Wie finde ich den Christus?

Vortrag von Rudolf Steiner vom 16. Oktober 1918 in Zürich (GA 182), Zwischenüberschriften und Fettdruck eingefügt.

Krankheit, Unglück und Stumpfheit

[...] Nun kann man geisteswissenschaftlich fragen – da innerhalb der Geisteswissenschaft an dem Göttlichen, das, wenn wir so sagen dürfen, im Übersinnlichen wohnt, nicht gezweifelt werden kann –: Was bringt den Menschen dazu, das Göttliche überhaupt, dasjenige, was in der Trinität der Vatergott genannt wird, abzuleugnen? – Da zeigt uns die Geisteswissenschaft, daß in jedem solchen Falle, wo der Mensch ableugnet den Vatergott, also ein Göttliches überhaupt in der Welt, jenes Göttliche, das zum Beispiel auch in der israelitischen Religion anerkannt wird, ein wirklicher, echter physischer Defekt, eine physische Erkrankung, ein physischer Mangel im Menschenleibe stattfindet. Atheist sein, heißt für den Geisteswissenschafter, in irgendeiner Beziehung krank sein. Natürlich ist es eine Krankheit, die die Ärzte nicht kurieren; sie sind selbst sehr häufig an dieser Krankheit leidend, einer Krankheit, die auch nicht als solche von der heutigen Medizin anerkannt ist. Aber es ist eine Krankheit, die die Geisteswissenschaft im Menschen findet, wenn der Mensch dasjenige ableugnet, was er jetzt nicht durch seine Seelen-, sondern durch seine Leibeskonstitution fühlen muß. Leugnet er das ab, was ihm ein gesundes Gefühl seines Leibes eingibt, daß ein Göttliches die Welt durchzieht, so ist er nach geisteswissenschaftlichen Begriffen krank, leiblich krank.

Es gibt dann sehr viele Leute, welche den Christus ableugnen. Die Ableugnung des Christus muß die Geisteswissenschaft betrachten als etwas, was eigentlich eine Schicksalsfrage ist und das menschliche Seelenleben betrifft. Den Christus ableugnen muß die Geisteswissenschaft ein Unglück nennen; Gott ableugnen eine Krankheit, Christus ableugnen ein Unglück. Den Christus finden können, ist gewissermaßen eine Schicksalssache, ist gewissermaßen etwas, was in das Karma des Menschen hereinspielen muß. Es ist ein Unglück, zu dem Christus keine Beziehung zu haben. Den Geist oder den Heiligen Geist ableugnen, bedeutet eine Stumpfheit des eigenen Geistes. [...]

Sie wissen aus meinem Buche „Das Christentum als mystische Tatsache“, was die Evangelien sind. Sie sind alles andere als historische Urkunden, sie sind Inspirationsbücher, Initiationsbücher. [...] Wenn man als Geschichtsforscher heute frägt: Kann man das Mysterium von Golgatha historisch beweisen? –, so muß man vom Standpunkte der heutigen Geschichtsforschung sagen: Es läßt sich nicht äußerlich beweisen.

Dies aber hat gerade seinen guten Grund. Das Mysterium von Golgatha soll sich, ich möchte sagen, nach den Ratschlüssen der göttlichen Weisheit, nicht äußerlich-materialistisch beweisen lassen, aus dem einfachen Grunde, weil das Mysterium von Golgatha als die wichtigste Tatsache, die im Erdengeschehen sich ereignet hat, nur auf eine übersinnliche Weise erschaubar sein soll. [...] Das Mysterium von Golgatha soll gewissermaßen die Menschenseele zwingen, aus allen sinnlichen Beweisen heraus den Weg ins Übersinnliche zu finden. [...]

