Finanzkrise

Umfassende Chronik der Finanzkrise – Teil I: vor 2007

Diese Chronik ist die wohl umfassendste Chronik zur Finanzkrise, die überhaupt existiert - natürlich mit Quellenangaben!

Teil II (2007-09) | Teil III (2010 bis 2012).

 

1933

 

1933 – USA: Der Glass-Steagall-Act [o] führt nach Zusammenbrüchen mehrerer Banken das Trennbanken-System (Kredit-/Einlagen- oder Wertpapiergeschäft), um Interessenkonflikte zu vermeiden und das Geld der Kunden zu schützen. [o]

 

1944

 

Jul – Die Konferenz von Bretton Woods (USA) legt ein Währungssystem mit dem goldhinterlegten US-Dollar als Leitwährung fest. Für den führenden Ökonomen John Maynard Keynes (brit. Verhandlungsführer) war klar, dass der Staat die „schmutzige Raffgier des Kapitalismus“ zu zähmen hat. Als wichtigste Errungenschaft von Bretton Woods bezeichnete er das Recht von Regierungen, Kapitalflüsse zu lenken [o].

 

1956

 

USA: Den Banken wird untersagt, Konkurrenten in anderen US-Bundesstaaten zu übernehmen [o].

 

1957

 

Milton Friedmans A Theory of the Consumption Function als Kritik von Keynes’ Nachfragepolitik [o].

 

70er Jahre

 

Die USA finanzieren den Vietnamkrieg mit der Notenpresse: Inflation der Weltwirtschaft.

 

1971

 

Nach Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems schafft die US-Regierung auf Friedmans Rat hin die feste Wechselkursbindung des Dollars an andere Währungen ab, worauf sich die Konjunktur stabilisiert [o].

 

1973

 

Ende des Bretton-Woods-Vertrages. Washington und London forcieren die Liberalisierung der Kapitalmärkte.

 

1974

 

Okt – Der radikalliberale Ökonom F. Hayek erhält den Nobelpreis. Bisher vertraten alle relevanten Ökonomen die Idee der Konjunktursteuerung von J.M. Keynes, was aber gegen die Folgen der Ölkrise versagte.

 

1975

 

1975 – USA: Die SEC erlaubt den Banken, ihren Kapitalbedarf auf die Ratings ihrer Sicherheiten durch die Rating-Agenturen zu basieren [o]. – Bei der BIZ wird der Ausschuss für Bankenaufsicht gegründet [o].

01.08. – USA: Paul Volcker wird Fed-Chef [o].

 

1976

 

1976 – Der radikalliberale Ökonom Milton Friedman erhält den Nobelpreis [o].

 

1977

 

1977 – USA: Der Community Reinvestment Act (CRA) bietet Anreize für Kredite an Niedrigverdiener. Zwischen dem CRA oder dem Eigenheimförderprogramm der US-Regierung und der Finanzkrise gab es jedoch keinen kausalen Zusammenhang [o o]. – Lewis Ranieri von Salomon Brothers gibt mit der Bank of America die erste privately backed MBS heraus. Schon 1970 emittierte Ginnie Mae die erste RMBS [o].

 

1979

 

04.05. – Margaret Thatcher wird brit. Premierministerin [o].

 

1980

 

Der seit Mitte der 70er Jahre zunehmenden Stagnation der Realwirtschaft (Überproduktion, Ölpreisanstieg) begegnet das Kapital durch Neoliberalismus (Steuererleichterungen für Reiche, Deregulierung), Standortverlagerung in Niedriglohnländer und Finanzspekulation [o].

1980-2007 erhöht sich der Tagesumsatz der internationalen Kapitalmärkte von 62 auf 3.475 Mrd $, weniger als 3 Mrd $ flossen in produktive Investitionen [o]. In den 80er Jahren entwickelt sich der Handel mit hochspekulativen Risiko-Anleihen (Schuldscheine angeschlagener Unternehmen, „junk bonds“), vor allem durch Michael Milken [o], Mitarbeiter der Investmentbank Drexel Burnham Lambert, der Ende der 70er Jahre entdeckte, wie man damit immer teurere Firmenübernahmen finanzieren konnte (leveraged buy-outs) [o]. Drexel konnte noch 1985 50% der Neuausgaben durchführen. Milken bzw. Drexel standen u.a. hinter den Übernahmeangeboten von Carl Icahn für TWA oder KKR & Co. für RJR Nabisco [o].

1980 – USA: Der Depository Institutions Deregulatory and Monetary Control Act beseitigt Kontrollen der Zinsraten und ermöglicht höhere Zinsen für riskantere Kredite [o].

 

1981

 

1981 – USA: Fed-Chef Volcker senkt die Inflation 1981-83 von 13,5% auf 3,2%, der Leitzins beträgt zeitweise über 20%, es folgt eine schwere Rezession und der Ruin vieler dollar-verschuldeter Länder Lateinamerikas [o].

20.01. – USA: Ronald Reagan wird als US-Präsident vereidigt. Die Staatsverschuldung steigt bis Ende 1988 v.a. wegen extremer Militärausgaben von 930 auf 2.600 Mrd $ [o].

1981 – USA: Der erste currency swap ermöglicht IBM, Überschuss-CHF/DM für Dollar der Weltbank zu handeln [o]

12.03. – Abschaffung aller Kapitalverkehrskontrollen [o].

01.08. – USA: Mit Salomon Brothers verkauft sich die erste Investmentbank [o].

 

1982

 

1982 – USA: Einsetzen eines fast 19 Jahre dauernden Aktienbooms, die Spekulation wird auch durch die Umstellung der Pensionssysteme gefördert [o]. – Der Garn-St. Germain Depository Institutions Act gibt den Sparkassen mehr Freiheit (außer Investmentbanking). Zuvor gab es Anlagenzins-Obergrenzen; durch hohe Inflation und hohen Zinsen in den 70ern verloren die Sparkassen umfangreiche Einlagen an Fonds und machten auch durch Festzins-Baufinanzierung Verluste, Anfang 1981 schrieben 87% der 3.800 Sparkassen rote Zahlen. Nun vergeben sie viel mehr Immobilienkredite und steigen in hochriskante Unternehmeranleihen ein [o].

Nach der Destabilisierung der Wechselkurse, Rohstoffpreise und Aktienkurse verlagern Unternehmen ihr Gewinnstreben zunehmend von Real- zu Finanzinvestitionen. Das Wirtschaftswachstum sinkt, verstärkt durch staatliche Sparpolitik. Arbeitslosigkeit, reduzierte Pensionsleistungen usw. drängen auch den „Normalbürger“ zur Spekulation. [o]

09.09. – Das Lambsdorff-Papier fordert „Verbilligung des Faktors Arbeit“ und Verbesserung der Kapitalerträge und leitet in Deutschland politisch die neoliberale Globalisierung ein [o o o]. Von einer Begrenzung des Arbeitslosengeldes auf zwölf Monate über die Einführung eines demografischen Faktors zur Beschränkung der Rentenhöhe bis zur stärkeren Selbstbeteiligung im Gesundheitswesen listet das Papier fast alles auf, was später verwirklicht wurde [o].

01.10. – Bundeskanzler Kohl löst in konstruktivem Misstrauensvotum Helmut Schmidt ab, dessen Koalition am 17.9. zerbrach [o].

 

1983

 

09.06. – GB: Bei den Unterhauswahlen erhält Thatchers Conservative Party 42,4% der Stimmen [o]. Vor allem in ihrer zweiten Amtszeit drängt Thatcher den Einfluss von Staat und Gewerkschaften auf die Wirtschaft zurück [o].

Jun – USA: Larry Fink, bond trader bei First Boston, ist Miterfinder der CMO (collateralized mortgage obligation) für Freddie Mac. Bis Januar 1988 werden 60 Mrd $ CMOs verkauft [o].

 

1984

 

Mai – USA: Als erster Fall „Too Big to Fail“ wird die siebtgrößte US-Bank Continental Illinois National Bank von der FDIC gerettet [o].

 

1985

 

Mär – USA: Savings & Loans Krise: Die Home State Savings Bank (Cincinnati) macht Konkurs, in den Folgejahren brechen 1.000 Sparkassen zusammen; die Anleger werden größtenteils durch die Einlagensicherung FDIC entschädigt (125 Mrd $, Gesamtschaden über 150 Mrd $) [o].

Mär – USA: First Boston verkauft die ersten non-mortgage asset-backed securities (ABS) für Sperry Lease Finance Corp. [o].

20.06. – Der Dax liegt erstmals über 1.000 Punkte [o].

 

1986

 

1986 – USA: Die Investmentbank Drexel Burnham Lambert nimmt 4 Mrd $ an Honoraren ein, Michael Milken erhält 550 Mio $ an Gehalt und Bonus. 1989 werden er und andere vom New Yorker Staatsanwalt Giuliani wegen Finanzbetrug bzw. Insiderhandel angeklagt; er zahlt insgesamt über 600 Mio $ an Bußgeld und Vergleichen und wird 1991 zu 10 Jahren Haft verurteilt, 1993 jedoch wieder entlassen; sein Vermögen wird auf 2 Mrd $ geschätzt [o]. Nach Einbruch des Junk-Bond-Marktes durch höhere Ausfallraten und neue gesetzliche Bestimmungen muss Drexel im Februar 1990 Insolvenz anmelden [o].

1986 – JAP: Zentralbank senkt den Leitzins in 13 Monaten von 5,0% auf 2,5% um den Export anzukurbeln; Firmen und Privatleute leihen sich Geld, um Aktien und Immobilien zu kaufen, die Kurse steigen auf Rekordhöhen [o].

Jun – USA: Pensionsfonds halten 30 Mrd $ an CMOs [o].

Herbst? – AIG-Chef Greenberg (suchte neue Gewinnquellen außerhalb des Versicherungsgeschäftes o) macht die Bekanntschaft mit jungen Drexel-Bankern um Howard Sosin und Joseph Cassano [o], die ihm vorschlagen, mit Hilfe seines AAA-Ratings das Geschäft mit Kreditausfällen aufzubauen: Credit Default Swaps (CDS) [o].

 

1987

 

1987 – USA: Das Londoner Büro von Salomon Brothers verkauft 2 Mrd $ der ersten CMO-Tranche an internationale Banken, die höhere Rendite suchen [o].

27.01. – USA: AIG und Sosins Firma Financial Products (FP) schließen ein joint venture agreement (s.o.) [o]. Es entsteht AIG Financial Products in London. Sosins Team erhält 30% des Gewinns als Boni [o]. CFO Cassano [o] verlässt sich auf Computermodelle des Yale-Professors Gary Gorton bezüglich der Kredit-Ausfallwahrscheinlichkeit anhand historischer Daten [o]. Nach verschiedenen Quellen wird dieser aber erst Ende der 90er Berater [o o]. | [Jahr?] Auch die Commerzbank zeigt sich an den Rechenmodellen interessiert; danach muss sie für 1,5 Mrd € Mittelstandskredite weniger Eigenkapital vorhalten. Später werden im deutschsprachigen Raum 53 solche Deals abgeschlossen, 30 durch die KfW [o].

11.08. – USA: Alan Greenspan wird Präsident der Notenbank Fed. Unter seiner Niedrigzins-Politik wächst die Geldmenge M3 bis Ende 2005 von 3.614 Mrd $ auf 10.250 Mrd $ [o].

18.10. – USA: In der New York Times droht Finanzminister Baker, den Dollar weiter sinken zu lassen, wenn sich Deutschland im Zinsstreit nicht kompromissbereit zeige [o].

19.10. – Erster Börsenkrach nach 1945: Dow Jones -22,6% (509 Punkte), seit Kurshoch im August (über 2.700) bereits -475 Punkte, Ende der Woche aber wieder 1.950 Punkte. Bis Ende Oktober fallen die Kurse weltweit [o]. Die Fed-Direktoren beknien die wichtigsten Banker einzeln, die Positionen ihrer Kunden unbedingt weiter zu finanzieren; man werde sie keinesfalls im Regen stehen lassen. Bis 1990 erholen sich die Börsen weltweit von insgesamt rund 40% Kursverlusten [o].

11.12. – Premiere des Films „Wall Street“ [o].

 

1988

 

1988 – USA: Die Citibank erfindet die „Zweckgesellschaft“, Structured Investment Vehicle (SIV). Im Juli 2007 Maximum von 400 Mrd $ weltweit [o].

01.07. – Erste Berechnung des DAX an der Deutschen Börse.

Jul – Basel I legt Eigenkapitalregelungen fest (mind. 8% des Kreditbestands), nachdem das Eigenkapital der weltweit wichtigsten Banken gefährlich gefallen war [o o].

30.11. – Höhepunkt der ersten Spekulationswelle mit Hilfe neuer Finanzinstrumente: Für 31,4 Mrd $ feindliche Übernahme des Nahrungsmittelkonzerns RJR Nabisco [o].

 

1989

 

20.01. – USA: George Bush wird als US-Präsident vereidigt [o].

Frühjahr – USA: Seit Anfang 1988 hob die Fed den Leitzins um 3,0%, dennoch steigen die Aktienkurse weiter [o].

11.07. – Änderung des Börsengesetzes im Hinblick auf die Eröffnung der Deutschen Terminbörse [o].

09.08. – USA: Als Teil des Financial Institutions Reform, Recovery and Enforcement Act wird die Sparkassenaufsicht Office of Thrift Supervision (OTS) gegründet [o].

