03.04.2015

Clements Universal-Ich und die abstrakte Leere seiner „geistigen Ich-Welt“

Rückblick auf ein Passionszeit-Drama in fünf Akten.


Inhalt
1. Akt: Hinweise auf Irrtümer und Versäumnisse
2. Akt: Fortgesetztes Psychologisieren der Eggert-Blogger
3. Akt: Die Diskussion beginnt
4. Akt: Der Kampf zwischen Realismus und Nominalismus/Konstruktivismus
5. Akt: Ultimative Unterstellungen und Rauswurf
Epilog


1. Akt: Hinweise auf Irrtümer und Versäumnisse

Am 9. März beschrieb ich in einem Aufsatz die Gefahr des Irrtums, die mit jeder Deutung verbunden ist. In diesem Aufsatz schrieb ich unter anderem:

Die eigentliche Frage ist: Was ist Anthroposophie? Was wollte Rudolf Steiner? Was ist die Aufgabe des Menschen, wenn es eine geistige Welt gibt und diese geistige Welt auf den Menschen wartet?
Rudolf Steiner hat in einem unvergleichlichen Lebenswerk darauf hingewiesen, dass es diese geistige Welt gibt und dass sie auf den Menschen wartet und was die Menschen tun können, um auf dieses Warten zu antworten... [...]
Man kann diesem Warten, diesem unhörbar-hörbaren Ruf der geistigen Welt nicht folgen, ohne gegenüber Rudolf Steiner eine große Ehrfurcht und Dankbarkeit zu empfinden. Dies hat nichts mit der ganzen „Kult-Diskussion“ zu tun, die etwa auch Michael Eggert sehen will und verspottet. Ehrfurcht ist die erste Fähigkeit der Seele, die errungen werden muss, wenn überhaupt ein innerer Entwicklungsweg betreten werden soll – diese Tatsache erlebt man um so tiefer, je mehr man sie selbst innerlich wahr macht.


In einem zweiten Aufsatz vom selben Tag wie ich auf Rudolf Steiners Worte hin, dass man durch den Intellekt „in keiner objektiven Verbindung mehr mit der Welt“ steht, dieser ist vielmehr „das automatische Fortdenken, nachdem man von der Welt längst abgeschnürt ist.“ (Pädagogischer Jugendkurs). Der Lebensnerv des heutigen Intellekts und der heutigen Wissenschaft ist der Hochmut – der Hochmut, zu meinen, ohne eine gründliche, vollkommene Verwandlung des Intellekts, in der unter anderem auch die Ehrfurcht in diesen aufgenommen wird, an die wahre Wirklichkeit herankommen zu können.

Die Menschheit und auch die Wissenschaft hat heute kein reines Denken. In das scheinbar objektive Denken mischt sich zugleich die Ehrfurchtslosigkeit, das heißt der Hochmut. Auf diese Weise wird das Denken zum kalten, aber hochmütigen Intellekt. Es ist scheinbar objektiv, aber dadurch nicht unbedingt wahr. „Ob-jektiv“ heißt „entgegengeworfen“. Der kalt bleibende Intellekt wirft das zum Objekt gemachte Wesen der Untersuchung vor sich hin und behandelt es als wirklich totes Objekt. Alle Ehrfurcht gegenüber dem Wesen, alle Ehrfurcht im eigenen Denken und inneren Tun wird ausgeschlossen – und so strömt Hochmut hinein: objektiver Hochmut. Selbstverständlich stellt sich der kalt bleibende Intellekt über dasjenige, was er selbst getötet hat.


Wer Rudolf Steiners Beschreibung der Ehrfurcht im Denken als erste Bedingung des „Geheimschülers“ liest und wirklich verstehend aufnimmt, wird nie mehr glauben können, dass er ohne diese Ehrfurcht im Denken etwas wesentliches erreichen könne – denn er erlebt immer mehr, dass sie dasjenige ist, was das Denken sehend werden lässt.

Bezeichnend ist, wie auf diese Aufsätze reagiert wurde – worauf ich in einem Aufsatz am 11. März hinwies. Eggert schrieb:

Ach, der Herr Niederhausen leidet wieder an der bösen intellektuellen Welt. "Der Ruf der geistigen Welt ertönt fortwährend. Und er will nicht interpretiert werden.." Nein, der Ruf möchte in sich hinein geschlürft werden wie Sahnequark. Zitternd von innerem luziferischen Beben. Auf die Knie geworfen von dem Ungeheuerlichen wie in der letzten Inkarnation, als man sich noch mönchisch auf die Knie warf und mit Geißeln schlug. Wehe, wehe, die Welt ist böse. Aber *ich* habe ja mein Jesulein.


Clement schrieb:

► Schlimmer noch: der naive Realist ist nicht nur unfähig, in das moderne Bewusstsein einzutreten; er ist auch unfähig, Esoterik zu verstehen.


Welcher Hochmut in diesen Sätzen steckt, braucht man nicht zu erläutern. Clement beansprucht, beurteilen zu können, wer naiver Realist ist, und er beansprucht, er selbst könne Esoterik verstehen, ja sein „wahres“ Verständnis wäre geradezu selbst wahre Esoterik. Durch solche und andere Äußerungen erhebt Clement sich selbst zum wahren Versteher Rudolf Steiners und der Anthroposophie.

Es ist deutlich, dass diejenigen, die in den Augen Clements „naive Realisten“ sind, in seinen Augen natürlich erst recht anmaßend sind. Auf dieser Ebene ist die Frage also nicht zu lösen. Doch andere Äußerungen Clements und die Äußerungen Eggerts offenbaren, wie tief das Unverwandelte noch ihr Denken und Fühlen bestimmt. Allein dies kann einen erleben lassen, in welcher Richtung die Wahrheit und ein Fernsein von der Wahrheit liegen mag. Diejenigen, deren Äußerungen voller Spott und Anmaßung sind, leugnen natürlich, dass Ehrfurcht und Demut für die Erkenntnis der Anthroposophie irgendeine Bedeutung haben...

Was diejenigen, die die Ehrfurcht niemals wirklich in ihr Denken aufzunehmen vermögen, auch niemals erfassen, ist die Tatsache, dass Ehrfurcht im Denken das Denken der Wahrheit immer nur näher führen kann – dass es einfach nichts zu tun hat mit Kritiklosigkeit oder der Unfähigkeit, sich einer Sache gegenüberstellen zu können. Was hier gemeint wird, ist wirkliche Naivität im negativen Sinne. Ehrfurcht hat damit absolut nichts zu tun. Erst wenn dies durch und durch begriffen wird, kann man die ungeheuren Verständnis-Hindernisse, die einen von einem Verständnis der Geisteswissenschaft trennen, überwinden. Steiner selbst schrieb:

Wer geisteswissenschaftliche Resultate ... gewinnen will, der muß vor allen Dingen mit einer heiligen Scheu, mit einer unbegrenzten Ehrfurcht dem gegenüber stehen, was Wahrheit, was Erkenntnis genannt werden kann. ... Als unwürdig fühlt man es, wenn man unter Zugrundelegung der alltäglichen Seelenverfassung sich ein Urteil über die Wahrheit erlauben will ... (19.3.1914, GA 63).


Erneut beschrieb ich dann, wie Clement auf Steiner und auf die Frage der höheren geistigen Wesenheiten schaut – was eine entscheidende Kernfrage seiner ganzen Interpretation ist: Was ist eigentlich der Charakter der „geistigen Welt“? Ich beschrieb, welche Konsequenzen Clements Deutung hat – dass alle „geistigen Wesen“ entweder überhaupt nicht oder nur in einer Art Relativität existieren. Ich wies darauf hin, dass Steiner von dem Eingreifen der Widersacher und dann von den Christus-Taten als „Götter-Angelegenheiten“ sprach – und dass Clements Thesen dem modernen, von Hochmut durchdrungenen Intellekt natürlich sehr entgegenkommen und dass sie große Ähnlichkeit mit den Thesen aus dem Info3-Umkreis haben, wie auch mit anderen Denkkonzepten (z.B. Teilhard de Chardin).

Indem man den späten Steiner kurzerhand mehr oder weniger zum „Märchenonkel“ erklärt, diffamiert man zugleich all jene Menschen, die sich in seinem engen Umkreis befanden (etwa W.J. Stein) und die Steiner selbst zutiefst geschätzt hat. Auch sie alle bezeichnet man hochmütig als „naive Realisten“. Clement zog sogar den Vergleich mit Menschen, „die noch an den Weihnachtsmann glauben“, und schrieb, als „Offenbarungstexte“ – in seiner Lesart bedeutet das: unkritisch gelesen – fände er Steiners Texte „unsäglich und peinlich“.

In einem Aufsatz vom 14. März wies ich erneut auf Clements Hauptstützpunkt der „götterschaffenden Tätigkeit“ hin, von der Steiner in seiner „Mystik“-Schrift schrieb und zeigte auf, wie Clements Denkfehler darin liegt, diesen Punkt nun absolut zu setzen. Ich schrieb:

Hier liegt der Punkt, an dem Clement nicht mehr folgen kann und will. Clement will den Gedanken nicht fassen, dass es dem Menschen möglich ist, geistige Erkenntnisorgane zu entwickeln, durch die es ihm möglich ist, eine geistige Welt zu erkennen, die seinem Erkennen bisher verschlossen geblieben ist – und die über den Menschen hinausgeht. Er will nicht erkennen, dass das Erleben des Göttlichen in der eigenen Seele, der „götterschaffenen Tätigkeit“ und die Geburt des Gottessprossen nur die ersten Vorboten einer geistigen Welt sein könnten, dass also der Mensch zunächst nur ein allgemein Göttliches und auch dies nur in der eigenen Seele zu erleben imstande ist, dass es aber noch weitere Stufen des Erkennens geben könnte.


