13.01.2011

Offener Brief an Michael Eggert

Offener Brief an Michael Eggert nach seiner Betrachtung „Der Niederhauser Geißelprediger“. | Eggerts "Antwort" | ...und wie am selben Tag über mich geredet wurde.


Lieber Michael,

nachdem ich jetzt erst Deine Betrachtung vom 8. Januar entdeckte, schreibe ich Dir nun die folgenden Zeilen – als offenen Brief.

Nun sind vier intensive Tage mit Gespräch auf Deinem Blog vergangen, und vielleicht hast Du inzwischen ein etwas anderes Bild von mir, vielleicht auch nicht.

Du kannst, wenn Du willst, mich immer wieder als „Geißelprediger“ geißeln. Du tust dann nichts anderes als das, was Du mir vorwerfen zu können glaubst. Warum tust Du das? Weil Du glaubst, dass ich grundlegend etwas falsch mache, was keine Berechtigung hat. Du hast selbst gesagt, von welchen Prämissen Du ausgehst: Die freie Beziehung jedes Menschen zur anthroposophischen Sache, über die nur der „Herr des Karma“ das Urteil zu finden hat. Das ist Deine moralische Überzeugung. Auf ihrer Grundlage urteilst Du, beurteilst Du das, was ich ausspreche – und weil Du empfindest, dass ich grundverstockt das Grundfalsche tue, geißelst Du mein Tun in der Art, wie Du es hier getan hast. Das ist genau dasselbe, was ich Deiner Meinung nach tue! Aber betrachten wir die Unterschiede.

Toleranz...? Verständnis...?

In Deiner Betrachtung spricht Sarkasmus mit – ich glaube, dieser Begriff trifft es am ehesten. Ich erlebe darin eine ungeheure Antipathie, eine sehr starke persönliche Distanzierung. Mit so einem „selbsternannten Moralprediger“ willst Du nichts zu tun haben, bei so etwas regt sich in Dir Verachtung... Ich sehe aus Deinen weiteren Kommentaren deutlich Deine Prämisse und Deinen inneren, moralischen Standpunkt – und verstehe Dein daraus sich ergebendes Erleben.

Bedeutet das, dass wir im Verständnis für immer aneinander vorbeileben müssen? M.E. versteht H.N. nicht, H.N. versteht Hau nicht, M.E. versteht Hau auch nicht unbedingt (oder nicht immer), toleriert ihn aber selbstverständlich wie alle anderen Menschen; nur bei H.N. wird die Toleranz immer wieder auf eine harte Probe gestellt...?

Meine erste Frage wäre: Kannst Du Deine Toleranz auf meine Person und mein Tun ausdehnen? Also aufhören, es sarkastisch zu kommentieren, auch wenn Du es nicht verstehen kannst? Oder könntest Du es, aber willst es nicht, weil sozusagen Dein „heiliger Zorn“ Dich ab und zu dazu aufruft, wieder einmal auszusprechen, wie schlimm, versteinert und überheblich Du mein Tun wahrnimmst?

Wenn es so ist, gleicht sich unser Tun und Empfinden wiederum: Auch ich könnte Toleranz üben, aber ich will es nicht, weil meine „Prämissen“ mich an ganz bestimmten Punkten dazu bewegen, die Sphäre der Toleranz zu verlassen.

Wie ist es mit dem Ernstnehmen? Toleranz allein reicht doch nicht, kann man die Menschen wirklich verstehen? Erst darin beginnt doch das Ernstnehmen. Du übst eine ungeheure Toleranz oder Urteilslosigkeit, aber verstehst Du auch? Du hast ein virtuelles Gasthaus, in dem sich die Leute frei bewegen, jeder schätzt Dich darum, aber wie ist es mit den unterschiedlichen Standpunkten genau?

Da sind Menschen wie manroe oder Horst, die sagen Dir in ganz klaren Worten sogar wiederholt, was sie von meinen Aufsätzen und meiner Person bzw. inneren Einstellung halten – wie gehst Du innerlich damit um? Bringen Dich diese Kommentare zum Nachdenken? Oder gehst Du automatisch zu dem Urteil über: Die haben den grundlegenden Gedanken der absoluten Freiheit auch nicht verstanden! Gliedert sich Dir auf diese Weise die Welt in tolerante und weniger tolerante Menschen, und musst Du diejenigen, die Dir in Bezug auf H.N. widersprechen, innerlich leise verachten, weil sie die grundlegende Idee der Toleranz noch nicht ganz verstanden haben? Und Dir bei H.N., der sie nun durch und durch überhaupt nicht verstanden hat, immer wieder mal Luft machen? Deine Bemerkung „Lieber Horst, pardon, ich verliere die Geduld“ scheint darauf hinzudeuten...

