2012
14.06.2012

Ergänzende Gedanken und Tatsachen zum Kongress „Lust auf neues Geld“

Ergänzendes zu meinem Rückblick auf den Kongress "Lust auf neues Geld" vom 9. Juni 2012 in der Arena Leipzig.


Inhalt
Einleitung
Anthroposophie
Die Schwierigkeiten der Verständigung
Die Zeitschrift „Humane Wirtschaft“
Anmerkungen zum Kongress

Einleitung

Aus drei Gründen ist es mir ein Bedürfnis, meinen Rückblick auf den Kongress in einem zweiten Aufsatz noch ausführlich zu ergänzen.

Erstens möchte ich (erst) an dieser Stelle weitere, mehr von der Anthroposophie ausgehende, auch kritische Aspekte hinzufügen. Zweitens kann ich hier viele Ergänzungen geben, die über den eigentlichen Kongress hinausgehen. Und drittens gibt es auch zu den Organisatoren selbst noch einiges zu sagen.

Ich glaube, dies ist überhaupt in vielerlei Hinsicht derjenige Ansatz, der allein zu einem heilsamen Miteinander und einem immer tiefgehenderen Verständnis füreinander führen kann: Man stelle das viele Positive möglichst rein dar und stelle dann die eigenen Anmerkungen, weiterführenden Gedanken und notwendige Kritik daneben. Im Grunde kann nur so beides in Reinheit und Vollständigkeit da sein. Die meisten Menschen vermischen diese Sphären, und wenn sie etwas Bedenkliches wahrnehmen, verdeckt und vernebelt dies unmittelbar die ganze übrige Wahrnehmung – und zwar nicht erst im Rückblick, sondern von vornherein! Man selbst sieht dann nicht mehr das Positive, das doch auch da ist, oder es schattet sich ab zu einem blassen Rest, getrübt durch das andere.

Die Kunst, die wir lernen sollten, ist, beides wirklich wahrzunehmen – in voller Stärke. Nicht das eine durch den Spiegel und in Überlagerung des anderen, wodurch ein „gemischter König“ entsteht, ein „Mittelwert“, ein „Unterm-Strich-Urteil“, sondern alle Ebenen und Facetten möglichst differenziert und jede für sich... Dann kommen wir zu einer viel größeren Reinheit der (verschiedenen) Wahrnehmung(en) und damit auch zu einer viel größeren Reinheit des Urteils. Diese Trennung ist bereits eine Schulung im Zurückhalten der eigenen Subjektivität – und diese Schulung muss natürlich ganz bewusst immer weiter und noch weiter verfolgt werden...

Anthroposophie

Die Anthroposophie hat natürlich einen sehr anderen Ansatz, als er diesem Kongress zugrunde liegt. Diese Feststellung mag verwundern, denn auch Rudolf Steiner hat ja – in deutlicher Übereinstimmung mit Silvio Gesell und seiner Freiwirtschaftslehre – ein „schwindendes“ statt scheinbar sich vermehrendes Geld und ein neues Bodenrecht als wichtige Aspekte eines menschengemäßen Wirtschaftslebens gefordert.

Aber der Geld-Begriff von Rudolf Steiner und überhaupt die Idee des sozialen Organismus gehen ja wesentlich weiter als die Vorschläge Gesells. Nur ist die wirklich geistdurchdrungene Anschauung etwas, was man als allergrößte Aufgabe überhaupt erst einmal erkennen muss. Die heillose Katastrophe unseres heutigen Geldsystems zu erkennen, ist offenbar für Fachleute, aber auch für normale Menschen heute schon schwer genug. Die heillose Katastrophe unserer Situation als Mensch, unserer conditio humana zu erkennen, ist noch unendlich viel schwerer, denn unser gesamter Blick, unser ganzes Seelenleben, ist ganz nach außen gerichtet, ja gerissen – wir haben nicht einmal mehr eine Ahnung von dem Reichtum und den Welten unseres Seeleninneren, die da sein könnten, wenn wir sie ... erwecken. 