Die Seele zwischen Leibestod und Geistesleben

Die Menschheit, insofern sie die zivilisierte Menschheit ist, hat heute im Leibe einen Stachel. Und der heilige Paulus spricht sehr viel von diesem Stachel. Diese Menschheit hat im Leibe einen Stachel. Der heilige Paulus spricht davon prophetisch. Er hatte ihn als ein besonders vorangeschrittener Mensch schon zu seiner Zeit; die anderen bekamen ihn eigentlich erst im 7. Jahrhundert. Aber dieser Stachel wird sich immer mehr ausbreiten, wird immer bedeutungsvoller und bedeutungsvoller sein. Wenn Sie heute einen Menschen kennenlernen, der sich ganz diesem Stachel hingibt, dieser Krankheit – denn das ist ein Stachel im physischen Leib, das ist eine wirkliche Krankheit –, dann wird er ein Atheist, dann wird er ein Gottesleugner, ein Leugner des Göttlichen. Anlage zu diesem Atheismus hat eigentlich jeder Mensch, der der modernen Zivilisation angehört; es handelt sich nur darum, ob er sich dieser Anlage hingibt. [...]

Durch diese Gottesleugner-Krankheit wird mancherlei in den Menschen bewirkt. Durch diese Gottesleugner-Krankheit wird nämlich ein stärkeres Anziehungsband geschaffen zwischen der Seele des Menschen und seinem Leibe, als früher da war, und als es eigentlich in der menschlichen Natur selber liegt. Es wird gleichsam die Seele mehr an den Leib angeschmiedet. Und während die Seele durch ihre eigene Natur nicht dazu bestimmt ist, teilzunehmen an den Schicksalen des Leibes, wäre sie dadurch in eine Bahn gekommen, wodurch sie immer mehr und mehr an den Schicksalen des Leibes teilnehmen würde, auch an den Schicksalen der Geburt und Vererbung und des Todes. [...]

Diesem ist durch das Mysterium von Golgatha entgegengearbeitet. So daß der Mensch todverwandt geworden ist, aber durch das Mysterium von Golgatha bewahrt worden ist vor dieser Todesverwandtschaft. Hat auf der einen Seite eine gewisse Strömung in der Weltentwickelung eine stärkere Verwandtschaft der Seele mit dem Menschenleib bewirkt, als sie dem Menschen vorgeschrieben war, so hat der Christus, um dem die Waage zu halten, die Seele stärker an den Geist gebunden, als das wiederum vorbestimmt war. [...]

Dadurch sind im Menschen zwei Kräfte: die Kraft, die ihn seelisch dem Tode ähnlich macht, und diejenige Kraft, die ihn wiederum vom Tode befreit, die ihn zum Geiste innerlich hinführt. [...] Und wir leugnen, wenn wir uns recht verstehen, erst dann den Gott nicht ab, wenn wir ihn durch Christus wieder finden. So wie unser Leib eine Erkrankungskraft in sich hat, die hintendiert nach der Gottesleugnung, so haben wir, indem wir die Christus-Kraft so in uns haben, wie ich es öfter dargestellt habe, infolge des Mysteriums von Golgatha dadurch eine gesundende, eine heilsame Kraft in uns. Nun, der Christus ist für uns alle im wahrsten Sinne des Wortes der Heiland, der Arzt gegenüber jener Krankheit, die den Menschen zum Gottesleugner machen kann. [...]

Nun, diesen Impuls kann natürlich derjenige, der nicht übersinnlich schauen kann, nicht unmittelbar schauen, aber alle können die Wirkung dieses Impulses in sich erleben. Und wenn sie ihn erleben, dann finden sie die Antwort auf die Frage: Wie finde ich den Christus?

Wie finde ich den Christus?