 

1990

 

1990 – JAP: Die Spekulationsblase platzt, der Nikkei sinkt innerhalb eines Jahres um 40% (Marktwert der Firmen um 1.400 Mrd €), die Immobilienpreise Anfang der 90er um drei Viertel [o o o]. In der Folge legt der Staat massive Konjunkturprogramme auf (allein 1998 90 Mrd $), die aber wirkungslos bleiben. Die Staatsschuld steigt 1990-2000 von 70 auf 140% des BIP. Auch Zinssenkungen von 6,0% auf 0,1% im September 2001 bleiben wirkungslos, ab Ende der 90er dauerhafte Deflation [o].

1990 – USA: J.P. Morgan darf als erste Bank mit Wertpapieren handeln, solange die Einnahmen unter 10% bleiben [o].

26.01. – Handelsstart der Deutschen Terminbörse DTB für den Handel mit standardisierten Finanzderivaten (Options, später auch Futures), vollcomputerisiert und ohne Makler. Die DTB wird 1993 in die Deutsche Börse AG [o] eingegliedert, die 1992 aus der 1990 gegründeten Frankfurter Wertpapierbörse AG entsteht.

22.02. – Erstes Finanzmarktförderungsgesetz ändert Regelungen zu den Kapitalanlagegesellschaften und zu ausländischen Investmentanteilen. Ab 1991 ist die Börsenumsatzsteuer aufgehoben [o].

01.07. – Erste Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion: Aufhebung aller Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten [o].

01.10. – USA: Michael Lewis’ Buch „Liar’s Poker“ erscheint [o]. Michael Lewis war zur Zeit seines Ausstiegs aus der Börsenszene 1987 der jüngste und bestbezahlteste Broker in der Geschichte der Investmentbank Salomon Brothers. Deutsch: „Wall Street Poker“ [o].

1990 – USA: Kevin J. Murphy und Michael C. Jensen empfehlen Aktienoptionen für Manager (CEO Incentives: It’s Not How Much You Pay, But How. Harvard Business Review) [o].

 

1991

 

1991 – Goldman Sachs (bzw. Tochter J. Aron) beantragt, auf den Rohstoff-Börsen ebenso wie Broker für kommerzielle Händler unbegrenzte Mengen erwerben zu können. Weitere Ausnahmen folgen, später auch für die Firma Enron, die dann exzessive Preismanipulationen betreibt [o].

 

1992

 

1992 – USA: Edward J. Markey, Leiter des Unterausschusses für Telekommunikation und Finanzen, fordert die Börsenaufsicht (GAO) auf, die Risiken der Derivate zu untersuchen [o].

1992 – Die Lohnquote in Deutschland beträgt 68% - bis 2007 sinkt sie auf 62,3% [o o].

16.09. – George Soros [o] spekuliert mit 10 Mrd $ (davon 9 Mrd geliehen) gegen das britische Pfund. Er verdient damit 1 Mrd $ und zwingt Großbritannien zum Austritt aus dem Europäischen Währungssystem [o].

 

1993

 

20.01. – USA: Bill Clinton wird als US-Präsident vereidigt. Wirtschaftsberater und ab 1995 Finanzminister ist Robert Rubin (vorher Co-CEO bei Goldman Sachs [o]).

1993 – USA: Eine Lobby-Kampagne von Enron erreicht eine Ausnahme von der Regulierung im Energie-Derivatehandel, erteilt von Wendy Lee Gramm am Ende ihrer Zeit als Leiterin der Aufsichtsbehörde CFTC (1988-1993) [o o]. Es ist der Beginn der Deregulierung der Finanzmärkte [o]. Fünf Wochen später wird sie Mitglied im Verwaltungsrat von Enron [o]. Als Mitglied des „Audit Committee“ wusste sie, mit welchen Mitteln Enron Schulden aus der Bilanz schaffte. Bis 2002 erhält sie zwischen 915.000 und 1,8 Mio $ von Enron [o]. Nach der Enron-Pleite schließen die Verwaltungsräte einen 168 Mio $-Vergleich mit der University of California und zahlen weitere 13 Mio $ wegen Insiderhandel [o]. In der Reagan-Administration war Gramm Exekutivdirektorin der Presidential Task Force on Regulatory Relief [o].

1993 – NL: Eine Studie der Okönomen Winfried Ruigrok und Rob van Tulder zeigt, dass mindestens 20 Unternehmen der „Fortune 100“ nur infolge Rettung durch ihre Regierungen überlebte, u.a. in den 80ern Chrysler, McDonnell Douglas, Renault, 1987 Daewoo, 1994 Volkswagen/Seat (Spanien). [o]

1993 – Norbert Walter [o], 1990-2009 Chefvolkswirt der Deutschen Bank, veröffentlicht sein Buch „Wohlstand der Nation“. Er preist Reagan und Thatcher und fordert die „Entfesselung der Marktwirtschaft“. Das christliche Menschenbild verneine das „natürliche und angeborene Selbstinteresse“ und habe die Marktwirtschaft in Deutschland deformiert [o].

Aug – FP-Chef Sosin verlässt die Firma nach einem Streit mit AIG-Chef Greenberg, der so die Kontrolle gewinnt: „You guys up at FP ever do anything to my Triple A rating, and I'm coming after you with a pitchfork.” [o].

 

1994

 

1994 – USA: Der Riegle-Neal Act lockert das Verbot des Interstate Branching durch den McFadden Act (1927) [o].

01.01. – Zweite Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion: Errichtung des Europäischen Wirtschaftsinstituts EWI; keine Zentralbankkrediten an öffentliche Stellen mehr [o].

Jan – Mexikokrise: Chiapas-Aufstand und Ermordung des Präsidentschaftskandidaten führen zu Kapitalflucht, Abwertung des Peso und Zinsanstieg. Im Dezember wird der Wechselkurs freigegeben, was für zwei Jahre umfangreiche Abwertungen nach sich zieht [o].

Apr – USA: Richard Fuld wird CEO von Lehman Brothers [o]. Bis 2007 steigert er den Gewinn von 113 Mio $ auf 4,2 Mrd $, der Aktienkurs verzwanzigfacht sich [o]. „Selbst wenn Fuld in relativ guter Stimmung war, gefiel er sich in brutaler Metaphorik. Lehman befinde sich ‚im Krieg’, sagte er. Jeder Tag war eine Schlacht, die Mitarbeiter waren Truppen.“ [o].

18.05. – USA: Der 1992 geforderte GAO-Report “Financial Derivatives: Actions Needed to Protect the Financial System” [o] stellt „signifikante Lücken und Schwächen“ in der Überwachung von Derivaten fest. James L. Bothwell, director of financial institutions and markets issues [o] [Nach NYT GAO-Chef Bowsher]: „The sudden failure or abrupt withdrawal from trading of any of these large U.S. dealers could cause liquidity problems in the markets and could also pose risks to others, including federally insured banks and the financial system as a whole. In some cases intervention has and could result in a financial bailout paid for or guaranteed by taxpayers.“ (S.7). Dennoch wird ein von E. Markey eingebrachtes Gesetz nie verabschiedet [o].

1994 – Greenspan vor dem Kongress: “Risks in financial markets, including derivatives markets, are being regulated by private parties. | There is nothing involved in federal regulation per se which makes it superior to market regulation.” [o o].

Jun – USA: Ein Team junger Banker von JP Morgan entwickelt auf einem Wochenende in Boca Raton ebenfalls (s. 1986) die Idee der CDS [detailliert beschrieben in „Fool’s Gold“ o]; die Bank engagiert Mathematiker, innerhalb weniger Jahre wird CDS das Profitinstrument [o]. (Zins- und Währungsswaps hatten zu dieser Zeit ein Volumen von 12.000 Mrd $, aber die Gewinne waren durch Wettbewerb gesunken). Die erste Anwendung ergibt sich, als Exxon einen Kredit für die Deckung von bis zu 5 Mrd $ Schäden aus der Ölkatastrophe von 1989 braucht. Gegen Ende 1994 hat Blythe Masters die Idee, das Kreditrisiko an die Europäische Bank für Wiederaufbau (EBRD) zu verkaufen [o].

26.07. – Zweites Finanzmarktförderungsgesetz: Einführung eines Insider-Straftatbestands; Gründung des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel (BAWe, 2002 aufgegangen in Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht). [o].

Sep – USA: Home Ownership and Equity Protection Act, verfasst von US Rep. Joseph P. Kennedy, gibt der Fed einen breiten Regulierungsspielraum für ein Verbot unfairer oder irreführender Kredite [o], der jedoch nie genutzt wurde [o], bis das Senate Banking Committee die Fed nach 18 Jahren durch zahlreiche Anhörungen und Briefe dazu drängte [o]. Seit 2000 versuchten die Senatoren Sarbanes, Schumer und Dodd auch wiederholt, Gesetze zum Schutz vor räuberischen Hypothekenkrediten einzubringen, fanden aber nie einen republikanischen Mitstreiter [o].

1994 – USA: Ab 1994 starkes Wachstum des Immobilieneigentums: Eigentümer 1994-2004 von 64% auf 69% der Bevölkerung, Investitionen 1991-2006 von 3,3% auf 6,2% vom BSP, Immobilienvermögen 1998-2006 von 103% auf 148% vom BSP. Immobilienschuld und Sparquote entwickeln sich entgegengesetzt [o]. Letztere sinkt 1980-95 von 12% auf unter 4%, 1998 2% [o]. – Wie 1989 steigen die Kurse trotz Erhöhung des Leitzinses [o].

 

1995

 

01.01. – MEX: Mit einem IWF-Kredit von 17,8 Mrd $ kann die Zahlungskrise abgewendet werden [o].

1995 – USA und weltweit: Kredit- und Geldmenge steigen ab 1995 stark an: bis 2005 Kredite von ca. 45% auf 57% (2008: 66%) des BSP, Geldmenge von ca. 3.000 auf 6.500 Mrd $ [o]. – Seit einiger Zeit werden die Eigenkapitalvorschriften von Basel I durch Verbriefung umgangen: Verkauf an Zweckgesellschaften, die mit den Kreditforderungen ihrerseits neue Wertpapiere absichern (besichertes Wertpapier, ABS) [o].

26.02. – GB: Konkurs der Barings Bank, älteste Investmentbank Englands, durch unautorisierte und betrügerische Spekulationen von Nick Leeson in Singapur mit 1,4 Mrd $ Verlust [o].

 

1996

 

03.02. – Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer in Davos: „Ich habe bisweilen den Eindruck, dass sich die meisten Politiker immer noch nicht darüber im Klaren sind, wie sehr sie bereits heute unter der Kontrolle der Finanzmärkte stehen und sogar von diesen beherrscht werden.“ [o].

26.08. – USA: Brooksley Born [o o] wird Vorsitzende der Derivate-Aufsicht Commodity Futures Trading Commission (CFTC). Bald fordert sie eine stärkere Offenlegung von Derivaten und Reserven gegen Verluste, wird aber von Greenspan, Rubin und Summers kritisiert (s. 07.05.98).

 

1997

 

17.01. – Der DAX überschreitet 3.000 Punkte, von nun an steiler Anstieg bis zum Höchststand von 8.136 am 7.3.2000 [o o].

Mär – Beginn der Asienkrise. Ausgelöst durch die Politik billigen Geldes; als die schlechten Kredite ausfallen, müssen IWF und andere Geldgeber die Weltwirtschaft mit über 100 Mrd $ retten [o]. – THA: Bis Juni erhalten 66 Banken Zentralbank-Liquidität; signifikante Kapitalabflüsse [o].

Apr – MAL: Malaysias Nationalbank begrenzt die Kreditvergabe bzgl. Immobilien und Aktienkäufen.

15.05. – USA: Amazon geht an die Börse [o].

17.06. – Mit dem Vertrag von Amsterdam wird der Stabilitäts- und Wachstumspakt geltendes EU-Recht [o].

Jun – THA: 16 Banken werden geschlossen; Spareinlagengarantie der Regierung.

Jul – KOR: Mehrere Banken im Rating auf „negative outlook“ gesetzt. – THA: Dollarkopplung wird aufgehoben, Baht verliert 15-20%. – IDN: Währung gerät unter Druck. – MAL: Zentralbank interveniert massiv, muss dann Dollarkopplung aufgeben. – PHI: Peso darf um den Dollar schwanken.

Aug – IDN: Dollarkopplung aufgehoben, Rupiah verliert massiv. – THA: 42 Banken zeitweise geschlossen; 3-Jahres-Notfallplan mit IWF, Weltbank u.a. von 17,1 Mrd $.

Herbst – RUS: Durch Kapitalabfluss im Zuge der Asienkrise gerät der Rubel unter Druck [o].

Nov – KOR: Der Won verliert massiv. Gründung der Fondsgesellschaft KAMCO, um notleidende Kredite zu übernehmen. – THA: Wirtschaftsreformen; Notfallerlässe zur Entlastung und Reform des Finanzsektors.

07.11. – USA: SEC-Chef Arthur Levitt: “We continue to press for an overhaul of the outdated rules that govern our financial services industry. These antiquated restrictions have limited competition among banks, insurance companies, and securities firms, and have handicapped U.S. firms competing abroad. Legislation now pending in Congress would go some distance toward achieving these goals.” [o].

