Mysterium des Herzens

Holger Niederhausen: Mysterium des Herzens. Roman. Books on Demand, 2018. Paperback, 300 Seiten, 12,90 Euro. ISBN 978-3-7528-4674-4.

► Wichtiger Hinweis: Wer meinen würde, ich schriebe nur 'Mädchen-Bücher', der irrte essenziell - diese Mädchen sind Botinnen des immer verschütteteren Wesens der menschlichen Seele überhaupt.

Erschienen am 24. August 2018.              > Bestellen: Books on Demand | Amazon <              > Reaktionen und Rezensionen < [noch keine]

Inhalt


Die fünfzehnjährige Diana hat so tiefe Gedanken und Empfindungen, dass sie sich wie durch einen Abgrund von ihren Altersgenossen getrennt erlebt. Als sich ein Junge ihrer Klasse in sie verliebt, erlebt sie zum ersten Mal so etwas wie eine Brücke. Aber dann begegnet ihr noch ein Junge, der extrem intelligent ist, aber offenbar nicht fühlen kann. Und ausgerechnet in diesen Jungen verliebt sie sich – und nimmt den Kampf um seine Seele auf...

Über dieses Buch


Dieser Roman offenbart in gleichsam heiliger Intensität das wahre Geheimnis des Herzens.

Wir leben in einer Zeit, in der die Auswirkungen eines seit langem dominierenden Materialismus immer mehr zum Tragen kommen – im Großen und im Allerkleinsten. Bereits vor über einem Jahrhundert jedoch hatte Rudolf Steiner darauf hingewiesen, wie man wahrheitsgemäß über das Menschenwesen denken müsse, um die Tragik aufzuhalten. Neben vielem anderen wies er darauf hin, dass das Herz keine Pumpe sei. Dieser Roman tritt den Beweis dieser Tatsache an...

Das empfindsame Mädchen Diana erlebt sich als sehr allein. Selbst auf der Waldorfschule, die sie besucht, haben ihre Mitschüler völlig andere Interessen als sie – die die Natur liebt; die an einer obdachlosen Frau nicht vorbeigehen kann, ohne sich zu ihr zu setzen; die sich zu allem, auch zu sich selbst, tiefe Gedanken macht. Ihre eigenen Eltern machen sich Sorgen um sie, verstehen aber nichts von ihrem Inneren.

Scheinbar zufällig erfährt sie dann, dass ihr Bruder von seinem Lehrer davon gehört hat, dass das Herz keine Pumpe sei – und wie elektrisiert von diesem Hinweis ruht sie nicht eher, als bis sie nicht nur entsprechende Aussagen Rudolf Steiners, sondern auch Forschungsergebnisse kennengelernt hat. Doch noch immer ist sie mit dieser erlösenden Gewissheit völlig allein.

Da verliebt sich ein Junge ihrer Schule in sie. Mehr und mehr spürt sie sein aufrichtiges Bemühen, und doch kann sie nur versuchen, ihm erlebbar zu machen, wie sehr sie in verschiedenen Welten leben. Er aber bittet sie, ihm ihre Welt zu zeigen...

Die Ereignisse überschlagen sich, als ihr beim Einkaufen ein weiterer Junge über den Weg läuft, der durch eine kleine Bemerkung über ihre ,emotionale Intelligenz’ und seine merkwürdige Ausdruckweise ihre Aufmerksamkeit fesselt. Es stellt sich heraus, dass er hyperintelligent ist – sich das Fühlen jedoch völlig abgewöhnt hat. Ehe sie es sich versieht, geht diese Begegnung viel tiefer, als ihr lieb ist, denn sie ist von dem, was dieser Junge nicht einmal als Verlust erlebt, tief betroffen. Sie will ihm helfen, scheint sich sogar in ihn zu verlieben – wird von ihm aber zutiefst verletzt.

Die weiteren Geschehnisse sollen hier nicht geschildert werden. Doch mitten zwischen diesen beiden Jungen kämpft Diana um die Wahrheit ihrer Gefühle – und um die Wahrheit des Herzens. Und mehr und mehr erweist sie sich als eine wirkliche Lehrerin: als Lehrerin in Bezug auf das Mysterium des Herzens.

Leseprobe 1


Sie betrachtete ihr Spiegelbild, gedankenversunken. Wie kam es, dass man gerade dieser Mensch war und kein anderer? War man das? Und wer war das, den man so sah, in so einem Spiegel?

Ein schönes Mädchen ... sie sah ein schönes Mädchen. Eine Weile betrachtete sie es so, als ob es ein fremdes Mädchen sei, an irgendeiner Straßenecke. Oder hinter einer Fensterscheibe. Der Spiegel als Fensterscheibe...

Und dieses Gefühl hatte sie oft. Dass sie gar nicht sie selber war. Nicht der, den man im Spiegel sehen konnte – und den Andere auch ohne Spiegel sahen. Sondern jemand ganz anderes. Oder keiner von allen. Nichts, was man sehen konnte. Die Gestalt, die sich im Spiegel zeigte, war zufällig. Sie hatte eigentlich keine Bedeutung...

