28.12.2009

2009: Von der Krisis der Anthroposophie – eine Überschau

Ein Rückblick auf das Jahr 2009 und eine Überschau über einige wesentliche Herausforderungen für jene Menschen, die es mit der Anthroposophie wahrhaft ernst meinen.


Inhalt
Michael Eggert
Sebastian Gronbach
Christian Grauer
... und Info3
Judith von Halle
Waldorfpädagogik – wohin?
Mieke Mosmuller
Weltgeschehen
Abschluss


Michael Eggert

Michael Eggerts Webblog „Egoisten“ erfreut sich unter Teilen der „anthroposophischen Bewegung“ offenbar großer Beliebtheit. Die kurzweiligen, essayistischen Gedanken und Fotomontagen treffen anscheinend ein gewisses Konsumbedürfnis. Wie „ernst“ es Eggert mit der Anthroposophie ist, kann man vielen seiner Blog-Kommentare entnehmen, aber schlaglichtartig auch einer so furchtbaren Kollage wie dieser hier.

Symptomatisch zeigt sich an Eggert und seiner Seite, wie es um ein wirkliches Verständnis der Anthroposophie heute bestellt ist. Mag es zwischendrin viele interessante Gedanken geben – es fehlt jede tiefere Spiritualität, der bloße Intellekt ist in einer unheiligen Allianz mit Ironie und einem alles ertötenden falschen Humor überall zu spüren.

Dass mehrere andere Akteure der „anthroposophischen Bewegung“ mit Eggert und auf seinem Blog „auf Du und Du“ sind, macht die Sache um so schlimmer. Es scheint überhaupt kein Bewusstsein mehr dafür vorhanden zu sein, welchen seelisch-geistigen Boden die Anthroposophie wirklich braucht, um überhaupt keimen zu können!

Schon zu Beginn des Jahres verfasste Eggert auch einen tendenziösen Aufsatz über meine damals noch relativ junge Webseite, worauf ich entgegnete: Eggert und die Wahrheitsfrage. Ein späterer Aufsatz erwiderte dann auf Eggerts Unverständnis in Bezug auf das Buch „Der lebendige Rudolf Steiner“.

Man kann den Eindruck haben, dass Eggert seine besten Impulse immer weiter verliert, was wirklich ein trauriges Geschehen ist – für ihn selbst und für die Anthroposophie. In einem aktuellen Blog-Beitrag vom 13. Dezember schreibt er über Weihnachten:

„Der spirituelle Höhepunkt des Jahres steht vor der Tür, und das nicht erst seit 2000 Jahren, und erst recht nicht erst seit Steiner. Nein, die Menschheit treibt das seit der letzten Eiszeit, mindestens.“

Sebastian Gronbach

Während Michael Eggert ein Beispiel für sehr viele Menschen ist, die die Anthroposophie „halb ernst“ nehmen und sie durch Unwahrhaftigkeit (auch sich selbst gegenüber), Ironie, Plattheiten, sinnlose Blog-Diskussionen usw. zerstören – und dabei auch zahllose suchende Seelen vollkommen in die Irre führen –, ist Sebastian Gronbach eine noch größere Gefahr.

Als einzelner Mensch entfaltet er mittlerweile eine große Aktivität für eine angeblich „erneuerte Anthroposophie“. Gronbach versteht sich als „Erleuchteter“, als „spiritueller Dienstleister“ und natürlich als spiritueller Lehrer... Wenn man nur ein wenig vom Wesen der Anthroposophie kennt oder ahnt, dann kann einen bei einem Besuch von Gronbachs Webblot „Mission Mensch“ das Grauen befallen. Und zugleich ist seine „Verkündigung“ höchst verführerisch – wodurch sie auch tatsächlich zahlreiche Menschen verführt. Mit seiner eingängigen Botschaft reist er durch das Land, hat zahllose Veranstaltungen an „anthroposophischen“ Einrichtungen verschiedenster Art und ist sogar als Mitglied des Vorstandes der Landesgesellschaft Nordrhein-Westfalen wiedergewählt.

