04.06.2015

Reines Denken und der Auferstehungsleib

Rückblick auf das Pfingstseminar 2015 mit Mieke Mosmuller.


Nach fünf mehrtägigen Seminaren im Berner Oberland seit Sommer 2012 gab Mieke Mosmuller in den Pfingsttagen das sechste Seminar dieser Art. In diesem stand nun zum ersten Mal das reine Denken ganz unmittelbar im Mittelpunkt – und der tiefe Zusammenhang zwischen dem reinen Denken und der Schöpfungsgeschichte, dem Auferstehungsleib und dem zukünftigen Menschen.

Das tief Beeindruckende an Mieke Mosmullers Seminaren ist, dass diese immer in hohe, wirklich heilige Themen eintauchen und dass es dabei immer darum geht, wie das Berührte im Menschen selbst zu einer Realität werden kann. Die höchsten Themen werden nie als reine Offenbarung behandelt, sondern immer im Sinne eines wirklichen Lebendigmachens der Anthroposophie in der eigenen Seele und durch das eigene geistige Wesen. Immer wieder wird in ihren Seminaren erlebbar, wie ungeheuer weit und hoch das Menschenwesen und die geistige Welt gedacht und empfunden werden muss.

Am ersten Tag entfaltete Mieke Mosmuller so auch ein erstes Erleben, wie weitgehend über das reine, lebendige Denken gedacht werden muss, wenn man sich über seine Wirklichkeit klar werden will. Dieses reine Denken, das eigentlich die ganze Anthroposophie in sich trägt, kann im Grunde nur dann stark entwickelt werden, wenn man sich zur ganzen Frage des Schicksals in bestimmter Weise stellt. Die Schicksalsereignisse sind ein Geschehen, das zutiefst mit dem eigenen Wesen zu tun hat. Im eigenen Schicksal soll das eigene Wesen die Kraft finden, in den Ereignissen zu stehen, immer mehr eine eigene Entwicklung und Vervollkommnung selbst in die Hand zu nehmen und alles, was einem begegnet, wirklich zu wollen. Bringt der Mensch eine solche Stärke auf, dann kann er auch das reine Denken in einer solchen Stärke und Realität zur Entwicklung bringen, dass dieses nicht außerhalb des Lebens bleibt, sondern selbst wirksam in das Leben einzugreifen vermag. Erst durch diesen Zusammenhang mit dem realen Schicksal kann das reine Denken auch befruchtend in die Wirklichkeit hineinwirken.

Zur Übung wurden zwei Abschnitte, in denen Rudolf Steiner vom reinen Denken spricht, intensiv mitgedacht, und es wurde versucht, zwei Seelenstimmungen zu entfalten, die mit der Läuterung der Seele und der Umkehr des Willens zusammenhängen: die Stimmung der Verwunderung und der Frage.

Am zweiten Tag gab Mieke Mosmuller einen tiefen Einblick in die geistige Lage, in die der Mensch hineingestellt ist. In Zusammenhang mit Rudolf Steiners sechster Klassenstunde beschrieb sie, wie Seele und Geist des Menschen ohne Hilfe des Leibes und der höheren Wesenheiten noch gar nicht wahrhaft menschlich sein können und wie erst das reine Denken die erste Stufe der höheren, wirklichen Menschlichkeit ist. Sehr deutlich machte sie, dass dieses reine Denken nicht einfach eine „Denktechnik“ ist, sondern etwas Großes, Erhabenes – das zugleich das einzige Heilmittel gegen die Katastrophen sein wird, die eintreten müssen, wenn die Entwicklung der rein menschlichen Intelligenz weiterhin unterlassen werden würde.

Die eurythmisch (durch Raphaela Kühne) begleitete Ausführung eines esoterischen Spruches über das höhere Menschenwesen gab von nun an täglich ein tiefes Erlebnis. Demgegenüber schilderte Mieke Mosmuller die Folgen des Sündenfalls und den Zusammenhang zwischen den Elementen und dem Reich des Ätherischen mit den im Grunde unendlich trivialisierten Seelenkräften des Denkens, Fühlens und Wollens. Nach und nach konnte so das Ausmaß dieses kosmischen „Falles“ des Menschenwesens immer mehr empfunden werden. Zugleich eröffnete sich ein Verständnis für die Wege, auf denen der Mensch diese Seelenkräfte erlösen und sich den realen Ätherkräften wiederum nähern kann.

Am Pfingstsonntag gestaltete Mieke Mosmuller einen umfassenden Ausblick auf den geistigen Ur-Menschen, Adam Kadmon, und machte deutlich, wie dieser mit der reinen Menschheitsseele in Beziehung steht, die sich im nathanischen Jesus des Lukas-Evangeliums verkörperte. Und wiederum wurde erlebbar, wie der Mensch, der im reinen Denken zu der erhabenen Anschauung der Hervorbringung der Idee kommt, auf dem Wege ist, die Wege wieder aufwärts zu gehen, die die Menschheit zunächst abwärts gehen musste.

Am vierten Tag wurde dieses Erlebnis dann zu einem Höhepunkt geführt. Ganz deutlich wurde nun, wie der Mensch in der Anschauung des reinen Denkens aus dem Bereich der Widersacher heraustritt und diejenige Art der „Gegenüberstellung“ verwirklicht, die von der göttlichen Welt selbst gewollt gewesen war. Deutlich konnte werden, wie der Mensch sich in der Verwirklichung dieses Schrittes und damit dessen, was Mieke Mosmuller in ihrem Buch über die Kategorien die Dreizehnte Kategorie genannt hat, dem Christus-Wesen selbst nähert und eine Verbindung zur Auferstehungsleiblichkeit schafft.

So ging dieses einzigartige Pfingstseminar zu Ende. Noch ein letztes Mal erklang das während dieser vier Tage miteinander erübte Chorstück, das eine wunderbare musikalische Durchdringung des Seminarthemas gab und dessen allmähliches Entstehen zugleich ein weiteres Erleben eines organischen seelisch-geistigen Wachstumsprozesses gegeben hatte.

Der wirkliche Verlauf eines solchen Seminars kann in einem kurzen Rückblick nicht einmal skizziert werden. Tief eindrücklich aber ist es, wie in allen Seminaren von Mieke Mosmuller eine wirkliche Entwicklung angeregt wird – die zugleich nichts von den „schnellen“ spirituellen Wegen hat, die sonst so verbreitet gelehrt werden und die dadurch doch wiederum im Bereich der Widersacher verbleiben. In dem, was Mieke Mosmuller in ihren Büchern und Seminaren gestaltet, spürt man unmittelbar die jahrzehntelange meditative Erfahrung und die absolute Reinheit des Weges. Das gerade ist das Außergewöhliche: die in ihnen lebende reale, reine Geist-Wirklichkeit.