26.01.2023

Zehn Thesen zu Mann-Mädchen-Beziehungen

Ein Beitrag zur Wahrhaftigkeit.


Die folgenden Thesen beziehen sich auf jene Begegnungen und zarten Liebesbeziehungen, wie sie in mehreren meiner Romane erlebbar werden.

  1. Jedes Vorurteil ist genau dies: ein Vorurteil.
  2. Alles Menschliche ist individuell.
  3. Urteile, die sich nicht konkret auf Individuelles beziehen, sind pauschal und damit falsch.
  4. Bevor man urteilt, sollte man das konkrete Mädchen fragen – immer.
  5. Jedes Urteil über das Mädchen hinweg ist falsch und reale Missachtung.
  6. Wer die zarte Autonomie des Mädchens missachtet, ist dem Missbraucher nahe.
  7. Das Urteil eines Mädchens für naiv zu halten, zeugt von ungeheurer Arroganz.
  8. Mädchen und Mann können einander in einer zarten Liebesbeziehung unendlich beschenken.
  9. Die Zartheit der Begegnung zwischen Mann und Mädchen ist etwas tief Zukünftiges.
10. Tief aufrichtige Mann-Mädchen-Beziehungen bringen etwas Idealisches zur Erscheinung.

1. Jedes Vorurteil ist genau dies: ein Vorurteil.

Eine Grundtatsache ist es, dass Menschen immer viel zu schnell urteilen – allein schon, weil jedes Urteil auch mit einem Selbstgefühl einhergeht, letztlich also unmittelbar die Selbstbestätigung nährt. Der Wahrheit kann man sich dadurch nicht nähern – sie entzieht sich zart, aber unweigerlich.

Der einzige Weg zur Wahrheit ist mit einer tiefgehenden Läuterung der Seele verbunden. Sie muss sich mit Wahrhaftigkeit durchdringen. Diese geht einher mit der gerade dem heutigen Ego und Intellekt so schweren, ja unmöglichen Unbefangenheit. Diese geradezu heilige innere Haltung bedeutet, alle Urteile, die in der Seele vor der Begegnung mit der Wirklichkeit bereits vorhanden sind (Vor-Urteile), radikal bis in die Wurzel hinein zu beseitigen. Unbefangenheit bedeutet, die Wirklichkeit stets wie neugeboren ansehen zu können. Geradezu staunend, jedenfalls nicht urteilend und immer schon geurteilt habend.

2. Alles Menschliche ist individuell.

Dieser Satz ist im Grunde fast so sehr unmittelbar in sich verständlich wie der erste. Das Grundwesen jedes Menschen ist es, ein Individuum zu sein – individuell verschieden von allen anderen Menschen. Es gibt keine zwei Klone, nicht einmal bei eineiigen Zwillingen. Die Individualität ist das Grundgeheimnis des Menschen schlechthin.

Jeder Mensch ist anders, denkt anders, empfindet anders, sehnt sich nach etwas individuell anderem, reagiert und handelt anders. Darin besteht nicht zuletzt der ungeheure, berührende Reichtum des menschheitlichen Kosmos. Wen es irritiert, dass andere Mensch anders sind als man selbst, der sollte sich einmal in eine Welt voller Klone seiner selbst versetzt denken – und dann überlegen, ob er sich darin wohlfühlen würde.

3. Urteile, die sich nicht konkret auf Individuelles beziehen, sind pauschal und damit falsch.

Mit dem bisher Gesagten geht einher, dass es über Menschliches keine generellen Urteile geben kann. Jedes generelle, allgemeine, pauschale Urteil geht an der Essenz des Menschlichen vorbei – dass alle Menschen verschieden sind, dass jeder Mensch einzigartig und anders ist, ein anderes Erleben, andere Bedürfnisse, Sehnsüchte, Hoffnungen, Wahrnehmungen, Gedanken, Gefühle hat und andere Entscheidungen trifft.

Wer alle Menschen in welchen allgemeinen Urteilen auch immer ,über einen Kamm’ schert und bügelt, vergeht sich regelrecht an der Würde des Menschen – da gerade darin besteht, dass er eine Individualität ist, unverwechselbar, nie wiederkehrend, immer einzigartig. Man kann allgemeine Urteile bilden, aber sie sind dann definitiv in ungezählten Fällen falsch, weil sie schlicht nicht stimmen.

