mal spürt es – paradoxerweise –, dass es mehr ist als ,nur ein Mädchen’.

Das wirkliche Mysterium

Und warum ist nun ein Mädchen so unendlich berührend? Nicht nur liebenswert, sondern real berührend, erschütternd, heilend?

Es ist jung – aber eben in jeder Hinsicht. Und das hat nichts zu tun mit einem ,selbst wieder jung sein wollen’, wie all die Ignoranten meinen, die dem Narrativ hinterherlaufen. Es hat zu tun mit einer überzeitlichen Sehnsucht nach dem Telos des Menschen überhaupt – nach einem Jungbleiben, wie es die innerste Essenz der Romantiker war. Und das ist das Gegenteil des postmodernen Jugendkultes, der eher gleichbedeutend ist mit einer pubertären Orientierungslosigkeit. Es geht vielmehr um das innerste Wesen des Menschen in höherem Sinne schlechthin. Dieses Wesen ist tatsächlich zeitlos und also ganz real immer jung – aber die meisten Menschen vergessen das, sie altern daher auch innerlich, weil sie stehenbleiben. Und erst der Tod erlöst sie wieder ... zu neuem Leben.

Jungsein im spirituellen, realen Sinne bedeutet: nicht stehenbleiben. Deswegen verliebt sich ein Mann in ein Mädchen. Weil ein Mädchen von seinem Wesen her das Nicht-Stehenbleibende ist. Und es gibt einen zweiten Grund. Selbstverständlich sucht der Mann nicht bloß eine Kopie seiner selbst. Er sucht nicht das Prometheische, Unermüdliche, das ,Vorwärts, vorwärts’, das ihm entweder eingeschrieben oder anerzogen ist. Er sucht die heilige Ergänzung. Oder sogar Heilung. Er sucht das unendlich viel Sanftere. Weichere. Lieblichere. Er sucht das Mädchen, das keinem lebendigen Wesen etwas zuleide tun könnte. Er sucht das Mädchen, dessen Herz so leuchtet, dass der Mann sich geblendet fühlt und seine eigene Seele wie eine offene Wunde wird, weil er spürt: Jetzt, jetzt komme ich endlich nach Hause... Hier ist sie...

Das Mädchen ist das Nicht-Stehenbleibende allein schon deshalb, weil wir alle auf dem Weg zur wirklichen Liebe sind. Und das Herz des Mädchens besitzt sie. Die Liebe. Eigentlich zu allem. Und das kann der Mann so nicht. Er kann es vielleicht sehr weitgehend – aber das Mädchen kann es besser. Und das ist es, was ihn unendlich berührt, unsäglich...

Er will das nicht haben, im Sinne von Besitzgier, es will es lernen, im Sinne von Demut. Und so ist das Mädchen seine Lehrerin, von Anfang an. Und das erste, was er lernt, ist Hingabe. Denn das ist seine Liebe – auch von Anfang an. Und deswegen ist jedes Reden von ,Missbrauch’ fast sogar eine Gotteslästerung. Denn hier haben wir längst heiligen Boden betreten. Göttlichen Boden. Oder, wie Morgenstern sagen würde: Neugottesgrund...

Die Offenbarung

Und jene Seele, die alles unter diesem Vorzeichen sehen kann, erlebt an dem Mädchen tatsächlich alles als eine Offenbarung dieser tiefsten Wahrheit – jener Wahrheit, dass einst alles sich immer mehr verwandeln muss in Liebe, in Zärtlichkeit, in Behutsamkeit, in das heilige Mysterium von Begegnung, Kommunion...

Zärtlichkeit ... so ätherisch wie die Blattspitzen. Zärtlichkeit, die ganz in einem heiligen Umkreis lebt, im Dazwischen, zwischen dem heiligen Ich und dem noch viel heiligeren Du – ,inter-esse’, dazwischen-sein. Das ist das Mysterium der Zärtlichkeit. Zart muss man ganz aus seiner eigenen Eigenheit herausgehen, um seine Seele in einem Zwischen-raum zu beheimaten, der im Grunde schon ganz bei dem Du ist – und so auch lernen kann, zu spüren, wie für das Mädchen noch viel mehr alles ,Du’ ist, weil die Mädchenseele mit allem noch viel mehr verbunden ist, was sie umgibt.

Ganz konkret lernt die männliche Seele von der Mädchenseele eine ganz neue Daseinsweise. Ein Umkreisbewusstsein, die zarte Hingabe. Das kann man auch alles ohne das Mädchen lernen – aber wenn man es gelernt hat, erlebt man noch viel tiefer, dass die Mädchen die geborenen Lehrerinnen sind, in dieser fast vergessenen Kunst des Zarten, des Sanften. Und dass das Mysterium einfach nicht aufhört – weil man selbst es erst lernen musste, sie es aber einfach schon können... Weswegen es nie das Gleiche ist, sondern bei ihnen für immer unendlich viel anmutiger bleibt...

