2012
19.07.2012

Endlich kommt die Wahrheit ans Licht

Wie die Finanzkrise wirklich entstanden ist, wer wirklich von ihr profitiert - und wo wir heute stehen.


Inhalt
Einleitung
Die Staatsfinanzierung – zum Wohle aller oder der Banken?
Der deutsche Überschuss und sein dunkles Geheimnis
Die Spirale der Verarmung
Das alte und das neue Zeitalter – oder: Mappus und Occupy

Einleitung

Es ist erstaunlich, mit welcher Wucht das Krisengeschehen (oder soll man sagen: die „Macht der Märkte“) sämtliche Akteure seit Wochen, Monaten, ja Jahren vor sich hertreibt – ohne dass irgendjemand von ihnen die wirklich wesentlichen Gründe dieser Krise zur Kenntnis zu nehmen bereit ist. Aber vielleicht ist das ja gerade die Absicht...?

Ein tief eindrückliches Symptom dieser atem- und kopflosen Hektik kann man an dem „Stil“ des ZDF-Morgenmagazin-Moderators Cherno Jobatey erleben, der Frau Däubler-Gmelin, die frühere Bundesjustiziministerin und jetzige Klageführerin gegen den „Rettungsschirm“ ESM mit dem dominierenden „Bild der Dinge“ in die Enge treiben wollte. Seine Sätze waren dabei im Stile von: „Wir leben ja in Zeiten, wo ziemlich viel Krise ist, ziemlich viel Eurokrise. Bringen Sie mit Ihrem Antrag nicht den gesamten Krisenmechanismus [sic!] ins Wanken?“ [min 1:25].

Frau Däubler-Gmelin konnte ihm nur in aller Ruhe antworten, er wisse doch genau sie sie, dass es nicht die Aufgabe der Politik sein könne, jedenfalls nicht sein sollte, hinter irrationalen Märkten herzurennen... In die gleiche Richtung denkt Rainer Hank in der FAZ, der in seinem mit dem wunderbar schlichten Titel „Kontemplation“ überschriebenen Aufsatz darauf hinweist, dass das Verfassungsgericht sich mit vollem Recht Zeit für seine Prüfung lässt.

Doch was ist es, was mit mehr Kontemplation in den Horizont der Betrachtung eintreten könnte? Was sind die wirklichen, treibenden Mechanismen und Interessen hinter der Krise?

Es geht um letztlich sehr einfache Sachverhalte, die jedem Menschen unmittelbar einsichtig sein können, wenn man sich nur einmal ein wenig Zeit nehmen würde, die Dinge wirklich zu durchdenken.

Das eine ist tatsächlich die Frage, warum die Politik in den letzten Jahren, Monaten und Wochen eben doch hinter den irrationalen Märkten hergerannt ist? Offenbar, weil ein Dogma (nämlich das von der Rationalität und Effektivität der „Märkte“, selbst solcher „Märkte“, die sich von der Realwirtschaft bekanntermaßen völlig abgekoppelt haben) in unserer heutigen Zeit der Ideologie wesentlich kräftiger wirkt und das Denken wesentlich mehr lenkt als die ... wirkliche, wirkende, wahrnehmbare Erfahrung! Anders ist es nicht zu erklären, dass ganze Staaten und sogar Staatengemeinschaften nach der Pfeife dieser irrationalen Märkte tanzen wie der Esel nach der Rübe.

Die Staatsfinanzierung – zum Wohle aller oder der Banken?

Damit hängt die weitere Frage zusammen, warum die Staaten es sich zumuten, bei privaten Kredit- (und Profit-)Instituten Geld zu leihen statt bei einer gemeinwohl-orientierten Zentralbank für Staatsfinanzierung? Auch hier wirkt noch ein Dogma, ein Denkverbot: Der bedingte Reflex, mit dem man davor zurückschaudert, hängt mit der Vorstellung zusammen, die Staaten würden, wenn sie nicht unter der Hoheit dieser Finanzinstitute stünden, machen, was sie wollen. Man fürchtet noch immer, die Staaten würden von heute auf morgen „Geld drucken“, so wie es in einem imperialistischen Zeitalter gegenseitiger Konkurrenz und Kriege der Fall gewesen sein mochte, bevor es autonome, selbständige Notenbanken gab. Früher gab es Staaten, die sich hoffnungslos überschuldeten und so die Inflation vorantrieben...