Und zu einem solchen „Thema“ würden natürlich kaum mehrere hundert Menschen kommen. Die Unmöglichkeit beginnt schon bei der Frage, wie ein solches Anliegen überhaupt angekündigt werden könnte. Und hätte man es doch in Worte fassen können, so würde es von den Menschen gar nicht verstanden werden – denn man würde es fast zwangsläufig mit allen möglichen esoterischen Strömungen (und seinen eigenen Vorstellungen davon) in eins werfen, damit aber gerade völlig verkennen.

Rudolf Steiner hat auch kein Grundeinkommen gefordert, sondern sprach von einem Mindestlohn, aber auch dies kann man nicht einfach so holzschnittartig wiedergeben. Er schaute die sozialen Verhältnisse von vielen Seiten aus an und gab verschiedene Vorschläge, betonte aber vor allem immer wieder, dass das Wesentliche nicht die einzelnen Vorschläge seien, sondern die Anschauung an sich. Was er über den sozialen Organismus sagen konnte, kann das gesamte Denken über diese Fragen verändern. Es geht nicht darum, anderes zu denken, sondern es geht darum, überhaupt anders zu denken.

Die Tragweite dieser Aussage und zugleich die Gefahr, sie misszuverstehen, kann gar nicht überschätzt werden. Denn selbstverständlich sind wiederum Vertreter aller spirituellen Strömungen der Meinung, sie würden in ebendiesem Sinne bereits anders denken. Das ist jedoch in Steiners Sinne nicht der Fall. Aber hier versagen wirklich die Worte, und es hilft nur noch ein echtes Verständnis von Rudolf Steiner selbst weiter, keine Interpretation, sondern echtes Verständnis – oder die reale Erfahrung des Geistigen, zunächst jenes „zweiten, höheren Menschen“, von dem Rudolf Steiner sprach. Man kann sich nur in seine wahrhaftige Sprache vertiefen und diese Wahrhaftigkeit in sich aufnehmen, um dahin zu kommen, nicht wieder und wieder einem subjektiven Missverstehen und schlichtweg ungeheuren Illusionen zu unterliegen.

Und natürlich forderte Rudolf Steiner nicht nur eine freie Presse, sondern ging auch hier wesentlich weiter, indem er von der absoluten Notwendigkeit eines insgesamt freien Geisteslebens sprach. Das schließt selbstverständlich den gesamten Bildungsbereich ein – und hier sowohl den akademischen Bereich, dessen katastrophale Lage auf dem Kongress ebenfalls deutlich wurde, als auch den Schulbereich, wo die Gründug der Waldorfschule eine revolutionäre Tat größten Ausmaßes sein sollte (vgl. einige Zitate dazu).

Die Schwierigkeiten der Verständigung

Vor diesem Hintergrund dürfte es sehr nachvollziehbar sein, dass es äußerst schwierig ist, über diese Dinge überhaupt zu einer Verständigung zu kommen. Anthroposophie ist selbst ein Weg – jeder Mensch, der sich der Anthroposophie verbunden fühlt, weiß dies. Daher kann man nicht hoffen, sich anderen Menschen unmittelbar überhaupt verständlich machen zu können. Zwar wies Rudolf Steiner auch immer wieder darauf hin, dass der unbefangene „gesunde Menschenverstand“ selbstverständlich ein erstes unmittelbares Verständnis möglich macht – aber die Frage bleibt doch: Wie weit geht die Unbefangenheit und der gesunde Menschenverstand überhaupt?

Die Situation ist heute noch wesentlich schwieriger als früher, denn wiederum muss man sagen: Die Seele und der Verstand werden heute mit aller Kraft in die Veräußerlichung gerissen. Die ruhige Innerlichkeit früherer Zeiten, die schon vor einem Jahrhundert bis auf Reste verlorengegangen war, ist heute fast ganz ausgelöscht. Was wir heute als Innerlichkeit wahrnehmen, ist in nichts vergleichbar mit dem, was für eine echte Unbefangenheit und einen wirklich noch gesunden Menschenverstand notwendig wäre – und was auch wieder entstehen kann, wenn man sich auf einen inneren Entwicklungsweg begibt.

