13.12.2001

Chronik einer Tragödie – Afghanistan, bin Laden und die USA

Osama bin Laden, geboren 1957, wurde 1998 weltweit bekannt durch zwei Anschläge auf die amerikanischen Botschaften in Kenia und Tansania (224 Tote). Nach dem FBI besitzt er über 300 Mio$ und kontrolliert in über 60 Ländern 3-5000 Terroristen, verfügt über B- und C-Waffen und hat versucht, eine Atombombe zu bekommen. Sein Vater, ein jemenitischer Baumagnat und enger Freund des saudischen Ex-Königs Faisal, war mit den Renovierungs- und Erweiterungsaufträgen für die heiligen Moscheen von Mekka und Medina etc. mär

Bis 1980

In den 70ern besaßen 5% Großgrundbesitzer über 50% des Bodens und waren eng mit der Geistlichkeit und den Stammesführern verflochten.

1974 Nach dem Sturz des Königs fliehen 164 Studenten aus Kabul und gründen später in Peschawar die Islamische Partei (Hisb-i-Islami), darunter Abdul Haq, Gulbuddin Hekmatjar, Ahmed Schah Massud.

1978 April: Die mit den Sowjets verbündete Demokratische Volkspartei Afghanistans (DVPA) kommt an die Macht. Ihr Programm beinhaltet eine Neuaufteilung des Landes, die Senkung des Brautpreises, die Ausbildung von Frauen und die Abschaffung des von Kopf bis Fuß reichenden Schleiers. Es kommt zum Bürgerkrieg[1], islamische Parteien operieren von Pakistan aus mit Hilfe des ISI, der USA und anderer westlicher Länder (die USA schleusen über Pakistans Geheimdienst ISI Waffen an die Mudjaheddin).

1979 Die islamische Hierarchie startet einen grausamen Aufstand gegen die DVPA, im Dezember Einmarsch der Sowjetunion auf Bitten der DVPA (mittlerweile sind die Archive geöffnet und belegen dies!).

1980-1984

1980 Bin Laden liefert in Peschawar mehrmals saudisches Geld ab. – Der „Schattenetat“ der CIA wird sich bis 1990 von 9 auf 36 Mrd$ vervierfachen; der Hauptteil geht an Mudjaheddin-Gruppen in Peschawar und an Pakistans Geheimdienst ISI. Innerhalb von zwei Jahren wird das pakist.-afghan. Grenzgebiet zum Hauptproduzenten von Heroin weltweit (die Mudjaheddin erzwangen den Opiumanbau, in Pakistan unterstützte der ISI zahlreiche Labors). 1985 sind 1,2 Mio Pakistani heroinabhängig. Der Drogenhandel des Goldenen Halbmonds dient in den 90ern der Finanzierung und Ausrüstung der Bosnischen Moslemischen Armee und der UCK

Anfang der 80er kämpft Osama mit den Mudjaheddin im Südjemen gegen die Sozialistische Partei.

1982 Bin Laden vertritt den Familienkonzern in Istanbul, wo der CIA an ihn herantritt, um mit ihm islamistische Freiwillige zu rekrutieren. Diese Tätigkeit leitet er dann von Peschawar, wo er ausgebildet wurde und Geld und Waffen vom CIA und ISI erhielt. – Sein Vater finanzierte den Widerstand gegen die Russen, Osama brachte Ingenieure und schweres Gerät ins Land.

1984 Bin Laden leitet die vom ISI gegründete Scheinoganisation Maktab al-Khidamar (MAK, Büro der Dienste), die Geld, Waffen und Kämpfer bereitstellt. Wegen der Spaltung und Rivalitäten der Afghanen schienen dem CIA die arabischen Fundamentalisten viel verständiger („Arab-Afghanen“ aus Ägypten, Pakistan, Libanon, Syrien und den palästinensischen Flüchtlingslagern).

Okt.: Der CIA stimmt der schon länger vom ISI verfolgten Destabilisierung der zentralasiat. Sowjetrepubliken zu.

1985-1989

1985 März: Reagan unterzeichnet eine Direktive, die stufenweise zunehmende verdeckte Militärhilfe an die Mudschaheddin vorsieht. In der Folge werden jährlich 65.000 t Kriegsmaterial geliefert. Mudjaheddin-General Abdul Rahim Wardak fliegt in die USA für Militärhilfe (vorher hatte er dem König gedient, nach 1989 wird er Generalstabschef der Regierung Rabbani; nach dem 11.9. ist er Militärberater des ehem. Königs). 1985/86 beginnt die Formierung der Taliban unter Mullah Muhammad Omar Akhund.

Ali Abdelsoud Mohammed, 1984 wegen islam.-fundament. Kontakte aus der ägyptischen Armee entlassen, heiratet eine Amerikanerin und kommt als Ausbilder zu den Green Berets und wird ein führender Verbindungsoffizier der CIA zu den Mudjaheddin.[2]

1986 Der US-Kongreß bewilligt einen dreiteiligen Plan von CIA-Chef William Casey, den Stellvertreterkrieg zu intensivieren: Statt nur in Ägypten, China, Israel und Südafrika gekaufte Waffen aus sowj. und chin. Produktion liefert das CIA nun amer. Stinger-Raketen und Militärberater für die Ausbildung; CIA, ISI und der brit. MI-6 einigen sich, Guerilla-Angriffe auf die sowj. Republiken Tadschikistan und Usbekistan zu starten (die viele Soldaten stellten); die CIA beteiligt sich an der vom ISI begonnenen Rekrutierung fanatischer Moslems aus der ganzen Welt (sog. „arabische Afghanen“) für die Mudjaheddin. Laut CIA-Schätzungen wurden 70.000 Fundamentalisten aus über 50 Ländern in den Madrassas ausgebildet, die Koranschulen wurden zu fundamentalistischen „Djihad-Universitäten“. Das Organisationszentrum ist das Makhtab al Khadimat (Büro der Dienste) in Islamabad (1984 von einem islam. Gelehrten eingerichtet). Pakistan hoffte, Islamabad könne Hauptstadt des vereinten Islam werden. In den USA wird die die Rekrutierung vom Alkifah-Flüchtlingszentrum in Brooklyn organisiert, Dreh- und Angelpunkt sind die New Yorker Büros von CIA und FBI (praktisch alle späteren Verfolgungen gegen „islamischen Terrorismus“ gehen vom New Yorker Gerichtsbezirk der von Clinton eingesetzten Bundesrichterin Mary Jo White aus). Insgesamt strömen Waffen für 6 Mrd$ und 35.000-100.000 Freiwillige aus mind. 40 Ländern (Usbeken, Araber aus Ägypten, Saudi-Arabien oder Kuwait etc.) nach Afghanistan. – Der CIA beauftragt Bin Laden, beim Bau eines riesigen Tunnelkomplexes in Khost nahe Pakistan zu helfen (Waffenlager, Ausbildungs- und mediz. Zentrum). Hier entschloß sich Bin Laden auch, ein eigenes Ausbildungszentrum zu errichten (später berichtet er, seine Freiwilligen seien von pakist. und amer. Offizieren ausgebildet worden, die USA hätten die Waffen, die Saudis das Geld geliefert). Bin Laden schlug einen Pfad durch die Felsen des Hindukusch bis vor Kabul und lieferte den Russen heftige Gefechte.

1987 Das ISI führt Überfälle und Raketenangriffe in Tadschikistan aus (hauptverantwortlich G. Hekmatyar, begann seine „Karriere“ mit Säureanschlägen auf Studentinnen in Kabul, bis heute Chef der Islampartei). Im März schießen Mudjaheddin in Khost mit einer Singer-Rakete ein ziviles Flugzeug ab, das afghanische Kinder zum Studium in die UdSSR brachte.

1989 Russland zieht sich vollständig zurück. Insgesamt sind fünf Millionen Afghanen geflohen, die Infrastruktur wurde vollständig zerstört. Nach dem Abzug der Russen kommt es zu Fraktionskämpfen der Mujaheddin („Sieben von Peshawar“). Bin Laden kehrt nach Saudi-Arabien zurück. Er gründet „das Netz“ al-Qaida, dem viele der größten MAK-Extremisten beitraten. – Die Taliban, selbst nach Mudjaheddin-Maßstäben fanatisch, wurden unter Schirmherrschaft des ISI in den Flüchtlingslagern in Pakistan gegründet und aufgebaut. Unterstützt werden sie von den pakistanischen Deobandis (einer mit den saud. Wahhabiten verbundenen Sekte) und ihrer politischen Partei Jamiat-ul-Ulema-e-Islam (JUI). Pakistan und Saudi-Arabien sahen in den sunnitischen Taliban, die sich auf die größte ethnische Gruppe der Paschtunen stützen, eine Kraft der Stabilität und ein Gegengewicht zum schiitischen Iran. – Die „arabischen Afghanen“ schüren in der Folge in anderen Ländern fundamentalistische Bewegungen (Algerien, Ägypten etc.).