Ich frage mich nur: Und heute!? Sind nicht heute die Staaten auch hoffnungslos überschuldeten und wird dies nicht gerade tagtäglich überall als Problem verkündet? Und sind sie es nicht gerade deshalb, weil sie sich nicht gemeinwohl-orientiert finanzieren können, sondern auf die profitierenden Banken mit ihren viel höheren Zinsen angewiesen sind? Und darüber hinaus sogar noch abhängig sind von den irrationalen Märkten, die diese Zinsen dann erst recht in völlig irrationale (aber sehr wohl ebenfalls profitorientierte) Höhen treiben?

Und ich frage mich: Gehen die USA nicht sogar angesichts unabhängiger – und nebenbei dennoch profitorientierter, privater –  Notenbanken den Weg, den das kollektive Bewusstsein so sehr fürchtet? Den der völlig unbeirrbaren Überschuldung, was auch immer an Inflation drohen mag?

Ich zitiere den Finanzexperten Prof. Max Otte (der die Finanzkrise schon 2006 voraussagte):

Amerikas Zentralbank hat die Leitzinsen stark gesenkt und drückt über Anleihekäufe das Zinsniveau weiter. Gleichzeitig macht der Staat weiter hohe Schulden, um die Konjunktur zu stützen. In Europa machen wir ebenfalls eine sehr lockere Geldpolitik zur Subventionierung der Banken. Und eine restriktive Fiskalpolitik zur Bestrafung der Bürger. Das ist doch schizophren. Da ist mir Amerika lieber. Dort setzt man ganz offensiv auf Inflation, also auf die Entwertung der Staatsschulden.
Max Otte, „Zu viele verdienen an der Krise“, Kölner Stadtanzeiger, 13.7.2012.


Warum subventionieren wir Banken und nicht unmittelbar den Staat, den gesellschaftlichen Souverän bzw. dessen Vertretung? Wobei es sich dann gar nicht mehr um Subventionierung handelte, denn es ist ja gerade der Staat, der Subventionen vergeben kann – während er selbst alles Recht der Welt hätte, das Wert- und Tauschmittel Geld in die Verfügung zu bekommen, ohne dass zuvor profitorientierte Institutionen daran (und damit an ihm und der Gemeinschaft) verdienen!

Was in irgendeiner historischen Zeit einmal sinnvoll gewesen sein mag, um machthungrigen, irrationalen absolutistischen Herrschern ihre kriegerischen und prunkvollen Exzesse zu beschränken, ist heute längst zu einer völlig unlogischen Ausgeburt geworden – denn heute bereichern sich an diesem Zustand die irrationalen Märkte und die machthungrigen, absolutistischen, den Profit verabsolutierenden Banken und (geist)verwandte Gläubiger! Dass dieser kranke, perverse Zustand nicht schon längst völlig verändert wurde, ist nur eben jenem kollektiven Bewusstsein geschuldet (!), das letztlich so von der herrschenden Ideologie durchtränkt ist, dass es keinen eigenen Gedanken mehr fassen kann.

Und diese Ideologie heißt: Man beschränke die Macht des Staates! Der Markt weiß es besser! Merkwürdig ist nur, dass sogar der Staat selbst und seine Akteure diese Ideologie vertreten und sich so freiwillig in die Sklaverei staatsfremder Profitinstitute begeben – und stattdessen lieber die eigenen Bürger ausbeutet, um die Forderungen der Banken zu bedienen! Dies kann nur mit der irrationalen Angst vor jener anderen verunglückten Staatsform erklärt werden, in der der (real-sozialistische) Staat sozusagen die Allmacht hatte. Das heißt: Der das kollektive Bewusstsein durchtränkende fundamentalistische Antikommunismus führt dazu, dass ebendieses Bewusstsein auch heute noch keinen klaren Gedanken fassen kann, der es erkennen ließe, dass zwischen Staatsallmacht und Ausbeutung durch private Banken noch etwas Drittes liegen könnte.