Mir geht es auch hier nicht um eine Analyse, sondern um Erkenntnis und Verständnis. Ich möchte verstehen – und ich möchte verstanden werden. Wie gesagt, wir können bis in alle Ewigkeit aneinander vorbeilaufen (und uns von Zeit zu Zeit beschimpfen), aber es muss doch möglich sein, unsere „Prämissen“ anzuschauen, von denen wir uns in unserem Handeln leiten lassen.

Was sind die Prämissen?

Dir geht es um die absolute Freiheit eines jeden Menschen, sein Verhältnis zur Anthroposophie selbst zu bestimmen. Ein Urteil über die Berechtigung dieser Bestimmung findet erst der „Herr des Karma“, dessen Urteil sich aus tiefster Güte heraus bilden wird. Damit hängen dann Deine weiteren Gedanken zusammen, zum Beispiel: Die Zeit der „Geisteskämpfe“ und der „Kreuzzüge“ ist vorbei, und so weiter.

Mir geht es auch um diese Freiheit des Einzelnen. Hältst Du mich denn für so dumm, dass ich derart intensiv für die Anthroposophie eintrete und nicht einmal die allerersten Grundgedanken der Anthroposophie, im Sinne der Philosophie der Freiheit, kenne und berücksichtige? Für mich ist es genau, wie Horst sagt. Frei ist der Einzelne in seinem persönlichen Verhältnis zur Anthroposophie. Wenn er aber öffentlich auftritt und über die Anthroposophie gültige Aussagen zu machen beansprucht, dann ist er nicht mehr frei – gegenüber der Anthroposophie ist er spätestens dann nicht mehr frei, sondern verpflichtet.

Wenn es nicht so wäre, dann bliebe nur noch die Beliebigkeit – dann könnte es sein, dass sich in absehbarer Zeit die anthroposophische Bewegung zu einem Intellektuellenverein, einem Dogma-Club, einer New-Age-Bewegung oder einem Kegelverein entwickelt. Und niemand dürfte etwas sagen! Genau das ist das Diskurs-Dogma, von dem ich manchmal spreche: Alles ist berechtigt, und was sich entwickelt, liegt an dem, was da so zusammenströmt.

Dass Rudolf Steiner das niemals so gedacht hat, ist Dir doch mit Sicherheit auch unmittelbar klar. Über die Wahrheit kann man nicht abstimmen, es ist keine Mehrheitsfrage. – Und was antwortest Du darauf? Nach allem, was ich bisher sehe, würdest Du sagen: Ja, aber H.N. ist nicht derjenige, der die Wahrheit beurteilt. Gut, dann sind wir jetzt bei der entscheidenden Frage: Wer denn?

Natürlich beurteile ich die Wahrheit! Aber keine Sorge: Du auch. Er auch. Sie auch. Was will ich damit sagen? Wenn wir die Wahrheit nicht beurteilen könnten, dann gäbe es sie gar nicht!

Du sagst: Erst der „Herr des Karma“ darf urteilen. Ich sage: Nein, das stimmt nicht. Anthroposophie bedeutet, dass der Mensch erkennen kann. Was sonst sollte sie bedeuten, wenn sie durch und durch ein Erkenntnisweg sein will? Wenn der Mensch aber erkennen kann, dann kann er auch erkennen, was im Sinne der Anthroposophie ist und was nicht – oder: was mehr, was weniger. Du hast selbst gesagt, es gibt das „Bezugszentrum“ zur Wahrheit, also ein Erkenntnisorgan. Nimm das doch ernst!

Die Statuten und das Currywurst-Szenario

Und ebenfalls nochmals gesagt: Du selbst hältst doch auch dasjenige, was Gronbach oder Judith von Halle machen, nicht wirklich für Anthroposophie.

