01.01.2011

Endstation Ironie

Eine kurze Geschichte vom traurigen Ende der glorreichen Vier aus dem Info3-Dunstkreis. | siehe auch: Sinnlose Begriffe und Sinnessucht – eine perfekte Ehe.

Einführung

Das folgende ist eine traurige Geschichte. Der erste Teil ist eine Vorabversion aus dem fünften Kapitel des Buches „Endstation Dornach“, das die handelnden Personen herausbringen wollen. Dieser Text wird auch in der Januar-Ausgabe von Info3 erscheinen. Der zweite Teil ist die ebenso ironische, aber viel wahrere Fortsetzung, die von mir verfasst wurde.

Felix Hau ist uns auf dieser Webseite übrigens schon im Juli 2005 begegnet, Christian Grauer erst unlängst im Mai 2009. Ansgar Martins braucht man nicht zu erwähnen, Christoph Kühn kenne ich nicht (aber vielleicht macht er mit dem gleichnamigen päpstlichen Diplomat aus Wien gemeinsame Sache).

Das Problem dieser (ehr)furchtlosen Vier ist, dass sie weder den Unterschied zwischen Ironie und Humor, noch die Folgen einer Ironisierung verschiedener Lebensgebiete kennen. Wie könnten sie auch, da sie das Moralische an sich leugnen? Ihr Hauptproblem ist aber, dass sie das Wesen der Anthroposophie gar nicht erleben können, nicht einmal ansatzweise. Die Ironie gegenüber der geronnenen Form scheinbar anthroposophischer Materialien, Formen und Gestaltungen mag durchaus auch geistreich sein – aber es gibt für sie nichts Heiliges, außer vielleicht ihre Frühstückscroissants (siehe die Webseite). Natürlich wird mit einer solchen Ironie jedes seelische Organ für Heiliges restlos zerstört...

Der Komödie erster Teil

Bitte hier weiterlesen (Link öffnet sich in neuem Fenster).

Der Tragödie zweiter Teil

Felix Hau sieht ihn nach einer Minute mit etwas Alkoholischem in der Hand wiederkommen, schaut aber an ihm vorbei und fragt grinsend: Wen hast du denn da mitgebracht?

Christian Grauer: Ich? Wieso? Dreht sich um. Wer ist – wer sind Sie?

Felix Hau kichert los: Könnte eine Neuschöpfung aus Madame Tussauts Wachsfigurenkabinett sein – oder aber direkt aus einem Mysteriendrama entsprungen.

Ansgar Martins: Seh’ ich auch so, aber immerhin kommt damit etwas Leben in die Bude. Wer sind Sie?

Die Gestalt schweigt, scheinbar zurückgrinsend.

Felix Hau kann sich, während Christian Grauer belustigt an seinem Lebenselixier nippt, wieder kaum noch beherrschen und bringt mühevoll heraus: Also sag schon! Mephisto? Ahri? Luzi? Wen machst du uns heute?

Die Gestalt mit einer wahrhaft bösartigen Stimme: Die goldene Mitte...

Alle vier: Wer bist Du?

Die Gestalt: Ihr habt’s erraten.

Felix Hau zu den anderen, etwas stockend: Der – ist – echt.

Die Gestalt: Irgendeiner hier muss ja echt sein.

Christian Grauer schaut unsicher von Felix Hau zu den anderen: Wie meint er das?

Die Gestalt: Deine ganze Ästhetikleere in Ehren, aber damit bist du mir wunderschön auf den Leim gegangen. Ästhetik ohne Moral, Wahrnehmung als „ist wie es ist“. Meine Welt! Mein lieber Christian, komm an mein Herz, du machst deinem Namen so viel Unehre! Macht einen Schritt auf Grauer zu, der zurückweicht. Ist dir unwohl? Trink doch einen Schluck – noch darfst du...

Ansgar Martins: Sie sind ... Ahriman?

Die Gestalt: Nur eine Erscheinung von ihm... Eine Art untersinnliche Imagination – eurer Wahrnehmung entgegengekommen, da ihr euch bewusst in die Abgründe der Ironie, wie ihr es nennt, hinabgeseilt habt.

Christian Grauer: Aber – ist Ironie denn etwas Schlechtes?

Die Gestalt ihn nachäffend: Ist Ironie denn etwas Schlechtes? Bin ich etwa schlecht? Ich bin doch nicht schlecht, oder? Ihr habt euch doch schon großartig über mich amüsiert, oder? Oder nicht? Außerdem gibt es doch gar nichts Schlechtes! Oder nicht? Oder doch? Oder was? Mir scheint, als würdet ihr euch über mein Kommen gar nicht freuen?

Christoph Kühn: Sind Sie nun ganz echt oder nicht?

Die Gestalt wie zu sich selbst: Du meine Güte, schau sie dir nur an. Dann zu ihnen: Kinder, können wir nicht ganz schnell zum „du“ kommen? Warum so förmlich – und gerade ihr? Wir lernen uns doch gerade so schön kennen – und so eng, wie wir bisher zusammengearbeitet haben und so unzertrennlich, wie wir demnächst sein werden...

Felix Hau: Äh, Moment mal...

Die Gestalt in zwingendem Ton: Schweig!

Felix Hau klappt die Kinnlade herunter: – – –

Christian Grauer starrt entsetzt erst auf seinen Freund, dann auf die Gestalt: Äh, darf ich...