Ihr Blick blieb an der herausgebrochenen Ecke des Spiegels hängen – links unten. Wann war diese Ecke herausgebrochen? Sie konnte sich nicht daran erinnern. Es musste vor ihrer Zeit gewesen sein. Und das war auch so etwas: manche Worte, manche Formulierungen. ,Vor meiner Zeit’... Wann war das gewesen? War etwas vor ihrer Zeit gewesen? Sie konnte sich nicht vorstellen, jemals einmal nicht dagewesen zu sein – ihrem Spiegelbild zum Trotz.

Aber diesen Spiegel hatte man auch einmal hergestellt. Da waren Menschen gewesen, und sie hatten einen Spiegel gemacht – diesen Spiegel. Sie wusste nicht, wie man Spiegel machte. Sie nahm sich vor, es herauszufinden. Aber, jedenfalls, dieser Spiegel wurde irgendwann gemacht – auch schon ,vor ihrer Zeit’, denn er war älter als die herausgebrochene Ecke. Vielleicht machte man so etwas heute auch ganz mit Maschinen, auch früher schon, und der Mensch legte nur einen Hebel um, und eine Spiegelmasse ergoss sich in eine Form, erkaltete – und fertig war der Spiegel. Und zwar genau jener Spiegel, in dem sich Diana Lehmann dann fünfzehn Jahre später betrachten würde – falls er nicht zu lange in der Fabrik und im Geschäft gelegen hatte, bis ihre Eltern ihn gekauft hatten.

Eltern... Wieso hatte man Eltern... Sie hatte sich all diese Gedanken schon unzählige Male gemacht – und nie eine Lösung gefunden. Natürlich, die Schule hatte eine Lösung, die Wissenschaft hatte eine Lösung. Aber was war überhaupt Wissenschaft? Warum gab es Wissenschaft? Und was wusste die Wissenschaft wirklich? Natürlich, sie wusste, wie aus einer Eizelle und einer Samenzelle ein Embryo hervorwuchs. Aber wusste sie wirklich, wie das geschah – oder nur dass es geschah?

Und wieso war man gerade der Embryo dieser Eltern? Natürlich, man konnte immer sagen: Du bist es nun mal. Aber wenn man sich damit nicht zufriedengab? Auch schon nicht damit, ein Embryo zu sein, ein Zellhaufen... Was war denn, bevor Ei- und Samenzelle zusammentrafen? Davor gab es sie, diese beiden, aber noch nichts anderes.

Und auf einmal gab es dann einen Zellhaufen ... und neun Monate später ein Etwas, das einen Namen bekam ... und das fünfzehn Jahre später, wie schon unzählige Male zuvor, vor dem Spiegel stand – genau diesem Spiegel, der mit der abgebrochenen Ecke –, und sich dann fragte: Bin ich das?

Man kam vom Hundertsten ins Tausendste mit solchen Fragen. Es ging ja mit dem Namen weiter. Wieso gaben einem die Eltern – was waren Eltern? – einem kurz nach der Geburt einen Namen? Und warum diesen? Ihre Mutter hatte irgendeine Beziehung zu jener sagenumwobenen Lady Diana gehabt, hatte sie irgendwie gemocht, und also auch den Namen, und das hatte ihrem Mann gereicht, er war einverstanden – und so hatte sie diesen Namen bekommen. Wie konnte so etwas reichen? Eine Idee, eine Sympathie – und ihr Vater war sogar nur ,einverstanden’ gewesen! Es fühlte sich fast an wie eine peinliche, unangenehme Situation: Der Zellhaufen ist ja groß geworden. Jetzt ist er da, ein Baby auf einmal – und nun hat es ja noch gar keinen Namen...!

Sie hatte einmal eine ähnliche Redensart gehört: Wenn etwas Hals über Kopf auf einmal da war. Wie ein Lottogewinn. Wie hieß sie noch...

Da fiel es ihr wieder ein: ,Wie die Jungfrau zum Kind...’ Das war auch so etwas: Wie einem plötzlich Dinge wieder einfielen... Aber jetzt durfte sie den Faden nicht verlieren. Jetzt war sie bei der Jungfrau mit dem Kind. Und ja, so war es auch mit dem Namen. Sie war zu ihrem Namen gekommen wie die Jungfrau zu dem Kind. Einfach so. Willkürlich war das. Sie hatte gar nicht mitreden können – wie auch? Aber ihrem Vater war es offenbar auch egal gewesen – und ihre Mutter dachte sich: Ich will sie Diana nennen, nach meiner Lieblings-Prinzessin.

Aber hatte sie irgendetwas mit dieser Lady Diana zu tun? Doch rein gar nichts! Und trotzdem trug sie ihren Namen? Andererseits war diese Lady Diana nicht die Einzige, die so hieß. Nur, dass ihre Mutter sie wegen ihr so genannt hatte. Nun hieß sie also Diana.