Der deutsche Überschuss und sein dunkles Geheimnis

Aber in diesem Aufsatz soll es eigentlich um etwas ganz anderes gehen – nicht um eine unabhängige, gemeinnützige Staatsfinanzierung oder die Unabhängigkeit von den irrationalen Finanzmärkten, sondern um eine sogar noch grundlegendere Ursache der Krise: um jene Ursache, die erst dazu geführt hat, dass „die Märkte“ die dadurch entstandene Situation ausnutzten.

Wenn sich jetzt zunehmend die Experten streiten und all diese Diskussionen auch noch von der Presse begleitet werden, dann ist zu hoffen, dass auch dies endlich mehr und mehr ans Licht kommt. Einzelne Wirtschaftswissenschaftler haben seit langem darauf hingewiesen – allerdings konnten sie dies nur in ganz speziellen Publikationen tun. Jetzt, wo die Krise immer akuter wird, öffnen sich die Medien für verschiedenste Standpunkte. Spätestens seitdem der „Streit der Ökonomen“ ausgebrochen ist, ist auch ganz offenbar geworden, dass man sich selbst in grundlegendsten Fragen überhaupt nicht einig ist. Daher besteht die Möglichkeit, dass die Diskussion auch mehr und mehr bis zum Kern vordringen kann.

Ein Artikel des Schweizer Wirtschaftswissenschaftlers, Journalisten und Publizisten Werner Vontobel im „Freitag“ – einer Wochenzeitung mit wirklicher hervorragender Berichterstattung – bringt die Dinge derart prägnant auf den Punkt, wie es nirgendwo sonst zu finden ist. Schon der Untertitel ist ein Paukenschlag: „Viele Deutsche glauben, dass die Euro-Schuldenländer unser Geld wollen. Aber es ist genau umgekehrt. Eine Richtigstellung.“

Vontobel setzt bei der Tatsache an, dass die herrschende, (ver)öffentlich(t)e Meinung sich in der Diagnose der Krise weitgehend einig ist:

Die Meinung in Deutschland steht fest: Die Euro-Südländer schaffen es nicht, ihren Staatshaushalt auszugleichen. Sie machen Schulden und wollen diese auf Deutschland abwälzen. Auf eine Schlagzeile verkürzt, lautet die Botschaft: „Geisel des Südens“ (Spiegel) oder „Europa will an unser Geld“ (Welt am Sonntag). Aus dieser Diagnose folgt logisch die Therapie: Die Südländer müssen ihre Schulden selber in den Griff kriegen, erst danach kann Hilfe von außen kommen. „Eine Voraussetzung für Solidarität ist Solidität“, sagt Jörg Asmussen, deutsches Mitglied im Direktorium der Europäischen Zentralbank, bei jeder sich bietenden Gelegenheit.


Interessanterweise ist es jener Jörg Asmussen, der bei der völligen Deregulierung der Finanzmärkte unter der Schröder-Regierung seit 2005 eine entscheidende Rolle spielte... (siehe z.B. hier: o o o).

Tatsache ist, dass Deutschland seit 2002 einen Außenhandelsüberschuss von über 1.200 Milliarden Euro angehäuft hat. Dieser Überschuss aber entspricht Schulden der anderen Länder. Wie könnte dies jemals ausgeglichen werden? Nur, indem die Schuldnerländer mehr exportieren können – was bedeuten würde, dass Deutschland eigene Defizite zuließe. Genau dies aber wird kategorisch abgelehnt! Deutschland will weiter „Exportweltmeister“ bleiben, und das heißt, weiter die anderen Länder in die Verschuldung treiben.

