05.06.2015

Eine neue Runde in Clements Bewusstseins-Karussell

Verdeutlichungen zu einem wiederum völlig irreführenden Clement-Kommentar zu einer Steiner-Fußnote.

Einleitung

In einem neuerlichen Blog-Beitrag versucht Christian Clement, Herausgeber der „Kritischen Steiner Ausgabe“, wiederum, Menschen von seinen bewusstseinstheoretischen Gedanken zu überzeugen.

Nachdem er sämtlichen Fragen meinerseits letztlich vollkommen ausgewichen war und nachdem sich eigentlich die Hohlheit seiner Begriffe gezeigt hatte, fällt auf, dass er auch weiterhin keinerlei klare Begriffe bildet. Er hält sich dermaßen zurück und laviert derart vorsichtig bzw. ungreifbar, dass man sich wirklich fragt: Was will er eigentlich? Will er die Vorstellungen und Gedanken von Menschen beeinflussen, ohne sich selbst klar auszudrücken? So muss es wohl sein, denn die klare Darstellung seiner simplen Gedanken von Individual-Ich und völlig abstraktem „Universal-Ich“ würde wirklich die meisten klar denkenden Menschen von vornherein abwinken lassen.

Clement verweist auf die „Engel-Diskussion“, in der er dafür plädiert habe, sich über die Dichotomie der Positionen zu erheben, Engel und andere geistige Wesen würden entweder unabhängig von oder aber nur in Verbindung mit einem sie erkennenden Bewusstsein existieren (Realismus vs. Idealismus). Man könne sich „in Anlehnung an Schellings identitätsphilosophisches Denken“ zu einer Perspektive erheben, die beide Positionen in sich vereinen würde.

Das hört sich natürlich sehr schön an, aber genauer wird Clement da nicht. Und wo er es in der Blog-Diskussion dann wurde, landete er eben bei Worthülsen („Universal-Ich“), die er nicht im Ansatz zu füllen vermochte – ganz abgesehen davon, dass er Steiners eigene Worte (vom Wesen des Denkens) für seine Zwecke entstellte.

Clements „einfachste Betrachtung“

In seinem neuen Blog-Beitrag weist er eigentlich wiederum nur auf eine Bemerkung Rudolf Steiners in der „Geheimwissenschaft“ hin. Steiner schreibt dort:

Wie unsere Erde von einem Luftkreis umgeben ist, so war es auch der Saturn; nur war bei ihm dieser „Luftkreis“ geistiger Art. Er bestand eigentlich aus den eben genannten und noch andern Wesenheiten.
GA 13, S. 160.


In einer Fußnote fügte Steiner 1920 hinzu:

Eine ganz genaue Sprechweise müßte, um das innere Erleben bei der Geistesforschung exakt auszudrücken, statt „der Saturn war von einem Luftkreis umgeben“ sagen: „Indem das übersinnliche Erkennen sich des Saturn bewußt wird, stellt sich vor dieses Bewußtsein auch ein Luftkreis des Saturn“ oder „stellen sich andere, so oder so geartete Wesen“. Die Umsetzung in die Redewendung: „dies oder das ist da“ muß gestattet sein, denn im Grunde findet dieselbe Umsetzung auch in der Ausgestaltung des Sprachgebrauchs für das wirkliche Seelenerlebnis bei der sinnenfälligen Wahrnehmung statt, aber man wird gegenüber der folgenden Darstellung sich dieses gegenwärtig halten müssen. Es ist ja auch schon aus dem Zusammenhang der Darstellung gegeben.


Und Clement kommentiert nun:

[...] wäre dann nicht dem einseitig-realistischen Verständnis der Steinerschen Texte, sowohl in seinen binnenanthroposophisch-religiösen wie ihren steinerkritisch-akademischen Varianten, der argumentative Boden entzogen?
[...] Im Sinne der obigen Aussage müsste man auch im Hinblick auf eine triviale Aussage wie „da ist ein Stuhl“ im Sinne einer genauen Sprechweise eigentlich sagen: „vor das Bewusstsein stellt sich eine so und so geartete Gestalt, die man 'Stuhl' nennen kann“. – Und wie könnte es anders sein? Die einfachste Betrachtung des Sachverhalts zeigt, dass sich ein „Stuhl“ ohne ein denselben wahrnehmendes Bewusstsein ebensowenig denken lässt wie ein „Engel“ oder ein „atlantischer Mensch“.