1990-1994

1991 Der Einmarsch des Irak in Kuwait leitete den endgültigen Bruch Bin Ladens mit dem Westen und Saudi-Arabien ein: Die USA dürfen das Land der heiligsten muslim. Stätten als Ausgangsbasis „ihres“ Krieges benutzen, während sein Angebot, eine Armee gegen den Irak aufzubauen, abgeschlagen wird. Als auch nach dem irakischen Abzug aus Kuwait 20.000 anglo-amer. Soldaten in Saudi-Arabien bleiben, schimpft er den Innenminister einen Verräter – und ist gezwungen, das Land zu verlassen.

1992 Bin Laden nimmt im Sudan an der islamischen Revolution teil.

1993 Erster Bombenanschlag auf das World Trade Center. Verurteilt werden einige Aktivisten des Brooklyn-Büros (s.o.). Als der Leiter des New Yorker FBI-Büros im Fernsehen erwähnt, die CIA habe mehrere der Verurteilten ausgebildet, wird er versetzt. – In Pakistan tritt die JUI der Regierungskoalition von Benazzir Bhutto bei.

1994 Auf amer.-saud. Druck hin wird Bin Laden nahegelegt, den Sudan zu verlassen. Saudi-Arabien entzieht ihm die Staatsbürgerschaft. Die Taliban beginnen mit Unterstützung pakistanischer Streitkräfte die Eroberung Afghanistans von den zerstrittenen Mudjaheddin (noch heute sprechen einige Taliban-Führer gar nicht afghanisch). – Die USA gewinnen erneut Interesse an Zentralasien durch den beginnenden Wettlauf internationaler Ölgesellschaften um Öl- und Gasreserven in der kaspischen Region (mit ihren neuen unabhängigen Republiken). Es stehen sich gegenüber USA, Usbekistan, Turkmenistan, Aserbeidschan (mit Saudi-Arabien, Israel, Türkei, Pakistan) und Rußland, Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan. Da eine Leitung durch Iran nicht in Frage kam, unterstützt die US-Regierung die Pläne der Unocal (Texas, zusammen mit der saud. Firma Delta) für eine Pipeline von Turkmenistan durch Afghanistan an die Küste Pakistans. Unocal und Delta handeln mit den Taliban 180 Mio$ jährlich als Wegezoll aus. Die USA verkünden, sie könnten „nichts Anstößiges“ an der Einführung der Sharia finden. – Der ISI organisiert für den baldigen Tschetschenien-Rebell Schamil Basajew eine Ausbildung in Afghanistan, wo dieser Al Khattab kennenlernt und ihn einlädt, in Tschetschenien eine Ausbildungsbasis aufzumachen. Arrangiert wurde laut BBC Khattab´s Einsatz durch die militant-religiöse Islamische Hilfsorganisation (Sitz in Saudi-Arabien).

1995-1999

1995 Die Taliban zwingen nach der Eroberung von Herat tausende Mädchen, die Schule zu verlassen.

1996 Die Taliban erobern Kabul und stürzen die Regierung der Islampartei unter Hekmatyar. Die Taliban werden zunächst als Befreier angesehen, daß es unter Hekmytayer zu Massenvergewaltigungen und Massenmoden gekommen war. Doch die Taliban setzen eine hart durchgreifende islamische Regierung ein. Frauen werden quasi unter Hausarrest gestellt. Die Kontrolle der Ausbildungslager wird Fraktionen der pakist. JUI übergeben. – Bin Laden kehrt nach Afghanistan zurück und erklärt: Die Amerikaner führen Krieg gegen den Islam und gegen alle Moslems überall auf der Welt. Jeder Amerikaner ist unser Ziel... Seine Arab-Afghanen kämpfen nun an der Seite der Taliban und metzeln u.a. Tausende Schiiten nieder. Man unterstützt auch die Kashmir-Separatisten und verbreitet auch hier den wahhabistischen Islam Saudi-Arabiens. – Auf einem geheimen Gipfeltreffen von Hizb Allah International in Mogadischu/Somalia (Teilnehmer: Bin Laden, iranischer und pakistanischer Geheimdienst) wird der Tschetschenien-Krieg geplant (Aussage von Yossef Bodansky, Direktor der Task Force für Terrorismus und unkonventionelle Kriegführung des US-Kongresses).

1997 Die Taliban verweigern die Auslieferung Bin Ladens an die USA. Die geplante Unocal-Pipeline erscheint nicht mehr wirtschaftlich, die Konflikte im Land finden kein Ende. Die Not afghanischer Frauen ist zu einem Thema von Liberalen und Feministinnen geworden (die vor 1989 die Mudjaheddin unterstützen). Ende 1997 geißelt Außenministerin Albright die Taliban wegen ihrer Behandlung von Frauen. Nun favorisieren die USA eine Pipeline durch Iran (wo europ. und asiat. Förderer schon hart konkurrierten, während US-Ölfirmen auf Lockerung der Sanktionen drängen) und verhängen Wirtschaftssanktionen gegen Afghanistan. – Von den USA unterstützte Warlords erschießen gefangene Taliban-Soldaten in der Wüste zu Tausenden.

1998 Juli: Der CIA entführt in Tirana/Albanien ein Mitglied der militanten Organisation „Ägyptischer Dschihad“ nach Kairo, wo der Mann von der ägyptischen Staatsschutzpolizei gefoltert und Anfang 2000 gehängt wird. 1998 gab es insgesamt fünf solcher CIA-Operationen in Albanien.[3] Am 5. August erschien in London in einer arabischen Zeitung ein Brief der „Internationalen Islamischen Front für den Dschihad“, der den USA Rache für die Aktionen in Albanien versprach.

7. August: Bei zwei Bombenanschlägen auf die US-Botschaften in Tansania und Kenia werden 224 Menschen getötet, 4.000 verwundet. Zwei Wochen später schießen die USA 80 Marschflugkörper auf das Ausbildungslager in Khost und eine „Bombenfabrik“ im Sudan, die in Wirklichkeit die einzige Arzneimittelfabrik des Landes war. Einen Tag später zieht sich die Unocal von den Plänen zurück. – Clintons Energieminister Bill Richardson sagte: Es geht um Amerikas sichere Energieversorgung. Und auch darum, strategische Querschläge durch die zu verhindern, die unsere Werte nicht teilen. Wir versuchen, die neuerdings unabhängigen Länder nach Westen zu bewegen. Wir möchten, daß sie sich auf westliche wirtschaftliche und politische Interessen ausrichten, statt andere Wege zu gehen. Wir haben politisch erheblich in die kaspische Region investiert, und für uns ist es sehr wichtig, daß die Pipelinekarte und die Politik zusammenpassen. (Monbiot: A discreet deal in the Pipeline, Guardian vom 15.2.01).

2000

Herbst: Angriff auf den US-Zerstörer Cole im Jemen, für den Bin Laden verantwortlich gemacht wird.

2001

14.1. Die New York Times schreibt in einer dreiteiligen Serie „Holy Wars“: Al Qaida erwuchs aus dem Dschihad, angestachelt von muslimischen Gelehrten, um das Eingreifen der Sowjetunion 1979 in Afghanistan zu bekämpfen... Die Teilnehmer von fast jedem Anschlag auf die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten in den letzten zehn Jahren haben das Kriegshandwerk und den Umgang mit Sprengstoff in afghanischen Lagern gelernt.

19.2. Zu Prozeßbeginn gegen vier islamische Fundamentalisten (angebliche Verbindung mit Al Qaida) wegen der Anschläge von 1998 bringt Newsweek eine Titelgeschichte „Danger: Terror Ahead“ über Bin Laden. Staatsanwälte wettern, Al Qaida trainiere Agenten als „Schläfer“.

April: Qazi Amin Waqad (ehem. Hisb-Chef und Djihad-Kommandeur, islamischer Rechtsgelehrter) führt Gespräche mit Taliban-Außenminister Muttawakil und dem Vertreter von Taliban-Chef Omar.

Ende Mai: Ein Bundesgericht in New York verurteilt vier islamische Fundamentalisten wegen der Anschläge von 1998.

19.6. Im Jemen Festnahme acht angeblicher Agenten von Bin Laden wegen einer „Verschwörung“, die US-Botschaft zu sprengen.

August Waqad trifft Tadschikenführer Rabbani an der Nordfront (bildet mit Usbeken-General Dostam die Nordallianz).

6.9.: Waqad trifft Schah Ahmed Massud, den Führer der Nordallianz (den "Löwen vom Pandschirtal"), drei Tage vor dessen Ermordung. Waqads Konzept: Regierung der nationalen Einheit, Lösung des "Osama-Problems", Rückkehr der Flüchtlinge.

11.9. Terroranschlag auf das WTC und das Pentagon. Rund 5000 Menschen sterben. Wenige Tage zuvor hatte eine arabische Zeitung mit Sitz in London (Al-Quds), deren Chefredakteur gute Verbindungen zu bin Laden nachgesagt werden, dessen Ankündigung weitergegeben, er könne wieder auf amerikanische Ziele zuschlagen. – ZDF-Spezial bringt tagelang Berichte vor dem Hintergrund einer Studiowand „Terrorkrieg gegen Amerika“.