Du sagst nun: Ja, aber ich halte mich an die Statuten der Weihnachtstagung, wenn Gronbach oder Judith von Halle von sich sagen, sie seien Anthroposophen, dann bin ich verpflichtet, das nicht anzuzweifeln, dass sie es auch tatsächlich sind. Denn erst der „Herr des Karma“ wird darüber ein gültiges Urteil fällen.

Wenn Du das wirklich ernst meinst, würde das bedeuten, dass Du Dir sogleich wieder verbietest, Deinen eigenen Urteilen zu trauen! Sie drängen sich geradezu auf (und ich sage: weil sie wahr sind), doch Du drängst sie immer wieder zurück, weil sie „nicht sein sollen“.

Und was würdest Du machen, wenn sich ein einflussreicher Mensch einfallen ließe, die Anthroposophie sei im Grunde eine Currywurst (ich übertreibe etwas), und er würde dies überall öffentlich verkünden, und die Welt würde ihm diese Wahrheit aus den Händen reißen und auch viele Anthroposophen würde ihm hinterherlaufen? Würdest Du Dir Dein Urteil verbieten und versuchen, Toleranz zu üben, weil ja schließlich vielleicht auch das die letzte Wahrheit sein könnte – oder zumindest: weil es eben in den Statuten stand?

Was ist mit all den anderen Worten Rudolf Steiners, wo er von der Wahrhaftigkeit sprach? Von der Notwendigkeit, Unwahrheiten richtigzustellen? Von der Verantwortung gegenüber der Anthroposophie? Von dem mangelnden Ernst sogar innerhalb der Anthroposophenschaft?

Gibt es unter all diesen Worten nichts, was Deinen ehernen (mir wird dieses Wort bisweilen im negativen Sinne angeheftet) Grundsatz von der absoluten Toleranz in irgendeiner Weise relativieren könnte? Könnte es nicht sein, dass die Absolutheit an diesem Punkt auch blind für die Umgebung macht – blind für andere Prämissen, die auch wahr und essentiell sind? Könnte es sein, dass gerade Du in dieser Hinsicht auf einer Wahrheit beharrst, die keineswegs die vollständige ist – und dass gerade das Relativieren dieser Wahrheit der Toleranz (die zweifellos eine Wahrheit ist!) zu einer umfassenderen Wahrheit führt?

Es könnte sich die Frage stellen: Ja, aber wo zieht man dann die Grenze? Bei der Currywurst ist es ja vielleicht eindeutig, aber – ist nicht alles andere irgendwo doch noch Anthroposophie? Kann oder muss man es nicht gelten lassen, wenn es auch nur von ferne wie Anthroposophie aussehen könnte?

Diese Antwort muss jeder für sich selbst finden. Du für Dich. Ich für mich. Wenn Dir die Toleranz wirklich so wichtig ist, dann verurteile mich nicht für meine Antwort. Man muss bei der jeweils eigenen Antwort abwägen zwischen dem „Gebot“ der Toleranz und der anderen Notwendigkeit der Wahrhaftigkeit und Verantwortung. Das macht es notwendig, sich um Erkenntnis zu bemühen. Gerade dann! Es mag leicht sein, zu diesem oder jenem ein vorläufiges Urteil (ein Vor-Urteil) zu haben. Doch gerade die Toleranz gebietet, dass man sich ein wirkliches Urteil so vorsichtig wie möglich bildet. Wenn dann aber nach umfassendem inneren Fragen und Ringen letztlich vollkommen klar und eindeutig eine Erkenntnis vor einem steht, dann ist es auch berechtigt, dieses errungene Urteil ernst zu nehmen!

Toleranz und Verantwortung für die Wahrheit

Dazu kommt ein weiteres: Dieses Urteil bedeutet noch immer nicht, dass man einen Menschen beurteilt – oder gar verurteilt –, sondern immer nur die Frage, ob der Inhalt oder die Art dessen, was er gesagt bzw. geschrieben hat, mit dem wirklichen Impuls der Anthroposophie im Einklang steht.