Dez –THA: 56 vorübergehend geschlossene Banken werden endgültig geschlossen. – IDN: Bank Run, Abzug von 50% aller Einlagen.

Dez – USA: Bill Demchak, ein Kreditmanager von JP Morgan, erfindet angesichts der Asienkrise die Verbriefung von Credit Default Swaps, einer Kreditversicherung, mit denen Mathematiker sich seit den 80ern beschäftigen, für die es aber noch keinen Markt gibt. Im „Broad Index Secured Trust Offering” (Bistro, CDO) werden 300 CDS von 9,7 Mrd $ gebündelt und von Demchaks brillanter Kollegin Blythe Masters innerhalb von zwei Wochen an Großinvestoren vermarktet. 2008 werden 57.000 Mrd $ Kredite auf diese Weise „versichert“ sein. Immer gewagtere Konstruktionen werden auch durch Fortschritte in der Finanzmathematik kalkulierbar; die Rating-Agenturen spielen mit, weil die Emittenten selbst sie bezahlen [o]. Nach Wikipedia wird die erste CDO von Drexel Burnham Lambert für Imperial Savings Ass. ausgegeben [o].

 

1998

 

1998 – USA: AIG FP beginnt, auch die hochkomplexen CDO von JP Morgan zu versichern, und wird größter Anbieter von CDS, vor der Krise allein 441 Mrd $ auf CDOs, davon 58 Mrd $ auf das Subprime-Segment gerichtet [o], laut „Spiegel“ insgesamt 562 Mrd $ und 80 Mrd $ auf CDOs [o]. Der CDS-Markt erreichte Ende 2007 mit 62.000 Mrd $ sein Maximum [o] und wurde sogar Ende 2008 noch auf fast 16.000 Mrd $ geschätzt [o]. CFO Cassano sagt 2007: „It was a watershed event in 1998 when J.P. Morgan came to us, who were somebody we worked with a great deal, and asked us to participate. | These trades were the precursors to what’s become the CDO market today.“ [o o].

1998 – JAP: Durch die Asienkrise verschärfte sich auch die seit 1991 anhaltende Japankrise zur Rezession [o].

1998 – BRA: Brasilien in der Krise, die Währung verliert die Hälfte ihres Wertes. Dadurch hat Argentinien einen Wettbewerbsnachteil (Produktionsauslagerungen nach Brasilien usw.) [o].

Jan – KOR: 10 Banken geschlossen, die bleibenden 20 müssen Restrukturierungspläne vorlegen, später werden noch 11 Banken geschlossen und 2 zusammengelegt. – IDN: Gründung einer Indonesian Bank Restructuring Agency (IBRA).

Feb – IDN: Weitere Abwertung.

17.03. – William White (BIZ) warnt: “Finally, it would be simply naive to assume that the markets will always exercise discipline appropriately.” [o].

23.03. – RUS: Jelzin entlässt Ministerpräsident Tschernomyrdin wegen der Wirtschaftslage. Umfassende Binnenverschuldung; der Staat kann kaum die Löhne und Zinsen (30% des Etats) zahlen. Nur 5 von 148 Mio Russen zahlen regelmäßig Steuern, Jelzin schützt die Oligarchen, die seinen Wahlkampf finanzierten [o].

24.03. – Drittes Finanzmarktförderungsgesetz: Änderungen im Börsengesetz, Wertpapierhandelsgesetz und Aktienrecht [o].

Apr – IDN: IBRA schließt und übernimmt je 7 Banken.

21.04. – USA: Beratung im Finanzministerium über B. Borns Vorschlag einer Derivate-Kontrolle; Greenspan und Rubin flehen sie an, ihre Meinung zu ändern [o].

23.04. – Der Bundestag beschließt den Beitritt zur Währungsunion. Theo Waigel und Hans-Dietrich Genscher sind überzeugt, dass der Euro-Raum auch zur Angleichung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit führen wird [o]. Waigel: „Aus dem Wegfall des Wechselkursrisikos werden nicht nur Großunternehmen Vorteile schöpfen. [...] Außenwirtschaftliche Störeinflüsse wie Wechselkursverwerfungen werden an Bedeutung verlieren, weil die Außenhandelsintensität des Euro-Raumes deutlich geringer sein wird. Schließlich kann Lohnmoderation nicht mehr - wie in Deutschland noch vor wenigen Jahren - durch Aufwertungen der D-Mark konterkariert werden.“ [o]. Mit anderen Worten: Staaten, die statt Lohndumping zu betreiben die Löhne erhöhen, können die im Vergleich zu Deutschland steigenden Lohnstückkosten nicht mehr durch Abwertung ihrer Währung kompensieren [o].

Mai – IDN: Unruhen, weitere Abwertung, Bank Runs intensivieren sich, Präsident Suharto tritt zurück.

02.05. – Der Rat der EU entscheidet, dass 11 Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für die dritte Stufe der Währungsunion und die Einführung des Euro erfüllen: Belgien, Deutschland, Spanien, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Finnland [o].

07.05.USA: Ein Konzeptpapier der CFTC unter Brooksley Born erbittet Stellungnahmen für mehr Transparenz und Regulation des OTC-Derivatemarktes [o o]. In einer gemeinsamen Stellungnahme sprechen sich Greenspan, Rubin und SEC-Chef Levitt dagegen aus: Es könne sich eine „legal uncertainty“ ergeben, den Finanzmarkt destabilisieren, Innovationen unterdrücken und Offshore-Kapitaltransfer forcieren [o]. „We seriously question the scope of the CFTC’s jurisdiction in this area.“ [o] – Die SEC hatte erleichterte Regeln („Broker-Dealer Lite“), u.a. reduziertes Eigenkapital, vorgeschlagen, um für einen OTC-Handel innerhalb der USA bzw. der Broker-Dealer-Struktur zu ermutigen [o o], wobei die CTFC kritisierte, dass einige Aktivitäten gegen den Commodity Exchange Act CEA verstoßen würden [o]. – Wie die Frontline-Sendung „The Warning“ [o] im Oktober 2009 aufdeckt, wurde Levitt von Greenspan und Rubin manipuliert: „I was told that she was irascible, difficult, stubborn, unreasonable.“ [o]. Michael Greenberger, ein CFTC Senior Director, erinnert sich, wie Born gestoppt wird: „I walk into Brooksley's office one day; the blood has drained from her face. She’s hanging up the telephone; she says to me: That was Larry Summers [Assistant Secretary von Finanzminister Rubin]. He says, ‘You're going to cause the worst financial crisis since the end of World War II. ... [and he has] 13 bankers in his office who informed him of this. Stop, right away. No more.’“ [o]

27.05. – Russlandkrise: Starke Kursschwankungen an den Finanzmärkten, die Regierung kann ihre Schuldverschreibungen nur mit 80% Zinsen am Markt absetzen. Um den Rubel nicht abzuwerten, verdreifacht die Zentralbank den Leitzins auf 150% (4.6.: 60%), Jelzin verordnet ein Sparpaket von ca. 40 Mrd Rb [o].

Jun – IDN: Intern. Kreditgeber und indon. Unternehmen einigen sich auf Umschuldungsprogramme.

01.06. – Errichtung der Europäischen Zentralbank EZB [o].

03.06. – Gründung der ersten Attac-Gruppe in Frankreich [o].

05.06. – USA: Greenspan, Rubin und Levitt rufen den Kongress an, Born am Alleingang zu hindern (s. Okt) [o].

18.06. – RUS: Der IWF kritisiert das Tempo der Reformen und verschiebt die Auszahlung von 670 Mio $, die Aktien fallen weiter.

01.07. – RUS: Sparpaket von 6 Mrd $ im Parlament. Steuerreform per Verordnung.

20.07. – RUS: Der IWF genehmigt einen Überbrückungskredit von 11,2 Mrd $.

30.07. – USA: Vize-Finanzminister (Treasury Deputy Secretary) Larry Summers vor dem Kongress: “the parties to [OTC derivatives] are largely sophisticated financial institutions that would appear to be eminently capable of protecting themselves from fraud and counterparty insolvencies.” [o].

12.08. – RUS: Am Interbankenmarkt wird die Liquidität knapp, die Notenbank verbietet den Geschäftsbanken, unbegrenzt Fremdwährung zu kaufen.

13.08. – RUS: Der Finanzmakler George Soros empfiehlt in der Londoner Times eine Rubelabwertung von 15-25% [aber auch weitere Hilfsmaßnahmen o], unmittelbar führen Spekulationen auf eine Abwertung zu Panikverkäufen und Kursverlusten bis 25%. Kapitalabfluss (u.a. 5 Mrd $ asiatischer Anleger [o]) und Staatsverschuldung setzen den Rubel massiv unter Druck, Jelzin schließt am 14.8. eine Abwertung aus.

17.08. – RUS: Dollar-Korridor des Rubel wird erweitert [o], nachdem 4,8 Mrd $ vom IWF den Kurs nicht stützten konnten, Abwertung um 60% und entsprechend verteuerter Auslands-Schuldendienst. Es folgt ein Sturm von Privatanlegern, ein Großteil der wichtigsten Banken muss Insolvenz anmelden [o].

23.08. – RUS: Jelzin entlässt auch Kirijenko, der zuvor erklärte, Russland stehe am Anfang einer Finanzkrise, worauf weltweit die Börsenkurse einbrachen. In der Folge kann ein rigides Sparprogramm das Vertrauen der Finanzmärkte wieder herstellen und die Inflation 1999 eindämmen [o].

Sep – Die Fusion der Deutschen und Schweizer Terminbörse (DTB und SOFFEX) zur European Exchange (Eurex) ist beendet [o].

23.09. – USA: In der New Yorker Fed Rettungstreffen für den Hedge-Fonds Long-Term Capital Management (LTCM), der in die Krise kam, weil er (vor der Russlandkrise) auf eine Verringerung festverzinslicher und sicherer Papiere spekuliert hatte. Die Fed koordiniert ein Hilfspaket von 3,75 Mrd $ [o o]. B. Born: „Alan Greenspan said one of the reasons the Federal Reserve Board facilitated the bailout of Long-Term Capital Management was that they were afraid it would have profound worldwide economic repercussions.“ [o]

Sep – IDN: Auslandsschulden werden refinanziert; die vier größten staatlichen Banken fusionieren; Rekapitalisierung privater Banken.

Sep – Helmut Schmidt fordert in der ZEIT eine Regulation des spekulativen Raubtierkapitalismus: „1. Die von Spekulation bedrohten Staaten müssen ermutigt werden, sich gegen kurzfristigen Geldzufluß aus dem Ausland abzuschirmen. 2. Die Industrie- und Finanzstaaten brauchen gemeinsam eine Ausweitung der Kompetenzen ihrer Bank- und Finanzaufsichtsbehörden.“ [o].

Okt – USA: Alan Greenspan erklärt vor dem Kongress, „dumme Fehler“ hätten nichts mit dem funktionierenden System des Derivathandels zu tun [o]. Der Kongress stoppt die Regulierungsbefugnis des CFTC für Derivate für sechs Monate [o].

03.10. – Der G7-Finanzgipfel beauftragt Bundesbankpräsident Tietmeyer, einen neuen Rahmen für die internationale Zusammenarbeit von Finanzinstitutionen und Kontrollbehörden zu erarbeiten (20.2.1999 präsentiert) [o].

23.10. – USA: Die SEC-Rule OTC Derivatives Dealers („Broker-Dealer Lite“) schlägt u.a. reduziertes Eigenkapital vor, um für einen OTC-Handel innerhalb der USA bzw. der Broker-Dealer-Struktur zu ermutigen [o o].

28.12. – George Soros: „Wir waren ganz, ganz dicht an einer Kernschmelze des internationalen Finanzsystems, des gesamten Bankensystems. Es war wirklich furchterregend. Die Russen wurden zahlungsunfähig, und der Hedge Fonds Long-Term Capital Management ging fast unter. Wenn die New Yorker Fed nicht eingegriffen hätte, wären Kreditrisiken entstanden, auf die niemand vorbereitet war.“ [o]

Bilanz der Asienkrise: Anstieg der Arbeitslosigkeit: KOR 2,0 > 6,8% – MAL 2,5 > 8,0% – IDN auf 22%. Der IWF stellte 39 Mrd $ zur Verfügung [o].

 

1999

 

1999 – ARG: Argentinien gerät in eine Rezession [o]. – USA: AIG betreibt Bilanzkosmetik. Nach einer Transaktion mit dem Rückversicherer Gen Re (General Re, gehört zu Warren Buffets Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway) stiegen die Reserven auf dem Papier um 500 Mio $ und AIG kann mit eigenen Aktien einen Konkurrenten übernehmen [o]. General Re spiegelte vor, Rückversicherungen über eine Versicherungssumme von 500 Mio $ zu kaufen, die dann als Verlustrückstellungen in die AIG-Bilanz gingen [o].

Anf – Als Bundesfinanzminister Lafontaine mit G8-Kollegen über grundlegend neue Regulierungen der internationalen Finanzmärkte beraten hat und konkrete Ergebnisse erzielt waren, sagte ihm der US-Finanzminister am Rande, Lafontaine werde doch wohl nicht annehmen, dass diese neuen Regeln die Zustimmung des amerikanischen Präsidenten bekämen. Schließlich habe Wall Street den Wahlkampf des amtierenden Präsidenten Clinton bezahlt [o].