Gronbach versucht – gemeinsam mit info3, wo er als Redakteur tätig ist – nun schon jahrelang, Ken Wilber und seine „integrale Spiritualität“ in die Anthroposophie hineinzutragen, sie mit ihr zu vermischen, Ken Wilber neben oder sogar über Rudolf Steiner zu stellen und so weiter. Zumindest im Bewusstsein vieler Info3-Leser scheint ihm dieses Werk gelungen zu sein – möglich war und ist dies nur, weil man entweder die Anthroposophie oder Ken Wilber oder beides nicht aus eigener Anschauung kennt. Mieke Mosmuller und ihrem Buch „Arabeske“ ist es zu verdanken, dass nun jeder unmittelbar bis in das eigene tiefe Erleben hinein erfassen kann, wie Ken Wilber und die Anthroposophie einen absoluten Gegensatz zueinander bilden.

Dass diejenigen Menschen, die in der Anthroposophischen Gesellschaft Verantwortung tragen, sich zu dieser ganzen Frage nicht deutlich – und oft überhaupt nicht – äußern, zeigt, wie tragisch die Situation heute ist. Es fehlt überall ein tiefes Verstehen und Erleben der Anthroposophie – sonst könnte ein solcher furchtbarer Irrlehrer wie Gronbach nicht unter dem (Schutz-!)Mantel der Anthroposophie auftreten!

Ich habe auf meiner Webseite nicht nur Zitate Gronbachs zusammengestellt, die unmittelbar offenbaren, „wes Geistes Kind“ er ist, ich habe in diesem Jahr auch in acht Aufsätzen auf seine Auslassungen reagiert.

Man muss an dieser Stelle dazu nicht mehr viel Worte verlieren. Schon vor einem Jahr hat Gronbach zu Weihnachten den von ihm im übrigen geleugneten Christus vereinnahmt. Zu Ostern verkündete er, dass die Phase des Christus endet. Auch suggerierte er, dass seine (Gronbachs) eigene Erleuchtung noch jenseits der All-Liebe liegt. Zugleich provoziert er mit seinen unverwandelten Ansichten über den Sex.

Wie Gronbach vorgeht, habe ich in einer Glosse deutlich gemacht: „Wie werde ich ein zweiter Gronbach (und zugleich ganz ICH selbst)?“. Mehr über die Methode, wie Gronbach den von ihm geradezu verehrten Wilber propagiert, findet sich in „Gronbachs Wilber-Mythos“. Gronbach wiederum hält die ganze Anthroposophie für einen Mythos („Wesenszoo“) – eine deutliche Parallele zum Erleben des Geisteslebens als Ideologie durch die Proletarier vor 100 Jahren. Dieses Phänomen, das auch wiederum ein Licht auf die heutige „Anthroposophie“ selbst wirft, geht es in „Die Kernpunkte der Gronbachschen Frage“. Ein Beispiel für Gronbachs hochsuggestive Rhetorik gibt schließlich der Aufsatz „Gronbach als Heiler: Werde blind für meine Tat!“ – Sämtliche Aufsätze zu Gronbach finden sich auf meinen Themenseiten.

Christian Grauer

Christian Grauer ist eine weitere Gestalt des Info3-Kreises, ein Verteidiger von Gronbach und dessen Wilberscher Weltsicht. Von Info3 wird er als „Philosoph“ verkauft, was sich vor allem auf sein Büchlein „Am Anfang war die Unterscheidung“ bezieht. In meiner Entgegnung zeige ich, wie Grauer seinen radikalen „Konstruktivismus“ zwar bei der Systemtheorie entlehnt, wie dies aber mit der Anthroposophie nicht das Geringste zu tun hat.

Grauer gehört offenbar zu der großen Zahl von Menschen, die mit der „Anthroposophie“ aufwuchsen, sich letztlich aber nur ein Dogma zueigen machen konnten und sich am Ende radikal davon befreien. Dabei schütten sie das Kind mit dem Bade aus und glauben trotz allem, sie seien nun auf dem Wege zur Anthroposophie!

Auf seinem eigenen Blog „Schachtelhalm“ schildert Grauer diesen eigenen Entwicklungsweg in einer mehrteiligen Selbstoffenbarung, aus der sehr deutlich wird, wie hier ein Missverständnis der Anthroposophie gegen ein anderes, noch größeres ausgetauscht wird. Grauers biografisch-existentiell durchlebter radikaler Nihilismus hat seine Spuren hinterlassen... Ich bin darauf in drei Aufsätzen eingegangen: „Von spiritueller Verdunkelung“, „Entwicklung als Dogma?“ und „Plötzlich nur noch ein Film“.

