01.03.2023

Toxisches Machtungleichgewicht

Einblicke in die reale Wirklichkeit.


Im Januar zensierte epubli über Nacht zwanzig meiner Bücher, in denen die Begegnung zwischen Mann und Mädchen in einer Qualität existiert, die tief zukünftig ist – geprägt von Zartheit, Vorsicht und tiefer Achtung füreinander. Von Behutsamkeit, Innigkeit und gegenseitigem Glück. Als ich versuchte, von epubli noch einmal zu erfahren, was genau die Gründe waren und unter welchen Voraussetzungen ich künftig wieder irgendwelche Bücher auf dieser Autorenplattform (!) veröffentlichen könnte, kam es innerhalb von insgesamt nur einer Viertelstunde zu folgendem Schriftwechsel.

Mein Schreiben

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Januar wurde von Ihnen der Autorenvertrag mit mir gekündigt, weil ich in Ihren Augen gegen die AGB verstoßen hätte. Ich hatte unmittelbar nachgefragt und habe keine weitere Begründung oder Antwort erhalten.
Eine solche wäre mir aber sehr wichtig, denn ich kann nicht glauben, dass Sie in allen zwanzig Büchern einen solchen Verstoß gesehen haben. Auch bitte ich darum, wieder Bücher bei Ihnen veröffentlichen zu können. Dafür muss ich konkret wissen, worauf ich achten muss.

Zur Erläuterung: Im Zentrum meiner Bücher steht die Gestalt des Mädchens als Wesen mit weit überdurchschnittlicher Empfindungstiefe. Wie unendlich notwendig diese ist, muss man wahrscheinlich angesichts von Krieg, Klimakrise, ökologischer Krise, zunehmender Arm-Reich-Schere, Verrohung der Diskurse, Eskalation der Geopolitik etc. nicht betonen. Ganz zentral behandeln dies z. B. meine Bücher ,Der Kapitalismus und das Mädchen’, ,Mädchenland’ und ,Die Erlöserin’.
In diesen wird auch deutlich wie sehr die Gestalt des seelisch noch tief empfindenden Mädchens der genaue Gegenpol des emotional verarmten Mannes ist, auf dessen Wirken alle genannten Krisen zurückzuführen sind.
Diese Konstellation ist auch der Hintergrund jeglichen Missbrauchs: das Mädchen verletzlich, der Mann ausnutzend.

Die meisten meiner Bücher schildern nun gerade Begegnungen zwischen einem Mann und einem Mädchen – und zwar in völlig gegenteiliger Art: behutsam, vorsichtig, in tiefer Achtung. Die Protagonisten dieser Bücher sind von dem Mädchen tief berührt, verlieben sich deshalb und können in der Begegnung oft nur geradezu scheu um dessen Zuneigung werben. Da sie aber selbst auch innerlich empfindsam und entwickelt sind, oft sogar eine tief idealistische Seele haben, fühlt auch das Mädchen sich in der Begegnung beschenkt. Aufgrund dieser zutiefst behutsamen Qualität der Begegnung wird diese geradezu ein berührendes Vorbild für tief menschliche Begegnung überhaupt – im Grunde für die Menschheitszukunft. Dabei ist es gerade das Verletzliche im Mädchen, was die reinsten und menschlichsten Regungen in der Seele des Mannes hervorruft – so sehr, dass auch vom Mädchen aus oft eine sehr innige Beziehung entsteht.

Ich möchte Sie daher bitten, Ihre Gesamtkündigung sämtlicher zwanzig Titel zu überprüfen. Fast alle Titel waren zuvor nicht einmal ,aus Jugendschutzgründen’ ausgeblendet, in anderen Fällen hatte eine Nachfrage und Erläuterungen meinerseits sogar zur Wiedereinblendung eines Titels geführt.

Thema meiner Romane ist das Wesen tiefster Menschlichkeit und Begegnungsqualität. Der einzige ,Fehler’ dieser Romane ist, dass sich diese berührenden Begegnungen zwischen Mann und Mädchen ereignen, also genau auf dem Feld so häufigen Missbrauchs, völliger Abwesenheit dieser Qualität bzw. Begegnung überhaupt. In meinen Romanen dagegen zeigt sich, was Begegnung in Wahrheit sein kann. Diese tiefe Menschlichkeit ist mein Thema. Andere Autoren widmen sich Psychothrillern, Splatter-Themen, seelenlosem Sex, Gewalt, Horror, Krimis (die doch auch immer um Gewalt und Verbrechen kreisen). Dass all dieses Material täglich veröffentlicht wird, in einem Gewöhnungseffekt längst als völlig normal ,durchgeht’, während meine Romane als Verstoß gegen die AGB gewertet werden, kann ich gerade vor dem Hintergrund, welche Qualitäten es heute mehr denn je braucht, nicht begreifen.