Wenn aber der Handel nicht ausgeglichen sein darf, bleibt nur die Symptombekämpfung: Die Schulden der Schuldnerstaaten müssen anders abgebaut werden, damit „die Märkte“ wieder „Vertrauen fassen“ und die Staaten wieder „marktfähig“ werden, d.h. die Renditen auf Staatsanleihen wieder auf ein normales Ausbeutungsmaß sinken.

Die Wirklichkeit aber lehrt, dass dieser Weg gerade das Gegenteil bewirkt, nämlich den Zusammenbruch der Wirtschaft und damit eine Verschärfung der Krise. Portugal, Griechenland und Irland werden 2012 Defizite von durchschnittlich 8% haben!

Wo sind Griechenland und andere Staaten nun aber verschuldet? Bei Banken und anderen Großanlegern, die Staatsanleihen erwerben – und die entsprechend steigenden Zinsen und „Risikoaufschläge“ kassieren.

Die Spirale der Verarmung

Vontobel schreibt weiter:

Das „Modell Exportweltmeister“ hat die Geldelite aber nicht nur auf Kosten des Auslands bereichert. Auch der deutsche Normalbürger wurde zur Kasse gebeten. Zwischen 1999 und 2009 (neuere Daten liegen nicht vor) ist sein Einkommen um 13 Prozent gesunken. Vom Exportboom profitiert hat nur das reichste Zehntel. Diese Umverteilung von unten nach oben ist zweifellos eine Folge der Lohnpolitik. Deren Zweck war es – zunächst mit „Lohnzurückhaltung“, dann mit der Schaffung eines Niedriglohnsektors –, Kostenvorteile im Export zu erringen. Die sinkenden Lohnstückkosten und steigenden Exportüberschüsse zeigen, dass diese Politik erfolgreich war. Dass jetzt die Verluste aus den faulen Auslandsguthaben auf die Steuerzahler abgewälzt werden sollen, ist die Krönung dieser Umverteilung.


Mit anderen Worten: Die Ausbeutung der Arbeitnehmer seit der Schröder-Regierung und Hartz IV hat große Unternehmensgewinne und Exportüberschüsse ermöglicht. Letztere haben die „Südländer“ in die Verschuldung gestürzt und an dieser verdienen wiederum die Reichen und die Banken – und dies sogar noch ohne Risiko, denn für eventuelle Zahlungsausfälle gibt es ja nun Garantien und Rettungsschirme...

Und nun geht die Ausbeutungsspirale weiter. Nachdem die deutschen Arbeitnehmer bereits 13% an Realeinkommen verloren haben, wodurch sie ihre europäischen Brüder in die Verschuldung stürzten, sollen diese Nachbarländer nun ihrerseits noch kräftiger „sparen“, um wieder „wettbewerbsfähig“ zu werden – damit sich der Kreislauf nach unten fortsetzen kann. In einem ersten Schritt (für ein Gleichgewicht mit Deutschland) müssten die Löhne in Griechenland um 30%, in Spanien und sogar Frankreich um 20% sinken! Errechnet hat dies die US-Großbank Goldman Sachs, deren Manager sich um ihre Millionengehälter keine Sorgen zu machen brauchen...

Die größte Unlogik liegt nun aber in folgendem: Warum sollen denn die Löhne sinken? Damit die Wirtschaft konkurrenzfähiger wird und das Handelsdefizit sich verkleinert. Was aber hat dies mit der Staatsverschuldung zu tun? Ein Außenhandelsdefizit bedeutet zunächst eine Verschuldung der Wirtschaftsakteure – und nur mittelbar, z.B. über die einbrechenden Steuereinnahmen, eine Verschuldung des Staates. Aber wer garantiert, dass sinkende Löhne und steigende Wettbewerbsfähigkeit zu steigenden Steuereinnahmen führt? Zusammenbrechende Unternehmen können garantiert keine Steuern zahlen. Erstarkende Unternehmen dagegen finden Mittel und Wege, um ebenfalls keine Steuern zu zahlen (etwa durch Kapitalflucht oder Finanzspekulation) – wenn nicht sogar der Staat selbst diese Steuern senkt, wie ebenfalls unter Schröder geschehen.