Rudolf Steiner beschrieb später die drei Erkenntnisstufen der weitergehenden Erkenntnis immer wieder sehr genau – und es ist äußerst bezeichnend, dass gerade dies in Clements SKA 7 überall äußerst blass bleibt und an einer Stelle schlicht völlig unwahr dargestellt wird. Clement legt Steiner in den Mund, dass Imagination und Inspiration gleichermaßen „Halluzinationen“ seien – und macht den entscheidenden Unterschied zwischen diesen beiden Erkenntnisstufen durch eine abgrundtiefe Entstellung absolut unsichtbar! Auf diesen Hinweis ging weder Clement noch irgendjemand anders in den folgenden drei Wochen auch nur mit einem Wort ein...

Und schon in diesem Aufsatz wies ich auf das Grundphänomen der Geisteswissenschaft hin, dessen Verständnis zugleich entscheidend für ein Verständnis des Existenzcharakters der höheren Wesenheiten ist, indem ich schrieb:

Clement will nicht einsehen, dass es auch eine Umkehrung der götterschaffenden Tätigkeit geben kann, ja dass die ganze Geisteswissenschaft diese Umkehrung ist. Nicht mehr bleibt die götterschaffende Tätigkeit etwas Unbewusstes im Menschenwesen, sondern sie, die nichts anderes als das Denkvermögen, die Denkkraft, die Intelligenz selbst ist, verwandelt sich von Grund auf, um ein Organ, eine Kraft zu werden, in der sich die göttlichen Welten, Prozesse, Wesen selbst aussprechen können.
Indem das Denken durch und durch geläutert, gereinigt, erkraftet und verwandelt, indem es ganz und gar spiritualisiert wird, wird es zu jener Kraft, die sich nun ihrerseits im realsten Sinne einer „götterschaffenden Tätigkeit“ zur Verfügung stellen kann – nun aber sind es die „Götter“ selbst, die das Denken so gestalten und plastizieren, dass ihr ureigenes Wesen sich darin offenbaren kann – und vom Menschen erkannt werden kann.


Im gleichen Aufsatz wies ich auch darauf hin, dass seit der von Rudolf Steiner exakt vorausgesagten Zeit Menschen Christus-Erscheinungen erlebt haben, die einen Realitätscharakter aufweisen, der mit den Thesen von Clement, Eggert u.a. absolut nicht in Übereinstimmung zu bringen sind.

In einem weiteren Aufsatz vom 15. März wies ich auf Clements eigene Gottesvorstellung hin. Clement behauptet, er sehe sich in der Nähe von Aristoteles, Meister Eckhart, Böhme, Spinoza und Fichte – während er einen „anthropomorphen Gott der Religionen“ (was auch immer das heißen mag!) ablehne. Ich wies demgegenüber darauf hin, dass auch Böhme von Engelwesen sprach und dass Clement all seinen Kritikern offenbar nicht zutraut, um den Unterschied zwischen Imaginationen und dem eigentlichen, nicht in Worte zu fassenden Wesen einer höheren geistigen Wesenheit zu wissen.

In einem Zitat Clements vom November 2014 sagt er, der (tote) „Gott“ könne im „Ich“, durch das „Ich“, als „Ich“ auferstehen. Von daher sei die Gesamtausgabe zu verstehen als Schilderung der „Auferstehung Gottes“ als Bewusstsein Rudolf Steiners. Steiner schildere nicht „die“ geistige Welt (im Sinne traditioneller Offenbarung), sondern seine geistige Welt. – Ich wies angesichts dieser Formulierungen darauf hin, dass diese Gedankengänge im Grunde ganz denen Karl Ballmers entsprechen.

Selbstverständlich kann der Geistesforscher nur mit seinen entwickelten geistigen Organen forschen und das Erlebte und Geschaute in seine Imaginationen und seine Worte kleiden. Und doch besteht eine lebendige Dialektik zwischen der geistigen Welt und der Individualität. Aber gerade die geistige Welt wird von Clement und anderen Vertretern ähnlicher Thesen ja geleugnet. Ihre Thesen beinhalten offenbar im Grunde die Hauptaussage, dass die individuellen Menschen alle in „Parallel-Universen“ leben. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass schon das Denken, das „all-eine Wesen“ ist!

An anderer Stelle, schrieb Clement schon am 29.10.2014:

► Auch als Herausgeber der SKA beanspruche ich nicht, mit meinem Verständnis der Anthroposophie deren "wahre" Gestalt herauszuarbeiten. Ich arbeite nur eine solche Gestalt heraus, die 1. meiner Individualität gemäß ist und 2. meiner Ansicht nach dialogfähig mit der Wissenschaft ist. Natürlich gehe ich davon aus, dass am Ende Anthroposophie nur in einer solchen Gestalt wirklich zukunftsfähig ist, weil das Religiöse und das Wischiwaschi irgendwann obsolet geworden sein wird.


Alles, was seiner These – und wir werden noch sehen, wie schwammig diese selbst ist – also nicht entspricht, bezeichnet Clement als „religiös“ und „Wischiwaschi“. Die Dialektik von Denken und Offenbarung und die Klarheit der Anthroposophie als Geisteswissenschaft entgeht ihm vollkommen. Statt dessen stülpt er ihr seine simplen Thesen seiner Version und Deutung von „Ich-Philosophie“ über...

2. Akt: Fortgesetztes Psychologisieren der Eggert-Blogger

Am 17. März griff ich in einem Aufsatz zwei Äußerungen von Eggert auf, die dieser auf seinem „Egoisten-Blog“ (Untertitel: Die bloggenden Anthropotanten!) einen Tag zuvor gemacht hatte. In seiner typisch ätzenden Sprache lästerte er über jene, die „nach 100 Jahren Steiner“ noch immer das „Credo der Zweiheit von Denken und ‚Offenbarung’“ hochhielten, ebenso ein gesondert „Spirituelles“ oder einen „Christusbegriff“. Eggert sprach von einem „tief katholischen Milieu“ und einem „schwammigen Herzdenken“. In einer zweiten Äußerung, in der er auch mich namentlich erwähnte, sprach er von einer „Verteufelung des Intellektuellen“ und davon, dass all jene, die diese betreiben, offenbar den Nationalsozialismus und das Pol-Pot-Regime nicht mitbekommen hätten.

Ausführlich ging ich daraufhin jeden einzelnen Aspekt seiner Äußerungen durch.

Nochmals wies ich auf die Dialektik zwischen Denken und Offenbarung hin, ebenso darauf, dass (a) kritisches Denken im vor- und üblich-wissenschaftlichen Sinne nicht zu höheren Wahrheiten kommen kann und dass (b) dasjenige Denken, das zu höheren Wahrheiten kommen kann, keineswegs un-kritisch ist, weil es die Essenz jeder Kritik, nämlich volles Selbstbewusstsein, in sich bis in die Tiefe wahrgemacht hat. Geisteswissenschaft beginnt geradezu mit vollendeter Wissenschaftlichkeit! Des Weiteren wies ich darauf hin, wie Steiner selbst immer wieder betonte, wie sehr Geistesforschung zugleich Offenbarung gegenüber dem Geistesforscher ist:

Dass die geistige Welt nicht einfach ein „Steinbruch“ ist, in dem sich das Denken bedienen kann, wie es mag, sondern dass die geistige Welt selbst dem am weitesten fortgeschrittenen Geistesforscher manche Tatsachen entweder offenbart oder nicht, das hat Rudolf Steiner in eindrücklichster Weise mehrfach wiederholt. Die erschütterndste Offenbarung (!) dieser Tatsache war vielleicht sein Verhalten bei den Vorträgen über das Fünfte Evangelium in Kristiania im Oktober 1913. Andrej Belyi hat seine persönlichen Eindrücke dieser Tage in unvergleichlicher Weise für die Nachwelt festgehalten.


In Bezug auf die Vereinigung dieser dialektischen Polarität von Denken und Offenbarung schrieb ich:

Man kann all diese Tatsachen auf einen Punkt bringen und sagen: Wenn das Denken von den Einflüssen der Widersacher gereinigt wäre, würde es wahrhaft beginnen, mit dem übereinzustimmen, wie es heute von den guten geistigen Mächten gewollt wird – würde es beginnen, wahrhaft rein erkennend zu werden ... und dann fiele nach und nach wirklich aller Unterschied zwischen „Denken“ und „Offenbarung“ fort. Wirklich fort fiele dieser jedoch erst, wenn das Denken sich nicht nur von der Macht der Widersacher befreien könnte, sondern sich auch mehr und mehr mit der Kraft erfüllen könnte, die wirklich die Kraft des Erkennens ist – und die ebenfalls mit einem Wesen zu tun hat, das das Mysterium des Erkennens bis in seinen Namen hinein trägt.


Im folgenden habe ich dann sehr detailliert eine „Phänomenologie der Widersacher“ entwickelt, um zu zeigen, wie konkret man in die Spiritualität hineinkommen kann. Einer solchen Konkretheit stehen dann nur so platte Formulierungen und sogar wüste Unterstellungen Clements wie die folgende gegenüber (29.10.2014):

► Ist der "Gott" in Steiners Spätwerk der "Gott" der Religionen, oder der "Gott" des steinerschen Frühwerks? DAS scheint mir die Gretchenfrage zu sein. Steiner hat es versäumt, seinen Anhänger diese Frage ganz klar zu beantworten, sei es, weil er seinen Anhängern das Selberdenken nicht abnehmen wollte, sei es, weil er sich am Ende in der Rolle des Propheten verloren hat.


In weiteren langen Ausführungen zeigte ich die völlige Haltlosigkeit von Eggerts Pol-Pot-Erguss auf, indem ich darauf hinwies, dass es niemals darum geht, den Intellekt zu verteufeln, sondern gerade darum, aufzuzeigen, wo im Intellekt selbst der Teufel im Detail steckt – und dass der Intellekt, auf den Rudolf Steiner so rechnete, erst dann zur reinen Intelligenz auferstehen kann, wenn er vom Hochmut und allen damit verbundenen Irrtumsquellen geläutert werden würde. Es ist einfach eine Tatsache, dass das heutige Denken genau diejenigen Elemente in sich enthält, die auch zu den Terrorregimen geführt haben. Sie spiegeln sich gerade auch in den Äußerungen eines Eggert. Ohne Läuterung des Denkens keine Geisteswissenschaft und keine wahre Erkenntnis des Geistes.