4. Bevor man urteilt, sollte man das konkrete Mädchen fragen – immer.

Dies ist der zentrale Punkt – zu dem auch die vorherigen hinführen. Denn um das Mädchen geht es schließlich. Wer das Mädchen nicht nach seiner Meinung, seinen Empfindungen und Erlebnissen fragt, der hat schon verloren – denn er beweist, dass er das Mädchen gar nicht ernst nimmt. Die folgenden Thesen werden dies weiter vertiefen.

5. Jedes Urteil über das Mädchen hinweg ist falsch und reale Missachtung.

Auch dies sollte eigentlich völlig selbstverständlich sein. Man sollte sich sehr klarmachen, dass ein Hinweggehen über das Mädchen eine tiefe Diskriminierung bedeutet – heute auch ganz konkret unter dem Begriff ,Ageismus’ bekannt: Diskriminierung aufgrund des Alters. Nicht gleichberechtigt zu sein und übergangen werden zu können, weil man noch nicht alt genug ist. Das Mädchen ist aber alt genug. Mit vierzehn hat es das Recht zu zärtlichen Begegnungen aller Art, sogar bis ins Sexuelle hinein. Es ist seine Entscheidung, mit wem es Freundschaften, mit wem es Liebesbeziehungen eingeht. Hier über das Mädchen hinweg anders zu urteilen als es selbst, ist reale Missachtung des Mädchens.

Selbstverständlich kann man persönlich anders urteilen – nur sollte man nicht beanspruchen, der Wahrheit näher zu sein als das Mädchen. Denn man hat es gerade übergangen das ist die Wahrheit.

6. Wer die zarte Autonomie des Mädchens missachtet, ist dem Missbraucher nahe.

Ich spreche immer wieder von der zarten Autonomie eines Mädchens, um erlebbar zu machen, dass diese Autonomie jederzeit verletzt werden kann, durch Manipulation, aber auch Arroganz aller Art. Ferner liegt in dem Begriff des Zarten auch überhaupt das Wesen des Mädchens selbst – die ganze Anmut, mit der ein Mädchen jederzeit anders urteilt als alle anderen, viel vertrauensvoller, aber auch viel wahrhaftiger als die gewöhnliche Seele oder gar der heute immer mehr dominierende Intellekt.

Zarte Autonomie – das so unendlich Berührende des Mädchens, das eine ganz eigene Sicht auf die Dinge hat, die der ganzen übrigen Welt und ihrer Sicht widersprechen können. Das Mädchen hat ein Recht auf sein Erleben und seine Wahrheit. Und nur wer das Mädchen zutiefst ernst nimmt, kann hoffen, sich der Wahrheit ebenfalls zu nähern. Wer dagegen die zarte Autonomie des Mädchens nicht achtet, gleicht dem Missbraucher, der dies ebenfalls nicht tut. Dieser nutzt sie aus, jener tut so, als existiere sie gar nicht.

7. Das Urteil eines Mädchens für naiv zu halten, zeugt von ungeheurer Arroganz.

Die zarte Autonomie eines Mädchens ist geprägt von seinem Wesen. Dieses Wesen kann sehr aufrichtig, sehr offen, vertrauensvoll und so weiter sein. Dies macht das Mädchen so verletzlich wie wahrhaftig. Es ist leichter verletzbar – aber es sieht zugleich die Wahrheit auch deutlicher. Denn jene Seelen, die sich mehr verschließen, sind einerseits geschützter, andererseits weniger unbefangen und damit ihren jeweiligen Meinungen bereits viel näher als der Wahrheit. Die zarte Autonomie eines Mädchens ist verletzlich – dennoch sieht das Mädchen die Wahrheit oft sehr klar.

Gerade ein empfindsames, vielleicht sogar schüchternes Mädchen wird sich keineswegs ohne Weiteres mit einem Mann einlassen. Und es wird jede leise Enttäuschung auch unmittelbar spüren. Man mag die grundsätzliche Offenheit eines aufrichtigen Mädchens für naiv halten – aber dann mache man gleich ganz innere Härte zum Gesetz der Welt bis in alle Zukunft und erkläre das Misstrauen für das wahrhaft Menschliche.

Offenheit also mag man für ,naiv’ erklären – aber das Urteil eines Mädchens ist keineswegs naiv. Gerade weil es so fein empfindet, auch jede Abweichung vom Ideal, ist sein Urteil wohl fast immer viel wahrer als das aller anderen. Das Mädchen dagegen für ,naiv’ zu halten, ist unendlich arrogant – und sichert nur die eigene Anmaßung, die eigenen Urteile als die angebliche Wahrheit.