01.01. – Dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion: Einführung des Euro; unwiderrufliche Festlegung der Wechselkurse von elf Mitgliedstaaten; Durchführung einer einheitlichen Geldpolitik unter Verantwortung der EZB [o].

01.03. – Deutsches Aktieninstitut e.V. wirbt: „Mehr Aktienkultur heißt weniger Arbeitslose“ [o].

Mär – IDN: Regierung schließt 38 Banken, IBRA übernimmt 7 weitere.

03.03. – USA: CFTC-Chairperson Brooksley Born berichtet vor dem House Subcommittee on Capital Markets über eine Studie der PWG Finanzmärkte über den LTCM-Kollaps und warnt, Derivate müssten reguliert werden oder “could pose potentially serious dangers to our economy.” Alan Greenspan vertritt am 19.3. vor der Futures Industry Association, Derivate sollen unreguliert bleiben [o].

05.03. – USA: Als letzte Investmentbank will Goldman Sachs an die Börse gehen [o].

14.04. – Erstes Treffen des Forum for Financial Stability in Washington [o].

01.06. – USA: Brooksley Born hört als Leiterin der CFTC auf [o].

01.07. – USA: Lawrence Summers löst Robert Rubin als Finanzminister ab [o].

22.07. – USA: Alan Greenspan vor dem Kongress: “There can be little doubt that if the nation's productivity growth has stepped up, the level of profits and their future potential would be elevated. That prospect has supported higher stock prices. The danger is that in these circumstances, an unwarranted, perhaps euphoric, extension of recent developments can drive equity prices to levels that are unsupportable even if risks in the future become relatively small. Such straying above fundamentals could create problems for our economy when the inevitable adjustment occurs.” [o].

30.09. – USA: Fannie Mae senkt unter dem Druck der Clinton-Administration die credit requirements von mortgage loans, die sie kauft. Das American Enterprise Institute warnt, dass eine ökonomische Krise zu einem bailout führen könnte [o].

Herbst – USA: John Eatwell und Lance Taylor veröffentlichen: “Global Finance at Risk: The Case for International Regulation.” Dem Nutzen der Liberalisierung stehen hohe Kosten gegenüber: Währungsschwankungen, Zinsraten, Krisenanfälligkeit. Es bräuchte eine Weltfinanzbehörde, Beschränkungen von kurzfristigem Kapitaleinfluss in EL bei Krisen, Währungskurs-Management, Risikomodelle für Derivate, Bilanzierungsstandards [o].

18.10. – USA: Robert Rubin wird in einem merkwürdigen Konstrukt zugleich (verantwortungsloser) Berater und Mitglied eines 3er-Vorstandsvorsitz der Citigroup, bis zu seinem Rücktritt Anfang 2009 wird er 115 Mio $ verdienen (ohne Aktienoptionen) [o].

Nov – USA: Senior regulators empfehlen dem Kongress den dauerhaften Entzug der Regulierungsbefugnis der CFTC für Derivate, Greenspan nutzt sein Prestige, um dies durchzusetzen [o].

09.11. – USA: PWG-Report „Over-the-Counter Derivatives Markets and the Commodity Exchange Act“ [o].

12.11. – USA: Der Gramm-Leach-Bliley Act hebt das Trennbankensystem (Banken/Versicherungen) auf [o]. Das Lobbying von Citibank, Rubin, Summers u.a. trägt Früchte. Der Marktanteil der fünf größten US-Banken steigt 1995-2010 von 8% auf 36,5% [o]. Die treibende Kraft war Phil Gramm, der in der Dekade zuvor über 4,6 Mio $ vom FIRE sector (Finance, Insurance and Real Estate donations) erhielt [o].

Ende – JP Morgan weitet sein „Bistro“-Geschäft aus, nun wird „alles mit allem verwurstet“. Blythe Masters schreibt im Februar 2000 in einer Broschüre: „In fünf Jahren werden Kommentatoren auf die Geburt von Kreditderivaten als Wendepunkt zurückblicken.“ [o].

31.12. – Das Finanzvolumen der deutschen Investmentbranche verdoppelte sich in drei Jahren auf 1.693 Mrd DM [o]. Die Trends von Börsengängen und privater Altersvorsorge spielen sich in die Hände [o].

 

2000

 

22.01. – Gründung von Attac Deutschland [o].

10.03. – Die Dotcom-Blase platzt: Allzeithoch des New-Economy-Aktienindex „Nemax“ 50 mit 9.666 Punkten. Die 229 Firmen des „Nemax All Share“ sind auf dem Papier 234 Mrd € wert, obwohl die meisten keine schwarzen Zahlen schreiben. Als nach ersten Insolvenzen und Bekanntwerden fingierter Umsätze die Kurse zu sinken beginnen, bricht der Markt schnell völlig zusammen. Bis Oktober 2002 kollabiert der Nemax 50 auf 318 Punkte (-97%) [o].

13.03. – Dax-Allzeithoch mit 8151,57 Punkten am Tag des Börsengangs von Infineon. Es werden so viele Aktien gehandelt (6,1 Mrd € Angebot, 200 Mrd € Bestellungen), dass die Handelssysteme der Frankfurter Wertpapierbörse zusammenbrechen [o].

Mitte: Die US-Immobilienmärkte boomen: Die Häuserpreise steigen 2000-06 um 170% bzw. jährlich 18%, die Hypothekenverschuldung von ca. 65% auf über 100% vom frei verfügbaren Einkommen [o]. – Zweitrangige Hypothekenkredite, home equity lines, ermöglichen die erneute Beleihung für Konsumkredite und werden immer populärer [o]. – Die Verschuldung der US-Haushalte wächst 2000-2008 von 70% auf 103% (14.500 Mrd $) vom BIP [o]. (Grafik der Böckler-Stiftung [o] S.36 offenbar falsch: 1980-2008 von 4 auf 32 Bio $), bzw. auf 127% des frei verfügbaren Einkommens (GB, IR noch höher, DE 100% [o]). – Deutsche Banken kaufen verbriefte Hypotheken (asset-backed security, ABS), die BayernLB z.B. vor Ort mit einer Schattenbank in der US-Steueroase Delaware schon ab 1998 [o]. In Verbindung mit anders besicherten Krediten entstehen die Collateralized Dept Obligations (CDO). Das weltweite CDO-Volumen beträgt 150 Mrd $ | 2002: 200 | 2004: 350 | ab 2006 über 1.000 Mrd $ [o], andere Quellen nennen 2004: 157 | 2006: 551 Mrd $ [o].

20.06. – Auf dem EU-Ratsgipfel wird Griechenlands Euro-Beitrtt für 2001 verkündet. Schröder gratuliert Ministerpräsident Simitis zur "gesunden wirtschaftlichen und Finanzpolitik" der letzten Jahre [o].

06.07. – Der Bundestag beschließt die Steuerreform bzw. das Steuersenkungsgesetz: Einkommenssteuer-Eingangssatz von 25,9% auf 15%, Spitzensteuersatz von 53% auf 42% (je ab 2005), Körperschaftsteuer von 40% auf 25%, Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen bei Kapitalgesellschaften [o o o].

12.10. – Gründung der neoliberalen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) [o]. Kuratoriumsvorsitzender Hans Tietmeyer präsentiert bei der Vorstellung mit dem Start up-Unternehmer Röver aus Stuttgart eine Broschüre. Bei Rövers hochgelobter Brokat AG stieg wenige Tage vorher [o] Siemens mit 3% bzw. 140 Mio DM ein [o o]. Ein Jahr später, am 23.11.2001 ging Brokat in die Insolvenz [o].

23.10. – USA: Der SEC-Erlass Regulation Fair Disclosure tritt in Kraft und verbietet es, kursrelevante Informationen einigen Anlegern und Analysten bevorzugt bzw. früher zu geben. Unternehmen hatten damit häufig eine freundliche Behandlung „erkauft“ [o]

15.11. – Jahresgutachten der „Wirtschaftsweisen“ [o] mit eigenem Kapitel „Hoffnungsträger Neue Ökonomie?“ [o o].

Dez – Die KfW beginnt mit ihrer Verbriefungs-Plattform „Promise“ [o], eine Art Kombination aus einem CDS und einem Credit Link Note [o].

21.12. – USA: Der Commodity Futures Modernization Act (CFMA) [o o] entzieht der CTFC dauerhaft die Regulierungsbefugnis für OTC-Derivate (CDS usw.); diese werden nicht als Futures oder Versicherungen behandelt. Für Energie-Derivate wird diese Ausnahme „Enron loophole“ genannt [o]. Der Handel erfolgte über private elektronische Plattformen, die der NYMEX Konkurrenz machen; die erfolgreichste ist die InterContinental Exchange (ICE), die von Goldman Sachs, Morgan Stanley und einigen anderen großen Maklern gegründet wird und sehr bald eine Plattform in London eröffnet [o]. Einer der fünf Co-Sponsoren des CFMA ist Phil Gramm [o], der von Enron 1989-2001 über 100.000 $ Wahlkampfspenden erhielt [o]. Er blockierte die Fassung so lange, bis sie wirklich eine klare Deregulierung brachte [o].

 

2001

 

2001 – USA: Lehman Brothers benutzt ein Bilanz-Manöver „Repo 105“: Ein kurzfristiger Kredit wird als Verkauf klassifiziert, wodurch das Leverage sinkt. Vor der Krise kann LB damit 50 Mrd $ verstecken [o o].

01.01. – GR: Griechenland wird als 12. Staat in den Euro-Raum aufgenommen [o]. – US-Banken wie Goldman Sachs und JP Morgan halfen, die griechische Staatsverschuldung zu verschleiern: Neue Kredite wurden als Währungsgeschäfte verbucht und dafür erwartete Einnahmen wie Flughafengebühren und Lotterie abgetreten [o o]. Rügemer präzisiert: Vor dem Beitritt zur Eurozone kaufte 2001/02 Goldman Dollar- und Yen-Schulden von 10 Mrd $ ab und tauschte sie langfristig in Euro; zugleich kauften JP Morgan und UBS künftige Lotterieeinnahmen und Autobahngebühren [o]. Goldman organisierte seit 2002 auch den Verkauf von 15 Mrd $ Staatsanleihen, bekam 1 Mrd $ Provision und wies nicht in allen Anleiheprospekten auf Athens angespannte Haushaltslage hin [o].

03.01. – USA: Wegen einer leichten Rezession beginnt die Fed, den Leitzins von bisher 6,5% zu senken [o o].

20.01. – USA: George W. Bush wird als US-Präsident vereidigt [o].

24.01. – USA: Bank of America-CEO Hugh McColl Jr. geht in den Ruhestand [o]. Nachfolger wird Ken Lewis. Er streicht unmittelbar 10.000 Stellen und verlagert viele weitere nach Indien [o].

31.01. – USA: Leitzins von 6,0 auf 5,5% [o].

16.03. – Wall Street mit größtem Wochenverlust bisher, der Dow Jones fällt um 821 Punkte oder 7,7%. Der Nasdaq sank seit März 2000 um 67% (von 6,7 auf 2,7 Bio $) [o].

20.03. – USA: Leitzins von 5,5% auf 5,0% – 18.04. auf 4,5% – 15.05. auf 4,0% – 27.06. auf 3,75% – 21.08. auf 3,5% [o].

17.07. – Brüsseler Erklärung: Verständigung über Landesbanken und Sparkassen, s. 28.02.02 [o o]. Mario Monti im Gespräch mit DSGV-Präsident Hoppenstedt, Ministern Steinbrück, Falthauser und Stratthaus (NRW, BY, BW) sowie StS Koch-Weser (BMF). EU-Kommission und Bundesregierung einigen sich über den Wegfall der Gewährträgerhaftung für Landesbanken (unerlaubte Beihilfe) [o]. Während der Übergangsfrist bis 18.7.2005 nehmen sie noch hohe Milliardenbeträge zu sehr günstigen Konditionen auf und investieren in Conduits/SIVs, die hoch riskante Papiere kaufen. Langfristpapiere werden laufend v.a. mit kurzfristigen commercial paper refinanziert, extremes Risiko des Abreißens, von Finanzaufsicht geduldet [o]. So wuchsen die staatlich garantierten Schulden der Landesbanken exponentiell um mindestens 100 Mrd €, dazu die von ihnen selbst begebenen Garantien z.B. für SIV/ABCP-Vehikel; die Gesamt-Verbindlichkeiten wahrscheinlich um 200 Mrd € und mehr [o].

11.09. – USA: Der 11. September.

17.09. – USA: Leitzins von 3,5% auf 3,0% – 02.10. auf 2,5% – 06.11. auf 2,0% – 11.12. auf 1,75% [o].

Herbst – USA: Der Fonds Lehman Brothers Real Estate Partners investiert mit Eigenkapital von 1,6 Mrd $ auf dem Immobiliensektor; Ende 2002 wird Lehman Brothers „Bank des Jahres“ [o].

Nov – Argentinienkrise: Die globale Depression nach dem 11. September stürzte Argentinien nach leichter Erholung endgültig in die Krise. Als das IWF-Haushaltsziel nicht erreicht wird, verweigert der IWF eine 1,25 Mrd $-Tranche, was eine schnelle Kapitalflucht auslöst [o].