All dies geschieht mit dem größten Ernst und unter voller Beachtung des fortwährend gefühlten Toleranz-Ideals! Und auch wenn Du oder manch anderer Leser das im Lesen nicht trennen oder erkennen kann, so erlebt man selbst doch folgendes: Man lässt den anderen Menschen in seinem eigenen Suchen ganz und gar gelten; man lässt gelten, dass er die Dinge so sieht, wie er sie sieht. Und dennoch tritt man selbst dem entgegen, was man an Äußerungen als unwahr ansehen muss. Man will diesem Menschen nicht schaden – aber man will auch nicht, dass der Wahrheit geschadet wird... Dieser Mensch muss es ertragen können, dass man seiner Auffassung und seinen Formulierungen etwas entgegenstellt...

Und nun muss ich es nochmal ganz deutlich sagen: Von einem „Sich-Erleben am vorgestellten Versagen Anderer“ kann keine Rede sein. Mein Erleben bezieht sich auf die Wahrheit, die ich erlebe. Dass ich die Notwendigkeit empfinde, manchem entgegenzutreten, bereitet mir keine Freude, sondern Schmerz. Und es ist wirklich keine Freude, sondern es tut weh, sich gegen jemanden zu stellen (und seien es auch nur seine Äußerungen). Es ist ebenfalls keine Freude, sich selbst ungeheuer angreifbar zu machen und natürlich auch angegriffen zu werden, weil die Schärfe, die man als notwendig empfindet, von wenigen verstanden wird – weil eben fast überall die Toleranz über die Wahrheit gestellt wird. Und es ist keine Freude, einen Standpunkt zu vertreten oder eine Anschauung öffentlich zu äußern, die von kaum jemandem (öffentlich) geteilt wird, so dass man manchmal scheinbar ganz allein steht. Wenn Du wirklich glaubst, ich würde das brauchen oder sogar genießen, so hast Du Dich darin schwer getäuscht...

Bei einer solchen Erwiderung treibt mich kein Hass, keine Antipathie, keine persönliche Abneigung, kein Sarkasmus – sondern was mich bewegt, ist nur das klare innere Erleben, dass der Wahrheit Schaden zugefügt wird; und zwar in einem Maße, dass es wichtig ist, zu sprechen.

Und so verbinden sich Toleranz und Verantwortung für die Wahrheit. Selbst in der schärfsten Entgegnung gibt es keine Antipathie gegen den Menschen. Und jede Entgegnung ist nur notwendig, wenn das, was der Wahrheit zu sehr schadet, öffentlich gesagt wurde. Der Mensch mag, wenn er es wirklich will, weiter an seine eigene Wahrheit glauben; persönlich hat er das volle Recht dazu, er kann sogar mit einem Currywurst-Glauben Mitglied der AAG sein. Wenn er aber öffentlich auftritt, würde ich ihm öffentlich erwidern, und zwar mit der entsprechenden Deutlichkeit.

Und dann noch ein letztes. Mir geht es um Erkenntnis. Ich habe keinen Einfluss darauf, was die Menschen von meinen Aufsätzen annehmen. Sie stehen im virtuellen Netz. Man kann mich für einen „Hassprediger“ halten und weiterklicken (auch wenn der Weg dann nicht zu den „Egoisten“ führt) – oder man kann die Begründetheit der Gedanken im eigenen Denken erleben. Ich habe darauf keinen Einfluss. Ich will niemanden von etwas überzeugen, was die Unwahrheit ist. Was wahr ist und was nicht, kann nur jeder Leser selbst für sich herausfinden. Aber mache doch niemandem einen Vorwurf (oder verliere die Geduld), wenn er es tut!

Die Unterschiede und der Herr des Karma

Du bist ein Pragmatiker. Dir ist die Toleranz sehr, sehr wichtig. Dir ist weniger wichtig, was nun das „Wesen der Anthroposophie“ sei. Du findest täglich im Stillen Deinen persönlichen Weg in und mit der Anthroposophie. Dir ist Begegnung und Dialogfähigkeit wichtig. Du könntest und würdest Dich mit jedem an einen Tisch setzen und die merkwürdigsten Vorstellungen, die jemand von der Anthroposophie hat, mit einer leichten Geste beiseitelassen und Dich einfach nett mit ihm unterhalten.