Nach dem 11. September

12.9. Führende indische Zeitungen halten nur Bin Laden eines solchen koordinierten Terroranschlags für fähig.[4]

13.9. Die USA fordern von Pakistan u.a. Überflugsrechte und die Schließung der Grenze zu Afghanistan. Vize-Verteidigungsminister Paul D. Wolfowitz äußert gegenüber der Washington Post, in dem bevorstehenden „breit angelegten und nachhaltigen“ Krieg gegen die Terroristen gehe es darum, „ihre Zufluchtsstätten zu entfernen, die Systeme, die sie unterstützen, zu entfernen und Staaten, die sie fördern, auszulöschen“. Dafür würden „alle der amerikanischen Regierung zu Verfügung stehenden Mittel eingesetzt“.[5]

14.9. Große Solidaritätskundgebung von 200.000 Menschen am Brandenburger Tor in Berlin. In Köln gibt Mahnwache „Trauer ja – Gegenschlag nein“ (ähnlich schon am 13.9. in der Leipziger Nikolaikirche). – NATO-Generalsekretär George Robertson mahnt gegenüber Le Monde, die Antwort eines angegriffenen Staates müsse im Verhältnis zu der Attacke stehen. Taliban-Chef Omar kritisiert US-Schuldzuweisungen an Bin Laden als völlig haltlos. Pakistan bittet die USA wegen Unterstützung möglicher Vergeltungsschläge um Bedenkzeit. Laut ZDF-Politbarometer halten 57% der Deutschen eine US-Vergeltungsaktion für richtig, 37% sind für eine Beteiligung der Bundeswehr.

15.9. Der US-Kongreß ermächtigt die Regierung, militärisch gegen die Drahtzieher der Anschläge vorzugehen. Außenminister Powell dankt Pakistan für die zugesagte Unterstützung (dem Vernehmen nach Überflugrechte, Schließung der Grenze zu Afghanistan, Bereitstellung von Geheimdienstinformationen, evtl. die Bereitschaft für die Stationierung von Bodentruppen). – Newsweek, Wa­shington Post u.a. berichten, daß mehrere Terroristen während der 90er in US-Militäranlagen ausgebildet wurden.[6]

16.9. Ein hoher pakist. Regierungsbeamter warnt Afghanistan vor einem massiven Angriff, falls Bin Laden nicht ausgeliefert werde. Staatschef Musharraf trifft in Lahore Geistliche und Politiker, um über die Unterstützung eines US-Angriffs zu beraten. Große Teile der Öffentlichkeit sympathisieren mit Taliban und Bin Laden. Die Taliban drohen, „jedes Land« anzugreifen, das den USA Zugang zu seinen Land- oder Luftwegen gewährt“. Aus dem WTC sind am Morgen erst 159 Tote geborgen. – Im Sonntagspresseclub der ARD moderiert WDR-Intendant Fritz Pleitgen eine Sendung „Wann schlägt Amerika zurück?“, Zeit-Herausgeber Josef Joffe behauptet, es komme zwar „kein dritter Weltkrieg, aber es wird ein globaler Krieg sein“.

17.9. Der Siegener Lehrer Bernhard Nolz verurteilt auf einer Schülerkundgebung jede Form von Terrorismus, aber auch staatliche Gewalt und Krieg. Am nächsten Tag wirft ihm die Siegener Zeitung Antiamerikanismus vor, was die Bild-Zeitung aufnimmt. Schließlich ermittelt die Staatsanwaltschaft, Nolz wird vorläufig suspendiert. Dem bisher angesehenen Siegener Zentrum für Friedenskultur, dessen Leiter Nolz ist, sollen auf Druck der CDU die Fördergelder gestrichen werden.

18.9. Der UN-Sicherheitsrat fordert die Taliban auf, alle terroristischen Ausbildungslager unverzüglich zu schließen (und Bin Laden auszuliefern, dies auch schon im Dezember 2000 wegen der Anschläge auf die Botschaften 1998).

19.9. Der russ. Außenminister sagt in Washington den USA volle Unterstützung im Kampf gegen den Terrorismus zu. Nach der Bundestagabstimmung spricht sich Gregor Gysi (PDS Berlin) für begrenzte Kommandounternehmen aus. Ein Sprecher der FAO warnt davor, daß Millionen Afghanen vom Hungertod bedroht seien, Zehntausende seien bereits jetzt auf der Flucht. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks können Hilfsmaßnahmen noch zwei bis drei Wochen aufrechterhalten werden, wenn wie zu erwarten kein Nachschub mehr kommt. In Pakistan wächst die Spannung, London ruft alle Briten zum Verlassen des Landes auf. Nach Aufforderung von Taliban-Chef Omar beraten etwa 1000 Religionsführer über ein religiöses Rechtsgutachten (Fatwa) zu Bin Laden. In einer Rede sagte Omar zu den US-Vorwürfen: „Afghanistan hat nicht die Mittel, und Osama ist nicht so mächtig und hat auch keine Kontakte mit der Welt draußen, um solche Angriffe auszuführen oder zu planen. Wir geben ihm auch nicht die Erlaubnis, afghanisches Territorium gegen irgend ein anderes Land zu benutzen. Wir haben Amerika erklärt, daß wir alle Kommunikationsverbindungen Osamas unterbrochen haben.“ Omar hatte von den USA Beweise gefordert und angeboten, Bin Laden unter die Aufsicht der Organisation der Islamischen Konferenz zu stellen. Für den Fall eines US-Angriffs wird ein „Heiliger Krieg“ angekündigt. – Die Nordallianz bot unterdessen den USA militärische Hilfe an. – In den Tagesthemen fordert NDR-Fernsehdirektorin Dagmar Reim: „Herr Bush, halten Sie es mit dem alten Testament und schlagen Sie zurück – Auge um Auge, Zahn um Zahn“.[7]

20.9. Taliban-Führer Omar will offenbar doch Bin Laden zur Ausreise auffordern (Erklärung des Erziehungsministers). Die USA beginnen mit der Verlegung von Kriegsschiffen, Kampfjets und Bombern in die Golfregion (Operation „Infinite Justice“). Bush fordert in einer Kongreßrede die Taliban zur Auslieferung von Bin Laden auf und kündigt einen umfassenden Krieg gegen den Terror an. „Jedes Land...muß sich jetzt entscheiden: Entweder Sie sind mit uns oder Sie sind mit den Terroristen.“[8]

21.9. Die EU-Chefs erklären ihre „uneingeschränkte Solidarität“ und ihre Bereitschaft zu militärischer Unterstützung für gezielte Vergeltungsschläge. – Schußwechsel zwischen Taliban-Kämpfern und der brit. Sondereinheit SAS. – Freitag-Herausgeber Gaus warnt vor dem Verlust jeder Vernunft.[9]

23.9. Die Taliban lehnen Auslieferung Bin Ladens ab und drohen den Nachbarländern mit ernsten Konsequenzen bei Unterstützung der USA. – Der Chef der neuen KSK (Kommando Spezialkräfte) der Bundeswehr, Reinhard Günzel, hält nichts von einer Operation zur Ergreifung Bin Ladens. Gegenüber Spiegel-online prophezeit er für diesen Fall ein Blutbad. Das Verteidigungsministerium dementiert, wenig später läßt es verlauten, Günzel sei „nicht autorisiert“, ein solches Interview in Krisenzeiten zu geben. – Castro wirft den USA vor, eine auf Gewalt gegründete Weltdiktatur errichten zu wollen.

24.9. Die USA schicken eine Militärdelegation nach Pakistan und heben Sanktionen auf (auch gegen Indien, 1998 wegen Atomwaffenversuchen verhängt). Musharraf hatte den USA die Nutzung des Luftraums und die Bereitstellung von Geheimdienstinformationen angeboten.

28.9. In der FAZ erscheint ein Aufsatz der Inderin Arundhati Roy: Osama bin Laden ist...der dunkle Doppelgänger des amerikanischen Präsidenten.

Oktober 2001

2.10. Ulrich Wickert erläutert in Max: Bush ist kein Mörder und Terrorist. Aber die Denkstrukturen sind die gleichen. Bild titelt: „TV-Verbot für Wickert?“. Dem entkommt er nur knapp, indem er sich in den Tagesthemen entschuldigt.

8.10. Die USA beginnen die Bombenangriffe (bereits nach wenigen Tagen werden auch völkerrechtlich verbotene Streubomben[10] eingesetzt; gleichzeitig werden Lebensmittelpäckchen[11] abgeworfen). Bush verkündet: Wenn irgendwelche Regierungen Kriminelle oder Mörder von Unschuldigen sponsern, dann sind sie selber Kriminelle und Mörder. Laut UNICEF droht bis zu 100.000 Kindern der Hungertod.[12] Mitte November setzt der Winter ein und 80% des Landes sind nur noch aus der Luft erreichbar.

9.10. Die USA kündigen dem UN-Sicherheitsrat an, sich Angriffe auf weitere Länder vorzubehalten. In Berlin demonstrierten rund 5.000 Schüler, es folgten Verweise und massive Einschüchterungen.