Heute will sich generell der eine Mensch vom anderen Menschen nichts mehr sagen lassen. Das muss er auch nicht, aber dann bleibt jeder im Gefängnis seiner Vorstellungen befangen und wird nie zu einer echten Unbefangenheit oder zu einer größeren Objektivität kommen. Die größten Geister haben sich zu allen Zeiten noch von dem Geringsten belehren lassen, wenn hier wirklich etwas zu lernen war. Ihre Unbefangenheit war so groß, dass sie unmittelbar sahen, wo sie etwas lernen konnten. Sehen und lernen war eins, es war die verwirklichte innere Demut, die ganz zweifelsfrei erkannte, was zu erkennen war.

Und wir haben heute nicht nur weitgehend die Fähigkeit verloren, zu erkennen, was wir lernen können, sondern auch, uns in unseren Willenszielen in einen Einklang zu bringen. Wie sehr hängen wir an dem einen oder dem anderen Rezept, an der einen oder der anderen Vorstellung! Das ist es, was die ganzen Streitigkeiten bringt – gerade unter jenen idealistischen Menschen, die etwas verändern wollen und glauben, etwas Substantielles beitragen zu können. Dies ist ein wesentlicher Grund der zahllosen Streitereien unter der LINKEN, aber auch überhaupt unter linken Gruppierungen, dann auch unter Anthroposophen – und natürlich auch unter Freiwirtschaftlern.

Es ist manchmal erstaunlich, wie viele Differenzen möglich sind. Es sind teilweise so viele, dass man es gar nicht für möglich gehalten hätte. Wenn man es wenigstens ganz objektiv als eine Erkenntnis- und Wahrheitsfrage nehmen könnte! Aber fast immer knüpfen sich dann die ganzen persönlichen Befindlichkeiten, Eitelkeiten, Verletzlichkeiten und so weiter daran – eigentlich ein Beweis dafür, dass die eigene Selbsterziehung noch kaum Früchte getragen hat (falls man darin überhaupt eine große Aufgabe erkennt).

Sehr offen und ehrlich beschreibt diese Differenzen innerhalb der Freiwirtschafts-Bewegung Felix Coeln in dem aktuellen Heft von „Humane Wirtschaft“, dem Begleitheft zum Kongress. Im Rückblick auf einen Geldkongress, der im März in Köthen stattfand, schreibt er:

Menschen verschiedener Herkunft, mit den unterschiedlichsten Charakterzügen und Mentalitäten, konnten sich erstmals auf der persönlichen Ebene begegnen und näher kommen, was bislang als unmöglich galt. Konfliktpotential gab es zuhauf, und natürlich brach der eine oder andere Konflikt auch tatsächlich aus. Dennoch gelang es, angesichts der Chancen, die Kräfte zu bündeln, diese Konflikte in den Hintergrund zu stellen. Meistens. [...]


Der gemeinsame Geist, der sich in der Geldbewegung nicht so wirklich einstellen will, wird geboren werden auf gegenseitigem Verständnis und Verstehen. Beides läuft nicht alleine vonstatten. Sowohl Verstehen als auch Verständnis erfordert das sich in die Seele des anderen Menschen Hineinversetzen.

Genau dieses Letztere ist der entscheidende innerliche, seelisch-geistige Vorgang, über den Rudolf Steiner so Wesentliches sagen konnte! Und es ist schon so: Wenn man an diesem zentralen Punkt nicht weiter kommt – immer weiter und weiter –, dann wird man sich zum einen noch nicht einmal auf die „richtigen Maßnahmen“ einigen können. Zum anderen aber wird eine Gesellschaft, selbst wenn die „idealsten Maßnahmen“ durchgeführt worden sind, sogar mit diesen immer wieder auf einen zerstörerischen Egoismus zurücksinken:

Bei Menschen ohne eine auf den Geist sich richtende Weltauffassung müssen nämlich notwendig gerade diejenigen Einrichtungen, welche den materiellen Wohlstand befördern, auch eine Steigerung des Egoismus bewirken, und damit nach und nach Not, Elend und Armut erzeugen.
Rudolf Steiner, GA 34, Geisteswissenschaft und soziale Frage, S. 217

Die Zeitschrift „Humane Wirtschaft“

Auch wenn der Kongress selbst für die Menschen, die sich mit dem Thema schon intensiver beschäftigt haben, kaum wesentlich Neues geben konnte, ist es doch jedes Mal wieder notwendig, den Blick für das Wesen der Katastrophe und die absolute Notwendigkeit der Veränderung zu schärfen, immer und immer neu. Wesentlich mehr Informationen enthält dann die schon erwähnte Zeitschrift „Humane Wirtschaft“, die schon im 43. Jahrgang erscheint und vom Förderverein Natürliche Wirtschaftsordnung herausgegeben wird.