Als ich Eggert dann auf seinem eigenen Blog kurz dazu aufforderte, solche Äußerungen mit namentlichem Bezug auf meine Person zu unterlassen und sich lieber zu dem Niveau der gedanklichen Auseinandersetzung zu erheben, wie ich sie in den letzten Aufsätzen versucht habe, brach ein kleiner Kommentar-Sturm los, in dem in keinster Weise auf irgendetwas von mir Gesagtes eingegangen wurde, sondern in dem durchgängig nur meine Person lächerlich gemacht wurde.

Als sich dieses plumpe Lästern anlässlich meiner Dokumentation dieser Kommentare weiter fortsetzte, schrieb ich am 18. März einen Aufsatz über die „Alltags-Pathologie der ‚Egoisten’ (Eggert-Blog)“. Ich machte deutlich, wie inhuman gerade diese „Verteufelung des Ernstes“ ist, und schrieb:

Man merkt das gar nicht – und das haben die Widersachermächte so an sich, dass man sie zunächst nicht bemerkt. Vielleicht denkt man auch: ‚Dieser arrogante Niederhausen, der kann so was vertragen, der verdient das.’ Nur dass man fortwährend alles verwechselt: Arroganz mit Ernst, Ernst mit Humorlosigkeit, Humor mit Angst vor selbstständigem Denken etc. etc. Die Unterstellungen, die mir in den letzten Stunden begegnet sind, sind in ihrer Vielzahl und Leichtfertigkeit unglaublich – und doch ist gerade dies die menschliche Normalität: dieses leichtfertige, saloppe Urteilen über andere Menschen.


Demgegenüber versuchte ich die wirkliche Substanz und das eigentliche Wesen der Anthroposophie deutlich zu machen und schrieb dann:

Derjenige Ernst, der in einem lebt, wenn man sich diesem tief Menschlichen der Anthroposophie verbunden fühlt, ist anderen Menschen nicht begreiflich zu machen – erst, wenn in der Seele selbst eine Sehnsucht danach zu wachsen beginnt, bildet sich ein Organ dafür, das nicht mehr willkürlich urteilt, sondern versteht, was dies für ein Erleben ist. Es ist ein Ernst, der es einem unmöglich macht, sich an oberflächlicher Blog-Gruppenseelenhaftigkeit oder an subtilen oder offenen Grabenkämpfen zu beteiligen. Es ist ein Ernst, dem es egal ist, was Andere denken, wenn man davon zu sprechen versucht – weil man hofft, dass diejenigen, welche es hören sollen, schon auch hören werden. Es ist ein Ernst, der einen anderen Menschen in seinen Äußerungen usw. scharf kritisieren kann, ohne jedoch jemals die volle Achtung vor seinem Menschentum und seiner Person zu verlieren.


Als das abwertende, herabsetzende Sprechen über meine Person noch immer nicht aufhörte, trat ich am 19. März auf dem Eggert-Blog direkt auf und stellte all die plumpen Unterstellungen richtig – und wies daraufhin, wie sehr hier Projektionen am Werk sind:

Wenn Sie dabei bleiben, dass ich „dämonisiere“, so ist das Ihre Sache. Ich stelle nur fest, dass genau an diesem Punkt – der Frage, welche Qualität das Denken hat und mit welcher Qualität wirklich das Wesen der Anthroposophie erfasst werden kann – die entscheidende Frage liegt. [...] Sie können der Diskussion ewig ausweichen, indem Sie sagen, ich verteufele, ich dämonisiere, ich produziere alberne Szenerien, ich veranstalte bemühte Tiraden, ich zeige den Eifer der Verletzlichkeit etc. etc. – das ist alles zunächst mal nur in den Augen derer so, die es so sehen.


Daraufhin schaltete sich auch Clement selbst in die Diskussion ein und wiederholte erneut sämtliche Vorwürfe (man bemerke schon die subtil herabsetzenden ersten beiden Worte!):

► Schauen Sie, Lieber Herr Niederhausen. Ich will jetzt mal nur für mich sprechen, aber ganz offen.
Ich bin an Anthroposophie sehr interessiert. Und ich glaube Ihnen, dass Sie es auch sind. Aber: Ich kann auf Ihre Texte (hier und auf Ihrer Seite) einfach nicht eingehen. Diese Texte wirken auf mich aufgeblasen, überheblich, unreflektiert, einseitig, dogmatisch, unoriginell, verurteilend und arrogant. Wie Steiner aufgesogen und unverdaut wieder ausgespuckt. Sie wirken auf mich wie die Predigten eines Fanatikers, der sich im Vollbesitz der Wahrheit wähnt und dessen einziges Interesse darin besteht, die Welt mit den eigenen Ansichten zu beglücken bzw. zu retten.
Ich behaupte nicht, dass Ihre Texte oder Sie WIRKLICH SO SIND; ich sage nur, dass sie AUF MICH SO WIRKEN. Daher habe ich nicht die geringste Lust, mich darauf einzulassen. Nicht mal, sie zu kritisieren. Denn alles, was ich sagen könnte, würde ja an Ihnen abprallen und abgleiten wie das Fett von der Teflonpfanne. Wozu also sich die Mühe machen?


In meiner Antwort wies ich darauf hin, wie wenig der Wille vorhanden ist, auf Gedanken einzugehen – und wie sehr stattdessen immer wieder das eigene Bild des Anderen (das Psychologisieren) in den Vordergrund gestellt wird. Ich wies darauf hin, wie in unserer Zeit jeder Mensch ein „dogmatischer Besserwisser“ ist, weil er von seiner Ansicht zunächst ganz und gar überzeugt ist. Ohne eine Diskussion auf sachlicher Ebene kommt man aber keinen einzigen Schritt weiter. Es ist interessant, dass gerade die Menschen, die das „Moderne“ für sich beanspruchen, so wenig dazu bereit sind, wenn ihnen dezidiert und auch mit gewisser Schärfe eine andere als ihre eigene Anschauung entgegentritt.

Die nächsten Reaktionen der Blogger waren sehr heterogen, überwiegend nach wie vor jedoch weiterhin negativ. Ich ging auf alle in Kürze ein und stellte fest, dass ich in meinem eigentlichen Anliegen von niemandem dieser sieben, acht Menschen verstanden würde. Daraufhin äußerte sich ein Blogger, der bisher noch nicht aufgetreten war, dezidiert so, dass er sehr genau versteht, worauf ich hinauswill, dass man diese Dinge auf dem Eggert-Blog aber gar nicht mehr äußern dürfe (ohne sofort demselben Mobbing zum Opfer zu fallen).

Ein anderer Blogger setzte das Interpretieren/Psychologisieren und Lästern fort – und andere sprangen erneut wieder auf diesen Zug auf.

Ein weiterer Blogger wies auf einen eigenen älteren Aufsatz über den „anthroposophischen Spott“ hin, wonach Ernst und Ehrfurcht ohne Humor und Ironie oft belehrend oder fanatisch wirken würden und auch ein Symptom für die Enttäuschung über mangelnde eigene Fortschritte auf dem inneren Entwicklungsweg seien. Ihm gegenüber wies ich darauf hin, dass Spott immer dem Bereich der Widersacher angehört, und dass für eine wahre Erkenntnis von „Rechthaberei“ und ähnlichen Phänomenen bereits ein reines Denken notwendig ist, weil man sonst aus den Irrtümern der Interpretation und Projektion überhaupt nicht herauskommt:

Ich weise auch nicht per se vehementer als andere Menschen auf dasjenige hin, was ich als wahr erlebe – ich verbinde es jedoch mit einem anderen Ernst, und das erleben Sie wiederum als Vehemenz mit dem sich anschließenden Urteil „Rechthaberei“. Schon hier müsste aber differenziert werden und zum Beispiel die Frage gestellt werden, ob Wahrheit und Ernst auf manchem Felde miteinander zu tun haben.


Auch wies ich in Bezug auf das Herangehen an die Anthroposophie überhaupt daraufhin, dass es „Voraussetzungslosigkeit“ gar nicht gibt – dass vielmehr gerade Steiner die vielen Voraussetzungen schilderte, mit denen die Menschenseele heute beladen ist. Erst die Läuterung der Seele (Wahrnehmen, Denken, Fühlen, Wollen), wie sie unter anderem durch die „Philosophie der Freiheit“ (als Schulungsbuch) möglich ist, führt zur Voraussetzungslosigkeit.

Eine knappe Woche später startete Eggert einen neuen seiner typischen Angriffe. Am 26. März schrieb er:

Die Sektierer, Verschwörungstheoretiker und Schwafler innerhalb der Anthroposophischen Szene, die sich in allen möglichen Internet- Foren, Wegwerf- Blättchen, Pamphleten und Zeitschriften zur Zeit austoben, um ihren Kult gegen Christian Clements textkritischen Betrachtungen von Rudolf Steiners Schriften zu verteidigen, haben eine lange Geschichte. Steiners bildhaftes Spätwerk, seine emotionalen, anti- amerikanischen Auslassungen im Umfeld des Ersten Weltkrieges, seine verschwörungstheoretischen Auslassungen insbesondere gegen Freimaurer und Jesuiten, haben den Spekulanten tatsächlich Steilvorlagen geliefert, in denen seine meditativen, praktischen und kulturell- produktiven Impulse auch hundert Jahre später vielfach versinken. Stattdessen wird seit jeher dumpf gegen die Stimmung gemacht, die auf selbständige und wegweisende Art mit Steiners Texten arbeiten.