11.10. Tony Blair, unterstützt von der US-Regierung, gibt den Taliban und bin Laden die Hauptverantwortung für den Drogenhandel in Zentralasien.[13]

12.10. Laut New York Times hat sich am 20.9. das das Pentagon beratende Defense Policy Board (u.a. Kissinger, Woolsey, Schlesinger) dafür ausgesprochen, sich dem Irak zuzuwenden, sobald die „initiale Phase des Krieges gegen Afghanistan“ zuende wäre.

16.10. Bush besucht die Rot-Kreuz-Zentrale in Washington und ruft die Kinder der USA auf, je 1$ für Kinder in Afghanistan zu spenden. Währenddessen wurden in Kabul zwei Vorratslager des IKRK bombardiert.[14]

17.10. Nach einer Vorlage des brit. Innenministers soll in England in Kriegen oder nationalen Notsituation Art. 4 der Europ. Menschenrechtskonvention außer Kraft gesetzt werden.[15]

18.10. Innenminister Schily kündigt ein zweites „Antiterror-Paket“ an.

19.10. Ein Luftlandeeinsatz von US-Elitesoldaten wird fast zum Fiasko, obwohl „nur solche Ziele ausgesucht wurden, von denen angenommen wurde, daß sie schwach verteidigt und leicht zu filmen waren“ (Telegraph). Die Amerikaner werden auch von der verbündeten Nordallianz zunehmend als große Feiglinge betrachtet.

20.10. Seit den Angriffen flohen 50-60.000 Menschen allein nach Pakistan.

21.10. Reuters berichtet von der Bombardierung ziviler Menschenansammlungen (z.B. Basar von Kandahar). AP meldet einen Volltreffer in einem Wohnviertel in Kabul.

25.10. Das Pentagon räumt ein, am Wochenende hätten drei Bomben ihr Ziel verfehlt. Nach Tony Blair sind zivile Opfer „unvermeidlich“. Der ehemalige Präsident und Führer der Befreiungsfront, Al-Mojaddedi, spricht von über 1000 zivilen Toten und fordert ein Ende der Bombardierung. Die Taliban nehmen Abdul Haq fest und richten ihn hin, er sollte im Auftrag der USA Kontakt zu unzufriedenen Klanführern aufnehmen.[16] Der Linzer Wirtschaftsprofessor Friedrich Schneider schätzt nach Analysen das Vermögen von Al Qaida auf 5 Mrd $ (Jahresbudget 20-50 Mio $).

26.10. Laut Generalstabs-Vize John Stufflebeem wird bin Laden schwer zu finden sein, die Taliban seien „zähe Kämpfer“.

27.10. In Indien, Pakistan und den Philippinen gehen Zehntausende von Kriegsgegnern auf die Straßen. Im westindischen Malegaon werden sieben Demonstranten bei Straßenschlachten von der Polizei erschossen. Tausende Pakistani sind auf dem Weg nach Afghanistan, um gegen die USA zu kämpfen. Schröder spricht sich in Pakistan für die Fortsetzung der Angriffe aus.

28.10. US-Vizeverteidigungsminister Wolfowitz weist Kritik an Steubomben zurück: die USA befänden sich im Krieg und würden alle Waffen einsetzen, um ihn zu gewinnen. Die seit einigen Tagen in den USA aufgetauchten Anthrax-Bakterien gehören laut The New Scientist zu einem Stamm, den die USA in den sechziger Jahren selbst für die Produktion von Milzbrandwaffen gezüchtet haben, oder sind sehr nahe mit ihm verwandt.

30.10. Erneut wirft ein US-Flugzeug zwei Bomben auf die Lagerhäuser des IKRK in Kabul ab (dasselbe Gelände wie am 16.10.).

31.10. Die IG Metall spricht sich scharf gegen den Krieg aus, ebenso gegen die Aushöhlung rechtsstaatlicher Prinzipien und die Diskriminierung im Ausländerrecht. Schröder fordert, die IG Metall solle sich nicht in die Außenpolitik einmischen, „denn davon habt ihr keine Ahnung.“[17] NBC berichtet unter Berufung auf einen hohen Offizier, die Lager des IKRK in Kabul seien nicht zufällig getroffen worden, die Taliban hätten Lebensmittel beschlagnahmt.[18] Die Taliban werfen der UNO „Gleichgültigkeit“ vor, inzwischen seien 1.500 Zivilisten getötet. Das US-Militär hat Taliban-Frequenzen gekapert, laut AIP wird Kandahar mit Musik beschallt. – In Syrien war Blair von Assad zu einer Pressekonferenz eingeladen worden. Nachdem Blair sagte, mit Gewalt seien keine Probleme zu lösen, der palästinensische Widerstand sei Terrorismus, verurteilt Assad den Krieg gegen Afghanistan, nennt Israel einen terroristischen Staat und die Palästinenser Freiheitskämpfer. Oder gelten etwa General de Gaulle und die französischen Widerstandskämpfer...als Terroristen?

November 2001

1.11. 90 Delegierte verschiedener Gewerkschaften verabschieden auf einer hessischen Regionalkonferenz eine Resolution gegen die Luftangriffe (und die Schily-Initiativen); die Regierung habe sich restlos der US-Politik unterworfen.

Im aktuellen Spiegel schreibt Herausgeber Augstein: Seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 haben sich amerikanische Politiker in den Wahn hineingesteigert, auf niemanden mehr Rücksicht nehmen zu müssen... Wer so vorgeht wie jetzt die Amerikaner in Afghanistan, der sorgt nicht für eine Eindämmung von Terror – sondern fördert seine Ausbreitung.[19]

2.11. Bundestagspräsident Thierse übt scharfe Kritik an Streubomben. Die deutsche Geschichte verpflichte, Konflikte nicht auf das Militärische zu beschränken. Nach FDP-Politiker Hirsch verrät Schilys Antiterrorpaket „totalitären Geist“. Die USA haben inzwischen das Überfliegen von AKW unterhalb 5500m im Radius von 18km verboten. Auch für deutsche AKW gibt es laut Reaktorsicherheitskommission bei einem Terroranschlag aus der Luft kaum Schutzmaßnahmen vor einer Strahlenkatastrophe. Das Pentagon überlegt, die Farbe der Nahrungsmittelpakete zu ändern (bisher gelb wie die Bomben).

4.11. Die USA fliegen die bisher stärksten Angriffe auf die Talibanfront, dennoch meldet die Nordallianz Gebietsverluste vor Masar-i-Scharif (Knotenpunkt für usbek.-tadschik. Nachschub). Bin Laden ruft alle Moslems zum Kampf gegen USA und UNO auf. In den letzten vier Tagen überquerten 4400 Pakistaner die Grenze. – Die Washington Post berichtet von US-Absprachen mit Äthiopien bezüglich eines Angriff auf Somalia.[20]

5.11. Nach Taliban-Angaben wurden 95 US-Soldaten getötet (AFP). Bin Laden ist nach Bericht des türkischen Senders NTV zum Oberkommandierenden der Talibanmiliz ernannt worden. Bush bittet um deutsche Unterstützung.

6.11. Im Rahmen der Nato-Bündnisverpflichtung gibt es eine Kabinettsvorlage zur Entsendung von 3.900 Soldaten, darunter 1.800 Marinesoldaten zur Sicherung der (Öltanker-)Seewege am Kap Horn, 800 „Fuchs“-Spürpanzer (die im Irak sinnvoll sind!) und 100 Spezialkräfte (KSK aus Calw, evtl. auch Division spezielle Operationen DSO Regensburg), keine „klassischen“ Bodenkampfeinheiten. Man werde, so Schröder, die Fraktions- und Parteispitzen regelmäßig über mögliche Einsätze informieren, außer die PDS, um diese nicht durch geheimhaltungsbedürftige Informationen zu „überfordern“ (angesichts der „Verteidigung der Wertvorstellungen der westlichen Welt“ könne es nicht um „juristische Spitzfindigkeiten“ gehen). Zweifel an der völkerrechtlichen Legitimation des Krieges nannte Schröder „unzulässig“. – Bush sagte, dieser Krieg könne lange dauern. Der Europ.-Jüdische Kongreß unterstützt laut Präsident Friedman „uneingeschränkt den Krieg, den die zivilisierte Welt...gegen die größte Bedrohung der Freiheit führt“. – In den Tagesthemen erklärt Ulrich Wickert: Der Einsatz in Afghanistan stellt die Bundesrepublik endgültig auf die gleiche Stufe wie die Siegermächte in Europa.

7.11. Das Berliner Springer-Blatt BZ titelt: „Wir sind dabei!“. Nach einer Umfrage im Auftrag von Die Woche sind 51% der Deutschen für „Erfüllung der amer. Truppenanforderung“ (in Ostdeutschland sind 70% dagegen). Die Nordallianz kann weiter in Richtung Masar-i-Scharif vorstoßen. US-Journalisten diskutieren seit Wochen über die Zulässigkeit staatlicher Folter bei Terroristen.[21] – In Bogota wird bei einem Antikriegsprotest von Studenten der Nationalen Universität ein Student erschossen.