... und Info3

Es ist ein Phänomen: Die entscheidenden Männer in der Redaktion einer anthroposophischen Zeitschrift begeben sich zu einem bestimmten Zeitpunkt vor einigen Jahren auf einen neuen Kurs – Annäherung an andere spirituelle Bewegungen ist die Devise. Der Beginn einer Entwicklung, an deren vorläufigem Ende Ken Wilber als Partner oder gar sinnvolle, wichtige, ja notwendige Erweiterung der Anthroposophie verkauft wird. Dafür fällt alles „schwer Verständliche weg“: Info3 will „Anthroposophie light“ salonfähig machen. Auch der Christus-Impuls verfällt dem Unverständnis: Info3 will eine „transchristliche Anthroposophie“ etablieren.

Das Schlimmste ist, dass in unserer Zeit, in der spirituelle Sehnsucht, Konsumhaltung und Genusskultur eng miteinander verbunden sind, ein Blatt wie Info3 viele Menschen anspricht. Die auflagenstärkste „anthroposophische“ Zeitschrift zieht für zahllose Menschen einen dichten Schleier vor die Frage, was wahrhaft und wesenhaft Anthroposophie ist.

Wie anti-christlich diese Zeitschrift wirklich ist und welche Anti-Anthroposophie durch sie verbreitet wird, habe ich exemplarisch an einer Ausgabe gezeigt: Mein Aufsatz „Die Totengräber der Anthroposophie“ setzte sich mit dem Oktoberheft auseinander, das den anspruchsvollen Titel „Die großen Fragen der Menschheit“ trug...

Und wie subtil der Info3-eigene Amselhof-Buchversand die wahrhaft anthroposophische Autorin Mieke Mosmuller karikierte und  dennoch ihr neues Buch zu verkaufen versuchte, zeige ich in meiner „Antwort auf Ramon Brüll“.

Judith von Halle

Heute steht man vor immer schlimmeren Täuschungen, Verzerrungen, Irrlehren, Lügen und Verführungen in Bezug auf die Anthroposophie. Verfällt Info3 mit seiner „integralen Clique“, die Michael, Christus und andere Wesenheiten als Mythos deklariert, dem einen Extrem ... so erlebt man in Judith von Halle, die als „Stigmatisierte“ und „Zeitreisende“ die Ereignisse der Zeitenwende mit allen sinnlichen Qualitäten miterlebt und fortwährend Bücher über ihre Offenbarungen schreibt, das andere Extrem.

Und so wie Info3 eine sehr große Leserschaft hat, so hat Judith von Halle eine sehr große Anhängerschaft. Oft schon waren Säle bis auf den letzten Platz besetzt, weil alle die „Stigmatisierte“ sehen, ihre Offenbarungen hören wollten.

Diese Offenbarungen sind eine Verhöhnung der Bewusstseinsseele. Was Judith von Halle erzählt, kann nicht mitgedacht werden, es kann nur einen neuen Offenbarungsglauben heranzüchten. Darüber hinaus berichten Hörer ihrer Vorträge immer wieder davon, wie oberflächlich sie spricht, ohne wirkliche innere Erfüllung, ja wie sie höchste esoterische Inhalte durch beiläufige Bemerkungen ins Lächerliche zieht. Ich selbst habe einen Vortrag über „Die Bundeslade und das Christusgeheimnis“ miterlebt, bei dem all dies sehr deutlich wurde.

Judith von Halle ist erst Anfang 30! Auch hier zeigt sich neben der großen Tragik für die anthroposophische Bewegung eine große persönliche Tragik.

Für alle Menschen, die das Wesen der Anthroposophie suchen, bedeuten die Offenbarungen, bedeutet jeder einzelne Vortrag Judith von Halles eine furchtbare Verführung, eine völlige Verdunkelung in Bezug auf das Wesen der Geisteswissenschaft – und ebenso für das Wesen des ätherischen Christus.

Im Dezember-Heft des „Europäer“ hat Mieke Mosmuller dies anhand von Judith von Halles neuestem Buch ganz deutlich gemacht und dem zugleich eine wahrhaft geistige Anschauung entgegengesetzt: „Die Frage nach Wundern und solchen, die nicht sein können...“. Im selben Heft vergleicht „Europäer“-Herausgeber Thomas Meyer die schleichende Aufnahme Judith von Halles in die anthroposophische Bewegung mit der Geschichte des Ordens „Stern des Ostens“ in der Theosophischen Gesellschaft. Damals machte Rudolf Steiner die Lügen um Krishnamurti als „neuen Christus“ nicht mit, sondern begann noch vor der Abspaltung der deutschen Landesgesellschaft mit seinen Vorträgen über das Wiedererscheinen Christi im Ätherischen – in jener Sphäre, in die das Denken sich schauend erheben kann, wenn es sich von allem Sinnlichen zu befreien vermag...