Mir ist nun das Wesen Anthroposophie sehr wichtig. Die Toleranz ist mir auch sehr wichtig, aber sie hat jenen Umfang und Bezug und jene Grenzen, von denen ich sprach. Was mich bewegt, ist ein Wahrheitserleben. Wenn Du das nicht ernst nehmen kannst, nimmst Du die Anthroposophie nicht ernst. Du kannst immer noch sagen: H.N. irrt sich in diesem oder jenem. Aber die Dinge haben nichts mit „reiner Lehre“ usw. zu tun, und ich bin auch weder Theoretiker, noch Dogmatiker. Und ich kann mich ebenfalls mit jedem an einen Tisch setzen und mit ihm über alles sprechen. Ich könnte dessen Vorstellungen nicht mit leichter Geste beiseitelassen, sondern müsste sie willentlich ausklammern, aber ich könnte das. Verstehst Du, was uns unterscheidet?

Willst Du über diese Unterschiede nun urteilen? Oder willst Du nicht auch dieses Urteil dem Herrn des Karma überlassen?

Was meine Urteile über das betrifft, was Menschen im Namen der Anthroposophie äußern, so vertraue ich darauf, mit dem Herrn des Karma nicht im Widerspruch zu stehen. Der Herr allein fällt das Urteil über den persönlichen Wert der Taten und Versäumnisse eines Menschen und die karmischen Folgen. Ich urteile in keinster Weise über den Menschen. Ich urteile über das, was mein Wahrheitserleben mir sagt, und wenn ich auf diese Weise den Äußerungen eines anderen Menschen entgegentreten muss, so muss ich dies ebenso verantworten wie er selbst seine Äußerungen. Und auch ich werde mich vor dem Herrn des Karma verantworten müssen.

Aber nochmals: Wir alle sind zur Erkenntnis berufen. Wir müssen uns Urteile bilden, und wir sollen der Unwahrheit entgegentreten – nicht um dem Menschenbruder zu schaden, sondern um der Wahrheit zu dienen. Wir sollen das Erkennen erringen. Michael ist nicht mehr der Hüter der Intelligenz – der Mensch soll es werden. Hier liegt eine große Verantwortung und eine große innere Pflicht – wenn man bereit ist, sie anzunehmen ... oder auch sie wiederum überhaupt zu erkennen! Ich bin nicht berufen oder selbst ernannt – sondern wir alle sind berufen!

Mache doch auch aus der Toleranz keine Moral-Lehre der Anthroposophie! Die Anthroposophie besteht ganz und gar aus moralischer Substanz. Wahrhaftigkeit, Verantwortungsernst und diese Dinge – alles gehört mit dazu. Die aus alledem sich ergebende „moralische Wahrheit“ muss jeder für sich selbst finden. Ich habe sie für mich gefunden und finde sie noch immer täglich neu – und handele danach.

Mehr kann ich nicht sagen. Das Mysterienwort hieß: O Mensch, erkenne Dich selbst. Das ist unser Auftrag. Und meine Bitte an Dich ist: So unterschiedlich unser real-wirklicher Standpunkt auch sein mag – erkenne, was ich tue oder warum ich dies tue. Und wenn Du wirklich nicht erkennen (oder verstehen) kannst, dann toleriere...

Herzliche Grüße,
Holger

Michael Eggerts Antwort

Michael Eggert antwortete mir am Abend dann: 

Ja, habe ich bekommen. Ich finde es nett, dass Sie so um eine gemeinsame Basis ringen. Aber ich kann durchaus eine Sache auch erst mal stehen lassen, wenn ich denke, dass sie nicht wirklich zu klären ist. Ich habe auch an Verständnis für Sie gewonnen. Darin liegt nicht, wie Sie im Brief behaupten, Verachtung für sie. Ich neige dazu, mich manchmal etwas drastisch auszudrücken, das stimmt. Und natürlich mache auch ich - so wie Sie - "weiter", wenn auch auf verständnisvollerer Ebene. Ich suche und versuche sicherlich auch andere Dinge als die Auseinandersetzung mit Ihnen. Ich finde, man muss es auch aushalten können, nicht so etwas zu einem Ende bringen zu können und es stehen zu lassen. Ich finde es okay, es geht uns allen mit vielen Menschen so. Das ist aber keine Verachtung, sondern "leben und leben lassen". Ich bin, wie Sie erkennen werden, nebenberuflich Niederrheiner, fast Kölner, die sind so. Ich denke, wir werden uns auf einer Reihe von Ebenen durchaus einigen können, auf anderen eben nicht. Das ist kein Beinbruch. Ich habe auch nie behauptet oder vorgegeben, irgend wie besonders reif, aus einem Guss, moralisch völlig integer oder sonst was zu sein. Der Quell, den man sich erschliesst, bringt so einiges mit sich, aber er bringt nicht die Sahnetortenpersönlichkeit, die manche New Age-Strömungen vorgeben. Die Person mit Ecken und Kanten bleibt sehr wohl bestehen, ja sie kristallisiert sich sogar stärker heraus. Es ist mehr eine Frage der Balance als ein Ideal. Ich traue Idealen und Perfektionismus sowieso nicht. Können wir das so stehen lassen?