8.11. Der US-Vizestaatssekretär für Flüchtlinge gibt zu, daß der Abwurf von Nahrungsmittelpäckchen wirkungslos sei und nur 1% erreiche. In Pakistan wird der Führer der wichtigsten Oppositionspartei PML (Muslimliga) verhaftet, nachdem er angekündigt hatte, an der islamischen Protestdemonstration teilzunehmen. Zwei ehem. Geheimdienstoffiziere berichten der New York Times von einem irak. Ausbildungslager für Flugzeugentführer, wo auch radikale Islamisten trainiert werden. – Der Ortsverband der Grünen in Weil (BW) fordert Zahlungsstop der lokalen Verbände an die Bundespartei.

9.11. Nach Taliban-Angaben wird zunehmend die Straße Masar-i-Sharif – Kabul bombardiert, wobei täglich Zivilisten getötet werden. – Grünen-Fraktionschef Schlauch meinte, auch die Befürworter des Bundeswehr-Einsatzes könnten sich auf das eigene Gewissen berufen. Das ist auch eine politische Entscheidung...darüber, wie die Bundesrepublik in der Staatengemeinschaft verortet wird. – Der türkische Generalstabschef warnt die USA vor Angriffen auf den Irak.[22] In Pakistan blockieren tausend tlw. Bewaffnete Demonstranten eine Autobahn, vier werden erschossen. – Der GEW-Hauptvorstand fordert sofortigen Bombenstop.

10.11. Antikriegsdemo in Rom mit über 100.000 Teilnehmern (zugleich US-Soli-Demo mit 50.000 nach Aufruf Berlusconis), in Berlin über 5.000. Laut AIP wurden drei Dörfer nordwestlich von Kandahar drei Nächte bombardiert, bis 300 Zivilisten starben. – Ein aus Usbekistan kommender UNO-Konvoi mit 330t Hilfsgütern wird bei US-Luftangriff zerstört. – Eine arabische Tageszeitung berichtet, Omar habe Bin Laden kurz nach Beginn der US-Angriffe eingebürgert.

11.11. Am Rande einer UNO-Tagung sichert Indien den USA wiederum volle Unterstützung zu. Bush sichert Pakistan 1 Mrd $ Finanzhilfe zu. – Der ASEAN-Gipfel ist gespalten. In Indonesien und Malaysia eskalieren die Proteste gegen den US-Krieg.

12.11. Die Taliban räumen ein, am 9.11. Masar-i-Sharif aufgegeben zu haben. Die Nordallianz meldet auch Siege in Herat und der Provinz Baghlan. Eine Sprecherin des Welternährungsprogramms berichtet in Islamabad von Schnell-Hinrichtungen, Plünderungen, Entführungen. – Nachttemperaturen inzwischen tlw. unter Null. – Laut einem Geheimpapier sind die Spitzen des DGB zu jedem Zugeständnis bereit.

13.11. Die Taliban ziehen sich aus Kabul zurück, die Nordallianz rückt ein, US-Flugzeuge bombardieren das Büro des unabhängigen TV-Senders Al Schasira. Westliche Agenturen berichten über Freudenbekundungen, arabische Sender zeigen Bilder aus Kabul, wie die „Befreier“ auf den Köpfen gerade getöteter Gegner tanzen. Laut UNO-Mitarbeitern wurden nach der Einnahme von Masar-i-Scharif über 100 junge Taliban-Rekruten in einer Schule ermordet. In beiden Städten wurden Hilfskonvois und Büros der UNO geplündert, UN-Menschenrechtskommissarin Mary Robinson warnt im Hinblick auf einige Nordallianz-Führer vor Schlimmerem. Schröder will die Abstimmung mit der Vertrauensfrage verknüpfen (acht Grüne wollen mit Nein stimmen). – In Namibia kündigt die Gewerkschaft Demos an, über 100.000 werden erwartet. – Ein UN-Plan sieht eine Konferenz aller ethnischen Grup­pen vor. – Bush unterzeichnet eine Anordnung, daß Ausländer unter Terrorismusverdacht künftig vor Militärgerichte gestellt werden.[23] – Laut Kardinal Lehmann in Bunte ist als letztes Mittel der Tyrannen­mord, d.h. Ermordung bin Ladens moralisch vertretbar.

14.11. Weitere US-Angriffe auf Flughafen und Militäreinrichtungen von Dschalalabad, Stellungen bei Khost und Taliban-Konvois auf dem Rückzug. In Rom kündigt Exkönig Sahir Schah seine Rückkehr an, Exilpräsident Rabbani will nach Kabul reisen, um die politische Führung über die „befreiten“ Gebiete zu übernehmen. Der Sprecher der Nordallianz will höchstens unbewaffnete UN-Beobachter ins Land lassen.[24] – In Teilen des Südens etablieren sich lokale Klanführer als unabhängige Warlords. – SPD-Fraktionschef Struck fordert Abgeordnete zum Mandatsverzicht auf, weil sie dem Bundeswehreinsatz nicht zustimmen wollen.

15.11. Sieben führende Grünen-Politiker der Länder appellieren an die Fraktion, dem Bundeswehreinsatz zuzustimmen. Sogar die Presse sorgt sich mehr um die Grünen als um den Kriegseinsatz.[25]

16.11. Der Bundestag stimmt für den Bundeswehreinsatz. Zu Beginn des Ramadan richtet Bush eine Grußbotschaft an die Moslems.[26] US-Flugzeuge bombardieren eine Moschee in Kandahar.

19.11. Nordallianz-General Khan Daoud deutet den ausländischen Talibankämpfern in Kundus freies Geleit ins Ausland an. In der Stadt im Norden (200.000 Einwohner) sind bis zu 20.000 Taliban und 10.000 ausländische Islamisten umzingelt.

20.11. Rumsfeld lehnt freies Geleit ab, laut dem Sprecher der amer. und brit. Truppen (Kenton Keith) ist Kapitulation die einzige Option. Im übrigen habe die Koalition ihr Bestes getan, um die Kommandeure der Nordallianz auf Zurückhaltung und eine korrekte Behandlung von Gefangenen zu verpflichten. – Pakistanische und indische Zeitungen sprechen bereits von über 1.000 zivilen Toten infolge der Bombardierung der Außenbezirke von Kundus. UN-Menschen­rechts­kom­missarin Robertson bekommt aus Kabul u.a. Berichte von standrechtlichen Exekutionen von Gefangenen, die ihre Waffen niederlegten. Auch die US-Soldaten haben den Befehl, keine Gefangenen zu machen[27]. Die britische Ministerin für Internationale Entwicklung kritisiert scharf die Gleichgültigkeit der USA gegenüber der Dringlichkeit humanitärer Hilfe und bemängelt den lächerlichen US-Beitrag zur Überwindung der globalen Armut. London möchte eine umfangreiche Friedens­truppe[28], die USA weitere Bombardements.

21.11. Ein Kopftuch ist für Frauen künftig ausreichend, so der Außenminister der Nordallianz. – Die Washington Post vergleicht auf der Titelseite den US-Feldzug mit der US-Rolle in El Salvador in den 80ern, als Militärberater halfen, „marxistische Guerillas zu jagen und zu töten“ (tatsächlich ermordeten US-unterstützte Todesschwadrone mind. 50.000 Menschen, sogar den Erzbischof).

22.11. Laut Bundesverfassungsgericht stellt das neue NATO-Konzept von 1999 (weltweite Einsätze ohne UNO-Mandat!) eine bedeutsame Erweiterung, aber keine grundlegende Änderung dar und bedarf darum nicht der Zustimmung des Bundestags (Art. 59 GG), eine entsprechende Klage der PDS-Fraktion wurde abgelehnt. – Die Deutsche Welthungerhilfe beklagt in Jalalabad die Plünderung der Einrichtungen sämtlicher Hilfsorganisationen durch diverse Warlords. – Die Taliban in Kundus kapitulieren. – Pervez Muscharraf schlägt in Islamabad dem brit. Außenminister Jack Straw eine UN-Intervention vor, um ein Blutbad zu verhindern.

23.11. Die Washington Post berichtet über Besorgnisse in der Presse des Nahen Ostens, Rumsfeld Kommentare liefen darauf hinaus, grünes Licht der USA für das Töten sogenannter afghanischer Araber zu geben.

25.11. Bei einem Massaker in einem Kriegsgefangenenlager in Mazar-i-Scharif werden rund 600 Taliban mit Unterstützung von US-Bomben getötet.[29] Hunderte von Marines landen nahe der Taliban-Hochburg Kandahar. – Laut der britischen Sunday Times sind Somalia, Sudan und Jemen wegen vermuteteter Beziehungen zu bin Laden wahrscheinlichste Ziele neuer Militäroperationen.[30]

26.11. Die Nordallianz meldet, die in Kundus verbleibenden Taliban und Ausländer überrannt zu haben.[31] – US-Militärsprecher Keith leugnet ein Massaker der Nordallianz in Kundus. – Bush forderte in einer Rede den Irak auf, unverzüglich UN-Waffeninspek­toren ins Land zu lassen. Er wirft dem Irak den Besitz von „Massenvernichtungswaffen“ vor.[32] – Im brit. Guardian vergleicht ein Kolumnist das Massaker von Kundus mit dem im Libanon 1982.[33]

27.11. Beginn der Afghanistan-Konferenz in Bonn mit 32 Afghanen (Nordallianz, Exkönig und Exil) und 11 UN-Vermittlern. Die FAZ berichtet von erneutem Opiumanbau vor allem in der Heimatprovinz des Präsidenten Rabbani.[34] Der UN-Sicherheitsrat nimmt eine US-Liste von 152 Taliban-Vertretern an, deren Konten weltweit eingefroren werden sollen.