Ich zeigte in einer langen Erwiderung, wie sehr Eggert in solchen Ausfällen selbst einem aggressiven Schwarz-Weiß-Denken verfällt. Und da Eggert auch noch Georg Kühlewind als Kronzeuge für seine Thesen missbrauchte, zeigte ich ausführlich wie gerade Georg Kühlewind von der Wirklichkeit der geistigen Welten und von Wesenheiten wie Michael und Christus schrieb. Ausführlich zitierte ich dazu aus seinem Werk „Die Erneuerung des Heiligen Geistes“ und fasste all dies mit folgenden Worten zusammen:

Kühlewind ist kein Kronzeuge für die „neue Anthroposophie“, die Eggert, Clement und andere, von höheren Wesenheiten „gesäubert“, erschaffen wollen – er ist ein Zeuge der wirklichen Anthroposophie und kann differenziert und auf seine ureigene Art beschreiben, wie das Logos-Christus-Wesen, das Michael-Wesen und die Widersacher eine volle Realität sind, und wie die Entwicklung des Menschen zu höheren Bewusstseinsstufen gerade mit ihrer immer umfassenderen Erkenntnis einhergeht.


Mein kurzer Hinweis auf diesen Aufsatz auf dem Eggert-Blog führte erneut zu Vorwürfen der „Selbstbespiegelung“ und des „Kult-Stänkerers“. Ausführlich erwiderte ich auf alle Bemerkungen. Dennoch blieb es immer wieder bei der Frage, warum ich nicht selbst einen Blog starte und so weiter. Speziell ein Blogger hielt mir immer wieder neues Psychologisieren entgegen.

Schließlich äußerte eine Frau mit dem vielsagenden Namen Vera, dass sie immer wieder fassungslos vor solchen „Schlachten“ stehe. Daraufhin traten Eggert und jener andere Blogger in meine Richtung noch einmal nach. Ich dankte Vera für ihre Bemerkung, versuchte nochmals eine ernsthafte Erwiderung – aber erneut wurde gegen mich gelästert, es endete wie in einem absurden Theater...

3. Akt: Die Diskussion beginnt

Die Frucht der letzten Tage wurde dann am 28. März zu einem langen Aufsatz mit dem Titel „Erkenntnis-Grenzen als Weg zur Anthroposophie“. Darin zeigte ich zunächst beispielhaft an einer Aussage Clements, wie innerhalb von zwei Sätzen von einem Denken, das sich über seine eigenen Voraussetzungen noch mehr oder weniger bewusst ist, zu einem Urteil übergegangen wird, ohne diesen Wechsel auch nur im Geringsten zu bemerken.

An diesem Beispiel versuchte ich im Weiteren dann aufzuzeigen, was es bedeuten würde, in ein wirklich aktives, vollkommen bewusstes, behutsames, fortwährend innerlich erlebtes Denken hineinzukommen. Erneut machte ich ausführlich deutlich, welche Bedeutung eine ganz veränderte Seelenstimmung („Ehrfurcht“) für diesen Schritt hat – und dass eine solche Seelenstimmung nicht einfach eine abstrakte „Bedingung“ ist, sondern dass sie im Laufe der realen Schritte der Verwandlung des Denkens von selbst erwacht.

Erneut entwickelte ich eine phänomenologische Betrachtung der Widersachermächte, die im Zuge dieser Entwicklung immer mehr erlebt werden, und zeigte, dass die Ehrfurcht, die im Denken erwacht, einhergeht mit einem Hineinwachsen in die Sphäre des Moralischen überhaupt – was sich dann wiederum in allem einzelnen Tun offenbart.

Am selben Tag veröffentlichte Clement auf dem Eggert-Blog eine aktuelle Stellungnahme auf eine Besprechung der Einleitung der SKA 7 durch Peter Staudenmeier. In ihr zeigten sich zum ersten Mal deutlichere Konturen von Clements Thesen und seinem Weltbild. Er äußerte darin Sätze wie den folgenden:

► Der „Engel“ – als Engel – existiert nur, solange ein Mensch da ist, der ihn sich vorstellt/imaginiert, genauso wie ein Baum, der im Wald umstürzt, nur ein Geräusch macht, solange ein Mensch da ist, der es hört.


Ausführlich zeigte ich, dass Clements Thesen (und Interpretationen Steiners) eher Berkeley, Kant, Fichte und Hegel ähneln als Rudolf Steiner, der gegen all diese Denker noch etwas dezidiert Anderes vertreten hat, und dass sie nach wie vor Vieles im Unklaren lassen. Ich schrieb unter anderem:

Die höheren Wesenheiten sind zunächst gewiss nicht abhängig vom menschlichen „Ich“, denn ihrem Wirken verdankt der Mensch überhaupt erst, dass er ein „Ich“ werden konnte und lernen konnte, mit diesem „Ich“ immer mehr ein bewusst Erkennender zu werden. So gesehen ist also der Mensch zunächst ganz und gar abhängig von diesen höheren Wesenheiten gewesen – und ist es in vielerlei Hinsicht, etwa in Bezug auf die Leibesvorgänge zwischen Leben und Tod, um nur ein Beispiel zu nennen, immer noch.


Am selben Tag veröffentlichte Jostein Saether auf dem Eggert-Blog einen Aufsatz über meine Person bzw. einen Aufsatz von mir und schrieb:

Steiner braucht überhaupt keine gegenüber Kritikern anmaßend auftretenden und quengelnden Verteidiger. Sein Werk braucht Zeugen authentischen Geist-Erlebens und neuer Geistesforschung. Ich stehe da als Zeuge Steiners. Wer noch? [...] Aber es braucht einen freien Raum des offenen Dialogs, damit die Zeugenschaft anwachsen kann. Diesen Raum anzubieten, liegt in der Intention dieses Blogs mit dem selbstironischen Namen Egoistenblog, der darauf anspielen will, dass es hier besonders um das Verwandeln des Egos geht und nicht um seine Steigerung.


Angesichts der unglaublichen Unterstellungen schon der letzten Tage antwortete ich Saether auf diesen Aufsatz unter anderem mit einem Hinweis auf meine verschiedensten früheren Versuche, auf dem Eggert-Blog zu irgendeinem wirklichen Gespräch zu kommen, einschließlich meiner zwei offenen Briefe an Michael Eggert von Januar 2011, in denen schon einmal erstaunlich Vieles ausgesprochen worden war.

Als ein weiterer Blogger die Begriffe „Spießigkeit“, „inquisitorische Forderungen“ usw. ins Spiel brachte, antwortete ich auch diesem:

„Beim Andern das Unreine recherchieren“? Ich stelle niemanden bloß, sondern zeige Hindernisse auf, die zwischen der unreinen Erkenntnis und dem Wesen der Anthroposophie liegen. Sie können das, was ich schreibe, sehr gerne als ebensolche Thesen betrachten, wie sie Herr Clement vertritt. Regen Sie sich über meinen Stil nicht auf, sondern betrachten und bedenken Sie das, was gesagt wird – es sei denn, Sie sind an den eigentlichen Erkenntnisfragen gar nicht interessiert. [...] Auch auf Aussagen Michael Eggerts erwidere ich nur, wenn sie alles Maß überschreiten. Bei „Pol Pot" war das der Fall und bei „dumpfer Stimmungsmache“, „Kult-Anthroposophie“ und der Verwendung Kühlewinds als Kronzeuge gegen den „Wesenszoo“ ebenso. Meine detaillierte Entgegnung darauf war sehr sachlich, wie auch meine anderen Aufsätze. Entgegnungen auf alles Maß überschreitende Auslassungen als „spießig“ zu bezeichnen, ist seltsam. Sie drehen die Tatsachen geradezu um. Ein Michael Eggert darf also anderen Menschen alles Mögliche unterstellen – aber jegliche Antwort wäre bereits „spießig“, „inquisitorisch“, „das Unreine recherchieren“?


Auch weiteren Kommentaren und Fragen stand ich ausführlich Rede und Antwort.

Schließlich reagierte dadurch nach langer Zeit Clement selbst auch wieder auf meine Aufsätze und schrieb am 29. März:

► Lieber Herr Niederhausen. Eine kurze Bemerkung um Ihnen zu zeigen, dass ich Ihre Texte, trotz meiner ästhetischen Vorbehalte, durchaus sorgfältig mitverfolge und dass Ihre Bemühungen durchaus nicht in den Wind geschrieben sind (besonders wenn Sie, wie in ihrem letzten Beitrag, tatsächlich auf meine Dastellungen eingehen). Sie schrieben:
"Die höheren Wesenheiten sind zunächst gewiss nicht abhängig vom menschlichen „Ich“, denn ihrem Wirken verdankt der Mensch überhaupt erst, dass er ein „Ich“ werden konnte."
Ich stimme Ihnen voll zu, solange Sie auch die andere Seite der Sache anerkennen:
"Das "Ich" ist zunächst gewiss nicht abhängig von geistigen Wesenheiten, denn seiner Tätigkeit verdanken es die physischen, sinnlichen und geistigen Wesen, dass sie da sind und erscheinen können."
[...] Können Sie soweit mit mir gehen?


Ich erwiderte:

Lieber Herr Clement, von welchem „Ich“ sprechen Sie nun eigentlich? Die geistigen Wesenheiten verdanken es nicht der Tätigkeit des Ich, dass sie da sind. Es gibt auch keine physischen und sinnlichen Wesen – die Existenz von Wesen beginnt überhaupt erst jenseits des Physisch-Sinnlichen. Es tut mir leid, aber genau diese erstaunlichen Ungenauigkeiten geben ein deutliches Erleben davon, wie abstrakt ihre Thesen sind. Auf diese Weise kann man über die Anthroposophie oder auch nur Steiners Erkenntnistheorie nicht diskutieren – es sei denn, man glaubt fortwährend, in ein, zwei Sätzen den ganzen Steiner voll verstanden zu haben.
Ich sehe bisher nirgendwo, wo Sie die geistige Welt und die geistigen Wesen so ernst nehmen, wie Rudolf Steiner darüber gesprochen hat. Das hat nichts mit naivem Realismus zu tun. Wir alle wissen, dass der Mensch über die geistige Welt nichts erfahren kann, wenn er nicht selbst ganz und gar tätig wird, um innerlich seelisch-geistige Wahrnehmungsorgane auszubilden. Es ist eine völlig andere Wahrnehmungsart als die zunächst ganz gegenständlich-sinnliche. Die geistigen Wesen sind also nicht „da draußen“, weil es im Geistigen nichts Räumliches gibt. Dennoch ist die entscheidende Frage die, welche Realität Sie den geistigen Wesenheiten, von den Rudolf Steiner spricht, überhaupt zumessen.