Ja, dann muss diese ausdrückliche Ablehnung eines Gespräches wohl so stehen bleiben. Eine tief enttäuschende Antwort... 

Wie am selben Tag über mich geredet wurde

zuhörerundleser
Nachhaltig war er schon, der Lateinprofessor. Ich hab ihn irgendwie (erschrick jetzt nicht!) ins Herz geschlossen. Es war gar nicht leicht, ihm nicht mehr zu antworten, in dem kurzen Moment, in dem er anfing Mensch zu werden. Aber ich bin nicht umgefallen. [...]
13.01.11 18:30


Liebe ZuL, so sprecht Ihr dann also über einen, ja? Kannst Du auch selbst die Art anschauen, in der Du sprichst? Damit entwertest Du im nachhinein den gesamten Dialog. Sieht so Deine spirituelle Weisheit aus? Das ist ein ebenso grauenvolles Beurteilen und Diagnostizieren, wie es offenbar ganz, ganz oft auch bei den anderen „Anthroposophen“ üblich ist. Du unterscheidest Dich von denen kein bisschen!

zuhörerundleser
Lieber HN, jetzt muss ich Ihnen einen langen Brief schreiben, obwohl ich heute nichts mehr machen wollte, weil ich morgen ganz früh aufstehen muss. Ich tue es, weil Sie es mir wert sind.
Ich habe mich hier oben NICHT über Sie lustig gemacht, sondern ich habe Sie tatsächlich ins Herz geschlossen. Wenn ich zu Michael sage, erschrick nicht!, dann deshalb, weil er vermutlich anderer Meinung ist – und vielleicht im Grunde genommen nicht einmal das – ich kann es nicht wissen. Ich hatte durch den Dialog mit Ihnen Gelegenheit mich lustvoll anzustrengen, geistig zu arbeiten, weil Sie ein gewichtiger und ausgesprochen fundierter Gesprächspartner sind, sodass man nicht irgendetwas dahersagen kann, sondern sich wirklich gut überlegen muss, was man zu Papier bringt. Es war für mich eine freudvolle Anstrengung. [...]
Wenn ich sagte, ich habe das Gefühl dass Ihr Erkenntnisstreben an einem bestimmten Punkt kippt und sich ins Gegenteil verkehrt, dann meinte ich genau das. Ich weiß nicht, ob ich mich verständlich machen konnte. Wenn man es positiv sehen wollte, so haben Sie in Ihrer Beständigkeit auch etwas Archetypisches. Bei dem ganzen New-age-gebrummel, das sich überall auftut , tut das auch gut und schafft ein Gegengewicht zu all dem Schwach-Sinn.
Ich habe Sie sogar vermisst, als der Zyklus vorbei war, Sie sind mir ein wertvoller Mensch geworden. Das soll mich jedoch nicht hindern auch wütend über Sie zu werden.
13.01.11 21:27


Liebe ZuL, Sie wissen nicht, was Sie sagen.
Ich meine nicht „lustig gemacht“, es ist eher schlimmer. Lesen Sie bitte noch einmal Ihre eigenen Sätze über mich: „Nachhaltig war er schon, der Lateinprofessor. ... Es war gar nicht leicht, ihm nicht mehr zu antworten, in dem kurzen Moment, in dem er anfing Mensch zu werden. Aber ich bin nicht umgefallen.“

Wenn Sie da nichts bemerken, dann tut es mir leid. In ein solches „Herz“ geschlossen zu werden, wünsche ich mir auf keinen Fall. Schließen Sie mich aus diesem hochmütigen Herz bitte wieder aus!