28.11. Die Taliban-Hochburg Kandahar wird allmählich sturmreif bombardiert. Nach den Anschlägen sind in den USA noch 603 von insgesamt 1100 Menschen in Haft. Laut Amnesty International sind einigen Schlaf, Wasser und Nahrung vorenthalten worden, auch weitere Mißhandlungen wurden bekannt. Für die Anthraxfälle ist nach Greenpeace ein für die US-Regierung arbeitender Mikrobiologe verantwortlich.[35]

29.11. Anti-Taliban-Kräfte rücken in Kandahar ein, bis zu 800 US-Soldaten sollen die Fluchtwege abschneiden. Taliban-Führer Omar ruft seine Truppen auf, „bis zum letzten Atemzug“ zu kämpfen. – Die International Herald Tribune titelt: „Die Verbündeten warnen Bush vor einer Kampagne gegen Irak“.

30.11. Laut der Koblenzer Rhein-Zeitung will die Bundeswehr 600 Mann mit dem Spürpanzer Fuchs nach Kuwait verlegen. – Die Bonner Konferenz wurde inzwischen mehrfach kritisiert. Der prominente Paschtunen-Führer Haji Abdul Qadir verließ sie unter Protest. Hasaras (20% der Bevölkerung, Schiiten an der iranischen Grenze) und ethnische Usbeken haben nur je einen Vertreter. – US-Bomber greifen drei auf dem Weg zur unterirdischen Al-Qaida-Festung Tora-Bora gelegene Bergdörfer an (wohl 300 Tote).[36]

Dezember 2001

2.12. US-Streitkräfte beschießen das Hauptquartier der Anti-Taliban-Einheiten in Agom im östlichen Bergland (8 Tote). Zuvor hatten bereits Überlebende von Angriffen auf mehrere Dörfer in der Region mit Hunderten ziviler Opfer berichtet. – Die USA lehnen die Stationierung einer internationalen Friedenstruppe ab und haben laut Telegraph London aufgefordert, sich auf Militärschläge gegen Terrorbasen in Somalia vorzubereiten. – Inzwischen hat Moskau auf eigene Faust Hunderte Soldaten nach Kabul entsandt, wohl in Abstimmung mit dem Führer der Nordallianz, Rabbani.

3.12. In Masar-i-Scharif kam es bereits wiederholt zu Kämpfen zwischen den Fraktionen der Nordallianz (verantwortlich soll Rashid Dostum sein), alle UNO-Mitarbeiter sind abgezogen worden. – Im Osten zerstören US-Kampfjets weitere Dörfer (Pentagon dementiert, Journalisten finden Reste von US-Raketen). – Bei der UNO stockt die geplante Anti-Terrorismus-Konvention an der Unterscheidung zwischen Terror und Befreiungskampf und der Frage, was Staatsterrorismus ist. OIC und Arabische Liga fordern, daß der Kampf gegen Besetzung kein Terror ist (z.B. PLO).

4.12. In einer Erklärung der Bonn-Konferenz wird nur im Anhang der UN-Sicherheitsrat gebeten, Truppen nach Kabul zu entsenden.

5.12. In Bonn wird ein Abkommen unterzeichnet. Die Delegierten stimmten einer Schutztruppe unter UN-Mandat zu. Der Paschtune und US-Favorit Sayed Hamid Karzai wird Präsident der Interimsregierung. Sie soll ab 22.12. sechs Monate im Amt bleiben, danach wird eine große Ratsversammlung (Loja Dschirga) für weitere 18 Monate eine Übergangsregierung ernennen. Die Nordallianz sicherte sich Außen-, Innen- und Verteidigungsministerium. Ein auf US-Druck eingefügter Text verbietet der Regierung, für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verstöße gegen das Menschenrecht eine Amnestie zu gewähren.[37] Rabbani soll bereits gegen das Abkommen agitieren. – In Berlin eröffnet Fischer die Geberkonferenz für Afghanistan. – Durch eine US-Bombe sterben zwei US-Soldaten und mehrere Anti-Taliban-Kämpfer. – Laut Washington Times sprach sich US-Verteidigungsminister Wolfowitz für eine Übertragung der Afghanistan-Taktik auf den Irak aus. Die kurdischen Oppositionsparteien PUK und KDP lehnen dies ab.[38]

6.12. In Kandahar kapitulieren die Taliban, es gebe rund 10.000 Tote. – Usbekengeneral Dostum will die Regierung boykottieren. Laut „Ärzte ohne Grenzen“ wurden während der Bombardierung von Tora Bora schon über 80 Zivilisten getötet. Laut UNICEF Deutschland sind im Winter 100.000 tote Kinder zu befürchten. – Laut FAZ hat das Kabuler Büro der saudischen Al-Haramayn-Stiftung die Taliban bis zum Ende unterstützt.[39]

7.12. Taliban-Chef Omar hat in Kandahar offenbar freies Geleit bekommen. – In Genf läßt US-Vertreter Bolton in letzter Minute die dreiwöchigen Verhandlungen zum Biowaffen-Übereinkommen endgültig scheitern. – Bush zog auf dem Flugzeugträger USS Enterprise zum 60. Jahrestag von Pearl Harbor die Parallele zum 11. September.

8.12. Der Einsatz der UN-Friedenstruppe wird sich wegen den US-Angriffen auf unbestimmte Zeit verzögern. In Kandahar gab es heftige Gefechte zwischen Truppen von Kommandeur Mullah Nakibullah und von Exgouverneur Hadschi Gul Agha. – Kofi Annan warnt die USA vor einer Ausweitung der Angriffe auf den Irak.

9.12. Die Los Angeles Times berichtet von geplanten Angriffen auf Ziele in Indonesien, Jemen und Somalia.[40] Fünf US-Offiziere treffen sich in Somalia mit Kriegsherren der Opposition, um „Terrorziele“ zu identifizieren.

10.12. Der britische Generalstabschef Michael Boyce kritisiert die einäugige amerikanische Kriegsführung.[41] Raschid Dostum besteht auf Neuverhandlungen über die Machtverteilung, Schiitenführer Karim Kahlili wird das neue Regime zumindest nicht unterstützen, im Westen beschwert sich Stammesfürst Ismail Khan, der fünf Provinzen kontrolliert. – Bush will in Kürze den ABM-Vertrag (Verbot einer Raketenabwehr) mit Rußland kündigen.[42]

11.12. Nachrichtenagenturen melden, die Taliban in Tora Bora würden morgen bedingungslos kapitulieren. – Cheney: Wenn ich Saddam Hussein wäre, würde ich...mir sehr genau anschauen, was mit den Taliban geschehen ist. – IKRK-Mitarbeiter beginnen, im völligen zerstörten Kandahar die Leichen zu bergen. – Laut New York Times sind über 100 gefangene Taliban auf einer mehrtägigen Fahrt in Frachtcontainern erstickt.

12.12. Die Taliban stellen Bedingungen für ihre Kapitulation, die USA Bomben weiter, wie schon früher auch die Riesenbombe BLU-82.[43] Ein Pentagon-Berater empfahl im Fernsehen den Einsatz von Kampfgas.

13.12. Die USA präsentieren ein Video, auf dem sich Bin Laden mit dem Terroranschlag brüstet.

(...)
 

Fußnoten


[1] Bei der Enteignung eines Stammesführers weigerten sich die Stammesmitglieder oft, das Land anzunehmen. Es wurde Gewalt angewendet, um die Maßnahmen durchzusetzen. Auch die Zwangsalphabetisierung sollte auf dem Land koedukativ durchgeführt werden.

[2] Auch nach 1989 blieb er Informant, obwohl schon 1990 Beweise der Förderung islamistischen Terrors vorlagen; 1992 bildet er Anhänger bin Ladens in Afghanistan aus, traf diesen selbst nach dem WTC-Attentat 1993 im Sudan und bereitete die Attentate von 1998 mit vor. Nach seiner Festnahme wartet er bis heute auf ein Verfahren (FAZ 4.12.01).