Daraufhin versuchte ich deutlich zu machen, dass das eigentliche Problem des „naiven Realismus“ nicht ist, dass er die Dinge für real hält, sondern dass er das Denken für ein bloßes Abbilden hält. Der naive Realismus vergisst das Denken und übersieht, dass der Mensch im Erkennen innig mit den Dingen verbunden ist. Wenn das Wahrnehmen und Erkennen jedoch zur „Spiritual Activity“ werden, gewinnen die Dinge und auch der Mensch erst volle Realität – und der Mensch ist als geistiges Wesen im Erkennen anwesend. In Bezug auf die geistige Welt ist es nicht anders.

Daraufhin warf mir Clement erneut massive „Dünkelhaftigkeit“ vor und erwiderte in völligem Missverstehen des radikalen Schrittes, der von mir gerade gemeint war:

► Ich gewinne den Eindruck, als ob Sie sich der hier vorliegenden Notwendigkeit einer radikalen existentiellen Umwandlung der naiven Erkenntnishaltung, die in gewisser Weise einem Tod und einer Neugeburt im Geistigen gleichkommt, gar nicht bewusst sind und meinen, dem naiven Realismus seine Naivität nehmen zu können, indem Sie ihm ein ein neues Etikett aufkleben - "denkender naiver Realismus" bzw. "durch Lesen der PdF überwundener naiver Realismus".


Ich erwiderte Clement, dass er erneut psychologisiert habe und dass er seine Thesen zwar immer sehr gekonnt akademisch als „Thesen“ formuliere, aber im entscheidenden Moment eben auch in gleicher Weise urteilt: „Wer nicht denkt wie Clement, bleibt im naiven Realismus stecken“. Erneut wies ich darauf hin, dass das akademische, kalte Kopf-Denken an die Anthroposophie nicht herankommen kann – und dass ich sehr wohl in wirkliche Gespräche eintreten kann, wenn ich bei Menschen eine ähnliche Ehrfurcht wahrnehme, wie sie in mir lebt. In der Ehrfurcht lebt gerade auch die wirkliche Freiheit, es ist nicht die Ehrfurcht irgendeines Gurutums, sondern eine erkennende Ehrfurcht. Freiheit ohne Ehrfurcht dagegen entspricht einem Zustand, der den Weg erst noch finden muss oder noch gar nicht sucht.

Als Clement nur erwiderte: „Damit ist ja dann wohl alles gesagt.“, fügte ich noch hinzu:

Lieber Herr Clement, wenn Sie dazu nichts mehr sagen wollen, ja. Ich sehe das durchaus mit Bedauern. Ich fühle mich Ihrem Denken durchaus verwandter als den Äußerungen eines Rudolf X. oder eines Stephan Birkholz. Ich verstehe, wenn Sie meine eigene ausgestreckte Hand nicht sehen. Aber sie hat leider ebenso Bedingungen wie die ihre – nur andere. Sie wollen auf akademischer Ebene diskutieren – ich kann das nicht. Ich will über die Anthroposophie nur auf andere Weise sprechen – und das können Sie nicht. Unsere Wege werden sich aber so oder so wieder begegnen. Und einige meiner Einwände bringen ja zum Glück auch Andere vor – in einer Form, die Ihnen gemäßer ist.


Ich zitierte daraufhin aus zwei eindrücklichen Vorträgen Rudolf Steiners und schrieb zusammenfassend:

Die geistigen Wesen sind also gleichsam realer als der Mensch – sein Wesen wird durch das ihre gerade gehalten, getragen und bedingt. Nicht sie sind vom Ich abhängig und werden durch es interpretiert, sondern die Menschenseele wird von ihnen gedacht, und das unsterbliche Menschenwesen ist von ihnen abhängig.


Nach einigen Kommentaren schrieb Clement, in Anlehnung an Schelling, dass die idealistische Philosophie alles als vom Ich geschaffen betrachte, die Naturwissenschaft dagegen geht von der geschaffenen Natur aus. Die Geisteswissenschaft Steiners versuche nun, beide Standpunkte in einer höheren Einheit aufzuheben:

► Daher stellt die Geisteswissenschaft die Wirklichkeit als aus dem Geist hervorgehend vor. Denn Geist ist weder ein von der Natur abstrahiertes Ich, noch ist er von dem Ich abstrahierte Natur. Geist ist die Einheit beider, ist Natur und Ich zugleich. [...] Geist ist das, was sich im Laufe seiner Entwicklung in eine Ich-hervorbringende Natur und ein Naturhervorbingendes Ich auseinanderlegt, aber immer beides zugleich ist. [...]
Aus der Perspektive des Ich erscheint der Engel (und die gesamten Hierarchien), wie alles, was dem Ich bewusst werden kann, als Hervorbringung des Ich. Aus der Perspektive des Engels bzw. der Hierarchien insgesamt, erscheint das Ich (wie auch alles andere in dieser Welt) als Hervorbringung des Engels.


Ich erwiderte darauf, dass die Aussage über die „Perspektive des Ich“ gerade nicht wahr ist, weil das Ich, wenn es erkennend in die geistige Welt eintritt, schaut, indem es angeschaut wird. Hier noch von Konstruktion und Hervorbringung zu sprechen, ist sinnlos und sinn-entstellend.

An dieser Stelle schoss Eggert, meinen Hinweis auf die „akademische Herangehensweise“ und meine Worte über ein wirkliches Gespräch aufgreifend, erneut quer:

Sie wünschen eine Kultgemeinde, in der Einigkeit und stimmungsvolles Miteinander zelebriert wird- die sachliche Diskussion, die auch sachliche Kritik und Selbstkritik beinhaltet, interessiert Sie ebenso wenig wie die individuelle Aneignung dessen, was sie als "Anthroposophie" offenbar als gegeben hinnehmen. Damit stellen Sie sich gesellschaftlich, zeitgeschichtlich und persönlich ins Abseits. Das ist quasi die freiwillige Unterjochung, die Realisierung des Solipsismus, die Aufgabe menschlicher geistiger Freiheit. [...] Ihre Frömmelei und Gefühligkeit verdecken nicht Ihr schlichtes Weltbild und das Herunterbeten anthroposophischer Vokabeln.


Clement sekundierte mit einem erneuten Fall in Schwarz-Weiß-Dualismus und Spott:

► Was gäbe es denn an Steiner noch zu kritisieren oder zu verteidigen, wenn sich das Pochen auf die wortwörtliche Bedeutung der Steinerschen Imaginationen ebenso verflüchtigen würde, wie (glücklicherweise bei den meisten heute) der Glaube an die wortwörtliche Bedeutung der biblischen Schilderungen von Brotvermehrung, Sintflut oder Teilung des Roten Meeres? Dann müsste man ja vom Verteidigen und Kritisieren zum Verstehenversuchen übergehen. Wie langweilig! Wie mühsam!! [...] Was ist also der traurige Grund für all die Streitereien um Rudolf Steiner und die Anthroposophie? Der Doktor ist einfach noch nicht lange genug tot.


Ich erinnerte Eggert darauf an seine eigenen unmenschlichen Kommentare und Clement an seine ausbleibende Antwort auf Steiners Aussage, dass das unsterbliche Menschenwesen von höheren Geistwesen abhängig ist.

Daraufhin gab es zunächst eine längere Diskussion mit einer Bloggerin, ob das Ich reine Tätigkeit sei oder nicht. Schließlich antwortete ich ihr:

Das Ich ist wie alles Geistige in reinster Tätigkeit. Dem Satz „Das Wort ‚Ich’ bezeichnet eine Tätigkeit“ kann ich wiederum bereits nur begrenzt zustimmen – nämlich nur, wenn mitgedacht wird (!), dass das Ich zugleich Wesenskern des Menschen ist. Eine „tätige Instanz“ würde es besser treffen. Zugleich kann „Tätigsein“ auch bedeuten, ganz und gar durchlässig zu werden, um einem höheren Wesen die Möglichkeit zu geben, sich zu offenbaren usw. Man muss hier außerordentlich differenzieren. Du weißt ja, wie sehr Steiner alle Definitionen ablehnte – mit Recht.


Dann gab es eine weitere Diskussion mit einem Blogger, der mir auch weiterhin ungeheuren Hochmut vorwarf, wobei das Gespräch allmählich an die entscheidenden Punkte zu kommen schien, bis schließlich doch wieder ganz sarkastische Antworten fielen und auch Eggert wieder hineinschoss:

Dann schaut der Herr des Karma den Herrn Niedersachsen, von Engeln getragen, im jubilierenden Chor der Erzengel (zu seinen Füßen die Schoß Hündchen Luzi und Ahriman); und spricht: Scheiße, Herr Niederhausen, Thema verfehlt, setzen.

4. Akt: Der Kampf zwischen Realismus und Nominalismus/Konstruktivismus

Am Abend des 30. März stellte Clement seinen von Schelling ausgehenden Kommentar noch einmal als eigenen Aufsatz auf den Eggert-Blog, woraufhin ich meine Frage dort wiederholte.

Nun schaltete sich Felix Hau (Info3-Umkreis) ein, der auf seine salopp herabsetzende Art kommentierte:

Guckstdu oben, Herr Niederhausen. Da findest du mehrere Verweise auf Steiner selbst.


Ich erwiderte, dass die Ich-Philosophie noch nichts von dem wissen konnte, wie sich das Erleben in der „höheren“ geistigen Welt wirklich gestaltet und was sich dem Geistesforscher ergibt. Und mit Hinweis auf ein Zitat Kühlewinds schrieb ich:

Ein Engelwesen wird nicht glauben, es konstruiere Gott – sondern es lässt Gottes Atem durch sich hindurchwehen. Aus Gottes Perspektive ist der Engel Gottes Atem – und aus der Perspektive des Engels ist er, der Engel, dies auch. Die Ich-Philosophie hat zwei Möglichkeiten: Sie kann entweder größenwahnsinnig werden oder aber versuchen, in voller Freiheit und Bewusstheit zu dem aufzusteigen, was die Engel und die höheren hierarchischen Wesen tun.