8. Mädchen und Mann können einander in einer zarten Liebesbeziehung unendlich beschenken.

Das ist jener Satz, gegen den das pauschale Urteil Sturm läuft. Genau diese Wahrheit will man eben um alles in der Welt bekämpfen und aus der Welt schaffen. Denn dann wäre alles ganz einfach – denn wäre das Pauschale plötzlich wahr, das Individuelle nicht vorhanden, jeder Mann, der ein Mädchen liebt, ein Missbraucher und alles ganz, ganz schlecht... Dann bräuchte man nicht mehr unbefangen wahrzunehmen, dann wäre jegliches Vorurteil berechtigt, denn es wäre die Wahrheit.

Jede kleinste Besinnung kann zu der Erkenntnis führen, dass dies ein völliger Irrsinn ist. Um diese ,Wahrheit’ zu widerlegen, würde ein einziges Gegenbeispiel reichen, in dem Mädchen und Mann einander wirklich unendlich beschenken – meine Romane geben gleich mehrere solcher berührender Beispiele, und keiner sage, sie seien unrealistisch! Dafür müsste man sie erst einmal lesen, wenn man wahrhaftig sein wollte.

Mädchen und Mann können einander zutiefst beschenken – und je eher man diese Wahrheit anerkennt, desto eher verabschiedet man sich von der Unwahrhaftigkeit pauschaler Urteile, die etwas nur deshalb leugnen, weil die Welt dann viel einfacher wäre. Man müsste nicht mehr differenzieren, man könnte sich endlich in seinen Vorurteilen einrichten; alle Mädchen, die sich auf eine Beziehung mit einem Mann ,einließen’, wären Opfer, alle Männer wären verantwortungslose Subjekte, vielleicht sogar ,Schweine’ – und wozu einen Roman lesen, der etwas anderes zu schildern behauptet, mit ,so etwas befasst man sich gar nicht’... Abwehrreaktionen sind meistens vollkommen irrational, nur so kann man die Abwehr aufrechterhalten.

Erst wenn die Abwehr innerlich aufgegeben werden kann und man unbefangen zu werden vermag, würde man der Wahrheit näherkommen. Man könnte plötzlich berührt werden. Man könnte erkennen, dass völlig individuelle Schicksalsbegegnungen zu einem tiefen, zarten, heiligen, innigen Glück zweier Menschen führen können, die trotz all ihrer Verschiedenheiten innigst seelenverwandt sein können, kurz: einander unendlich beschenken können – und dies auch tun.

Vielleicht ist man ja sogar neidisch auf diese tiefe Glück – vielleicht rührt ja ein Teil der Abwehr auch daher, dass man einem Mädchen dieses Glück gar nicht gönnt. Dass man über dieses Mädchen hinwegbügeln möchte, um die Welt wieder schwarz-weiß und einfach zu haben. Niemand soll glücklich sein, erst recht nicht ein Mädchen – und erst recht nicht mit einem Mann! Hier häuft sich soviel Irrationalität an, dass die Abwehr gegen diese einfache Tatsache – dass Mädchen und Mann dies können: glücklich sein – nur durch eines überwunden werden kann: den eigenen guten Willen der Seele, Scheuklappen, Vorurteile und Verurteilungen endlich abzulegen und wirklich zu sehen...

Es geht nicht darum, die vielen Fälle von Missbrauch nicht zu sehen. Aber das sind nicht die Fälle, um die es hier geht. Hier geht es um aufrichtige Liebesbeziehungen, also das Gegenteil. Man kann nicht das eine gegen das andere ausspielen. Jedes einzelne Mädchen hat ein Recht auf Glück. Man kann nicht den einen dieses zarte Glück nehmen wollen, um die anderen vermeintlich (!) besser zu schützen. Kein Missbrauch der Welt hört auf, bloß weil man die Tatsache leugnet, dass Mann und Mädchen glücklich sein können – und einander aufrichtig beschenken können. Dieses Leugnen hilft nur einem: der Unwahrhaftigkeit.

9. Die Zartheit der Begegnung zwischen Mann und Mädchen ist etwas tief Zukünftiges.

Dass es so viel Missbrauch in der Welt gibt (nicht nur gegenüber dem Mädchen!), liegt daran, dass die Kräfte der Liebe, der zarten Hingabe, noch immer kaum entwickelt sind – und dass vieles, wie Anonymität, Selbstbezug, Kälte, Hasskräfte, sogar in eine völlig andere Richtung führt. Missbraucht wird immer das mehr oder weniger Wehrlose: Frauen in einem patriarchalen Zeitalter, Mädchen zu jeder Zeit, Tiere und Natur, die ganze Schöpfung, auch zu jeder Zeit. Aber jeder Missbrauch ist immer nur die dunkle Seite der Seele. Stets ist die Seele auch zu dem ganz anderen fähig – und dies ist ihr wahres Wesen.