Man findet hier neben Kommentaren zum Zeitgeschehen auch immer wieder neue Ansätze, eindrückliche Bilder für den Wahnsinn unseres heutigen Geldsystems zu finden.

So vergleicht ein Autor den durch den Zins hervorgerufenen Wachstumszwang mit der fiktiven Situation, dass man in einer Fussball-Liga eine Torbilanz nur ausgleichen könnte, wenn man mehr Tore schießt, als man erhalten hat. Innerhalb kurzer Zeit würde es nur noch um Tore um jeden Preis gehen. Es gäbe die verrücktesten Maßnahmen: mehrstündige Spiele, kleinere Spielfelder, Eckbälle als Vierteltore, obligatorische Elfmeterschießen usw. – Und das Perfideste wäre, dass die Tore des einen die Torschulden des anderen wären, der nun seinerseits zum „Torwachstum“ verdammt ist ... und umgekehrt.

In einem Beitrag von Helmut Creutz sind die Einkommensunterschiede in einem Bild verdeutlicht. Millionen-Einkommen sind ja kaum noch fassbar. BMW-Chef Reithofer verdient etwa 6,2 Millionen Euro jährlich, VW-Chef Winterkorn rund 17 Millionen Euro und Familie Quandt 650 Millionen Euro. Abzüglich des Steuerhöchstsatzes von 45% bleibt jeweils gut die Hälfte. Wenn nun das Jahreseinkommen eines Durchschnittshaushaltes (2007 = 40.550 Euro) einer Münze entspricht, so betrug das Nettoeinkommen von Reithofer bereits 86 Münzen (acht kleine Stapel auf einem Tellerchen), das von Winterkorn bereits 230 Münzen (12 doppelt so hohe Stapel) und das von Familie Quant 9.140 Münzen (ca. 80 riesige Stapel, der ganze Teller gedrängt mit kleinen „Wolkenkratzern“ aus Münzen vollgestapelt). Wohlgemerkt, der Durchschnittshaushalt muss mit einer Münze auskommen. Und man kann noch ergänzen: Diese Reichen und Superreichen brauchen ihr Einkommen ja nur zum kleinsten Bruchteil ausgeben, das heißt, Jahr für Jahr häufen sich gleich große Stapel noch obenauf!

Interessant sind des weiteren einige Zitate. So sagt der sonst eher für seine neoliberalen Anschauungen bekannte Professor Hans-Werner Sinn am 12.3.2012 im SPIEGEL [o]:

„Die Griechen werden von den Banken und Finanzinstituten von der Wall Street, aus London und Paris als Geisel genommen, damit das Geld aus den Rettungspaketen weiter fließt - nicht nach Griechenland, sondern in ihre eigenen Taschen.“ (Allerdings plädiert Sinn auch für einen Austritt Griechenlands aus der Währungsunion statt für ein Ende des Spekulations-Wahnsinns).


Bei einem Treffen bei den Fischer-Werken in Süddeutschland wird der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler wie folgt zitiert [o]:

„Daran fügte Köhler einige kritische Sätze über die Ausgabenpolitik der Demokratien. Sie könnten offenbar nur existieren bei wirtschaftlichem Wachstum und Schuldenwachstum. Noch sei keine neue Kultur ersichtlich, Staatsverschuldung zu bekämpfen.“


Ist dem Ökonom und ehemaligem IWF-Direktor (!) Köhler wirklich nicht bekannt, dass Wirtschafts- und Schuldenwachstum in unserem heutigen Geldsystem notwendig miteinander einhergehen und geradezu zwangsläufig erzwungen werden – oder will er diese Wahrheit ganz bewusst verschweigen...?