Schon 2008 hatte sich Mieke Mosmuller in ihrem Buch „Stigmata und Geist-Erkenntnis“ ausführlich und absolut klar mit Judith von Halle auseinandergesetzt. Dieses Buch wurde in der anthroposophischen Bewegung nahezu totgeschwiegen, meine Buchbesprechung durfte im „Goetheanum“ nicht erscheinen.

Stattdessen eröffnete die Wochenschrift im Februar eine Diskussion um ein Buch von Prokofieff, das sich im Anhang mit der Frage der „Stigmatisation“ auseinandersetzte und dessen Problematik ich zuvor schon besprochen hatte. Die ganze Diskussion führte zu keinem Ergebnis, weil alle Beteiligten diversen Irrtümern unterlagen, persönliche Meinungen formulierten und überhaupt nicht bis zum Kern des Problems vordrangen. Ich habe dieses sechs Wochen währende Schauspiel ausführlich kommentiert: „Geistloser Streit um Prokofieff und Judith von Halle“, „Prokofieff und Rapp tauschen Meinungen aus“, „Judith von Halle und der Kontext“, „Garvelmanns offener Angriff auf die Anthroposophie“, „Garvelmann legt nach - Glaube und Sarkasmus“, „Goetheanum beendet Diskussion um Judith von Halle“. – Kein einziger meiner Leserbriefe wurde abgedruckt.

Wenig später erschien von Peter Tradowsky ein Büchlein zur „Stigmatisation“. Tradowsky war es, der von Anfang an Judith von Halles Schauungen mit der Anthroposophie in Einklang bringen wollte, sie mit einer Durchdringung mit dem Auferstehungsleib Christi erklären wollte usw. – Seinem Büchlein entgegnete ich in dem Aufsatz „Glauben statt Wissen“.

Waldorfpädagogik – wohin?

Die Waldorfschule sollte nach dem Scheitern der Dreigliederungsbewegung diejenige Frucht der anthroposophischen Bewegung sein, an dem das Wirken der Anthroposophie unmittelbar erlebbar werden sollte. Die Waldorfschule war für Rudolf Steiner eine große Zukunftshoffnung – in flammenden Worten sprach er immer wieder zu den Lehrern, sprach auf Elternabenden, auf Schuljahresfeiern...

Was ist geblieben? Schulen und Kollegien, die den Lehrplan nach Rezept umsetzen, aber oft froh sind, wenn die Arbeit an den „Grundlagen“ gar nicht mehr stattfindet. Kollegien, in denen sich nur noch eine Minderheit, oft nur noch ein Bruchteil wirklich ernsthaft als Anthroposoph empfindet; Kollegien, die zerstritten sind, mit Konflikten kaum umgehen können, sich externe Berater holen usw.

Sicher ist dies nur eine Seite, sicher findet an diesen Schulen trotz allem viel engagierte und gute Arbeit statt – aber diese erstgenannte Seite zeigt, wenn man sie anzuschauen wagt, unmittelbar und in erschütternder Deutlichkeit, dass von Anthroposophie allerhöchstens noch die letzten Spuren vorhanden sind, wenn überhaupt.

Hatte man die Anthroposophie als Grundlage der Waldorfschule bis in die 70er Jahre hinein sehr dogmatisch gehandhabt – sehr zum Leidwesen zahlloser Eltern, die sehr oft von oben herab bevormundet wurden – und in dieser Weise völlig missverstanden, so wird sie in den heutigen Waldorfschulen mehr und mehr überhaupt nicht mehr gesucht, geradezu ausgestoßen. Man will nur noch den Lehrplan, will Empfehlungen zu einzelnen Epochen usw., aber das tiefere Wesen der Anthroposophie als Wissenschaft vom Geiste? Nein!