08.11. – USA: Zum 90. Geburtstag von Milton Friedman sagt Gouverneur Ben Bernanke: “I would like to say to Milton and Anna: Regarding the Great Depression. You’re right, we did it. We’re very sorry. But thanks to you, we won’t do it again.” Beide Autoren zeigten in "A Monetary History of the United States" (1963), wie die restriktive Geldpolitik wegen mangelnder Liquidität in die Große Depression ab 1929 führte [o].

09.11. – China wird in die WTO aufgenommen [o].

12.11. – Die KfW erwirbt die Anteile der Allianz AG (19,8%) und der Münchener Rück-Gruppe (13,4%) an der IKB Deutsche Industriebank AG [o]. Diese ist 2007 der führende Mittelstandsfinanzierer mit 14% Marktanteil [o].

02.12. – USA: Enron meldet Insolvenz an, aufgrund von Bilanzfälschungen einer der größten Unternehmensskandale der US-Geschichte [o].

11.12. – Gesetz zur Neuordnung des Schuldbuchrechts des Bundes und der Rechtsgrundlagen der Bundesschuldenverwaltung (Bundeswertpapierverwaltungsgesetz, BWpVerwG) [o].

19.12. – ARG: Massive Demonstrationen mit 28 Toten, Rücktritt von Präsident de la Rúa. Erklärung der Zahlungsunfähigkeit [o].

20.12. – Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) [o].

2001 – IS: Island beginnt den Weg ins Ungleichgewicht: Expansive Fiskalpolitik im Vorfeld der Wahlen, Inflationsbekämpfung durch Zinserhöhung (ab 2004 weit höher als im Ausland). Dies führt zu Flucht in Auslandskredite, Zustrom ausländischen Kapitals („Glacier Bonds“), Immobilienboom, Anstieg des Währungskurses um 40% bis Ende 2005. Zur Inflationsbekämpfung setzt man dennoch weiter auf Zinserhöhungen [o]. Die Banken spekulierten auch gegen die eigene Währung: Um hohe Fremdwährungsverbindlichkeiten abzusichern, verkauften sie ISK in Termingeschäften und kassierten bei Abwertung. Seit 2004 vervierfachte sich die Auslandsschuld des Landes [o]. – USA: Die Beitrittsverhandlungen Chinas zur WTO verzögern sich, weil AIG-Chef Greenberg über den Sonderstatus von AIG in China nachverhandeln lässt (so Ron Shelp, 12 Jahre lang AIG-Mitarbeiter, in „Der gestürzte Gigant“) [o].

 

2002

 

01.01. – ARG: Präsident Duhalde. Abwertung des Peso offiziell um 28%, im Innenhandel „freier Dollarkurs“, massive Panikkäufe. Corralón: Alle Konten über einem Grenzwert werden in Festzinssparbücher umgewandelt, deren Rückgabe bis 2010 gestreckt wurde [o].

15.01. – USA: UBS Warburg (CH) übernimmt das Handelsgeschäft von Enron [o].

18.01. – USA: Fed Governor Ned Gramlich vor der Housing Bureau for Seniors Conference, Ann Arbor: “However, the rise in the use of credit by lower-income homeowners has [...] been accompanied by increasing reports of abusive, unethical, and in some cases illegal, lending practices. These reports [...] jeopardize the twin American dreams of owning a home and building wealth.” [o]

28.02. – Schlussfolgerungen über Anstaltslast and Gewährträgerhaftung betreffend die Verständigung über Landesbanken und Sparkassen vom 17.7.2001: „Grandfathering“ der Gewährträgerhaftung [o o].

06.03. – Joseph Stiglitz’ Buch Die Schatten der Globalisierung erscheint auf deutsch.

Mär – Die IKB gründet in Delaware die Zweckgesellschaft Rhineland Funding, die 2007 zur existentiellen Bedrohung wird. Währenddessen gründete die BayernLB auch im britischen Steuerparadies Jersey eine Schattenbank, die SachsenLB in Dublin die LB Europe (und dort später die zwei aggressiven Investmentgesellschaften Ormond Quay und Georges Quay, erstere darf zuletzt mit 41 Mrd € spekulieren, bei einem Eigenkapital der SachsenLB von 1,5 Mrd €) [o].

15.03. – USA: Bei einem Vortrag erklärt Greenlight Capital-HF-Chef David Einhorn, er habe seine Aktien von Allied Capital abgestoßen, weil deren Buchführung korrupt sei; am nächsten Tag kann die Börse die Verkäufe kaum bewältigen. Allied greift ihn mit diversen Lügen an und hört seine Telefonate ab. Die SEC untersucht Einhorn und überführt erst 2007 Allied des Bilanzbetrugs [o o].

Apr – ARG: Der Dollarkurs (offiziell 1,40) steigt auf 3,50 Pesos, sinkt dann durch Pesokäufe der Zentralbank wieder etwas. Die Wirtschaft wird abgewürgt, in den ersten Monaten des Jahres 12% Rezession. Mitte des Jahres Armutsquote von 58% (1995: 15%, 2006: 27%) [o].

Apr – Der Medienkonzern der Kirch-Gruppe muss wegen über 7 Mrd € Schulden Insolvenz anmelden – die größte deutsche Insolvenz nach 1945. In den folgenden Monaten wird die Unternehmensgruppe zerschlagen, einen großen Teil übernimmt der US-Investor Haim Saban [o]. Kirch verklagt den Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Bank, Rolf-E. Breuer, der in einem Fernsehinterview sagte, es sei allgemein bekannt, dass Kirch keine Kredite mehr bekomme. Der BGH spricht am 24.1.2006 ein Recht auf Schadenersatz zu. Breuer legt am 3.5.2006 sein Mandat nieder. Kirch reicht im Mai 2007 eine Klage über 1,6 Mrd € ein, die am 25.11.2008 teilweise und am 22.2.2011 insgesamt abgewiesen wird [o].

01.05. – Die einheitliche Finanzaufsichtsbehörde BaFin [o] nimmt ihren Dienst auf und erkennt schnell die systemische Gefahr der verbrieften Finanzprodukte, doch während Spanien Zweckgesellschaften untersagt, hat sich die deutsche Politik vorgenommen, den „Finanzplatz Deutschland“ zu stärken. Laut Abteilungsleiter Uwe Traber verkommt die BaFin bald zur „Stempelbehörde“ der Bundesbank [o].

17.05. – Porsche-Chef Wiedeking kritisiert Steuerbefreiung für Veräußerungsgewinne. Die Folge sei ein „Monopoly auf Steuerzahlerkosten“ [o].

21.06. – Viertes Finanzmarktförderungsgesetz: u.a. erweiterte Anlagemöglichkeiten für Fonds, Derivatehandel im Immobiliengeschäft [o]. Die Banken brauchen für die Forderungsverwaltung der an die Zweckgesellschaft übertragenen Forderungen keine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz mehr [o].

Juni – Die Depfa verlagert ihren Sitz von Wiesbaden nach Dublin/Irland. Konzernchef Bruckermann sagt später, am 13.04.03, die Steuerersparnis sei „vernachlässigbar“, der Grund seien „geringere operative Kosten“, außerdem seien „die neuen irischen Pfandbriefe noch risikoärmer“ [o].

30.07. – USA: Der Sarbanes-Oxley Act, verabschiedet nach Bilanzskandalen (z.B. Enron), soll die Verlässlichkeit der Finanzdaten verbessern, wird aber auch bald ausgehöhlt [o].

30.08. – USA: Fed-Chef Greenspan auf dem jährlichen Jackson-Hole-Finanzgipfel: “As events evolved, we recognized that, despite our suspicions, it was very difficult to definitively identify a bubble until after the fact – that is, when its bursting confirmed its existence. Moreover, it was far from obvious that bubbles, even if identified early, could be preempted short of the central bank inducing a substantial contraction in economic activity – the very outcome we would be seeking to avoid. Prolonged periods of expansion promote a greater rational willingness to take risks, a pattern very difficult to avert by a modest tightening of monetary policy. In fact, our experience over the past fifteen years suggests that monetary tightening that deflates stock prices without depressing economic activity has often been associated with subsequent increases in the level of stock prices. [...] But is there some policy that can at least limit the size of a bubble and, hence, its destructive fallout? From the evidence to date, the answer appears to be no.” [o].

07.11. – USA: UBS Warburg kündigt an, dass Senator Phil Gramm nach seinem Ausscheiden als Vize-Chair der Investmentbank anfangen wird [o].

06.11. – USA: Leitzins von 1,75% auf 1,25% [o].

11.11. – USA: Nach Ermittlungen von Generalstaatsanwalt Eliot Spitzer muss Household International 484 Mio $ Schadenersatz an die Opfer falsch dargestellter Kreditverträge zahlen [o].

Dez – USA: Merrill Lynch einigt sich mit Generalstaatsanwalt Eliot Spitzer auf die Zahlung von 100 Mio $ nach vermeintlichen Interessenskonflikten bei Analysten. Stanley O'Neal wird CEO, im April 2003 Direktoriumsvorsitzender [o]. Insgesamt zahlen 2002 zehn Geldhäuser 1,4 Mrd $ für die Einstellung eines Verfahrens wegen Kursmanipulation [o].

 

2003

 

2003 – USA: Die Immobilienpreise boomen weiterhin (13%), doch auch der Wohneigentum-Leerstand steigt auf fast 2% [o].

2003 – Beispiel für Cross-Border-Leasing: Ulm „vermietet“ sein Abwasserkanalnetz gegen eine Zahlung von 8,2 Mio € für 99 Jahre an den US-Investor PNC Capital Leasing. Beteiligt an den 1000-seitigen Verträgen sind die Münchner Kanzlei Clifford Chance Pünder, die New Yorker Kanzlei Shearman & Sterling, Berater von Daimler Chrysler Services Structured Finance und Consultants von Dexia Global in New York [o].

Jan – BIZ-Veröffentlichung Credit Risk Transfer warnt: „CRT instruments may reduce banks’ incentives to monitor their borrowers and alter their treatment of distressed borrowers.“, “Although the [rating] agencies differ in the way they measure correlations and assess diversification, overall the techniques are relatively crude. [...] Although these techniques may reflect the state of the art in this area [...] it nevertheless suggests some caution is in order in relation to the reliability of the results, especially when some markets, such as the CDO market, depend crucially on the assessment of diversification effects.” [o].

21.02. – USA: Großinvestor Warren Buffett in einem Anleger-Rundschreiben: „Aus unserer Sicht sind Derivate finanzielle Massenvernichtungswaffen“ [o o]. Alle großen Investmentbanken stürzen sich dagegen auf das Geschäft mit immer neuen CDO-Varianten. Zentralbankvertreter äußern sich langsam kritisch; die BIZ warnt wiederholt, die Risikostreuung sei nicht in jedem Fall eine gute Sache; die G-10-Zentralbanker, die sich alle zwei Monate in Basel treffen, werden unruhig [o]. – Im gleichen Jahr sagt Fed-Chef Greenspan vor dem Senate Banking Committee, es wäre ein Fehler, Derivate stärker zu regulieren: „What we have found over the years in the marketplace is that derivatives have been an extraordinarily useful vehicle to transfer risk from those who shouldn’t be taking it to those who are willing to and are capable of doing so.“ [o] – Die DZ Bank kaufte [wann?] bei AIG FP für 1,3 Mrd € CDOs, dazu Versicherung, für ihren irischen Ableger Coral Purchasing. Die Rendite von 0,3% ging großteils als Versicherungsprämie an AIG. Cassanos Team findet 1000e Vertragspartner, teilweise Laufzeiten bis 2080 [o].

16.02. – Treffen von Schröder, Clement, Eichel mit Chefs von Deutsche Bank, Dresdner, HypoVereinsBank, WestLB, DZ Bank und Allianz. Ackermann verweigert die Übernahme der HVB [o] und schlägt eine Bad Bank für Kreditverbriefungen vor, wie am 24.2. durch eine Indiskretion bekannt wird [o o]. Später wird als „Bad Bank“ die HRE gegründet und dort die Ost-Immobilien-Kredite ausgelagert [o]. Schon vor 2003 wickelte die KfW neben der privaten Depfa die meisten Verbriefungsgeschäfte (Gesamtumfang 28,7 Mrd €) für die angeschlagenen Banken Commerzbank, Dresdner Bank u.a. ab [o].

12.03. – Nach drei Jahren Dax-Tiefststand mit 2202,96 Punkten erreicht, nun steiler Anstieg bis Juli 2007 [o].

Apr – BIZ-Generaldirektor Andrew Crockett wechselt zu JP Morgan und geht damit als erster Generaldirektor in die Finanzindustrie. Ein ranghoher deutscher Aufseher kommentiert, Crockett habe sich „von der Finanzindustrie für den Abwehrkampf mit Aufsicht- und Regierungsinstanzen sowie das Neugeschäft kaufen lassen“. Sein Nachfolger Malcolm Knight wird sich im Juni 2008 von der Deutschen Bank „kaufen lassen“ [o].

Mai – Erstes Treffen der Initiative Finanzstandort Deutschland (IFD), einer Lobbyorganisation der Finanzindustrie [o o].

25.06. – Die Fed senkt den Leitzins wiederum auf nun 1,0% [o]. Negativer Realzins, zum ersten Mal in der Geschichte negative Sparquote. Millionen US-Bürger steigen massiv in die Hypothekenverschuldung ein oder schulden um. Fundamentale Lockerung der Kreditvergabestandards bzw. Nichtregulierung durch Regierung und Fed [o]. Schon 2002 warnte z.B. Dean Baker vom Center for Economic Policy Research vor der Immobilien-Blase [o].