Dieses Spiegelbild dort hieß Diana. Und das, was aus dem Zellhaufen geworden war, der sich aus zwei Zellen entwickelt hatte, die noch nichts davon gewesen waren, und was sich jetzt in dem Spiegel spiegelte, also das Gesicht mit dem ganzen Körper unten dran. Das hieß Diana. Eigentlich brauchte das also gar nicht ihr Problem zu sein, wenn sie nicht so heißen wollte. Es hieß dann ja nur jemand anders so. Das Dumme war, dass einen alle auch so nannten. Weil alle nur das sahen, was sie jetzt auch im Spiegel sah. Es gab also keinen Ausweg. Man musste es so hinnehmen. Vorerst.

...

Leseprobe 2


„Boris, ich ... ich verstehe die Welt nicht! Alles... Alles, was um mich herum vorgeht... Ich verstehe es nicht! Du denkst vielleicht, ich bin ganz normal – von allem so abgesehen –, aber – –“

Sie sah ihn hilflos an, sah, dass er noch bei ihr war...

„Die Welt ist verrückt, Boris! Schaut euch doch an! Alle... Alle, Boris... Du auch! Ich kann das alles nicht verstehen. Du denkst, das hat jetzt wenig mit der Frage von eben zu tun. Hat es aber nicht! Ich sehe einfach, wie – wie euch ... wie euch nichts wichtig ist! Nichts, was wirklich wichtig wäre! Ihr macht Witze über das Sich-Verlieben. Ihr macht Witze über Kriege – oder über Leute, die Kriege führen. Über alles!
Und nicht nur ihr! Die ganze Welt ist so. Filme – Bücher – ich schaue schon lange kein Fernsehen mehr. Weißt du, warum? Es ist verrückt! Einfach verrückt. Sinnlos. Ohne Sinn. Nur Gelaber – das, was ihr ,Gelaber’ nennt. Bücher! Gute Bücher zu finden, wird immer schwieriger. Aber ihr lest alles! Oder noch schlimmer: Ihr lest natürlich gar nicht mehr! Handys! Die ganze Zeit seid ihr an den Handys. Was macht ihr denn da? Dasselbe, was ihr auch sonst macht – nur noch reduzierter, noch abgekürzter, noch bescheuerter! Tut mir leid, so was will ich gar nicht sagen. Ich sage es nur, weil ich so verzweifelt bin. Da draußen –“

Sie zeigte auf die Tür des Cafés.

„Da geht die Welt kaputt. Alles! Weißt du, mit wieviel Gift heute alles hergestellt wird? Weißt du, wie egal den Konzernen alles ist, die in Afrika, in Asien, in Südamerika, überall produzieren? Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll, Boris! Aber ihr, ihr alle, fangt nicht mal an, nachzudenken! Euer Handy ist so was wie euer Gott. Und euer Spaß – wie ihr das auch immer nennt. ,Abchillen’ und was weiß ich. Was soll denn das sein? Was für einen Spaß habt ihr denn da? Da guckt ihr doch auch wieder nur zusammen aufs Handy – oder redet über das letzte Video, was irgendjemand auf dem Handy gesehen hat. Wow! Ein Video! Von einem YouTuber – oder was weiß ich. Weißt du, wie belanglos das ist? Ich bekomme das einfach nicht in meinen Kopf rein – wie man – wie man auch nur eine Sekunde dafür opfern kann! Und ihr tut all das den ganzen Tag! Den ganzen Tag! Das ganze Leben! Ich fasse das nicht...!“

Sie atmete einmal tief durch. Sie hatte sich völlig verausgabt, Ihre ganze Leidenschaft war in die Worte hineingeflossen.

„Das fasse ich alles nicht...“, schloss sie noch einmal leise.

„Wow...“, sagte Boris, sichtlich erschlagen.

Als er schwieg, sagte sie:

„Da fällt dir nichts mehr ein, oder?“

„Na ja“, gestand er, „mir wäre ein witziger Spruch eingefallen, aber das magst du nicht.“

„Wie kann denn das sein, Boris?“, sagte sie innig. „Könnt ihr nur noch in Witzen denken und sprechen? Merkt ihr gar nicht mehr, wie ... wie – krank das ist? Ihr seid wirklich krank! Ihr denkt, die alten Leute, die Alzheimer haben, Demenz, die alles vergessen, die wirklich nichts mehr können, sind ,krank’, aber was mit euch los ist, merkt ihr gar nicht. Ihr seid schon mit fünfzehn so krank, dass ihr nichts mehr ernst nehmen könnt. Ihr könnt es gar nicht mehr! Selbst wenn ihr wolltet, könntet ihr es einfach nicht mehr! – Ich weiß nicht. Es hat doch gar keinen Sinn...“

Sie stützte ihren Kopf resignierend auf ihre Hand und starrte auf den Schaum in ihrer Kaffeetasse.

...