Es kann auch kaum anders sein, wenn man sich nicht trotz aller „Überlastung“ entschließt, dass die spirituelle Grundlage und Voraussetzung der Waldorfschule entschlossen gepflegt werden muss. Wenn man dies nicht tut, ist sie eben nicht da! Und es kann auch kaum anders sein, wenn speziell in der Oberstufe viele neue Kollegen nicht einmal eine Waldorfausbildung haben. Der Lehrermangel der quantitativ immer noch weiter sich ausdehnenden Waldorfbewegung ist eklatant.

Das Schlimme aber ist: Über das noch vielfach eklatantere Wegbrechen der spirituellen Grundlage und ihrer Pflege wird nicht gesprochen – allenfalls hinter vorgehaltener Hand! Längst ist die Situation so schlimm, dass auf irgendeine Rettung irgendwelcher Grundlagen eigentlich gar nicht mehr gehofft werden kann. Schon die Situation auf Delegiertentagungen etc. ist in dieser Hinsicht sehr trostlos (einzelne herausragende Vorträge und Seminarleiter sollten darüber nicht hinwegtäuschen) – und dabei kommen hier jeweils immer nur die engagiertesten Lehrer zusammen! Wie gesagt, am Engagement an sich fehlt es ganz und gar nicht, sondern am Engagement für das Spirituelle.

Und dann erschien Ende Mai ein Buch, das der Waldorfpädagogik sowohl den Spiegel vorhielt, als auch den Ausblick auf eine wahrhaft spirituelle Entwicklung frei machte: „Eine Klasse voller Engel“ von Mieke Mosmuller.

Es war und ist erschütternd zu erleben, wie sich an diesem Buch die Reaktionen spalten, ja die Geister scheiden... Auf der einen Seite: Totschweigen und Verteufeln. Auf der anderen Seite: Tiefe Berührung und Begeisterung.

Bis heute wurde das Buch in der waldorfpädagogischen Zeitschrift „Erziehungskunst“ nicht besprochen – weder positiv, noch negativ. Meine Besprechung wurde zurückgewiesen, und man hat mir mitgeteilt, dass überhaupt keine Rezension erscheinen werde... Auch im „Goetheanum“ wurde nichts abgedruckt, obwohl zum 90-jährigen Jubiläum der Waldorfschule inzwischen mehrere andere Aufsätze erschienen waren. „Die Drei“ lehnte eine Besprechung ab, weil die „Erziehungskunst“ zuständig sei...

Im August erschien dann eine Besprechung in der eher unbekannten Zeitschrift „Lazarus“ und im November in der Schweizer Zeitschrift „Gegenwart“, die sogar mit einem Hinweis an alle deutschen Waldorfschulen geschickt wurde. Reaktionen darauf sind mir bisher nicht bekannt – außer ein völlig verständnisloser, mich und Frau Mosmuller beschimpfender Brief aus der Leitung der Akademie für anthroposophische Pädagogik in Dornach...

Im August ging meine eigene Webseite zum Wesen der Pädagogik online. Hier gehe ich in vielen Aufsätzen auf die grundlegenden, brennenden Fragen ein, zum Beispiel: „1919-2009 – wo steht die Waldorfschule heute?“, „Waldorfpädagogik – eine Gesinnungspädagogik“, „Der Weg in die Welt und zum wahren Selbst – für die Kinder, für den Lehrer“. Vor allem aber widerlege ich auch die zahlreichen Einwände, die mir gegen „Eine Klasse voller Engel“ begegnet sind: „Entgegnung auf die haltlosen Einwände“, „Vom rechten Verständnis“, „Weltfremde Ideale?!“

Die entscheidende Zukunftsfrage wird sein: Wie wird dieses Buch von einzelnen Menschen aufgegriffen werden? Wann wird man sich mit dessen Entwurf für eine völlig neue Lehrerbildung auseinandersetzen? Wann wird man überhaupt verstehen, was in diesem Buch gesagt wurde?

Das ist überhaupt das Erschütterndste, was einem im Zusammenhang mit diesem Buch begegnet: Durch die neue Webseite bin ich mit vielen Menschen ins Gespräch gekommen. Menschen, von denen ich es am wenigsten erwartet hätte, begegneten dem Buch voller Unverständnis, ja Feindschaft! Das Feindselige, was der Autorin unterstellt wird, begegnet einem in den Reaktionen... Man fühlt sich offenbar an einem sehr wunden Punkt getroffen, das ist deutlich. Man hat Angst um das Außenbild der Waldorfpädagogik, auch um das eigene Selbstbild. Aber versteht man auch nur ansatzweise, worauf die Autorin hinweisen will? Einen solchen Willen zum Verständnis habe ich bei all diesen verständnislosen Reaktionen nicht erleben können. Dabei geht es um die zentrale Frage in Bezug auf die Zukunft der Waldorfpädagogik.