Clement warf mir daraufhin einmal mehr ein Haften an mythologischen Bildern vor und schrieb von oben herab:

► Sie sind offenbar auch nicht in der Lage, einen dialektischen Widerspruch als solchen zu denken, sondern fordern penetrant nach Auflösung. "Schafft nun der Engel das Ich, oder das Ich den Engel?" So fragt das naive unbewegliche Entweder-Oder-Denken; die Philosophen haben das schon lange hinter sich gelassen. Sie anscheinend nicht, und deshalb verstehen sie nicht, wovon wir hier eigentlich reden. Ist ja in Ordnung, die wenigsten können das, nur schieben Sie mir nicht die Schuld dafür zu. Ich kann nicht dafür, dass Steiner aus dem deutschen Idealismus hervorging.


Ich erwiderte, indem ich ganz klar die entscheidenden Fragen wiederholte:

Wer oder was ist das Ich? Wer oder was ist das, was Steiner „Engel“ nennt? Wer konstruiert wen oder was? Und was ist damit ganz genau gemeint? Vielleicht können Ihnen ja alle folgen – wenn Sie denn endlich einmal aussprechen würden, was genau Sie sagen wollen. [...] Tun Sie nicht so, als sei man schon deshalb naiv, weil man die Worte „Engel“ usw., genau wie Steiner, verwendet, sondern gehen Sie auf die Fragen ein, die gestellt worden sind.


Daraufhin äußerte Clement am 31. März seine Thesen erstmals genauer. Ich gab diese zunächst so kompakt wie möglich wieder:

► 1. Sie zitieren Steiner: „Ich werde also sagen müssen: einmal bin ich Individuum, beschränktes Ich; das andere Mal bin ich allgemeines, universelles Ich.“ Und sagen dann, nach Steiner müsse also das „Ich“ dialektisch einerseits als individuelles Wesen und sich selbst erschaffendes Selbstbewusstsein, andererseits als universelles Wesen gedacht werden.
2. Die Bezeichnung „Wesen“ und „Wesenskern“ sei schon ungenau und bildhaft, denn das individuelle Ich sei für Steiner (wie für Fichte) reine Tätigkeit und nicht etwa ein „Etwas“, das tätig wäre.
3. Das universelle Ich sei nur ein einziges (nicht nur ein „höheres Ich/Selbst“ unter anderen), es kenne kein Innen und Außen, andere „universelle Iche“ müssten aber außerhalb dieses ersteren gedacht werden.
4. Das universelle Ich sei der „Gott“ der Religionen, der „unbewegte Beweger“, das „Absolute“, der „Logos“, aus dem alle Welten, alle Indivdual-Iche, alle Engel usw. hervorgehen.
5. Soweit Steiner.
6. Das „Ich“ sei nun zugleich Individual-Ich und Universal-Ich, also Ergebnis und Ursprung/Grund/Medium der natürlichen Weltentwicklung.
7. Es gebe nicht zwei „Iche“, nicht „Seele“ und „Gott“ (bloßes Bild), sondern nur ein „Ich“, das zugleich Vater(gott) und (Menschen)Sohn, universell und individuell sei (wobei sich das letztere in Individual-Ich und universelles Ich getrennt erscheint).
8. Das Individual-Ich werde vom „Engel“ = Universal-Ich hervorgebracht (der „Engel“ ist nur Bild für einen gewissen Aspekt von dessen Schöpfungstätigkeit), der Engel werde vom Universal-Ich hervorgebracht.
9. Mikrokosmisch bringe das Individual-Ich den Begriff des „Engels“ hervor.


Danach folgte meine ausführliche Widerlegung der einzelnen Aussagen.

Ich zeigte, dass Clement da, wo Steiner vom Denken spricht, einfach „universelles Ich“ setzt. Was bei Steiner die Polarität des individuellen Menschen ist (individuelles Fühlen, universelles Denken und Erkennen), wird bei Clement einfach so zur Polarität Individual-Ich / Universal-Ich. Auch in Bezug auf die Begriffe „Wesen“ und „Tätigkeit“ interpretiert Clement einfach in Steiner hinein, ohne auch nur in Erwägung zu ziehen, dass das wirkliche Ich gerade deshalb wesenhaftes Sein hat, weil es fortwährend in realer Tätigkeit ist. Beide Begriffe schließen sich nicht aus, sondern bedingen einander geradezu.

Mit der Gleichsetzung von Individual- und Universal-Ich ist man vollends bei bloßen Thesen Clements. Er verwirft nicht nur sämtliche Begriffe zwischen Gott und Seele, sondern spielt auch mit den Begriffen der Trinität, wobei er den Gottessohn völlig vergisst bzw. ausschaltet. Völlig offen bleibt, wie die Beziehung zwischen Christus und Jesus gedacht wird, aber auch zwischen „Universal-Ich“ und „Individual-Ich“, die ja ohnehin gleich sind:


Wenn es nur ein Universal-Ich gäbe, mit dem die Individual-Iche ganz eins sind, dann ist alles Individuelle nur Täuschung und würde die volle Bewusstwerdung des Einsseins eben zum Universellen führen. Dann könnte man dem Christus nur so nachfolgen, dass man selbst Christus wird – nicht ein weiterer Christus, sondern dieser Eine, denn es gibt nur Einen. Ihre These, die alles in Eins setzt, lässt jegliche Individualität letztlich völlig verschwinden – oder sie kann eben nicht konsequent gedacht werden.

Es gibt letztlich nicht einmal mehrere Menschen – nur, insofern „sie“ noch in einer Täuschung des Individual-Ich befangen sind. Nicht berücksichtigt ist auch, dass das „Ich“ selbst wiederum nur eine Stufe der Entwicklung geistiger Wesenheiten bezeichnet. Clement kann das „Ich“ in seinen Thesen nur dadurch verabsolutieren, indem er alles, was Steiner so differenziert geschildert hat, auf ein Nichts reduziert – auf Aspekte eines Einzig-Einzigen. Da wirklich alles wegfällt, fällt gar nicht mehr auf, was alles wegfällt. Ich schrieb:

Ihre These ist ein Rundumschlag, wirklich eine Weltformel. Anthroposophie besteht aber gerade in der Differenzierung, nicht in der Vereinheitlichung. Sie können das tiefgreifend in Mieke Mosmullers Buch „Arabeske“ nachlesen, eine Erwiderung auf Ken Wilber. Da wird der Unterschied wirklich eindrücklich – und man begreift zugleich das Bestrickende, Suggestive eines solchen großartigen Universalgemäldes, wie es Ihre These entwirft. Man begreift aber auch immer tiefer, wie sehr Sie Rudolf Steiner damit verlassen haben, von Anfang an. Sie schlagen gewissermaßen die entgegengesetzte Richtung ein. Die Möglichkeit, auf Steiners Frühwerke Bezug zu nehmen und auf Steiners Anknüpfung an den deutschen Idealismus (mit seiner „Ich-Philosophie“) hinzuweisen, gibt Ihnen die Möglichkeit, Ihre Thesen in ein Licht zu stellen, als hätten sie Ähnlichkeit oder sogar weitgehende Übereinstimmung mit Rudolf Steiners Anthroposophie. Aber dies ist nicht der Fall. Man kann dies deutlich erleben, wenn man erlebt, wie Sie schon im allerersten Punkt von Steiner abweichen. Wenn man die Konsequenzen durchdenkt, wird es immer deutlicher. Man kann dies in aller Klarheit durchdenken – aber wichtig ist, denn hier beginnt die Anthroposophie ja gerade, die Gedanken auch zu erleben. Dann wird der Unterschied eklatant und erschreckend deutlich.


Der Mensch kann den Begriff des Engels nur hervorbringen, weil ihm eine Wirklichkeit entspricht. Der Begriff des „Engels“ enthält das Wesen dessen, was der Mensch an Wesensbegegnung erfährt, wenn er einem solchen Wesen begegnet, wie er es mit dem Begriff „Engel“ bezeichnet. Rudolf Steiner hat diese Begriffe verwendet – und er hat ihnen Inhalt gegeben. Er hat beschrieben, was ein „Engel“ ist und was ein „Engel“ tut. Er konnte dies, weil er Wesensbegegnungen mit diesen Wesen hatte und weil der Mensch mit Hilfe jenes universellen Elementes, das dem Menschen gegeben ist, begreifen und erkennen kann, was er erlebt und wahrnimmt.

Wirkliches Erkennen besteht nur in der wirklichen Dialektik von Einswerdung und Anderssein. Diese Dialektik findet sich als Realität in Clements Thesen nicht. Das „Anderssein“, das in ihnen gerade aufgehoben wird, statt immer mehr zuzunehmen, ist das Grundgeheimnis jeder Entwicklung – die immer weiter fortschreitende Individualisierung und Differenzierung.

Das gerade ist das Grundgeheimnis der Anthroposophie. Das universelle Element soll gerade dazu verwendet werden, mit immer tieferer Liebe das Individuelle zu erkennen – wirklich zu erkennen, weil es wirklich da ist, in Überfülle, und weil es geboren werden soll, immer mehr. Rudolf Steiner war nicht der, als den Clement ihn deutet. Er zeichnet geradezu ein Gegenbild von ihm und seiner Anthroposophie.

Am 1. April schrieb Ingrid als zweite Blogmasterin neben Eggert, sie freue sich darüber, dass Clement und ich zum Ich-Begriff „so gründlich im Gespräch miteinander“ seien. Felix Hau dagegen kommentierte:

Herr Niederhausen schaut - wie so viele andere - Steiners Identitätsphilosophie im Lichte einer später von Steiner entwickelten religiösen Überformung ihrer selbst an. Und dieses Licht ist stark gedimmt; es ist eher Stimmungsbeleuchtung als Leselampe.


Ich erwiderte ihm, dass alles solches Reden nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass es gerade die eigenen unterstellenden Thesen sind, wenn behauptet wird, Steiner habe „religiös überformt“:

Laut Clement ist Rudolf Steiner „noch nicht lange genug tot“ – laut Ihnen hat er offenbar viel zu lange gelebt! Das ist, auf den Punkt gebracht, die Aussage, die Menschen wie Sie zu verbreiten suchen.