[3] Die Angaben beruhen auf einem Artikel im Wallstreet Journal vom 23.11.2001. Die Entführungen fanden vor dem Hintergrund der Vereinigung des „Ägyptischen Dschihad“ mit bin Ladens Netzwerk Al Quaida statt. Die US-Behörden hätten die Zelle in Tirana für eine der gefährlichsten gehalten. Inoffiziell würden Regierungsbeamte die Entführungen als eine der erfolgreicsten Antiterroroperationen in den Annalen der CIA rühmen. Die Verhöre der fünf Entführten hätten 20.000 Seiten Geständnisse erbracht. Einer der fünf konnte vor der Hinrichtung seinem Anwalt von den Folterungen berichten: Elektroschocks an den Genitalien, mit dem Gesicht über den Boden gezogen, stundenlanges Stehen in Fäkalien. Im Wallstreet-Artikel wird der Pressesprecher des CIA zitiert, der zurückweist, daß die CIA entweder an Folterungen teilnimmt oder diese gutheißt. Der Pressesprecher des ägyptischen Präsidenten erklärte: Vergessen Sie doch die Menschenrechte für eine Weile. Wir müssen die Sicherheit der Mehrheit schützen.

[4] Auch die islamischen Extremisten in Kashmir können sich dessen Unterstützung sicher sein.

[5] Bald darauf schreibt der Thomas Friedmann (der beste Beziehungen zu den Machtzentralen hat) in einem Leitartikel der New York Times, daß „die USA zwar die erste Schlacht im Dritten Weltkrieg verloren haben“, aber zugleich sei das „die letzte Schlacht in der Geschichte gewesen, in der lediglich konventionelle Mittel zum Einsatz gekommen sind“.

[6]  u.a. in Pensacola auf Bitten befreundeter Regierungen; ein hoher Pentagon-Offizier hat dies Mitte Oktober bestätigt.

[7] Am 29.10. wird beschlossen, daß Frau Reim neue ZDF-Intendantin wird.

[8] „Unser Krieg gegen den Terror beginnt mit Al Kaida, hört dort aber nicht auf. Er wird erst zu Ende sein, wenn jede weltweit operierende terroristische Gruppe aufgespürt, gestoppt und vernichtet sein wird. (...) Wir werden jede uns zur Verfügung stehende Ressource nutzen – jedes Werkzeug der Geheimdienste, jedes Instrument der Strafverfolgung, jeden finanziellen Einfluß und jede erforderliche Kriegswaffe -, um das globale Terrornetzwerk zu sprengen und zu besiegen. (...) Unsere Antwort umfaßt sehr viel mehr als augenblickliche Vergeltung und isolierte Treffer. Die Amerikaner sollten keine einzelne Schlacht, sondern einen langfristigen, nie dagewesenen Feldzug erwarten. Wir werden die Nationen verfolgen, die dem Terrorismus helfen oder ihm Unterschlupf bieten. Jedes Land in jeder Region muß sich jetzt entscheiden: Entweder Sie sind mit uns oder Sie sind mit den Terroristen. Von jetzt an sehen die Vereinigten Staaten jedes Land, das weiterhin Terroristen beherbergt oder unterstützt, als feindliches Regime an.“ Auch laut Londoner Times entwickeln die USA und Großbritannien geheime Pläne für einen langfristigen „Krieg gegen den Terrorismus“. Die Operation „Noble Eagle“ soll auf zehn Jahre angelegt sein.

[9] Das Böse werden Bush und seine ihn anscheinend treibenden Ratgeber nicht aus der Welt verbannen können, aber die Vernunft und ihre Maßstäbe haben sie vorerst in den Untergrund getrieben... So, wie ich uns Deutsche kenne, werden wir hinter den USA nicht zurückstehen wollen... Die Annäherung der Berliner Republik an einen Polizeistaat wird alsbald in der Sprache der Politike rdie Züge des quasi Gottgewollten annehmen.

[10] Vor dem Aufschlag werden rund 100 kleinere Bomben freigesetzt, die etwa ein Fußballfeld leersprengen können, indem die Ummantelung jeweils in Hunderte Splitter zerspringt. 10-30% bleiben zunächst Blindgänger, die dann wie eine Mine wirken (in Jugoslawien warf die NATO rund 220.000 Streubomben auf serbische Ziele ab, über 15.000 blieben Blindgänger).

[11] Inhalt u.a. Bohnen, Erdnußbutter und Erdbeermarmelade, bis 9.11. rund 1,25 Millionen.

[12] Es gibt 23 Mio Afghanen, das World-Food-Programm hat bis vor kurzem 8 Mio Afghanen ernährt.

[13] Nach Angaben des UN-Büros für Drogenkontrolle und Verbrechensvorbeugung in Wien entfielen auf Afghanistan in der Vergangenheit 71% der weltweiten Schlafmohn-Produktion. Nach einem Anbauverbot der Taliban sei die Produktion dieses Jahr jedoch um 91% gefallen, produziert würde nur noch in den Gebieten der Nordallianz (10% der Fläche). Dagegen ist der Heroinschmuggel in Westeuropa fest in Händen ethnisch-albanischer Banden, maßgeblich der im Jugoslawienkrieg von den USA unterstützten UCK. Die UCK, die der US-Sondergesandte noch im Februar 1998 „Terroristen“ nannte, waren wenige Monate später „Alliierte“. Nun ist bin Ladens Netzwerk nach Nicholas Stavrou, Professor für internationale Beziehungen an der Howard-Universität tief in ethnisch-albanischen Gruppen auf dem Balkan verwurzelt. Trotz wiederholter Bedenken prominenter Kongreßabgeordneter und renommierter Zeitungen zum Auftauchen von Bin-Laden-Gruppen, blieb Clinton bei seiner gegen Jugoslawien gerichteten Balkan-Politik.

[14] Weil der Fernsehsender Al Dschasira aus Katar Bilder zeigte, mußte das US-Verteidigungsministerium dies zugeben. Ein Pilot habe das Gebäude (mit großem roten Kreuz!) für ein Waffenlager gehalten. Bereits in den ersten Kriegstagen hatte eine Rakete das Büro eines Minenräumprojekts der UNO getroffen (in Afghanistan liegen Millionen Minen aus den 80er Jahren).

[15] Art. 4 garantiert die Freiheit jedes Menschen außer bei rechtskräftiger Verurteilung bzw. Untersuchungshaft aufgrund richterlicher Anordnung. Bei seiner Außerkraftsetzung würde schon der Verdacht des Terrorismus ausreichen, um einen Menschen für unbestimmte Zeit ins Gefängnis zu bringen.

[16] Sein Bruder Hadji Din Mohammed war Minister bis zu seiner Flucht Anfang der 90er.

[17] So im Beisein von IG-Metall-Chef Klaus Zwickel auf einer Chinareise, und: „Schuster, bleibt bei euren Leisten.“ – IG Metall IG-Vize Peters betonte dagegen, Krieg und Frieden seien seit je ein zentrales Thema der Arbeiterbewegung.

[18] Das Rote Kreuz übergab nach dem Treffer eine Liste mit Koordinaten von Lagern, dennoch (oder deshalb?) wurde am 26.10. ein zweites getroffen.

[19] Wer ein bitterarmes Land in Schutt und Asche legt, ohne große Rücksicht auf eine Zivilbevölkerung, die Hunger leidet und schutzlos dem harten Winter ausgesetzt sein wird, der darf sich nicht wundern, wenn sich die Stimmung gegen ihn zu kehren beginnt...

[20] Äthiopien sieht sich von dem angeblichen somalischen Verbündeten bin Landes, der Islamischen Union, bedroht, unterstützt die Sezession Somalilands (der nördlichen Küstenregion) und steht im offenen Konflikt mit der von der UNO unterstützten Übergangsregierung in Mogadischu. – US-Ölkonzerne hatten noch zu Zeiten Barres Konzessionen für 2/3 Somalias erworben. Nach Studien in den 80ern begannen 1992 unmittelbar nach dem Einmarsch der US-geführten Truppen die Bohrungen. Vor allem aber die geostrategische Lage Somalias ist für die USA eminent interessant.

[21] In der Vorwoche erschien in Newsweek eine Kolumne „Es ist Zeit, wieder an Folterung zu denken“, die große Proteste von NGOs auslöste. Das Wallstreet Journal brachte einen Artikel über die Folterung eines 1995 überführten Terroristen durch philippinische Behörden, wodurch ein Plan bekannt wurde, mehrere US-Flugzeuge zu kapern und abstürzen zu lassen.

[22] Die Türkei habe durch den Krieg gegen den Irak 1991 einen wirtschaftlichen Schaden von bis zu 40 Mrd $ erlitten.

[23] Für die Todesstrafe muß die Schuld nicht „über jeden Zweifel erhaben“ sein wie im Zivilrecht. Es bleibt dem vorsitzenden Militärrichter überlassen, welche Beweisunterlagen die Verteidigung erhält. – Ex-Präsident Jimmy Carter sagt am 6.12., diese Tribunale verstießen gegen alle grundlegenden Prinzipien, auf denen die USA gegründet seien.

[24] Wenn wir erst die Taliban los sind, dann gibt es keinen Krieg mehr, und dann bedarf es auch keiner internationalen Friedenstruppen.

[25] Frankfurter Rundschau: Die Grünen sind aber auch geschwächt, weil sie sich zu überfordern drohen: Sie differenzieren. Bei der Gentechnik Wirtschaft gegen Werte abwägen, beim Militäreinsatz dessen Grenzen und politische Folgen mitbedenken, in Kriegszeiten der Regierung Handlungsfähigkeit zugestehen und den Stellenwert des Parlamentes wahren.