Dazu ist folgendes Erleben notwendig. Man findet den Christus, wenn man folgende Erlebnisse hat. Erstens das Erlebnis, daß man sich sagt: Ich will so weit Selbsterkenntnis anstreben, als es mir möglich ist, nach meiner ganz individuellen menschlichen Persönlichkeit möglich ist. – Keiner, der ehrlich diese Selbsterkenntnis anstrebt, wird sich anderes heute als Mensch sagen können als: Ich kann das nicht fassen, was ich eigentlich anstrebe. Ich bleibe mit meiner Fassungskraft hinter dem, was ich anstrebe, zurück; ich empfinde meine Ohnmacht gegenüber meinem Streben. – Es ist dieses Erleben ein sehr wichtiges. Dieses Erleben müßte jeder haben, der ehrlich mit sich selbst, in Selbsterkenntnis zu Rate geht: ein gewisses Ohnmachtsgefühl. Dieses Ohnmachtsgefühl ist gesund, denn dieses Ohnmachtsgefühl ist nichts anderes, als das Empfinden der Krankheit, und man ist ja erst recht krank, wenn man eine Krankheit hat und sie nicht fühlt. Indem man die Ohnmacht empfindet, sich zum Göttlichen zu erheben in irgendeinem Zeitpunkte seines Lebens, fühlt man in sich jene Krankheit, von der ich gesprochen habe, die uns eingepflanzt ist. Und indem man diese Krankheit empfindet, empfindet man, daß die Seele durch unseren Leib eigentlich, so wie der Leib heute ist, verurteilt wäre mitzusterben. Dann, wenn man genügend kräftig diese Ohnmacht empfindet, dann kommt der Umschlag. Dann kommt das andere Erlebnis, das uns sagt: Aber wir können, wenn wir uns nicht an dasjenige hingeben, was zu erreichen wir durch unsere Leibeskräfte allein imstande sind, wir können, wenn wir uns hingeben an dasjenige, was uns der Geist gibt, überwinden diesen innerlichen Seelentod. Wir können die Möglichkeit haben, unsere Seele wiederzufinden und an den Geist anzuknüpfen. Wir können erleben die Nichtigkeit des Daseins auf der einen Seite und die Verherrlichung des Daseins aus uns selber, wenn wir hinüberkommen über das Spüren der Ohnmacht. Wir können die Krankheit spüren in unserer Ohnmacht, wir können [aber auch] den Heiland, die heilende Kraft spüren, wenn wir die Ohnmacht [erlebt haben], dem Tode verwandt geworden sind in unserer Seele.

Indem wir den Heiland spüren, fühlen wir, daß wir etwas in unserer Seele tragen, das aus dem Tode jederzeit auferstehen kann im eigenen inneren Erleben. – Wenn wir diese zwei Erlebnisse suchen, finden wir in unserer eigenen Seele den Christus. [...]

Das ist ein Ereignis, dem gegenüber man sich nicht ausreden kann dadurch, daß man sagt, man habe keine übersinnlich entwickelten Fähigkeiten. Die braucht man dazu nicht. Man braucht nur wirklich Selbstbesinnung zu üben und den Willen zu dieser Selbstbesinnung, den Willen auch zur Bekämpfung jenes Hochmuts, der heute so gang und gäbe ist, welcher den Menschen nicht bemerken läßt, daß, wenn er sich auf seine eigenen Kräfte verläßt, er hochmütig wird gegenüber seinen eigenen Kräften. Wenn man nicht fühlen kann gegenüber seinem eigenen Hochmut, daß man durch seine eigenen Kräfte ohnmächtig wird, dann kann man weder den Tod noch die Auferstehung fühlen, dann kann man nie des Angelus Silesius Gedanken erfühlen:

Das Kreuz von Golgatha kann dich nicht von dem Bösen,
Wo es nicht auch in dir wird aufgericht't, erlösen.

Dann aber, wenn wir Ohnmacht und Wiederherstellung aus der Ohnmacht empfinden können, dann tritt für uns der Glücksfall ein, daß wir eine wirklich reale Beziehung zu dem Christus Jesus haben.

Denn dieses Erleben ist die Wiederholung desjenigen, was wir Jahrhunderte vorher in der geistigen Welt erlebten. So müssen wir es in seinem Spiegelbild hier in der Seele auf dem physischen Plane suchen. Suchen Sie in sich, und Sie werden finden die Ohnmacht. Suchen Sie, und Sie werden finden, nachdem Sie die Ohnmacht gefunden haben, die Erlösung von der Ohnmacht, die Auferstehung der Seele zum Geist.

Aber lassen Sie sich nicht beirren in diesem Suchen durch manches, was heute als Mystik oder selbst von gewissen positiven Bekenntnissen aus gepredigt wird. [...] Und viele, die heute sogenannte „Erweckte“ sein wollen, die sagen: Ich erlebe den Gott in mir –, aber sie erleben eben nur den Vatergott, und den auch nur in einer abgeschwächten Gestalt, weil sie eigentlich nicht bemerken, daß sie krank sind und nur traditionell nachreden. [...] Aber alle diese haben keinen Christus, denn das Christus-Erlebnis besteht nicht aus einem Erleben des Gottes in der Menschenseele, sondern aus den zweien: aus dem Erleben des Todes in der Seele durch den Leib, und der Wiederauferstehung der Seele durch den Geist. [...]