Aber es gibt auch andere Reaktionen – Menschen, die tief berührt sind, die zum ersten Mal das wirkliche Wesen der Waldorfpädagogik erahnen, ja erleben. Menschen, die das in diesem Buch Beschriebene am liebsten sofort aufgreifen würden – oder aber nach einem Ort suchen, wo dies aufgegriffen wird. Menschen, die das Buch aus vollem Herzen bejahen, auch die Kritik bejahen, die eigentlich keine Kritik, sondern eine Diagnose ist – und die von vielen anderen Menschen in ganz ähnlicher Weise empfunden wird.

Dies macht dann doch wieder Hoffnung, dass aus einer Gesinnung der Wahrhaftigkeit heraus Schwächen, Fehler und Versäumnisse klar gesehen und anerkannt werden und daraus eine Kraft und ein Wille entsteht, das Zentrum und die Grundlage der Waldorfpädagogik wieder ins Zentrum zu rücken: die entschlossene Selbsterziehung und die spirituelle Arbeit und Entwicklung. Ohne dass diese Arbeit mit aller Kraft verfolgt wird, kann es für die Waldorfbewegung keine Zukunft geben.

Mieke Mosmuller

Die Niederländerin Mieke Mosmuller ist ein Mensch, an dessen Büchern, Vorträgen und dessen ganzem Sein man erleben kann, was Anthroposophie ihrem Wesen nach ist – Anthroposophie, die wirklich beginnt, Realität zu werden. Eine Wissenschaft vom Geiste, die die „Philosophie der Freiheit“ verwirklicht und auf diesem Wege den Übergang zur geistigen Welt findet. Eine Geist-Erkenntnis, die den ätherischen Christus und das übersinnliche Wesen des Menschen in seiner vollen Realität findet.

Dies ist es, was Mieke Mosmuller 13 Jahre nach ihrem allerersten Buch „Suche das Licht...“ 2007 in „Der Heilige Gral“ beschrieben hatte. Dies ist es, aus dem heraus sie 2008 ihr Buch „Der lebendige Rudolf Steiner“ schrieb. Aus dieser realen Geist-Erkenntnis heraus setzte sie sich auch mit Judith von Halle, mit Ken Wilber auseinander, schrieb sie über die Waldorfpädagogik... Und dieselbe lebendige Erfahrung spürt man auch durch ihre wunderbaren Romane wie „Mutter eines Königs“ (1995) oder zuletzt „Inferno“.

Ich habe mich auf meiner Webseite immer wieder mit den Missverständnissen und der Abwehr auseinandergesetzt, die mir in Bezug auf ihre Bücher (u.a. „Der lebendige Rudolf Steiner“) begegneten, im letzten Jahr zum Beispiel:

„Lebendige Anthroposophie? Annäherungen an Dogma und Wahrheit“, „Die tote Anthroposophie – Erwiderung auf Sæther“, „Womit meint man es ernst? Von falscher Toleranz und mangelndem Verständnis“, „Polemik? Über die bequemen Vorwürfe der Abstraktion“, „Mieke Mosmuller - eine Apologie“, „Eggerts Unverständnis oder: Die Scheidung der Geister an Mieke Mosmuller“, „Von Wesenserkenntnis und Ideenblindheit“.

Letztlich muss man sagen: Wer nicht verstehen will, der wird auch nicht verstehen. Wer aber eine tief innerliche Sehnsucht nach dem Geiste wirklich empfindet, der wird früher oder später – nach der je individuellen Überwindung eigener Vor- und Fehlurteile – auch verstehen. Und er wird, wenn der eigene Wille erwacht, den Weg zur wirklichen Geisteswissenschaft betreten...

Weltgeschehen

Letztlich soll die Anthroposophie als reale Geist-Erkenntnis Kraft geben, das Lebensgeschehen nicht nur zu bewältigen, sondern zu verwandeln – und in welcher Tiefe, das hat das Lebenswerk Rudolf Steiners gezeigt. Absolut verwandeln sollte sich das Leben, die Anthroposophie sollte ein ungeheurer Einschlag in das kulturelle, soziale Leben der Menschheit sein, eine Kulturerneuerung, auf die sonst nicht zu hoffen wäre. Wird das überhaupt einmal ernst genommen?