Hau erwiderte in tief abschätziger Deutung:

Die Anthroposophie ist beides: eine gigantische Sinngebungsveranstaltung für Menschen, die sich und ihrem Leben nicht selbst Sinn geben können und das detailverliebte Lebenswerk eines schöpferischen Geistes, der um des Schaffens Willen schuf – und dabei seine Art von Glück gefunden haben mag. [...] Menschen wie Herr Hau sind einfach nur in der Lage, Kleider von Leuten und Verpackung von Inhalt zu unterscheiden.


Ich antwortete, dass Rudolf Steiners Schilderungen keine „Verpackung“ waren, sondern der Inhalt seiner Geistesforschung, so nah er ihn nur an die menschliche Sprache heranbringen konnte. Bei Hau aber bleibt von der ganzen Geisteswissenschaft und den „höheren Welten“ nur das Selbst, ganz wie bei Gronbach, Grauer, Eggert etc.

Hau stellte sich dann mit folgenden Worten ganz in die Nähe des frühen Steiner:

Wie ich kannte auch er keinen Respekt gegenüber irgendwelchen deterministischen Anmaßungsphantasien samt ihren Inhalten (Gott und seine lächerliche Combo); wie ich hat auch er sich über die "religiösen Naturen" belustigt und sie polemisch aufs Abstellgleis der Evolution bugsiert; wie ich hat auch er sich über den blödsinnigen Wahn echauffiert, einen einzelnen historischen Menschen mit einem universellen Impuls zu identifizieren; er hat sogar, wie ich, das Christentum für die größte Verhinderungsveranstaltung des menschheitlichen Fortschrittes gehalten und sich, anders als ich, aus diesem einzigen Grund in seinen Wurzelmythos vertieft, um ihn in gedeihlicherer Version umzudeuten [...].Ja – da ist durchaus echte Seelenverwandtschaft.


Ich wies darauf hin, dass Steiners frühe Äußerungen gegen das Christentum sehr wohl voll zu verstehen seien, dass aber Steiner zeitlebens gerungen habe und dass genau dies ihn von Menschen wie Hau, bei denen man nur den bloßen, destruktiven Spott erlebt, wodurch alles einen vollkommen anderen Charakter bekommt, durch Abgründe trennt.

Clement meldete sich mit einem Kommentar zu Wort, in dem er auf keinerlei Punkte meiner langen Widerlegung einging, und zunächst schrieb:

► Nicht weil ich glauben würde, dass einer von uns mehr „Recht“ hätte, sondern weil meine individuelle Deutung nun mal das einzige ist, was ich einzubringen habe und weil ich glaube, dass in dieser Differenzierung und Entfaltung der Wirklichkeit in möglichst viele individuelle Spiegelungen der Erkenntnisprozess weitergetrieben wird. Das Wahre ist, da gehe ich mit Hegel, immer das Ganze.


Ich erwiderte, dass er mit diesen Aussagen zweimal die lebendige Dialektik verlässt: Zum einen besteht die Dialektik der Wahrheit darin, dass es auch Unwahrheit gibt. Zum anderen ist auch der individuelle Mensch nicht auf eine Deutung festgelegt, sondern kann seine Deutungen verändern und sich der Wahrheit annähern oder sich von ihr entfernen. Clements Äußerungen verdecken also auch hier erneut die entscheidende Frage nach Wahrheit und Unwahrheit. Sonst hätten schon damals Gegner der Anthroposophie sagen können: „Sehen Sie, Herr Doktor, das ist Ihr Standpunkt von Anthroposophie. Wir haben den unsrigen, und dieser ist nicht weniger Teil der Wahrheit – und zwar der Wahrheit der Anthroposophie.“

Clement ging auf meine Fragen nach „Ich“ und „Engel“ noch immer nicht ein, sondern schrieb nun in Bezug auf den von mir betonten Schulungsweg:

► Ich habe zudem den Eindruck, sie vermischen ständig diese beiden Ebenen: Anthroposophie als Instrument persönlicher spiritueller Schulung und Anthroposophie als wissenschaftlicher Zugang zur Wirklichkeit.


Ingrid schrieb nun, die Wahrheit eines Standpunkts könne nur dann beurteilt werden, wenn man sich ganz auf diesen stellt – und da Clement mir widersprochen habe, sei mir dies noch gar nicht gelungen. Ihr antwortete ich, dass er auf meine Widerlegung überhaupt nicht eingegangen ist und nur diejenigen Kurzkommentare aufgreift, die mit der eigentlich wichtigen Frage „Ich/Engel/Universal-Selbst“ überhaupt nichts zu tun haben.

Clement erwiderte ich erneut:

Anthroposophie als Schulungsweg und als Geisteswissenschaft (wissenschaftlicher Zugang zur Wirklichkeit) sind dialektisch gesehen dasselbe. Anthroposophie wird nur da zur Geisteswissenschaft, wo sie verwirklichter und sich verwirklichender Schulungsweg wird – und umgekehrt: Der Schulungsweg wird nur da richtig beschritten, wo er von Anfang an wissenschaftlich ist / gegangen wird. Sie vergessen offenbar, dass Geisteswissenschaft im eigentlichen Sinne nur mit Geistesorganen möglich wird. Diese vollkommen wissenschaftlich-kritisch zu entwickeln, ist Anthroposophie als Schulungsweg.


Wer von außen prüfen will, kann aus seiner Sicht auf alle möglichen Urteile kommen – für die Anthroposophie sind diese zunächst gar nicht relevant, nur für den Urteilenden selbst. „Wissenschaft mit Kritik, Argwohn und Distanz“ darf sein, nur sagt sie stets mehr über sich selbst aus als über die Anthroposophie, da sie sich ja gar nicht auf ihren Boden zu stellen bereit ist.

Erneut fragte Ingrid nun zwischendurch nach dem Unterschied von „Wesen“ und Tätigkeit“, und ich antwortete ihr: Tätigkeit ist etwas, was ein Wesen entfaltet. Das, was ein Wesen ausmacht, sein Wesen (als Verb verstanden), ist sein Tätigsein. Die Tätigkeit ist das, was von ihm ausgeht – und was auch noch in seiner Offenbarung und Wirksamkeit erlebbar sein kann, ohne dass das ganze Wesen darin erlebt wird. Es sind einfach zwei Begriffe, die innig zusammengehören, einer ohne den anderen ist nicht denkbar, insbesondere aber nicht Tätigkeit ohne Wesen.

Nachdem mir dann Felix Hau erneut Ignoranz vorgeworfen hatte, stellte ich ihm die konkrete Fragen, was er bei Steiner genau als „Verpackung“ bezeichne und ob er einmal konkrete Zitate Steiners bringen könne, in denen er davor warnt, das Gesagte wörtlich/bildhaft zu nehmen. Und bezogen auf Clement schrieb ich:

Wenn man das, was Steiner als „Denken“ bezeichnet, schnell und sorglos zum „Universal-Ich“ erklären und „soweit Steiner“ hinzufügen kann, lässt sich alles behaupten. Dann schnell noch die Etiketten „Wissenschaft“, „kritisch“ und „Distanz“ drauf – und fertig ist der Konstruktivismus. 


Daraufhin antwortete Clement:

► Lieber Herr Niederhausen, nur weil der Engel aus dem ich kommt (und natürlich zugleich das Ich aus dem Engel), heisst das doch nicht, dass es den Engel "nicht gibt". Ich habe doch ganz deutlich gemacht, dass meiner Meinung nach Steiner dem Engel sehr wohl Realität zuspricht, insofern er das imaginative Bild eines realen Aspekts der Wirklichkeit ist. Nur, weil so ein Engel - als Engel - eine Imagination ist, heisst dass doch nicht, dass er nicht ist. Im Gegenteil, er ist auf viele Weise: für den Hellseher als Imagination, für das abstrakte Denken, je nachdem wie man ihn fasst, eine Kraft oder Tätigkeit oder Wesen oder Manifestation oder Aspekt des Absoluten.


Ich erwiderte ihm:

Aber Sie haben gesagt, „Wesen“ ist nur Bild, also haben Sie keinen Begriff vom Wesen – denn ein Begriff ist kein Bild, sondern eine Wirklichkeit. [...] Ich spreche nicht von dem Engel als traditionell-christliche überlieferter Bildvorstellung, auch nicht von der Imagination, auch nicht von dem abstrakten Denken, sondern von der Frage, was dem intuitiven Erleben entspricht, wenn Steiner am Ende von einem „Engel“ spricht.
Wenn Steiner betont, dass im Geistigen letztlich alles wesenhaft ist, dann sind alle Begriffe wie „Kraft“, „Manifestation“ oder ähnliches zu abstrakt. Nicht „Wesen“ ist zu bildhaft, sondern „Kraft“ oder „Aspekt“ usw. ist zu schwach. Es drückt zwar alles gewisse Aspekte der Wirklichkeit aus, aber erst im Begriff des Wesens, des differenziert wesenhaften Erlebens, gewinnt dieses Erleben seine höchste Stufe. Wenn etwas „wesenhaft“ erlebt wird, kann man hinter diesen Begriff nicht mehr zurück, dann ist dies mehr als nur „Kraft“, „Aspekt“ oder „Tätigkeit“. Es ist ein Qualitätsunterschied, nicht einfach bloß eine beliebige Bezeichnung.


Felix Hau brachte als Antwort dann die Unterscheidung von Erleben, Sich-Veranschaulichen und Vermittlung. Außerdem wies er auf Zitate aus „Geheimwissenschaft“, „Theosophie“, „Mein Lebensgang“ und dem Aufsatz „Der Egoismus in der Philosophie“ von 1899 hin.