Ich bitte daher sehr um die nochmalige wohlwollende, unbefangene, gerechte Prüfung meiner derzeit gekündigten Bücher. Und ich bitte um die Möglichkeit, wieder Bücher bei Ihnen veröffentlichen zu können, gerne mit jedem Hinweis, was genau zu beachten wäre.

Mit freundlichen Grüßen,
Holger Niederhausen

Die ,Antwort’

Hallo Holger Niederhausen,

entsprechend unserer AGB sind wir nicht dazu verpflichtet, unsere Entscheidung weiter zu begründen. Eine erneute Veröffentlichung der Titel über unsere Plattform ist ausgeschlossen. Sie können die Bücher gern über eine andere Plattform veröffentlichen.

Viele Grüße
Ihre epubli Autorenberatung

Mein Schreiben

Sehr geehrte Mitarbeiter,
 
und was ist mit künftigen Titeln? Was muss ich beachten? Wie kann ich verhindern, dass ich die AGB verletze?
 
Mit freundlichen Grüßen,
Holger Niederhausen

Die ,Antwort’

Hallo Holger Niederhausen,

da Sie anscheinend wirklich nicht verstehen, worum es geht, würden wir Sie bitten, von künftigen Veröffentlichungen über unsere Plattform abzusehen.

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei einem anderen Geschäftspartner.

Viele Grüße
Ihre epubli Autorenberatung

Die Wirklichkeit

Nachdem dies innerhalb von wie erwähnt nur einer einzigen Viertelstunde geschehen war, konnte ich nur noch folgende Gedanken zurücksenden.

Sehr geehrte Mitarbeiter,

meine erste lange, ausführlich erläuternde E-Mail hatten Sie nach vier Minuten (!) bereits beantwortet. Ich frage mich, wie das sein kann. Meine unmittelbar darauf gestellte Frage, was ich tun kann, um Ihre AGB aus Ihrer Sicht künftig nicht zu verletzen, hatten Sie ebenfalls innerhalb weniger Minuten beantwortet.

Weder von meinen Erläuterungen noch erst recht von meinen Büchern konnten Sie sich in diesen wenigen Minuten wirklich ein Urteil bilden. Es kann also nur so sein, dass in Ihrem System ein ,Vermerk’ vorliegt – und ich frage mich, was für ein Vermerk dies ist.

Sie ,bitten’ mich, von künftigen Veröffentlichungen über epubli abzusehen, da ich ,anscheinend wirklich nicht verstehe, worum es geht’. Ich bat Sie ja darum, mir die entscheidenden Hinweise zu geben.

Nicht einmal dieser Bitte kommen Sie nach, während Ihre ,Bitte’ so heuchlerisch ist, wie ich es selten erlebt habe – da Sie mich ja für Ihre Plattform gesperrt haben. Das ist in etwa so, wie wenn man jemandem ungerührt die Beine wegschießt, keine Begründung dafür geben muss, ihn dann aber ,bittet’, ein von nun an abgesperrtes Gebäude nicht mehr zu betreten.

Ich kann Ihnen nur sagen, dass meine ProtagonistInnen unendlich viel menschlicher handeln als Sie.

Sie schreiben anonyme, hastige Einzeiler, die mit einem unglaublichen Machtungleichgewicht Tatsachen schaffen, Menschen sperren, keine Begründung geben müssen, jegliche Wahrheit mit ungeheurer Arroganz (,da Sie anscheinend wirklich nicht verstehen, worum es geht’) für sich beanspruchen – und das Ganze dann noch ungeniert ,Autorenberatung’ nennen.

Sie sind damit ein besonders schlimmes Beispiel für jenes maskuline Machtverhalten, dem nicht nur Mädchen, sondern die Menschlichkeit überhaupt und dieser ganze Planet zum Opfer fallen. Sie sind schlimmer als sogar der Durchschnitt – Sie sind Vorreiter der Anonymität und Unmenschlichkeit, der reinen Arroganz der Macht.

Und nebenbei tragen Sie zur Zensur bei und dazu, dass selbst fiktive Literatur immer unehrlicher wird. Meine ProtagonistInnen begegnen sich mit tiefster Achtung. Aber weil es sich um einen Mann und ein Mädchen handelt, ist dies von Ihnen nicht gewollt. Das Opfer-Narrativ soll das einzige sein – auch in der Literatur. Andere Welten, andere Realitäten, andere Begegnungen darf es nicht geben. Nicht einmal in der Kunst, nicht einmal als Roman. Unmenschlichkeit – jederzeit, ist ja ,nur Literatur’! Aber eine tiefe, berührende Menschlichkeit – nein! Sperren, canceln, nicht weiter begründen, einfach nur Machtspruch und fertig. Reine Maskulinität. Toxisch.

Freundliche Grüße,
Holger Niederhausen