Anthroposophie sollte nicht zu Waldorfschulen führen, in denen die Kollegien externe Berater brauchen, in denen Lehrer und Eltern kaum anders – oft sogar schlimmer – miteinander umgehen als „normale“ Menschen. Das gleiche gilt für alle anderen „anthroposophischen Zusammenhänge“. Anthroposophie sollte und soll den ganzen Menschen ergreifen, verwandeln und von da aus in die Welt ausstrahlen. Nicht in ihren Werken und Institutionen, die als solche niemals anthroposophisch sein können, sondern immer nur in der lebendigen Wirksamkeit der Menschen selbst, in denen Anthroposophie real wird! Dieses große Ziel ist heute noch nicht einmal im Ansatz erreicht – und es entgleitet der Menschheit immer mehr.

Wie ernst es dabei um die Weltlage steht, zeigt schon ein flüchtiger Blick. Die „Finanzkrise“ hat in vollem Ausmaß offenbart, auf welchen tönernen Füßen und Lügen unser Wirtschaftssystem aufgebaut ist. Die ständige Diskussion um das Bildungswesen offenbart die dortigen Phrasen und die völlige Orientierungslosigkeit in Bezug auf das Wesen von Pädagogik. Die Arbeitslosigkeit, die Ausdehnung prekärer und ausbeuterischer Arbeitsverhältnisse schreitet voran, die Naturzerstörung ebenso.

Das Zeitalter der „Individualisierung“ täuscht sehr subtil darüber hinweg, dass es einen enormen Impuls zur Ent-individualisierung gibt und dass die Kräfte für eine wahre Individualisierung überhaupt gar nicht existent sind. Der relative Wohlstand der letzten Jahrzehnte mag dazu beitragen, dass es auch noch ein, zwei Jahrzehnte relativ „ruhig weitergeht“ – und überdeckt, dass die Entwicklung weltweit, aber auch regional und lokal mit Riesenschritten auf den „Kampf aller gegen alle“ hinausläuft.

In diesem Sinne habe ich im zurückliegenden Jahr auch einige Aufsätze zum Zeitgeschehen verfasst:

Petition Grundeinkommen – oder: das bedingungslose Sektenwesen
Ein Vakuum namens „Politik“
Yunus - 19, unschuldig, Einzelhaft. Ein ehemaliger Schüler der Waldorfschule Berlin-Mitte gerät in die Mühlen der Justiz
Auf dem Weg in die Katastrophen. Die NATO und die öffentliche Vorbereitung der Gedanken auf die „tödlichen Gefahren“ von Morgen.
Die „Schweinegrippe“ – eine unendliche Geschichte von Profitgier und Halbwahrheiten

Abschluss

Zu den Jahresfesten habe ich – insbesondere für die Schulzeitung der Waldorfschule Berlin-Mitte – jeweils einige Gedanken verfasst:

Gedanken zu Ostern
Die Frage Michaels - und der Kinder / Über die Widersachermächte und das Ernstnehmen Michaels
Das Fest der Liebe – und der Geburt

Gerade zu den Jahresfesten kann man an einer tiefen Besinnung über ihre reale Bedeutung immer wieder aufwachen zu einer Besinnung über die Bedeutung der Menschwerdung überhaupt. Es handelt sich hier um eine allergrößte Perspektive – um eine allergrößte Aufgabe und Hoffnung, zu deren Verwirklichung die Anthroposophie „geschenkt“ wurde.

Diese allergrößte Aufgabe, die vor uns allen liegt und von deren richtiger Ergreifung der gesamte Menschheitsfortschritt abhängt, erfordert unsere volle Wachheit und Willenskraft. Nur mit einer wahrhaft verstandenen und verwirklichten Anthroposophie kann die Menschheit der drohenden Katastrophe entgehen.

Dies lässt sehr deutlich werden, wozu wir aufgerufen sind... Es geht nicht um die Ausbreitung von Waldorfschulen, Bioläden und GLS-Banken. Es geht um das wirkliche Ergreifen der geistigen Entwicklung, es geht um das individuelle Ergreifen des realen Geistes. Nur von dort kann Hoffnung kommen, denn nur dort ist die reale Kraft der Auferstehung zu finden. „Suche das Licht...“