Die Gestalt schaut ihn streng, dann wohlwollend an: Ja, du darfst Felix, den Glücklichen, darauf hinweisen, dass er seinem Namen alle Ehre macht. Er darf bald für eine Weile zu meiner Rechten sitzen – natürlich nicht lange, andere wollen auch noch...

Felix Hau scheint sich wieder zu fassen und bringt einige Worte hervor: Aber ich will –

Die Gestalt herrisch: Du willst gar nicht? Das hättest du dir früher überlegen müssen! Du musst – aus Spaß, natürlich für mich zum Spaß. Das mit dem „dürfen“ war reine Ironie. Nach einer kleinen Pause: Das verstehst du doch?

Ansgar Martins wendet sich einige Augenblicke etwas ab, atmet ein paar Mal heftig ein und aus, wie um sich Mut zu machen, und wendet sich dann wieder der Gestalt zu: Moment mal, ich möchte darauf hinweisen, dass es Ahriman gar nicht gibt! Atmet nun wiederum heftig ein und aus, um seine Feststellung zu bekräftigen.

Die Gestalt scheint für einen Moment wahrhaftig verdutzt zu sein und bricht dann in ein infernalisches Lachen aus: Aaaahahahahaha... Mein lieber Ansgar, das ist köstlich! Die Anbeter der Sinneswelt trauen ihren eigenen Augen nicht. Solange ich mich zurückgehalten habe, fand ich es schon köstlich, wie ihr immer mit völliger Sicherheit an mir gezweifelt habt, obwohl ich euch schon so lange am Schlafittchen hatte. Aber jetzt, wo es keine philosophische Frage mehr ist, ist das einfach, nun, wie soll ich sagen – drollig! Übrigens, auch du machst deinem Namen keine Ehre. Wusstest du, dass er bedeutet „Der um die Seele Sorge trägt“? Nun, spielt ja auch keine Rolle mehr, nicht wahr? Deine Seele ist bei mir ja schließlich gut aufgehoben...

Christoph Kühn: Verdammt noch mal –

Die Gestalt: Ganz recht...

Ansgar Martins erregt: Verstehen Sie denn keinen Spaß?

Die Gestalt: Soll das ein Witz sein?

Ansgar Martins: Nein!

Die Gestalt: Ich schon.

Ansgar Martins: Aber dann können wir doch...

Die Gestalt: Ich schon. Aber ihr anscheinend nicht. Mir macht das Ganze großen Spaß – und dabei möchte ich es auch belassen. Mit aufmunternder Stimme: Kommt schon, Freunde, können wir die Stimmung von vorhin nicht beibehalten? Macht es euch doch noch etwas lustig! Ich verstehe Spaß, ihr versteht Spaß – nur die Gesetze der geistigen Welt können nicht mal so und mal so, aber das versteht ihr doch sicher?

Christian Grauer: Wie ist das jetzt gemeint?

Die Gestalt: Das ist gar nicht – äfft ihn nach – gemeint! Es ist, wie es ist. Und zwar ausnahmsweise nicht als bloße Wahrnehmung, sondern ausnahmsweise moralisch. Und sehr ästhetisch. Wer sich über eine so lange Zeit so gekonnt und meisterhaft und gar nicht dilettantisch über geistige Wahrheiten lustig macht – ob innerlich oder äußerlich, auch darauf kommt es hier gar nicht an –, der wird mein ganz besonderer Liebling. Ist das nicht wunderschön? Das ist meine Ästhetik! Ah, herrlich. Ich mag diese schlichte Strenge der geistigen Gesetze. Und ich mag es, dass ihr Menschen damit so verspielt umgeht, als gäbe es sie gar nicht. Dafür ist das Leben doch da! Spaß haben, sich lustig machen, Distanz – ja und natürlich das Vögeln auf der Waschmaschine nicht zu vergessen. Grandios! Chapeau! Nicht wahr, Felix? Und dann kommt unser liebes kleines geistiges Gesetz, gegen das doch niemand etwas haben kann, und sorgt dafür, dass ihr euren ästhetischen Lebenstanz dann bei mir beschließen – oder sagen wir lieber: fortführen – dürft.

Alle vier wie aus einem Munde: Aber...

Die Gestalt: Kein Aber jetzt mehr! Meine Güte, wie kommt es, dass ihr auf einmal so auf unsichere Trauerklöße macht? Ihr seht ja schon schlimmer aus als die richtigen – oder falschen? egal – als die tantigen Anthroposophen, an denen ihr so viel Spaß hattet! Freunde! Stimmung! Mensch, Kinder! Ihr habt doch Recht! Es ist doch wirklich nichts mit dieser Hinaufentwickelei der Seele! Ihr habt’s doch richtig gemacht! Die Seele soll doch in meiner Nähe bleiben...

Felix Hau: Äh, wir wollten gerade gehen...

Die Gestalt wie sich knapp beherrschend: Felix, du Glücklicher! Wenn ich könnte, würde ich Tränen lachen! Der war gut... Und weißt du warum? Ich wollte nämlich auch gerade gehen. Aber ratet mal, wenn ich mitnehmen wollte? Nein – nicht den alten Goethe, der dort vorhin noch an der Wand hing...

Mit einem Höllenspektakel öffnet sich der Boden unter den Anwesenden, von denen vier sich noch einmal in der vielleicht tiefsten Verwunderung ihres Lebens anschauen, und unter großem Gelächter einer einzelnen Gestalt verschwinden sie vom Erdboden in eine offenbar rötlich flackernde Unterwelt, bevor sich diese wieder verschließt.

Vorhang (?).