Anmerkungen zum Kongress

Kehren wir aber zum Kongress selbst zurück. Für einen mit der Anthroposophie verbundenen Menschen muss dieser Kongress ein zwiespältiges Erlebnis gewesen sein. Ganz abgesehen davon, dass Tagungen und Kongresse immer in der Gefahr sind, der abstrakten Atmosphäre von Großereignissen zu erliegen und so gerade jede Verinnerlichung und Vertiefung zu verhindern, ist diese Tendenz natürlich um so unausweichlicher, wenn diese wesentlichen Aspekte gar nicht als die vorrangig notwendigen erkannt werden.

Zwar haben die Veranstalter sehr wohl erkannt, dass es aus Verstand und Gefühl ankommt – die Frage ist nur, ob sie auch die richtigen Schlüsse daraus gezogen haben. Der „Event“-Charakter und die Präsentationen führen notwendigerweise dazu, dass die Zuhörer bzw. Zuschauer innerlich weitgehend passiv bleiben und passiv werden. Und in gewisser Weise haben die Veranstalter mit ihrem „Bühnenprogramm“ auch auf den entsprechenden „Zeitgeist“ reagiert: Wissend, dass die Menschen heute nicht mehr viel aufnehmen können und vor allem unterhalten werden wollen (bzw. müssen), haben die unterhaltenden Anteile ein großes Gewicht bekommen.

Es ist zwar ein gleitender, unscharfer Übergang zwischen unterhaltenden, veranschaulichenden und künstlerischen Elementen, und viele Beiträge hatten sicherlich mit allen drei Aspekten Berührung – aber es liegen doch Welten zwischen den Liedern von „Die Bandbreite“ und Bernd Senf und ebenso zwischen dem Ernährungs-Kabarett von Patric Heizmann und dem politischen Kabarett von H.G. Butzko. Es sind einfach unterschiedliche „Lagen“ bzw. Sphären von Emotionen, die angesprochen werden, unterschiedliche Bereiche der Seele und verschiedene Sphären des Mitdenkens. Dass diese Unterschiede außerordentlich bedeutsam sind, wird nur derjenige (immer eindrücklicher) bemerken, dem das Erleben dieser Unterschiede und des Wesens der verschiedenen „Lagen“ oder Sphären ein tiefes Bedürfnis ist.

In dieser Hinsicht war schon die Choreographie mit den Akrobaten buchstäblich auch seelisch „schwierig“. Das lag nicht an den Akrobaten, aber an der begleitenden Musik. Die harten Trommeln und die bedrohliche Begleitmusik sollten natürlich auch dem Wesen des wahnsinnigen Schuldenwachstums entsprechen. Aber damit hatten sie auch etwas subtil Aufpeitschendes. Wer ohnehin den ganzen Tag diverser Musik ausgesetzt ist, wird auch dies vielleicht nicht einmal mehr ansatzweise bemerkt haben – doch die unbewusste, bis ins Leibliche gehende Wirkung ist ja dennoch da. Und mir kam der Gedanke, wie leicht es im Grunde ist, Menschen auf dieser Ebene aufzupeitschen – wofür es ja in der Geschichte genügend finstere Beispiele gibt. Andererseits gilt dies heutzutage tatsächlich schon als normal, und jedes Rockkonzert ist – auch durch seine nochmals extrem gesteigerte Lautstärke – um ein Vielfaches „übergriffiger“, als es diese erste Darbietung war.

Trotz der ungeheuren Professionalität der Veranstaltung selbst, hoben sich die veranstaltenden Menschen gegen diese Professionalität wohltuend ab. Damit möchte ich nicht sagen, dass sie unprofessionell waren – das waren sie nicht. Aber man merkte ihnen doch an, dass es ihr erster großer Kongress in dieser Art war. Sie traten nicht „perfekt“, sondern durchaus sehr menschlich auf. Und gerade das bewirkte, dass man wirklich ganz deutlich empfinden konnte, wie ernst ihnen ihr Anliegen ist. Eineinhalb Jahre ehrenamtliches Engagement, das zeitweise bis an die Grenzen geht – um dies auf sich zu nehmen, müssen Menschen für eine Sache wirklich brennen.

Über zwei von Ihnen werde ich in einem dritten Aufsatz noch etwas sagen.