Und dies geht bis in die kleinsten Einzelheiten ihrer Erscheinung. Und ganz offensichtlich stehen hier Wesen und Erscheinung so wundersam im Einlang. Das lange, fließende Haar ... was ist es denn anderes als die völlige Entsprechung zu der zarten Hingabe der Seele, wenn sie wirklich ganz offen ist für die Umgebung, für alles im Umkreis ... fließend wie das Wasser, das sich hingibt und anpasst, keinen Widerstand leistet, sich vielmehr anschmiegt, weich und sanft... Dieselbe Geste offenbart das Kleid oder der Rock ... nie stillstehend, immer weich sich anschmiegend, jeder Bewegung, sich hingebend an die Bewegung der Trägerin und sogar des Windes...

Und ein Rock offenbart ja buchstäblich noch mehr – er offenbart freie Haut und ist überhaupt nicht geschlossen, also ganz real eine Offenbarung der Verletzlichkeit, damit aber zugleich auch eines tiefen Vertrauens... Das Gleiche wiederum betrifft die zarte Rundung des Mädchens unmittelbar über ihrem Herzen. Und während der Mann sein Zentrum im Kopf hat – viel zu sehr –, empfindet er beim Mädchen das Zentrum gerade hier, wo es auch wirklich ist: ganz nahe der so berührenden Brust ... ganz nahe am Herzen. Deswegen ist die Brust des Mädchens so berührend ... das Zentrum seines Wesens ist hier. Da, wo das Mädchen fühlt, empfindet, Mitgefühl mit allem hat, selbst auch leidet an allem, was leidvoll ist in der Welt... Mag die Brust bei der Frau vor allem erotisch besetzt sein – beim Mädchen ist sie zartester Eros und zugleich zutiefst Seele... Das Mädchen ist überhaupt noch ganz Seele...

Und der Schmuck? Schon der Kleidung... Schon die Borten, die feinen, vielleicht nur bescheidenen Flechtmuster? Die Schleife, die Ohrringe, was auch immer...? Sie sollen das Mädchen nicht etwa nur schöner machen – sie sollen gleichsam heilig unterstreichen, dass es schön ist. So, wie das Wunder des Regenbogens sich über die ganze Natur breitet, die auch nicht etwa erst durch ihn schön wird – sondern er ist der zarte Triumph, die sanfte Krone, die offenbart: Seht, seht doch: Die Schönheit von allem...!

Und das Geheimnis beim Mädchen ist: Nicht das Mädchen ist erst durch den Schmuck schön – sondern umgekehrt, der Schmuck ist erst durch das Mädchen schön... Deswegen ist die Schönheit dadurch so gesteigert: Weil es ein Mädchen ist, das sie trägt...

Neubeginn

Letztlich ist das Mädchen gleichsam der Regenbogen der Welt. Ein wandelnder Engel. Ein offenbares Geheimnis. Ein sichtbares sinnlich-übersinnliches Zeichen – dass die Gotteswelt die Erdenwelt noch nicht verlassen hat. Vielmehr einen neuen Bund sucht...

Aber dieser Bund kann nun, in unserer Zeit, endgültig nur noch von den Menschen geschaffen werden. Die Wiederverbindung (re-ligio) mit der Gotteswelt muss heute von der menschlichen Seele ausgehen. Das ist das Geheimnis der Freiheit, das Geheimnis der Individualität. Es kann keine Individualität geben, solange es noch allgemeinverbindliche Zusammenhänge gibt. Die Religion musste zerbrechen, um neu gefunden zu werden. ,Die zur Wahrheit wandern, wandern allein’, dichtete Morgenstern.

Und doch ist überall Gefährtentum möglich, wo der Zwischen-raum wahrhaft überbrückt wird – in der zarten Geste liebender Hingabe an das Du... Genau das erlebt der Mann bei dem Mädchen. Hier erlebt er eine Hingabe der eigenen Seele, die alles übertrifft, was er sonst kennt – weil das Mädchen so berührend ist. Und weil es so erwidernd ist ... in welcher Form auch immer. Was das Mädchen dem Mann schenkt, ist schon in seiner bloßen Anwesenheit Geschenk. Denn das Mädchen ist in allem Offenbarung – und seine Anmut endet nie. Anmut aber ist das Bewegliche schlechthin, das Nie-Stillstehende. Und so schließt sich der Kreis. Das ewige Mädchen – die Heilung des Mannes.

Und so der ganzen Welt. Bis die Welt nicht mehr männlich geprägt sein wird. Sondern das Mädchen vorangehen wird. Einst... Mit all seiner Anmut...