[26] Bush übermittelte seine „aufrichtigen Wünsche für Gesundheit, Wohlstand und Frieden“, Amerika übe eine führende Rolle bei der humanitären Hilfe für Afghanistan aus. Der Islam lehre Wohlfahrt, Gnade und Frieden.

[27] Rumsfeld in einer Pressekonferenz des Pentagon: Die Vereinigten Staaten sind weder geneigt, über Übergaben zu verhandeln noch sind wir in der Lage, mit einer relativ kleinen Zahl von Bodentruppen Gefangene zu machen.

[28] Zur Zeit hängen 100 britische Elitesoldaten „in der Luft“, die den Flugplatz Bagram bei Kabul sichern sollen, um ihn für die schnelle Verlegung von 6.000 britischen Soldaten und weiteren Kontingenten herzurichten.

[29] In der Festung Kale-e-Dschangi hätten Laut BBC und New York Times einige Taliban ihren Bewachern die Waffen entrissen und versucht, einen Aufstand anzuzetteln. Dabei seien fünf Bewacher und ein US-Militärberater getötet worden. Keiner der Gefangenen sei zur Kapitulation bereit gewesen, heißt es bei Nachrichtenagenturen immer wieder. Verschiedene Seiten äußerten Zweifel an einer Revolte einen Tag nach der Kapitulation. Reporter von AP berichteten am 28.11., daß einigen der Getöteten die Hände auf den Rücken gefesselt worden waren. Nordallianz-Kämpfer hätten sich durch die Leichenberge durchgearbeitet und Fesseln durchgeschnitten, ehe sie die Toten dem Roten Kreuz übergaben. BBC zitiert die Worte eines US-Soldaten zu einem westlichen Kamerateam: Laßt uns jetzt eine Weile in Ruhe. Das ist alles, was wir brauchen. Am 28.11. nachts interviewte die BBC den Korrespondenten der Londoner Times in Masar-i-Scharif, Oliver August. Dieser berichtete, der CIA-Offizier Johnny Spann und ein Kollege hätten durch aggressive Verhörmethoden die Revolte ausgelöst. Auf die Frage, warum er nach Afghanistan gekommen sei, habe ein ausländischer Taliban geschrien: Wir sind hier, um euch zu töten. Darauf habe Spann drei Gefangene erschossen, dann sei die Situation eskaliert. Der CIA bestätigte nur, daß Spann getötet wurde, im übrigen wird er als gefallener Kriegsheld verehrt. – Der anwesende Time-Journalist Alex Perry berichtet, ca. 40 US-Spezialkräfte und britische SAS-Leute hätten die einseitige Schlacht geleitet. Das deutsche Fernsehen zeigte Filmberichte, wie die Soldaten der Nordallianz von den Mauern der Festung in die Menge schossen. US-Kampfjets warfen Bomben und die Aufklärer der Spezialeinheiten in der Festung riefen Kampfhubschrauber herbei. Herbeigeführte Panzer und 2000 Soldaten der Nordallianz vollendeten die Aktion. – Das IKRK berichtete außerdem von rund 500 Leichen in Masar-i-Scharif, offensichtlich Opfer von Massenexekutionen nach der Einnahme am 9.11.

[30] Blair und Bush hätten sich darauf verständigt, daß der durch die Erfolge der „Antiterrorkoalition“ erreichte Schwung durch schnelle Operationen anderswo ausgenutzt werden müsse. – Unvergessen ist z.B: der Anschlag auf das US-Kriegsschiff Cole im Hafen von Aden (Jemen) am 12.10.00.

[31] Die New York Times berichtet unter Berufung auf Augenzeugen, aus Pakistan stammende Mitglieder der Taliban und von Al Qaida, oft Söhne reicher Familien, seien noch rechtzeitig mit pakistanischen Militärtransportflugzeugen evakuiert worden. Kommandanten der Nordallianz beschuldigen General Rashid Dostum eines entsprechenden Deals.

[32] Als Terroristenstaaten definierte er nicht nur solche, die Terroristen Unterschlupf gewähren oder finanzieren, sondern auch solche, die Massenvernichtungswaffen entwickeln, um andere Nationen damit zu terrorisieren. Dabei haben die USA Bestandteile für solche früher an den Irak geliefert, um den Iran zu bekämpfen (der übrigens ebenfalls beliefert wurde), in einem achtjährigen Krieg gab es dann mindestens 800.000 Tote. Weiterhin haben die USA die Türkei, Israel und Indonesien mit solchen Waffen beliefert, die sie gegen die Zivilbevölkerung einsetzten. Die USA selbst sind in Hiroshima, Korea und Südvietnam für den Tod von Millionen Menschen durch Einsatz solcher Waffen verantwortlich.

[33] Damals ermordeten in den Flüchtlingslagern von Sabra und Shatila faschistische Milizen unter dem Schutz israelischer Streitkräfte über 1000 Menschen. Die Verbindung zwischen Sabra/Shatila und manchen Morden in Afghanistan besteht darin, daß in beiden Fällen Krieg geführt wird, indem die Hauptakteure `grünes Licht´ geben und versuchen, der Verantwortung auszuweichen, indem sie die...Drecksarbeit durch Handlanger ausführen lassen, die sie diskret ermutigten und unterstützen. Im Libanon führte eine parlamentarische Untersuchung zum Rücktritt des israelischen Verteidigungsministers Ariel Sharon (heute Ministerpräsident).

[34] Nach Angaben des Koordinators für das UN-Drogenkontrollprogramm für Afghanistan müsse die Welt im kommenden Jahr wieder mit einer Opiumschwemme aus Afghanistan rechnen.

[35] Greenpeace stützt sich auf drei voneinander unabhängige Quellen der US-Regierungsdelegation der in Genf tagenden UNO-Biowaffenkonferenz.

[36] Die meisten Toten soll es im Dorf Agam gegeben haben, das schon seit zwei Wochen unter Kontrolle der Mudjaheddin steht. Das „uneinnehmbare“ Tunnelsystem Tora-Bora war seinerzeit mit US-Geldern als sichere Zuflucht für die Mudjaheddin ausgebaut worden und soll jetzt mit Schnellfeuerkanonen und Spezialraketen angegriffen werden.

[37] Gern würde der Westen die alte Garde der Nordallianz loswerden. Dazu Steven Erlanger, Korrespondent der New York Times: Der Machtkampf innerhalb der Nordallianz zwischen der jüngeren Generation und Rabbani sowie seinem Verbündeten Abdul Rab Rassoul Sayyaf haben während der ganzen Gespräche bestimmt. Die jüngere Generation, die durch Innenminister Yunus Qanooni, der die Delegation der Nordallianz auf dem Petersberg anführte, und durch Außenminister Dr. Abdullah Abdullah und den neuen militärischen Oberbefehlshaber Mohammad Fahim vertreten ist, hat das Abkommen unterstützt, und es wird als weitaus pro-westlicher eingeschätzt als Rabbani, der engere Kontakte zu Rußland und Iran hat. Die beiden Jüngeren haben sich gegen Rabbanis Anweisung selbst auf die Ministerliste gesetzt, was auf eine baldige Spaltung schließen läßt.

[38] Wolfowitz: Die Vereinigten Staaten können den globalen Krieg gegen den Terrorismus nicht gewinnen, solange Saddam Hussein an der Macht ist. Die Kurden im Norden und schiitische Gruppen im Süden könnten eine Bodenoffensive auf Bagdad beginnen, die bei Widerstand Husseins von der US Air Force unterstützt wird. PUK und KDP verurteilten auch die gegenwärtige, anhaltende Bombardierung Iraks.

[39] Außerdem Terroristen in Pakistan, Somalia, Balkan, Kaukasus. Aus Riad sollen Anweisungen gekommen sein, saudischen Söhnen zu helfen. Kronprinz Abdullah soll von den Aktivitäten der Stiftung gewußt haben.

[40] Im Norden Indonesiens ein mutmaßliches Trainingslager von Al-Qaida in Aceh; im Jemen ein Stützpunkt in Hadhramaut; in Südsomalia ein mutmaßliches Lager in Ras Komboni. US-Soldaten selbst würden nur eingreifen, wenn Al-Qaida-Mitglieder gefangengenommen oder getötet werden sollen. Der britische Observer berichtet von US-Aufklärungsflügen über Somalia, Kriegsschiffe hätten nahe Mogadischu Stellung bezogen.

[41] Man dürfe sich nicht auf die Ergreifung Bin Ladens im Rahmen einer Wildwest-Operation mit Hochtechnologie beschränken, sondern müsse Afghanistan wieder aufbauen und eine Kampagne zur Gewinnung der Herzen und Köpfe in der arabischen Welt aufziehen.

[42] In der nächsten Phase der Anti-Terror-Offensive wolle er sich auf die Massenvernichtungswaffen und auf die angeblich vo Irak und Nordkorea ausgehende Bedrohung konzentrieren: Wir müssen Amerika und unsere Freunde gegen alle Formen des Terrorismus beschützen, einschließlich des Terrorismus, der auf der Spitze einer Rakete ankommen könnte.

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