Man braucht heute wahrhaftig nicht zu verzweifeln daran, in unmittelbarem eigenem Erleben den Christus zu finden, denn man hat ihn gefunden, wenn man sich wiedergefunden hat, aber aus der Ohnmacht heraus. Das ganze Nichtigkeitsgefühl, das uns überkommt, wenn wir über die eigenen Kräfte ohne Hochmut nachdenken, das muß vorausgehen dem Christus-Impuls. Gescheite Mystiker glauben, wenn sie nur sagen können: Ich habe in meinem Ich das höhere Ich, das Gottes-Ich gefunden –, das sei Christentum. Das ist nicht Christentum. Das Christentum muß eben auf dem Satze stehen: Das Kreuz von Golgatha kann dich nicht von dem Bösen, Wo es nicht auch in dir wird aufgericht't, erlösen.

Auferstehung bis in die Sprache und das Sprachempfinden

Man kann schon an den Einzelheiten des Lebens verspüren, wie wahr das ist, was ich sage, und man kann dann aufsteigen von diesen Einzelheiten des Lebens zu dem großen Erlebnis von der Ohnmacht und der Auferstehung aus der Ohnmacht. Meine lieben Freunde, es wäre schön, besonders in unserer Gegenwart, wenn die Menschen zum Beispiel folgendes finden würden. Es ist ganz gewiß eine in den Tiefen der Menschenseelen beruhende Tendenz zur Wahrheit hin, und danach auch, die Wahrheit auszusprechen. Aber gerade wenn wir in dieser Absicht drinnenstehen, die Wahrheit auszusprechen und dann uns selbst besinnen über dieses Aussprechen der Wahrheit, da können wir einen ersten Schritt auf dem Wege tun zu dem Empfinden der Ohnmacht des menschlichen Leibes gegenüber der göttlichen Wahrheit. In dem Augenblicke, wo Sie wirklich Selbstbesinnung treiben über das Die-Wahrheit-Reden, kommen Sie nämlich auf etwas sehr Merkwürdiges. Der Dichter hat es gefühlt, indem er gesagt hat: Spricht die Seele, so spricht, ach! schon die Seele nicht mehr. – Auf dem Wege, wodurch das, was wir innerlich in der Seele als Wahrheit wirklich erleben, zur Sprache wird, stumpft es sich bereits ab. Es ertötet sich in der Sprache noch nicht vollständig, aber es stumpft sich bereits ab. [...]

Ich habe Ihnen öfter gesagt: Nicht so sehr auf das kommt es an in der Geisteswissenschaft, was gesagt wird – denn das würde ebensosehr diesem Ohnmachtsurteil verfallen –, sondern darauf kommt es an, wie es gesagt wird. – Versuchen Sie einmal zu verfolgen – Sie können das auch in meinen Schriften tun –, wie eine jede Sache von den verschiedensten Gesichtspunkten aus charakterisiert wird, wie immer versucht wird, ein Ding von der einen Seite und von der anderen Seite zu charakterisieren. Nur dann kann man sich nähern den Dingen. Derjenige, der nämlich glaubt, daß die Worte selbst etwas anderes sind als eine Eurythmie, der irrt sich gar sehr. Die Worte sind nur eine vom Kehlkopf ausgeführte, von der Luft mitbewirkte Eurythmie. Sie sind bloß Gebärden, nur daß sie nicht mit den Händen und mit den Füßen gemacht werden, die Gebärden, sondern daß sie mit dem Kehlkopf gemacht werden. Wir müssen uns bewußt werden, daß wir nur hindeuten auf irgend etwas, und daß wir nur dann ein richtiges Verhältnis zur Wahrheit gewinnen, wenn wir in dem Worte Hindeutungen auf dasjenige sehen, was wir ausdrücken wollen, und wenn wir als Menschen so miteinander leben, daß wir uns bewußt sind, daß in den Worten Hindeutungen leben. Darauf will unter anderem auch die Eurythmie weisen, die den ganzen Menschen zum Kehlkopf macht, das heißt, durch den ganzen Menschen das ausdrückt, was sonst nur der Kehlkopf ausdrückt, damit die Menschen wiederum verspüren, daß auch, wenn sie die Lautsprache sprechen, sie nur Gebärden machen.