09.07. – True Sale-Initiative: 13 Banken unterzeichnen unter maßgeblicher Mitwirkung von KfW und Bundesregierung [o] einen Letter of Intent zur Förderung der Infrastruktur für Kreditverbriefungen: Zusammenfassung von Forderungen, die von einer Zweckgesellschaft angekauft und in Tranchen mit unterschiedlichem Risikogehalt am Kapitalmarkt verkauft werden [o o].

16.07. – USA: Fed-Chef Greenspan beim Senate Banking Committee Hearing: “[D]erivatives have been an extraordinarily useful vehicle to transfer risk from those who shouldn't be taking it to those who are willing to and are capable of doing so... [S]hould these be regulated, well, indeed for the United States they are obviously regulated to the extent that banks, being the crucial creators of these derivatives, are regulated by the banking agencies, but not beyond that. The reason why we think it would be a mistake to go beyond that degree of regulation is that these derivative transactions are transactions amongst professionals ... one major bank will know far more about its customer ... than we could conceivably know as regulators." [o].

31.07. – Art. 3 Kleinunternehmerförderungsgesetz: Erleichterung der Kreditverbriefung [o]; Ankauf von Kreditforderungen durch Zweckgesellschaften von Gewerbe- und Umsatzsteuer ausgenommen. In Deutschland wurden ABS-Transaktionen dabei für ausgesprochen „faule“ Kredite forciert [o].

29.08. – USA: Fed-Chef Greenspan auf dem Jackson-Hole-Finanzgipfel: “For example, policy A might be judged as best advancing the policymakers' objectives, conditional on a particular model of the economy, but might also be seen as having relatively severe adverse consequences if the true structure of the economy turns out to be other than the one assumed.” [o]. – BIZ-Chefvolkswirt William White stellt den „Jackson-Hole-Konsens“ in Frage und empfiehlt, “raise interest rates when credit expands too fast and force banks to build up cash cushions in fat times to use in lean years.” Greenspan sagt dagegen noch im Februar 2009: “There has never been an instance, of which I’m aware, that leaning against the wind was successfully done.” [o o].

12.09. – William White (BIZ) warnt: “At the same time, since the 1980s a new concern, financial instability, has risen to the top of national and international policy agendas. It is as if one villain [inflation] had gradually left the stage only to be replaced by another.” [o].

01.10. – USA: Charles Prince [o] lost Sandy Weill [o] als CEO der Citigroup ab. Mitvorstand Robert Rubin soll Prince in der Folge zu einer aggressiveren Anlagepolitik gedrängt haben [o].

05.10. – USA: Fed-Chef Greenspan auf der Jahresversammlung der American Bankers Association: „Derivatives have permitted financial risks to be unbundled in ways that have facilitated both their measurement and their management. [...] As a result, not only have individual financial institutions become less vulnerable to shocks from underlying risk factors, but also the financial system as a whole has become more resilient.” [o].

06.10. – Ausgabe der HRE-Aktien (Immobilienfinanzierungsgeschäft der Hypo), bis Mitte Dezember steigt ihr Wert um über 50% [o].

Nov – Robert Rubin, ehem. Clinton-Finanzminister, seit 1999 Berater und Direktor der Citigroup, schreibt in seinem Buch „In An Uncertain World“: „Future financial crises are almost surely inevitable and could be even more severe.“ [o].

15.12. – Investmentgesetz (InvG) [o] zur Fortentwicklung des Investmentstandortes Deutschland; Umsetzung der Änderungsrichtlinien 2001/107/EG und 2001/108/EG vom 21.1.2002 zur EU-Investmentrichtlinie 85/611/EWG. Zulassung von Hedge Fonds, Steuerfreiheit für Private Equity Fonds, großzügige Regelungen für Leerverkäufe, Leverage usw. [o o].

Dez – HRE verkauft ein Portfolio von rund 490 Mio € notleidender Krediten für einen geheimen Preis an ein Konsortium aus Lone Star und JP Morgan [o]. Insgesamt hatte die HRE in guten Zeiten einen Unternehmenswert (Marktkapitalisierung) von 5 Mrd Euro, spekulierte aber schon allein in der Immobilienfinanzierung mit rund 124 Mrd €. Die „deutsche“ Firma hat fünf Großaktionäre, Finanzinvestoren aus Übersee, die 73% der Aktien besitzen [o]. – USA: Die Finanzkonzerne unter den S&P 500 machen 30% des Gesamtprofits, 1995 waren es noch 18,4% [o]. 2004 beträgt der Anteil an allen US-Unternehmergewinnen sogar 41%, in den 90ern 21-30%, vor 1986 unter 16% [o].

 

2004

 

2004 – USA: Die Eigenheimpreise steigen nach wie vor jährlich zweistellig. – Der CDO-Handel weitet sich bei den Wall-Street-Banken aus, 2004: 157 | 2006: 551 Mrd $ [o]. [Falschangabe, er beginne 2004 erst: o o]. – Bei der SEC entsteht das Office of Risk Assessment „to help the SEC anticipate, identify, and manage risks, focusing on early identification of new or resurgent forms of fraud and illegal or questionable activities“ [o].

03.01. – USA: Fed-Chef Greenspan vor der American Economic Association: “It is far from obvious that bubbles, even if identified early, can be preempted at lower cost than a substantial economic contraction and possible financial destabilization – the very outcomes we would be seeking to avoid.” [o]

23.02. – USA: Fed-Chef Greenspan vor der Credit Union National Association: Hausbesitzer “might have saved tens of thousands of dollars had they held adjustable-rate mortgages rather than fixed-rate mortgages during the past decade.” [o].

März – Ein Team der SachsenLB gründet in Dublin die Conduits Ormond Quay, Ellis Quay, Merchants Quay und Eden Quay. Bereits im Juni 2004 sollen allein Ormond Quay 5 Mrd € Kreditverbriefungen haben, bis zur Krise sind es in allen Conduits 45 Mrd € [o].

30.03. – USA: Generalstaatsanwalt Spitzer erhält einen anonymen Brief, wenig später einen Anruf der Anwälte von Berkshire Hathaway (Warren Buffett), die ihn auf AIG hinweisen. Sie hatten Rückversicherungen gekauft und dabei Scheintransaktionen in der AIG-Bilanz entdeckt [o].

15.04. – Nobelpreisträger Robert Solow: „Bundesbank und Sachverständigenrat haben schon immer den theoretischen Glauben zu ernst genommen, dass es allein notwendig sei, die Inflation im Griff zu haben – und Produktion und Beschäftigung würden dann von selbst in ein Gleichgewicht kommen.“ [o].

Ende April – Treffen zwischen Schröder, Clement, Eichel und Prof. Bofinger, der Bundesbankpräsident werden soll, am Ende verweigert Eichel eine Kabinettsvorlage und schlägt später Axel Weber, den „Lehrer“ des damaligen Abteilungsleiters Jörg Asmussen, vor [o].

06.05. – Gründung der True Sale International (TSI GmbH) durch 13 deutsche Großbanken. Ziel die Schaffung eines standardisierten ABS-Marktes [o o].

19.05. – Die Dresdner Bank warnt in einem Papier vor einer Immobilienblase in USA, GB und Spanien [o].

21.05. – USA: Fed-Vorstandsmitglied Edward Gramlich beim Financial Services Roundtable Annual Housing Policy Meeting: “increased subprime lending has been associated with higher levels of delinquency, foreclosure, and, in some cases, abusive lending practices.” 1994-2003 verzehnfacht, 25% jährlicher Anstieg [o]. Die größten Hypothekenfinanzierer geben ab 2004 automatisiert Kredite, bis 2007 betrifft dies 40% aller Subprime-Kredite [o].

21.06. – USA: Die SEC verkündet das Consolidated Supervised Entities Programm, das die Eigenkapitalanforderungen für Versicherungen und Investmentbanken absenkt. War zuvor ein Leverage von 12:1 typisch, wird es nun eher 33:1 (und bis 40:1 bei Merrill Lynch) [o o o o o].

25.05. – Das OLG Frankfurt bestätigt eine Entscheidung des LG Frankfurt bezüglich Kreditforderungen, die der Insolvenzverwalter der Gontard Metallbank AG an Lone Star verkauft hatte: Verletzung des Bankgeheimnisses, vertragliches Abtretungsverbot bezüglich Kreditforderungen und Sicherheiten [o].

26.06. – Ein G10-Finanzgipfel beschließt nach über 5-jähriger Beratung Basel II, die Rahmenvereinbarung über eine neue Eigenkapitalempfehlung [o]. Überraschenderweise ohne Zins-/Marktrisiko- und ggf. Liquiditätsrisiko-Eigenkapitalkomponente, dagegen hochkomplexer Kreditrisikomodellierungsansatz und untaugliche Versuche zur Messung operationalen Risikos [o]. Ratings standardisierter Rating-Institute [o].

30.06. – USA: Fed hebt den Leitzins auf 1,25% (und bis 14.12. auf 2,25% [o]), doch die langfristigen Zinsen bleiben niedrig. Der Niedrigzins hätte zu einer Währungsabwertung führen müssen, aber China und Japan intervenieren gegen eine Aufwertung ihrer Währungen auf dem US-Kapitalmarkt (Japan kaufte 2003/04 300 Mrd $, China 2007 460 Mrd $).

Aug – Im Auftrag der BaFin kontrolliert KPMG die SachsenLB, u.a. in Irland. Es gibt „erhebliche Unzulänglichkeiten in der Dokumentation“, der Verwaltungsrat habe den „Gesamtüberblick“ verloren, Kreditpapiere von über 13 Mrd € führen in den Büchern eine Art „Eigenleben“, die 13 Zweckgesellschaften halten sogar 30 Mrd € hochriskante Wertpapiere [o].

10.08. – USA: Moody’s beginnt, mit einer Kreditausfall-Formel zu arbeiten, die David Xiang Lin Li anhand einer Analyse von „gebrochenen Herzen“ entwickelte, und senkt seine Anforderungen für Diversifizierung CDO-haltiger Portfolios [o o].

09.09. – USA: Der „Economist“ beginnt mit Berichten über die Blasenbildung: “Global house prices - The sun also sets” [o].

16.09. – HRE verkauft ein Portfolio von 3,6 Mrd € teilweise notleidender Krediten an Lone Star [o]. Es geht um ca. 4.200 Immobiliendarlehen mit rund 1.700 Kunden [o].

Sep – USA: Das FBI warnt vor einer Epidemie von Hypothekenbetrug [o o].

21.09. – USA: AIG gibt Ermittlungen der SEC bekannt [o]. PNC Financial Services (siehe CBL mit Ulm) hatte sich mit Hightech-Firmen-Krediten verspekuliert und will 762 Mio $ aus der Bilanz auslagern. Cassanos Leute von AIG FP gründen eine imaginäre Zweckgesellschaft, der PNC seine notleidenden Kredite „verkauft“, und kassieren 39,8 Mio $ „Gebühren“. Später zahlt AIG FP 80 Mio $ Strafe und zahlt die Gebühren inkl. 6,5 Mio $ Zinsen zurück [o].

14.10. – USA: New York Fed-Chef Timothy Geithner auf der SIBOS 2004 Atlanta Conference: “it is worth reflecting on whether it makes sense to build on these efforts by developing and utilizing central counterparty clearing arrangements in the more standardized part of the OTC derivative market.” [o].

15.10. – USA: Generalstaatsanwalt Spitzer verklagt den weltgrößten Versicherungsmakler Marsh & McLennan wegen fingierter Wettbewerbe [o]. Man würde der Kundschaft vorgaukeln, Aufträge öffentlich auszuschreiben, tatsächlich fließe Schmiergeld, die Gewinner stünden im voraus fest. Auch AIG soll mitgeboten haben, mal, um den Preis für die Komplizen hochzutreiben, mal, um das Geschäft selbst zu machen. Marsh-Chef Jeffrey Greenberg, Sohn von AIG-Chef Hank Greenberg, muss zurücktreten [o].

19.10. – USA: Fed-Chef Greenspan auf der Jahresversammlung der America’s Community Bankers: “Housing price bubbles presuppose an ability of market participants to trade properties as they speculate about the future. But upon sale of a house, homeowners must move and live elsewhere. This necessity, as well as large transaction costs, are significant impediments to speculative trading and an important restraint on the development of price bubbles. [...] Overall, while local economies may experience significant speculative price imbalances, a national severe price distortion seems most unlikely in the United States, given its size and diversity. | Although I scarcely wish to downplay the threats to the U.S. economy from increased debt leverage of any type, ratios of household debt to income appear to imply somewhat more stress than is likely to be the case. For at least a half century, household debt has been rising faster than income, as ever-higher levels of discretionary income have increased the proportion of income spent on assets partially financed with debt. | The pace has been especially brisk in the past two years as existing home turnover and home price increase, the key determinants of home mortgage debt growth, have been particularly elevated. Most analysts, even those who do not foresee a mounting bubble, anticipate a slowdown in both home sales and the rate of price increase.” [o].

28.10. – Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) [o].

Nov – Erste True-Sale-Kreditverbriefung [o].