Die Begegnungen zwischen Mann und Mädchen, die sich in meinen Romanen ereignen, sind geprägt von einer Zartheit, die in der übrigen Wirklichkeit ihresgleichen sucht. Die Voraussetzung hierfür ist, dass die männlichen Protagonisten ein reiches, tief entwickeltes Seelenleben haben, eine tiefe Ehrfurcht vor dem Wesen jenes Mädchens, in das sie sich verlieben, und eine ebensogroße Ehrfurcht vor dessen zarter Autonomie, die sie niemals verletzen wollen. Sie wissen, dass sie sich selbst der Begegnung und der Zuneigung des Mädchens würdig machen müssen.

Und dies ist der zentrale Grund, dass die Begegnungen so zart sind. Sie sind es schon deshalb, weil ein Mädchen so verletzlich ist. Aber sie sind es auch, weil der Mann in sehr verletzlicher Weise weiß, dass er die Zuneigung des Mädchens gar nicht verdient – dies ist jedenfalls jederzeit seine subjektive Empfindung, und gerade diese heilige Verehrung des Mädchens in seinem ganzen Wesen führt dazu, dass sich die Kräfteverhältnisse regelrecht umkehren. Die eigentliche ,Macht’ hat das Mädchen. Und dies – dies macht die ganze Begegnung so unendlich zart, so tief berührend. Es ist eine Vorsicht, eine Behutsamkeit, eine Zärtlichkeit, die keinen Vergleich in der übrigen Welt hat.

Aber das heilige Ziel des Menschentums in alle Zukunft hinein ist es, diese unglaublich reine, unschuldige Qualität auch in der eigenen Seele immer mehr wahr werden zu lassen, aufkeimen und aufblühen zu lassen: eine Zartheit ... gegenüber dem anderen Menschen, gegenüber dem Tier, gegenüber der ganzen Schöpfung. Es ist ein zutiefst berührender Ausblick auf eine noch weit in der Ferne liegende Menschheitszukunft, die Mann und Mädchen in ihrer Begegnung schon jetzt vorleben.

10. Tief aufrichtige Mann-Mädchen-Beziehungen bringen etwas Idealisches zur Erscheinung.

Die gewöhnliche Seele hat heute überhaupt keinen Begriff mehr von dem Idealischen. Sie hat auch nicht mehr den Mut, das Ideale ernst zu nehmen. Ideale sind etwas für Träumer, manchmal hat man sie in einem verschämten Winkel seiner Seele noch selbst – aber ernst nehmen? Nein, tut man sie (und sich damit) nicht. Was zählt, ist die ,Realität’.

Dass aber Ideale gerade etwas sind, was immer wieder Realität werden will; dass sie etwas sind, was mit unserem innersten Wesen innig eins ist, das sie in sich trägt – das nimmt man nicht mehr ernst. Ideale sind etwas Reales – nur nicht in der äußerlich-sinnlichen Welt, denn diese vorfindliche Welt muss ja erst im Sinne dessen, was wir als Tiefstes in uns tragen, gestaltet werden. Wie könnte man je glauben, das Ideale fertig vorzufinden, ohne etwas dafür getan zu haben?

Aber Mann und Mädchen haben viel getan, weshalb dann in ihrer Begegnung etwas so Außerordentliches zur Erscheinung kommt. Die Vorbedingungen in der Seele des Mannes, die einerseits vorausgegangen sein müssen und sich andererseits auch in jedem Moment neu verwirklichen, habe ich schon angedeutet. Das Mädchen in seinem berührenden Wesen bringt ebensoviel mit in die Begegnung, dies dürfte erst recht unmittelbar deutlich sein. Man kann diese Qualitäten immer wieder nur berührt andeuten – als Unschuld, Offenheit, Aufrichtigkeit, Wärme, Liebefähigkeit und überhaupt eine tiefe Liebe zur Welt, eine tiefe Selbstlosigkeit.

Es sind lauter Qualitäten, die die ganze Welt wieder heilen könnten – wenn auch andere Seelen sie wahrmachen würden; wenn sie auch andere Begegnungen prägen würden. Die heilige Ehrfurcht und Tiefe des Mannes, der männlichen Seele – und die heilige Unschuld und Tiefe des Mädchens ... sie bringen etwas zur Erscheinung, was zutiefst leuchtet. Es ist ein lebendiges Ideal. Immer wieder.