Was sagt Clement eigentlich? Er diffamiert das realistische Verständnis als „einseitig“ und, insofern es nicht steinerkritisch-akademisch ist, als „religiös“. Dann sagt er, weder Stuhl noch Engel lassen sich ohne wahrnehmendes Bewusstsein denken. Was er damit meint, wird erneut nicht klar. Dennoch endet mit diesen Feststellungen einmal mehr ein Blog-Beitrag von Clement – als bloße Behauptung, aber mit dem Anspruch, eine Fußnote von Steiner regelrecht ausgelegt zu haben...

...und seine weiteren „Erklärungen“

Man muss wiederum bis in die folgende Diskussion gehen, um Clements konkretere Gedanken zu bekommen. Dort schreibt er:

[...] "Ich-Sein", "Subjekt-Sein" oder "Innenwelt-Sein" ist notwendig immer eine Bestimmung jenes Seins, welches als "Ding", "Objekt" oder "Aussenwelt" gedacht wird; und umgekehrt: "Dinge", "Objekte" und "Aussenwelten" gibt es nur für ein "Ich", ein "Subjekt" oder eine "Innenwelt".
[...] Natürlich werden einseitig-realistisch bzw. dualistisch gesinnte Menschen immer einwenden: ich kann mir zwar kein Bewusstsein vorstellen, dass nicht Bewusstsein eines Seins wäre; sehr wohl aber ein Sein, welches unabhängig von einem Bewusstsein existiert. –
[...] Ein als-unabhängig-vorgestelltes-Sein bleibt doch immer ein vorgestelltes, etwas, was derjenige, der das Argument vorbringt, selbst erschafft und dann behauptet, er habe es nicht erschaffen.
[...] Ein als-unabhängig-vorgestelltes Sein welches nicht vorgestellt würde ist eine Unmöglichkeit. –
Kurz: das Bewusstsein kann nur dadurch von sich selbst abstrahieren und ein von ihm selbst unabhängiges Sein postulieren, dass es sich selbst missversteht oder sich selbst betrügt. - Es gleicht darin dem Menschen, der sich den Konsequenzen seiner eigenen Taten gegenüber sieht und diese als ein über ihn verhängtes Schicksal ansieht, mit deren Zustandekommen er nichts zu tun hat.
Allerdings zeigt die Erfahrung, dass Argumentieren hier nicht viel nützt. Manche Menschen müssen das obige Argument nur einmal hören, um davon für immer überzeugt zu sein; andere werden sich eher "für ein Stück Lava im Mond halten" (Fichte), als es anzuerkennen. [...]
23.05.2015 15:06


Einmal mehr diffamiert Clement also alle Menschen, die seine Argumente nicht übernehmen – indem er Fichte missbraucht, der von seinen Zuhörern innere Aktivität des Ich erwartete. Diese kann man jedoch sehr wohl entfalten und gerade dadurch Clements Irrtümer erkennen.

Clement behauptet, ein Engel oder ein Stuhl lassen sich nicht denken „ohne ein denselben wahrnehmendes Bewusstsein“. Warum nicht?

In der Blog-Diskussion schreibt er auf einmal, ein „als-unabhängig-vorgestelltes Sein“ ist per definition immer schon vorgestellt, existiert also nicht ohne das es vorstellende Bewusstsein.

Meint Clement wirklich, beide Male das Gleiche gesagt zu haben?

Selbstverständlich gibt es das „als-unabhängig-vorgestellte Sein“ nicht ohne mich, denn ich stelle es mir ja vor. Ebensowenig gibt es den vorgestellten Stuhl nicht ohne mich, denn ich stelle ihn mir ja vor. Dennoch gibt es den wirklichen Stuhl im Nebenzimmer auch, ohne dass ich ihn mir vorstelle. Wenn ich in das Nebenzimmer gehe, sehe ich ihn ja wieder – und er wird in der Zwischenzeit nicht weg gewesen sein.

Nun sagt Clement allerdings, der Stuhl ist für sich gar kein Stuhl – nur für mein „wahrnehmendes Bewusstsein“ ist er dies. Aber was ist er, wenn ich ihn nicht wahrnehme? Kein Stuhl? Oder nicht da? Ein abwesender Stuhl? Oder ein anwesendes Nicht-Stuhlhaftes? Darauf müsste Clement antworten, wenn man sein ganzes Argumentierten nicht nur für Sophisterei und Blenderei halten soll.

Was Clement alles nicht unterscheidet

Etwas Anderes ist es – und jetzt verlassen wir Clement und gehen zu Rudolf Steiner –, sich über die Bedeutung des Denkens für das menschliche Erkennen klar zu werden.

Dann geht es nämlich um die Erkenntnis, dass die Wahrnehmung (in üblichem Sprachgebrauch) niemals ohne das Denken da ist. Der wahrgenommene Stuhl ist immer auch der schon gedachte Stuhl, die mit dem Begriff zusammengebrachte Wahrnehmung.