Ich sage „Vater“, ich sage „Mutter“: Wenn ich alles generalisieren werde, so kann ich mich nur dann wahrhaftig ausdrücken, wenn der andere sich mit mir zusammen im sozialen Element eingelebt hat in diese Dinge, wenn er die Gebärde versteht. Wir erstehen nur dann aus der Ohnmacht, die wir schon der Sprache gegenüber empfinden können, wir feiern daraus die Auferstehung, wenn wir verstehen, daß, indem wir den Mund aufmachen, wir bereits christlich sein müssen. Dasjenige, was geworden ist aus dem Worte, aus dem Logos im Laufe der Entwickelung, es ist nur dann zu verstehen, wenn der Logos wiederum mit dem Christus verbunden wird, wenn wir uns bewußt werden: Unser Leib, indem er das Werkzeug des Aussprechens wird, zwingt die Wahrheit herunter, so daß sie teilweise erstirbt auf unseren Lippen, und wir beleben sie wiederum in Christo, wenn wir uns bewußt werden, daß wir sie vergeistigen müssen, das heißt, den Geist mitdenken, nicht die Sprache als solche hinnehmen, sondern den Geist mitdenken. – Das müssen wir lernen, meine lieben Freunde. [...]

Heute, wo die faule Menschheit so oftmals sagt, wenn sie irgendwo etwas liest: Das habe ich dort und dort auch gelesen –, wo sie nur auf den Inhalt geht, heute ist die Zeit, wo die Menschheit lernen muß, daß es gar nicht mehr so sehr auf den Inhalt ankommt, sondern darauf ankommt, wer etwas sagt; daß man kennen muß den Menschen aus dem, was er sagt, weil die Worte nur Gebärden sind und man kennen muß, wer diese Gebärde macht. Das ist dasjenige, in das sich die Menschheit hineinleben muß. Hier liegt ein furchtbar großes Mysterium des allergewöhnlichsten Lebens vor, meine lieben Freunde. Es ist eben ein Unterschied, ob im persönlichen Ich erkämpft wird Satz für Satz, oder aber, ob es von unten oder von oben oder von seitwärts her in irgendeiner Weise zum Beispiel eingegeben ist. [...] Und die Zeit nähert sich, wo man nicht mehr auf den bloßen wortwörtlichen Inhalt dessen, was man vor der Seele hat, wird zu sehen haben, sondern wo man wird zu sehen haben vor allen Dingen auf diejenigen, die das oder jenes sagen; nicht auf die äußere physische Persönlichkeit, sondern auf den ganzen menschlich-geistigen Zusammenhang.

Wenn die Menschen heute fragen: Wie finde ich den Christus? –, dann muß man eine solche Antwort geben, denn der Christus läßt sich nicht durch irgendeine Spintisiererei oder durch eine bequeme Mystik erlangen, sondern er läßt sich nur erlangen, wenn man den Mut hat, sich unmittelbar in das Leben hineinzustellen. Und in einem solchen Falle müssen Sie auch der Sprache gegenüber die Ohnmacht fühlen, in die der Leib Sie versetzt hat dadurch, daß er der Träger der Sprache wird; und nachher die Auferstehung des Geistes in dem Worte. [...] Immer wichtiger und wichtiger wird das. Wenn gerade manche unter uns dies bedenken würden, würden wir nicht so oft es erleben, daß Leute kommen und sagen: Der hat ja ganz anthroposophisch oder theosophisch gesprochen; man lese das nur einmal nach! – Darauf kommt es nicht an, was da für Worte stehen, sondern, aus welchem Geiste heraus sie sind. Nicht Worte wollen wir mit der Anthroposophie verbreiten, sondern einen neuen Geist, den Geist allerdings, der der Geist des Christentums vom 20. Jahrhundert ab sein muß.