Der sicherste und effektivste Weg, das Steueraufkommen zu erhöhen, ist die Erhöhung der Massenkaufkraft, das heißt die Erhöhung der Löhne! Die Senkung der Löhne dagegen führt unmittelbar zum Einbrechen des Steueraufkommens – und mittelbar über den Einbruch der Wirtschaft zu einer nochmaligen Verschärfung der Krise. Wie bei alledem ein sich konsolidierender Staatshaushalt herauskommen soll, wissen wohl nur die neoliberalen Dogmatiker – sofern sie nicht ganz bewusst eine Lüge in die Welt gesetzt haben, an der sie sich bereichern können... Es ist die Lüge, die trotz ihrer Paradoxität noch immer tausendfach geglaubt wird: „Es muss euch allen schlechter gehen, damit es euch besser geht...“

Aber es bleibt ja noch ein weiterer Weg, die Schulden des Staates zu drücken: Es muss mit aller Entschiedenheit und Härte seine Ausgaben senken. Seine Ausgaben aber sind die Aufwendungen für das Gemeinwohl: Sozialleistungen, Bildung, Kultur... Mit anderen Worten: Auf der einen Seite sollen die Löhne dramatisch gesenkt werden (und in Griechenland sind sie seit 2007 sogar um 26% gekürzt worden) – und auf der anderen Seite wird zugleich auch an allen Sozialleistungen gekürzt, die doch das zu erwartende Elend auffangen müssten!

Von zwei Seiten also wird das Elend heraufgerufen. Erreicht werden sollen mit diesen beiden „Maßnahmen“ mehr Exporte und weniger Staatsschuld. Die Exporte mögen tatsächlich ansteigen und mit ihnen die Gewinne der entsprechenden Unternehmen. Doch was nützen diese Gewinne, wenn sie nicht beim Staat ankommen bzw. wenn dieser außerdem zugleich seitens der lohnabhängig Beschäftigten viel stärkere Einnahmen-Einbrüche hat – und wenn die Verarmung der Arbeitenden dann auch die Wirtschaft zusammenbrechen lässt?

Das alte und das neue Zeitalter – oder: Mappus und Occupy

Fassen wir zusammen:

  • Die Staaten finanzieren sich bei profitorientierten Banken zu überhöhten Zinssätzen, während die Banken selbst von der Zentralbank nahezu zinsfreie Kredite in beliebiger Höhe erhalten.
  • Die Staaten lassen sich von den irrationalen Finanzmärkten (bzw. den dort agierenden Profiteuren) treiben und sind bereit, erstickende Zinsen zu zahlen, bis sie endgültig nacheinander unter den „Rettungsschirm“ flüchten müssen und dort wieder etwas billigere Zinsen gewährt bekommen.
  • Das „Rezept“ zur Heilung lautet nun „Wiedergewinnung des Vertrauens der Finanzmärkte“ (die nicht vertrauen, sondern Profit machen wollen), und zwar mittels radikaler Senkungen der Ausgaben für das Gemeinwohl und radikalen Senkungen der Einnahmen der Gemeinschaft arbeitender Menschen.
  • Gesteigert werden dadurch nur die Einnahmen der Unternehmen, deren Gewinne aber in einem immer stärkeren Strom von Kapitalflucht ins Ausland transferiert werden.
  • Trotz aller Kürzungen kann der Staatshaushalt nicht konsolidiert werden, weil die Einnahmen ebenfalls wegbrechen. Die Folge der „Maßnahmen“ ist eine allgemeine Verarmung und Arbeitslosigkeit, der Zusammenbruch eines ganzen Landes.   


Ein schlimmerer Teufelskreis ist kaum denkbar. Die notwendigen Folgen sind einzig und allein eine zunehmende Umverteilung, Verarmung und Zusammenbruch. Und wer sind die Profiteure von alledem?