Winter – USA: Laut Generalstaatsanwalt Spitzer soll AIG-Chef Greenberg ihn angerufen haben, um gegen eine mit der Citibank abgeschlossene Betrugsversicherung vorzugehen, da sie nach dem Gesetz der Isle of Man aufgesetzt wurde. Greenberg blockt also den Versicherungsfall, kassierte aber sieben Jahre lang Prämien. Währenddessen liefen die Ermittlungen gegen AIG bereits. Spitzers Team hat Hinweise für Insider-Handel u.a., doch als die Zweigstelle Southern District Teile des Falles übernimmt, „ist nie mehr etwas passiert. Das ist ein ernsthaftes Mysterium.“ [o]

 

2005

 

2005 – USA: Timothy Geithner, Präsident der New Yorker Fed, beginnt die Banken zu warnen, sich auf „Fat Tails“ einzustellen, d.h. extrem negative Ereignisse [o]. – Ende 2004 beginnt AIG FP auch Subprime-Hypothekenkredite zu versichern, die Anfragen sind gigantisch – bis Oktober 2005 sind es ca. 60 Mrd $ [o].

Jan – BIZ-Studie „The role of ratings in structured finance: issues and implications” warnt: “This raises the possibility that, instead of spreading risk more efficiently, the risk transfer that does occur could lead to undue concentrations, in that investors may wind up with positions that are riskier than they realise. [...] Overall, if risk is inaccurately priced and exposures are concentrated in ways that are not fully appreciated by market participants, the occurrence of worst case scenarios could have systemic implications.”

13.01. – USA: Vizepräsident Cheney: “Over time the securities markets are the best, safest way to build substantial personal savings.” [o].

28.01. – Schröder prahlt in Davos: „Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt.“ [o].

Feb – ARG: Umschuldung mit 50% Kapitalschnitt [o].

02.02. – USA: Leitzins auf 2,5% (22.03. auf 2,75% - 03.05. auf 3,0% - 30.6. auf 3,25% - 09.08. auf 3,5% - 20.9. auf 3,75% - 01.11. auf 4,0% - 13.12. auf 4,25%) [o].

04.02. – USA: Präsident Bush, Presidential Conversation on Social Security: „ Thirdly, there are ways to make sure that you can invest in very safe certificates as you head into retirement. [...] Well, if things are done in a conservative fashion, you will be able to achieve the objective of getting a better rate of return on your money and have more money available for you on retirement than if it had sat in the Social Security trust. In other words, that money will grow better.“ [o]. Im Mai antwortet William Engdahl im Idaho Observer mit dem Aufsatz „The Great Social Security Robbery“ [o].

09.02. – USA: AIG-Chef Greenberg schimpft in einer Telefonkonferenz, die Aufsichtsbehörde „verwandele einen Fußfehler in eine Mordanklage“ [o].

14.02. – USA: AIG macht bekannt, von der Generalstaatsanwaltschaft und der SEC Vorladungen erhalten zu haben [o].

15.02. – USA: Zwei leitende, wegen Betrugs angeklagte AIG-Angestellte bekennen sich schuldig [o].

10.03. – USA: Rede von Ben Bernanke: “The Global Saving Glut and the U.S. Current Account Deficit”: “I will argue that over the past decade a combination of diverse forces has created a significant increase in the global supply of saving--a global saving glut--which helps to explain both the increase in the U.S. current account deficit and the relatively low level of long-term real interest rates in the world today.” [o].

11.03. – Das internationale Financial Stability Forum diskutiert über die rasanten Preisanstiege bei Anleihen und Immobilien. In der Abschlusserklärung heißt es lapidar, dass „die ausgemachten Risiken das Potential haben, die Finanzmärkte zu belasten“ [o]. – Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation (Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung – MaKonV) [o].

14.03. – USA: AIG-Gründer Greenberg muss zurücktreten [o o]. Dem Vorstand ist klar, dass der Rücktritt eine Bedingung von Generalstaatsanwalt Spitzer für die Einstellung des Verfahrens ist, Greenberg soll angedeutet haben, dass er bei den Ermittlungen nicht kooperieren würde [o]. Neuer CEO wird Martin Sullivan. 2006 korrigiert AIG seine Bilanz um 3,4 Mrd $ und zahlt in einem Vergleich 1,64 Mrd $ an den Staat [o].

15.03. – USA: Fitch senkt das Rating von AIG auf AA+ [o]. In wenigen Wochen stürzt die Aktie um 20% [o].

21.03. – Die EU einigt sich in der Flexibilisierung des EU-Stabilitätspakts. Defizitsünder wie Deutschland und Frankreich (beide seit 2002) erhalten mehr Luft in ihrer Finanz- und Haushaltspolitik. Eichel setzte eine Berücksichtigung der Kosten der deutschen Einheit bei der Haushaltsbeurteilung durch [o]. Dennoch liefen 2006/07 Defizitverfahren gegen Deutschland [o].

01.04. – White-Mitarbeiter Borio (BIZ) warnt, die heutigen Verhältnisse “[...] have made it less likely that signs of unsustainable expansion show up first in rising inflation and more likely that they emerge first as excessive increases in credit and asset prices. The bottom line is that the current environment may be more vulnerable to the occasional build-up of financial imbalances [...]. In extreme cases, broader financial crises can arise and exacerbate the downturn further.” [o].

17.04. – SPD-Vorsitzender Franz Müntefering in „Bild am Sonntag“: „Manche Finanzinvestoren verschwenden keinen Gedanken an die Menschen, deren Arbeitsplätze sie vernichten. Sie bleiben anonym, haben kein Gesicht, fallen wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter“ [o].

20.04. – USA: Bankruptcy Abuse Prevention and Consumer Protection Act. Die Kreditausfälle steigen dennoch weiter, für Hypotheken auf 2,8% Ende 2009, für Kreditkarten auf 10,7% 2010 Q2 [o].

25.04. – USA: Morgan Stanley-Chefökonom Stephen Roach im Aufsatz „Original Sin“: „It is a concentrated effort on the part of the Fed to exonerate itself from the Original Sin of failing to address asset bubbles. The result is an ever-deepening moral hazard dilemma that poses grave threats to financial markets. [...] This whole story, in my view, remains balanced on the head of a pin of absurdly low real interest rates. [...] Far from playing the role of the tough guy that is required of independent central bankers, the Fed has become an advocate of the easy money of a powerful liquidity cycle. [...] The day is close at hand when US monetary policy must get real. [...] Fedspeak has taken us into the greatest moral hazard dilemma of all -- how to wean an asset-dependent system from unsustainably low real interest rates without bringing the entire House of Cards down. The longer the Fed waits, the more perilous the exit strategy. [o]

05.05. – USA: Fed-Chef Greenspan hält vor der Fed Chicago eine Rede „Risk Transfer and Financial Stability“ [o] und vertieft die Sorgen, die er schon 2003 äußerte. Seine Niedrigzinspolitik fördert jedoch die Verschuldung.

06.05. – S&P stuft Ford und General Motors (zusammen Anleihenschulden von 450 Mrd $) auf BB herab [o], die festverzinslichen Anleihen verlieren an Wert, damit auch die CDOs, Hedgefunds kommen in Bedrängnis – in Miniatur die Kettenreaktion von 2007 [o]. Ein echtes Desaster blieb nur aus, weil die beiden anderen Rating-Agenturen nicht nachzogen [o].

20.05. – USA: Fed-Chef Greenspan vor dem Economic Club of New York: “There are a few things that suggest, at a minimum, there’s a little froth in this market [U.S. housing] ... while we don’t perceive that there is a national bubble, it’s hard not to see that there are a lot of local bubbles.” Wenige Tage zuvor warnte die Fed, die Banken sollten Hauskredite strenger kontrollieren, sie seien “too often offered with no documentation of a borrower’s assets” [o].

21.06. – USA: Die International Swaps and Derivatives Association (ISDA) führt “Pay As You Go” [o] ein: Schnellere Spekulation mit CDS auf ABS gegen Hypotheken, gefordert von prominenten Tradern wie Greg Lippmann (Deutsche Bank) [o].

22.06. – Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz [o]. – USA: Frank Nothaft, Chefökonom von Freddie Mac: “I don’t foresee any national decline in home price values. Freddie Mac’s analysis of single-family houses over the last half century hasn’t shown a single year when the national average housing price has gone down.” [o].

16.08. – Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten (Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, KapMuG). Musterverfahren wegen falscher, irreführender oder unterlassener Kapitalmarktinformationen z.B. in Börsenprospekten, einheitlich durch das OLG zu entscheiden [o].

20.08. – Die Frage der Verletzung des Bankgeheimnisses durch Kreditverbriefungen beurteilt der Vorsitzende des zuständigen XI. BGH-Zivilsenats, Gerd Nobbe, in einem Aufsatz: Eine mögliche Verletzung sei für die Wirksamkeit der Übertragung bedeutungslos, dem Datenschutz komme nur eine nachgeordnete Bedeutung zu, und die Annahme eines Abtretungsverbots in diesem Zusammenhang sei abwegig. „[...] Schadensersatzansprüche [...] werden mangels eines ersatzfähigen Schadens in der Regel nicht gegeben sein, [...] ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird kaum jemals in Betracht kommen, weil der Kreditnehmer erst nach der Verletzung des Bankgeheimnisse davon erfährt, und ein Einschreiten der Aufsichtsbehörde ist ebenfalls nicht zu befürchten.“ Am 27.02.07 entscheidet der Zivilsenat in einem Urteil entsprechend [o].

26.08. – USA: Studie des IWF-Chefökonom Raghuram Rajan „Has Financial Development Made the World Riskier“: „We have to steer between the Scylla of excessive intervention and the Charybdis of a belief that the markets always will get it right.“ [o] Das Papier wird von Harvard-Präsident Larry Summers (später Obamas Wirtschaftsberater) aggressiv kritisiert [o].

27.08. – Fed-Chef Greenspan beim Jackson Hole Symposium: „Nearer term, the housing boom will inevitably simmer down.” [o].

31.08. – Die Bundesregierung listet die Wegmarken zur Deregulierung der Finanzmärkte auf: „Das Ziel fest im Blick: Konsequente Schritte in eine erfolgreiche Zukunft für den Finanzmarkt Deutschland in Europa“ [o]: „Die gewaltigen Potenziale des deutschen Finanzmarktes müssen als Motor für Wachstum und Beschäftigung der Volkswirtschaft vollständig ausgeschöpft werden.“

22.09. – BaFin-Chef Jochen Sanio warnt bei einer internationalen „Risiko-Konferenz“ in New York: “The question is not whether hedge funds will cause a disaster; the only question is when.“ [o o]. – Gesetz zur Neuorganisation der Bundesfinanzverwaltung und zur Schaffung eines Refinanzierungsregisters. Eintragung nur ausgeschlossen, wenn ein schriftliches Abtretungsverbot vereinbart wurde. 2005 haben Kreditverbriefungen 35 Mrd € Volumen, 2006 67 Mrd € [o]. – Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), erleichtert die Voraussetzungen, unter denen Minderheitsaktionäre eine Haftungsklage der Gesellschaft gegen Vorstände und Aufsichtsräte erzwingen können [o o].

23.09. – USA: Der Verband der US-Hypothekenversicherer, MICA, äußert sich in einem Brief an die Fed „sehr besorgt“ über abenteuerliche Finanzierungspraktiken auf dem US-Immobilienmarkt und zitiert eine Studie des Analysten Richard Bove vom 18.8.: „Dieses Pulverfass [Immobilienkredite] wird explodieren.“ [o o]

26.09. – Fed-Chef Greenspan auf dem Jahrestreffen des US-Bankenverbands in Palm Desert: „The vast majority of homeowners have a sizable equity cushion [Eigenkapitalpolster] with which to absorb a potential decline in house prices“ [o].

Okt – USA: Die Immobilienpreise in den Großstädten stagnieren, in Manhattan sinken sie im dritten Quartal um 13% [o]. Moody’s warnt: „problems in the mortgage-backed market would spill over into the rest of the U.S. fixed income and stock markets...The turmoil in the U.S. financial markets would immediately reverberate around the world, engendering a global financial event.” [o]. – Der BayernLB-Vorstand beschließt eine Ausweitung des Geschäfts mit „forderungsbesicherten Wertpapieren“ auf bis zu 58 Mrd €, die in „deutlich risikoreichere Papiere“ fließen sollen, wie später ein Untersuchungsbericht feststellt [o].

20.10. – USA: Ben Bernanke, Chairman President’s Council of Economic Advisers vor dem Joint Economic Committee: “House prices have risen by nearly 25 percent over the past two years. Although speculative activity has increased in some areas, at a national level these price increases largely reflect strong economic fundamentals, including robust growth in jobs and incomes, low mortgage rates, steady rates of household formation, and factors that limit the expansion of housing supply in some areas.” [o].

Herbst – USA: AIG FP-Kreditderivate-Mitarbeiter Eugene Park wird gefragt, Alan Frosts Job der CDS-Vermarktung zu übernehmen, lehnt aber ab und macht wochenlang auf die Subprime-Risiken aufmerksam. Cassano beschließt Recherchen und man entdeckt, dass die Subprime-Exposure seit Anfang 2004, als die CDOs zunehmend von Hypotheken dominiert wurden, wuchs. Cassano beschließt den Stop, aber man ist schon mit 80 Mrd $ subprime-haltiger CDOs involviert [o]. Der „Spiegel“ etwas anders: Als AIG FP-Leiter Cassano erfährt, dass schon ca. 60 Mrd $ Subprime-Hypothekenkredite versichert wurden, schickt er einen leitenden Mitarbeiter für eine Woche in die USA, der zurück in London gesagt haben soll: „Es ist verrückt, was die da drüben machen. Es wird in Tränen enden.“ [o].