Ich wies darauf hin, dass Steiner zunächst nur allgemein von „Geist“ spricht, und dass sich dieses Erleben einer geistigen Welt für ihn später immer weiter differenziert. Auf jedes einzelne Steiner-Zitat ging ich ein, insbesondere dann auch auf das „freie Erbilden“:

Was Sie nicht berücksichtigen, ist, dass schon Goethes Urpflanze auf diesem „freien Erbilden“ beruht, denn sie ist nirgendwo in der Natur zu finden – und auch nicht eine Abstraktion, von sinnlich sichtbaren Pflanzen abgezogen. Dieses „freie Erbilden“ bleibt ein gültiges Gesetz auch bei der Erkenntnis der höheren Geistwelt. Aber diesem „freien Erbilden“, wenn es im Sinne des Schulungsweges entwickelt wurde, führt zu einem realen Erkennen. Und warum? Weil die geistige Wirklichkeit diesem „freien Erbilden“ des Menschengeistes entgegenkommt und sich in dieses freie Erbilden hinein-kleidet. Da haben Sie die „Verkleidung“ und das Objektive, das sich hinein-kleidet zugleich. Das ist lebendige Dialektik der Geistes-Wissenschaft. Die geistige Welt KANN dem Menschengeist nur auf diese Weise entgegenkommen. Er muss mit diesem „freien Erbilden“ anfangen!


Mit einem weiteren Zitat aus der „Theosophie“ zeigte ich, wie wichtig das Aufnehmen der Gedanken und Schilderungen des Geistesforschers (Studium) gerade ist, um in der Erkenntnis weiterzukommen – und dass an solchen Zitaten gerade der plumpe Vorwurf der „Kritiklosigkeit“ seinen Sinn verliert. Denn gerade die übertriebene Kritik stößt von realer geistiger Erkenntnis zurück, macht sie unmöglich.

Hau erwiderte mir, dass er an die Entwicklung zunehmender Geist-Erkenntnis nicht glaube. Steiner habe in späteren Jahren nur das zuvor Erlebte zunehmend in Anschauungen verwandelt und diese dann ausgedrückt. Auch meine Beschreibung des Grundprinzips der Geisteswissenschaft (freies Erbilden, damit die geistige Welt dem Menschengeist entgegenkommen kann) bezeichnete er als „viel zu kompliziert“. Die Wahrheit sei schlicht, dass „der Mensch die Quelle des Geistes sei“. Und er allein sei es auch, der „die Wirklichkeit der von ihm erschaffenen geistigen Welt“ verbürge.

Ich erwiderte:

Herr Hau, das Problem des Nominalismus ist es, dass er, wenn man von „Wesensbegegnung“ spricht, antwortet, das seien bereits bloße „Ausdrücke“. Ich muss einen Erlebnisinhalt nicht „verwesentlichen“, wenn er bereits im unmittelbaren intuitiven Erleben Wesenscharakter hat! Ich kann mir zwar bewusst werden, dass er dies hat, aber das ändert nichts an der Tatsache. Was Sie mit Ihren Schritten Erlebtes > Anschauung machen, unterstellt, dass das „Erlebte“ danach „interpretiert“ werden müsse. Das ist zwar bei den unteren Erkenntnisstufen der Fall, nicht jedoch bei der Intuition selbst, denn diese ist unmittelbare Wesensbegegnung und unmittelbare Anschauung dieser Begegnung.
Ein Beispiel finden Sie im sogenannten Ausnahmezustand. Das Denken, das sich selbst erfasst, ist das Ur-Beispiel der Intuition. Es muss nicht nachträglich interpretieren oder zu einer Anschauung machen, was es da erfasst hat. Dies ist im Moment des intuitiven Erfassens so klar wie nur möglich, ohne jeden Rest. Nun müssen Sie nur noch in der Lage sein, diese Klarheit und Unmittelbarkeit auf das intuitive Erkennen anderer Geistigkeit auszudehnen.

5. Akt: Ultimative Unterstellungen und Rauswurf

Ingrid verwies nun auf eine ältere Äußerung von Clement und fragte, wie ich diese begreife:

► »Können Sie den Gedanken fassen, dass eine Offenbarung, die ein "Engel" Ihnen aus der "geistigen Welt bringt", eigentlich eine Offenbarung ist, welche Sie der Welt bringen?«


Ich antwortete ihr, ich begriffe sie so, dass er den Engel verneinen und bloß mich (ohne den Engel) an seine Stelle setzen wolle.

Die entscheidende Frage besteht für mich darin, ob man sowohl den Engel als auch den Menschengeist denken kann, oder ob man den Engel nur zum Produkt des Menschengeistes oder zu einem Aspekt des Universal-Ich (was auch immer das ist) machen muss – kurz gesagt: ob man die Unterschiede verwischt, um im Schwammig-Abstrakten zu landen, oder ob man außer dem Menschengeist noch an etwas Wesenhaftes festhalten kann.
Noch anders gesagt: Erfasst der Menschengeist immer nur sich selbst – oder auch noch anderes außer sich selbst?


Nun kam von Ingrid der Hinweis, Clement habe doch an anderer Stelle den Engel gerade nicht verneint, und dann kamen folgende Sätze:

Du scheinst in seinen Antworten (übrigens auch denen von Felix Hau) nur das zur Kenntnis zu nehmen, was Du Dir schon vorher über die „Nominalisten“ zurechtgelegt hast. So werden wir freilich nicht recht weiterkommen, und es würde mich nicht wundern, wenn Christian es irgendwann aufgibt, Dir zu antworten.


Ich äußerte meine Verwunderung über diese deutliche Parteinahme und Unterstellung und betonte nochmals, dass für Clement letztlich nur unterschiedliche „Aspekte“ der „universellen Schöpfungstätigkeit“ existieren würden – und er dafür letztlich nichts weiter als das Wort „Universal-Ich“ habe. Dann listete ich ihr annähernd zwanzig entscheidende Fragen auf, die Clement seinerseits noch nicht beantwortet hatte, während ich fortwährend auf jede einzelne Äußerung von Clement, Hau und anderen eingegangen war.

Ich wies darauf hin, dass man „selektive Wahrnehmung“ jedem unterstellen könne – aber nur auf der Grundlage der eigenen Meinung und Position, nämlich wenn man sich zum Richter über die Wahrheit machen zu können glaubt. Einen objektiveren Begriff böten tatsächlich nur die unbeantworteten Fragen. Dort aber, wo auf Fragen eingegangen wird, müsse man bitte zunächst immer den guten Willen des Antwortenden voraussetzen.

Nun folgte der ultimative Auftritt des Blog-Herren Michael Eggert, mit folgenden Worten:

Wie Ingrid schon schrieb, nehmen Sie nur zur Kenntnis, was Ihnen ins Konzept passt. Im übrigen ist Ihr Tonfall unangemessen. Das hier ist weder eine kriminaltechnische noch eine inquisitorische Untersuchung- auch wenn Sie exakt so auftreten. Sie verwenden durch die Auflistungen und wiederholten Fragen Techniken des Verhörs. Offenbar sind Sie in der falschen Veranstaltung.


Daraufhin fasste ich in Worte, was Eggert und zuvor im Grunde auch Ingrid schon eigentlich getan hatten:

Solange die richtigen Personen mit den richtigen Auffassungen diskutieren, nennt man es „Diskussion“, sind es die falschen Personen mit den falschen Auffassungen, nennt man es „Inquisition“.
Stellen die richtigen Personen Fragen, auf die die falschen falsch eingehen, nennt man es „selektive Wahrnehmung“, wiederholen die falschen Personen Fragen, auf die die richtigen nicht eingehen, nennt man „Verhör“.
Unterstellen die richtigen Personen den falschen „selektive Wahrnehmung“, ist es in Ordnung, sich nicht zu wundern, wenn andere richtige Personen den falschen nicht mehr antworten. Wollen die falschen Personen einfach nur Antworten und im übrigen keine Unterstellungen, sind sie in der „falschen Veranstaltung“.


Eggert hatte nicht einmal gemerkt, dass ich meine Fragen nur aufgelistet hatte, weil mir diese unglaubliche Unterstellung und ihrerseits selektive Wahrnehmung entgegengehalten worden war.

Zwölf Minuten nach meiner abschließenden Antwort begann der Karfreitag. Es war die Nacht, in der das Logos-Wesen verraten worden war...

Epilog

Zwei Menschen schrieben nach diesen Geschehnissen das Folgende.

Burghard Schildt schrieb:

Ich wünsche für Holger und zudem für jeden weiteren Beitragenden, hier im Egoistenblog, dass im Hinblick auf die jeweiligen Beiträge dasjenige zunehmend in Kraft tritt, das hier inzwischen zwar wie eine Selbstverständlichkeit thematisiert, aber nicht realisiert wird. „Die Unterscheidung von Verpackung und deren Inhalt.“


Rainer Herzog schrieb:

Lieber Herr Niederhausen, dass man Ihnen jetzt auf diesem Blog eine "inquisitorische" Haltung, sowie eine "atheistische Depression" [M.Butty: „Man muß halt bedenken, daß Herr Niederhausen kämpft, um offenbar um innere Zweifel nicht aufkommen zu lassen. Womöglich lauert eine atheistische Depression als Hüterin der Schwelle, zu Füßen seines Schreibtisches und es geht um die Unsterblichkeit seiner Seele.“] vorwirft, tut mir für Sie leid. Das "Niederhausen-Bashing" hat eben eine gewisse Tradition, ebenso hält man gerne an Bildern fest, die man von anderen hat. Dass das Ganze möglicherweise verletzend ist, interessiert nicht.
Es geht bei diesen Dingen primär um schlichte Symphatie/Antipathie Bonuspunkte, um ein mehr assoziatives und willkürliches Antworten auf Fragen, welche einem gerade so passen; eine so gründliche und sachliche Auseinandersetzung, die Sie hier gegenüber den Thesen von Clement entwickelt haben, geht dabei leider unter.
Wie ich Ihnen schon geschrieben habe, ist es weiterhin Ihr Stil, Ihre "Art", mit dem ich persönlich "nicht zurechtkomme", egal, ich hatte jedenfalls in diesen Tagen wirklich den Eindruck, dass Sie der einzige auf diesem Blog sind, der C.Clement kritisch auf Augenhöhe begegnen kann. Danke dafür und schöne Ostertage!