  • Banken, die mit Steuergeldern „gerettet“ werden.
  • Besitzer der Staatsanleihen und Krisen-Spekulanten (oft ebenfalls Banken).
  • Konzernchefs und Shareholder, die von stark sinkenden Reallöhnen profitieren.
  • Die Reichen und Superreichen, die nicht angemessen zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen und deren rapide wachsende Vermögen den ebenso schnell wachsenden Schulden von Staat, Unternehmen und Privathaushalten gegenüberstehen.


Wie sehr sich hier Unrecht, Ungerechtigkeit, Gier und Korruption miteinander verbinden,
ahnt der normale Mensch kaum. Doch diejenigen, die von dem gegenwärtigen Unrechtssystem wirklich profitieren, interessieren sich oft nicht im geringsten für die Schicksale anderer Menschen oder der Allgemeinheit. Wie diese Menschen agieren, das zeigt eindrücklich der Skandal um den Ex-Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Stefan Mappus, gegen den jetzt ermittelt wird. Mappus ließ den von Électricité de France (EdF) gehaltenen Aktienanteil (45%) an EnBW für 4,7 Milliarden Euro zurückkaufen – deutlich überteuert, und sein Freund Dirk Notheis, Vorstandschef der deutschen Abteilung von Morgan Stanley, kassierte für die Vermittlung des Deals über 12 Millionen Euro. (Eine kleine Chronologie findet sich hier).

Schockierend ist das von Frontal21 veröffentlichte Dokument (siehe auch hier), in dem Notheis Mappus bis ins Detail und jedes einzelne Wort instruiert, was dieser zu sagen, wie er zu agieren habe. Dieses ausführliche Dokument belegt schwarz auf weiß, wie sehr die Politiker durch ihre innere Korruptheit zu völligen Marionetten werden können! Kaum einmal dringt so etwas an die Öffentlichkeit – aber an diesem Punkt zeigt sich einmal in aller Klarheit, wer die eigentlich Mächtigen sind und wie zielgerichtet und skrupellos sie vorgehen. Ihre ganze Intelligenz ist in den Dienst des Profits und der Macht gestellt, wirkt mit völliger Selbstverständlichkeit dem Gemeinwohl entgegen...

Der Skandal um Mappus ist nur die Spitze des Eisberges. Dies ist die Realität, die das heutige Wirtschaftssystem prägt. Dieses System dient nicht der Allgemeinheit, es dient der fortwährenden Umverteilung von der Gemeinschaft auf einige wenige; es dient dem Machtzuwachs Einzelner und der Verarmung und Benachteiligung Vieler, ja letztlich der großen Mehrheit. Wir alle sind betroffen, wir alle haben die Folgen zu tragen – die Folgen eines viel zu lange herrschenden Dogmas, das uns blind macht für die Realitäten. Wir haben keine Ahnung, in welch einer blühenden Gesellschaft wir leben könnten, wenn die schreiende Ungerechtigkeit und massive Umverteilung endlich gestoppt werden würde.

Dieses System hat sich an einen absoluten Endpunkt gewirtschaftet. Es muss enden und es wird enden. Die Frage ist nur, was danach kommt. David Graeber, der Begründer des Occupy-Mottos „We are the 99 percent“ und Autor des aktuellen Bestsellers „Schulden. Die ersten 5000 Jahre“ sagte im Mai im Interview: „Der Kapitalismus wird an seine Grenzen stoßen, das ist offensichtlich. [...] Was danach kommt, kann viel schlimmer werden, brutaler und ungleicher. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns jetzt Gedanken machen, wie wir leben wollen.“

Dem ist im Grunde nichts hinzufügen. Und doch haben sich so viele Menschen bereits „Gedanken“ gemacht, und nicht nur das, sie wissen sehr genau, in was für einer Welt sie leben wollen. Es kommt nur darauf an, dass sich diese Menschen in ihrer gemeinsamen Sehnsucht auch wirklich zusammenfinden. Dann werden die Wenigen, denen das heutige System allein nützt, keine Möglichkeit mehr haben, die Lügen aufrecht zu erhalten. Und dann wird die Zukunft beginnen.