15.11. – USA: Ben Bernanke antwortet auf schriftliche Fragen von Senator Bunning i.Z.m. dem Hearing vor dem Committee on Banking, Housing and Urban Affairs: „Discontinuing publication of M3 will allow the Federal Reserve to terminate certain reporting forms that currently must be filled out by depository institutions, lowering the costs of such institutions.“ | “Because of the availability of deposit insurance, market discipline is not by itself sufficient to control risk-taking in the banking system; for this reason, the Federal Reserve and the other banking agencies supervise and regulate banks. I believe that the tools available to the banking agencies, including the ability to require adequate capital and an effective bank receivership process are sufficient to allow the agencies to minimize the systemic risks associated with large banks. Moreover, the agencies have made clear that no bank is too big too fail, so that bank management, shareholders, and uninsured debt holders understand that they will not escape the consequences of excessive risk-taking. In short, although vigilance is necessary, I believe the systemic risk inherent in the banking system is well managed and well controlled.[o].

18.11. – Koalitionsvertrag CDU-CSU-SPD: „Eine der wichtigsten Voraussetzungen für Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum ist ein international wettbewerbsfähiger „Finanzplatz Deutschland“. [...] Dabei ist vor jeder neuen gesetzgeberischen Maßnahme durch eine Kosten-Nutzen-Analyse zu prüfen, ob durch die neue Maßnahme ein Mehrwert geschaffen werden kann oder ob der Markt es besser selber regeln oder die Subsidiarität greifen kann. [...] Produktinnovationen und neue Vertriebswege müssen nachdrücklich unterstützt werden. [...] Bestehende Gesetze, Verordnungen und sonstige Regulierungen sind darauf zu überprüfen, ob sie ihr Ziel kostengünstig erreichen oder noch erforderlich sind.“ Ein wesentliches Ziel ist u.a. der „Ausbau des Verbriefungsmarktes“ [o o]. Für die Aufnahme dieser Passagen sorgte Finanz-Staatssekretär Jörg Asmussen [o].

05.12. – USA: Rocky Kurita mailt an Greg Lippmann (beide Deutsche Bank): “We have to make money. Customer happiness is a secondary goal” [o].

12.12. – Schröder wird bei Gasprom Aufsichtsratschef der Betreibergesellschaft der deutsch-russischen Ostsee-Gas-Pipeline, Nord Stream AG [o]. Putin-Kritiker Kasparow: „Eine Schande für die Demokratie“ [o].

Ende – Lone Star übernimmt die Allgemeine Hypothekenbank Rheinboden AHBR. Die überwiegend im Besitz der Gewerkschaften befindliche Bank war 2001 wegen Fehlspekulationen mit Derivaten in Schieflage geraten und stand nun kurz vor der Pleite (wäre die größte seit der Herstatt-Bank 1974). Für die Rettung erhält Lone Star 871 Mio € und wird 1,1 Mrd € Kapital zuführen [o o].

2005 – USA: Die Einnahmen (revenue) von AIG FP steigen 1999-2005 von 737 Mio auf 3,26 Mrd, von 4,2% auf 17,5% des Betriebsergebnis (operating income) von AIG [o]. 2005 kauft Goldman Sachs 20 Mrd $ CDS von AIG [o].

 

2006

 

Jan – USA: Als das Office of the Comptroller of the Currency zu Kommentaren zu einer Richtlinie für neue mortgage Produkte aufruft, schreibt Paris Welch Romero, Mitarbeiterin einer kleinen mortgage company: “Expect fallout, expect foreclosures, expect horror stories.” [o o].

23.01. – Die Deutsche Bank ernennt Cajo Koch-Weser zum Vize-Chairman [o]. Von Mai 1999 bis Oktober 2005 war er Finanz-Staatssekretär, zuvor seit 1973 bei der Weltbank, seit 1996 geschäftsführender Direktor. Er ist im Kuratorium der Bertelsmann-Stiftung und im Stiftungsrat des World Economic Forum [o]. Koch-Weser war federführend im Verkauf von Russland-Schulden von 5 Mrd €, der für die Deutsche Bank sehr vorteilhaft war und vom Bundesrechnungshof scharf kritisiert wurde [o]. Im Zusammenhang mit staatlichen Bürgschaften der Deutschen Bank für die Ostsee-Pipeline gab es mehrere von Leo Kirch angestrengt Ermittlungsverfahren, eingestellt im März 2006, neu aufgerollt im Juni 2007 und März 2008 [o o].

01.02. – USA: Ben Bernanke wird neuer Präsident der Notenbank Fed [o].

Feb – IS: Die Rating-Agentur Fitch senkt die Bewertung der Auslandsschuld auf „negativ“. Binnen Tagen verliert die ISK 20%, die einsetzende Kapitalflucht wird durch kräftige Zinserhöhungen eingedämmt [o]. Im März veröffentlicht die Danske Bank den pessimistischen Report Geyser Crisis. Entsprechend dem Ratschlag der Kritiker (inkl. IWF) investieren Landsbanki and Kaupthing in europäische Anleihen (NL, GB, DE u.a.) [o].

28.02. – USA: Angelo Mozilo, CEO von Countrywide Financial (größter Hypothekenbank) in einer internen Mail: Die 100% loan-to-value subprime mortgage ist “the most dangerous product in existence and there can be nothing more toxic.” [o o].

01.03. – BIZ Quarterly Review: „The system of US housing finance has changed profoundly in recent years. [...] This implies lending not only to borrowers with somewhat blemished credit histories, but also to those unable or unwilling to either finance required down payments with own funds or document their sources of income. [...] Most US residential mortgages are packaged and resold in mortgagebacked securities (MBSs), and foreign investment in these securities has soared.“, “There are signs that the US housing market is cooling.” [o].

Mär – Aufsatz von Finanzminister Steinbrück „Was darf die deutsche Kreditwirtschaft von der neuen Bundesregierung erwarten?“: „Das Kapitel ‚Finanzmarktpolitik’ ist ein Eckpfeiler des Koalitionsvertrages. In diesem Politikfeld verfolgen wir eine Strategie, die an die Erfolge der bisherigen Finanzmarktförderung anknüpft und diese mit wegweisenden Zukunftsprojekten verbindet. [...] Daher wollen wir zum Beispiel bestehende Grenzen beim Erwerb von ‚Asset Backed Securities’ [...] überprüfen und ggf. ändern.“ [o].

19.03. – ISL: US-Analysten warnen, dass Islands Banken kritische Kreditverhältnisse haben [o o].

Apr – USA: Der CDO-Händler der Deutschen Bank, Lippmann über die RMBS: „Die Hälfte davon ist Mist“ [o].

20.04. – William White (BIZ) warnt im Arbeitspapier “Is price stability enough?“: “Finally, the same general point could be made about the rather different stresses imposed on the real and financial system by the failure of LTCM and the Russian debt crisis in 1998, and the collapse of global stock markets in 2001. These disruptive incidents also took place in an environment of effective price stability. As with the episodes above, each was preceded by significant evidence of financial overreach (accelerating credit growth, rising leverage, rising asset prices).”, “[...] it would be all the more important to have an institutional framework to encourage an appropriate policy response to the growth of perceived imbalances. [...] One hopes that it will not require a disorderly unwinding of current excesses to prove convincingly that we have indeed been on a dangerous path.” [o].

24.05. – Im Streit um die Sanierung der AHBR fordert der Großinvestor und Hamburger Verleger Heinz Bauer Aufklärung über das Verhalten der BaFin und wirft Steinbrück vor, diese habe „bewusst in Kauf genommen“, dass die Genussscheininhaber bei der Übernahme der AHBR durch den US-Investor Lone Star ihr Kapital verlieren. Die AHBR hatte Genussscheine von 567 Mio € ausstehen; im April kündigte Lone Star an, die Inhaber würden wegen eines Milliardenverlustes für 2005 mit 360 Mio € zur Kasse gebeten [o].

25.05. – Bertelsmann kauft für 4,5 Mrd € die Aktien von Minderheitsaktionär Groupe Bruxelles Lambert (GBL) zurück, die man einst gegen einen RTL-Mehrheitsanteil getauscht hatte und mit denen GBL ab Mai an die Börse hätte gehen dürfen [o o].

Jun – USA: Citigroup Senior-Vizepräsident [o] Richard Bowen entdeckt, dass über 60% der Hypotheken, die an Fannie Mae, Freddie Mac u.a. verkauft werden, kritisch sind. Seine Warnungen werden nicht gehört [o o].

29.06. – USA: Leitzins erhöht auf 5,25% (31.01. auf 4,5% - 28.3. auf 4,75% - 10.5. auf 5,0%) [o].

30.06. – Der Nominalwert der OTC-Derivate beträgt weltweit rund 516.000 Mrd $ (2000: 95.000) [o] und damit das Zehnfache des Weltbruttosozialprodukts [o], sämtliche Spekulationen zusammen stehen sogar mindestens im Verhältnis von 20:1 zur Realwirtschaft. – Hedgefonds machen mit Finanzderivaten einen Tagesumsatz von 6.000 Mrd $. Der Markt für ABS und CDS hat sich allein von 2004 bis Ende 2005 verdreifacht von 5.000 auf 17.300 Mrd $ [o].

Jul – USA: Höchststand der Immobilienpreise (seit 1996 +50%, in GB +100%), danach erstmals seit 50 Jahren Rückgang, u.a. infolge von Inflation, Engpässen, folgendem Zinsanstieg und Notverkäufen [o].

03.07. – USA: Henry Paulson, bisher CEO von Goldman Sachs, wird Finanzminister [o].

12.07. – Bundesschuldenwesenmodernisierungsgesetz [o]. – USA: The Economist, “AAAsking for trouble”: 2006 hatte Moody’s 40% seiner Einnahmen mit CDO-Rating, ähnlich S&P und Fitch. “Under this new accord [Basel II], a bank holding triple-A assets is allowed to keep less capital, enabling it to lend more. So banks have stocked up, especially on CDOs. If they were forced to sell securities that had been downgraded, liquidity could dry up.” [o].

14.07. – JAP: Erhöhung des Leitzins nach sechs Jahren auf 0,25% [o]. Auch die EZB erhöht am 3.8. weiter auf 3,0% [o]. – Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz (WpÜG-Novelle) [o].

19.07. – USA: Fed-Chef Bernanke erwähnt in seinem halbjährlichen Kongress-Bericht die Subprime-Gefahr mit keinem Wort [o].

24.07. – USA: Ein Konsortium um Bain Capital, Kohlberg Kravis Roberts (KKR) und Merrill Lynch wird die Hospital Corporation of America (HCA) für die Rekordsumme von 33 Mrd $ übernehmen [o].

31.07. – In 2006 wurden in Deutschland bis Ende Juli 17 Mrd € alleine an CMBS (Commercial Mortgage Backed Securities) emittiert [o].

01.08. – Die Bundeswertpapierverwaltung wird mit der Deutsche Finanzagentur GmbH zusammengelegt [o].

09.08. – USA: Mit 15,6 Mrd $ ist der Blackstone Fund V der bisher größte Private-Equity-Fonds aller Zeiten [o]. Der gesamten PE-Branche fließen dieses Jahr geschätzt 270 Mrd $ zu, mehr als im Boomjahr 2000. Von der Bruttorendite eines Investments kassieren die Fondslenker 20%, für das Management der Beteiligungen jährlich 1,5-2% des Fondsvolumens. In „Rekapitalisierungen“ wird den Unternehmen oft schlicht mehr Schulden aufgeladen, um hohe Dividenden auszahlen zu können [o].

26.09. – Jörg Asmussen [o] (seit 2008 Finanzstaatssekretär und Mitglied der Expertengruppe Finanzmarktarchitektur), Leiter der Abteilung Geld und Kredit, schreibt in der Zeitschrift für das Kreditwesen unter dem Titel „Verbriefungen aus Sicht des Bundesfinanzministeriums“: „Dabei war uns stets wichtig, dass sich auch der Markt für Asset Backed Securities (ABS) in Deutschland stärker als bislang entwickelt“, „Seitens des BMF wird im Umsetzungsprozess der Basel II-Regeln für ABS vor allem auch darauf geachtet werden, dass den Instituten keine unnötigen Prüf- und Dokumentationspflichten entstehen werden, wenn sie in „gängige“ ABS-Produkte mit gutem Rating investieren.“ [o o].

13.10. – USA: Financial Services Regulatory Relief Act [o o].

12.12. – USA: SEC-Chairman Cox lässt die Direktion des Office of Risk Assessment bis 28.2.2008 vakant; er selbst hat nur zwei Mitarbeiter, obwohl das Budget für 15 Mitarbeiter ausgelegt ist [o].

Dez – USA: Der Dauer-Boom am Immobilienmarkt ist vorbei, die astronomisch hohen Hauspreise brechen ein, das Geschäft mit riskanten Hypothekenkrediten gerät in Schieflage [o]. 2008 fallen die Häuserpreise um 18,2% [o].

Dez – USA: Die Fed kündigt an, die regelmäßige Bekanntgabe der Geldmenge einzustellen [o].