Der Stuhl ist sehr wohl unabhängig von mir da. Aber dass ich ihn als Stuhl erkenne („wahrnehme“), ist nicht eine unabhängig von meiner Tätigkeit einfach daseiende Wahrnehmung meiner Sinne, sondern ist ein Zusammenströmen der Wahrnehmung und meiner denkenden Tätigkeit, deren Anteil mir zunächst ganz unbewusst bleibt.

Sehr wohl ist ein Stuhl ohne aktuell erkennendes Bewusstsein denkbar, nicht jedoch ohne ein ihn einmal geschaffen habendes Bewusstsein – und auch nicht ein erkannter Stuhl ohne ein erkennendes Bewusstsein.

Aber all diese Unterschiede macht Clement nicht, und deshalb ist es eigentlich so irreführend und fruchtlos, sich auf den Treibsand seiner halb fertigen Gedanken einzulassen. Man lernt bei ihm keine Klarheit der Gedanken, sondern wird allenfalls eingelullt und träumt nur noch, man würde klar denken.

Clement unterscheidet nicht einmal zwischen Vorstellung und Sein. Er sagt, ein als-unabhängig-vorgestelltes Sein kann immer nur ein vorgestelltes Sein sein, damit sei es aber bereits von einem Bewusstsein abhängig.

Aber ich kann mir sehr wohl einen einsamen Menschen auf einer fernen Südseeinsel vorstellen. Ein solcher Mensch, falls es ihn gibt, wird sehr wohl völlig unabhängig von meiner Vorstellung leben können, meine Vorstellung dagegen gehört nur zu meinem Bewusstsein. Begegne ich andererseits auf einer realen Insel einem realen Menschen und erkenne ihn als diesen Menschen, ist auch diese Erkenntnis nicht ohne mich da, der Mensch jedoch war es bis dahin schon...

Wenn Rudolf Steiner schreibt:

Eine ganz genaue Sprechweise müßte, um das innere Erleben bei der Geistesforschung exakt auszudrücken, statt „der Saturn war von einem Luftkreis umgeben“ sagen: „Indem das übersinnliche Erkennen sich des Saturn bewußt wird, stellt sich vor dieses Bewußtsein auch ein Luftkreis des Saturn“ oder „stellen sich andere, so oder so geartete Wesen“.

möchte er nicht sagen, dass der Saturn oder die gewissermaßen einen „Luftkreis“ um ihn bildenden Wesen ohne ein erkennendes Bewusstsein (des Geistesforschers, Steiner) nicht dagewesen wären, sondern er möchte verhindern, dass man Geistesforschung wie ein übersinnliches „Wahrnehmen“ nach Analogie der Sinneswahrnehmung vorstellt; er möchte ganz deutlich machen, dass übersinnliche Forschung und Erkenntnis aktivstes geistiges Tätigkeitsein ist.

Von welchem Bewusstsein sollten die „Saturn-Vorgänge“ denn abhängig gewesen sein, da sie doch schon in der Vergangenheit liegen? Natürlich – erkannt werden können sie nur durch ein erkennendes Bewusstsein, aber real geschehen sind sie bereits, bevor sie unendlich viel später durch den Geistesforscher erkannt wurden... Das Bewusstsein, das bei diesem Saturn-Werden „dabei“ war, war ein ganz anderes, nämlich das der geistigen Wesenheiten, die Steiner als die schaffenden Wesenheiten dieses damaligen Werdens beschreibt.

Dass der Geistesforscher dann vergangene Zustände erkennen kann, liegt nicht daran, dass nun ein Bewusstsein die „Konsequenzen seiner eigenen Taten“ erkennt; sondern es liegt daran, dass der Geistesforscher dasjenige schauen kann, dessen Konsequenz schließlich der Mensch geworden ist. Der Mensch ist die Konsequenz der Taten geistiger Wesenheiten – aber erkennend kann er zu deren vergangenen Taten vordringen, denn sie sind als Konsequenz noch immer in ihm, und auch seine Fähigkeit, das Erkennen zu entfalten, ist eine Konsequenz dieser göttlichen Taten...

All diese Differenzierungen und Einsichten sind für Clement vielleicht zu hoch oder ihm zu wenig genehm. Aber das ist dann sein Problem. Man sollte sich nur selbst nicht von ihm einlullen und einwickeln lassen, um in einem Nebel zu landen, in dem man dann nur noch meint, irgendeinen gedanklichen Boden zu haben, während man längst in einem wirklichen Nichts schwebt. Man gleicht dann einem Menschen, der sich der eigenen Tatenlosigkeit und Clements Verwirrungen gegenübersieht.