Rudolf Steiner über (äußeres und inneres) Gegnertum

Siehe auch zu den immer wiederkehrenden Verleumdungen: Zum Antisemitismus-Vorwurf | Zum Rassismus-Vorwurf | Die heillose Frage nach den Rassen.

Als ich nach Stuttgart ge­kommen hin, wurde mir mitgeteilt, daß aus unseren Kreisen heraus allerlei Urteile registriert worden sind darüber, wie es doch scharf sei, einem alten Herrn, der ja sogar Schriften von mir gelesen hat, in einer solchen Weise entgegenzutreten. Man müsse doch Rücksicht nehmen auf erstens – zweitens – drittens ... Das ist leider auch in unseren Reihen noch vielfach verbreitet, daß einem gerade dann, wenn es sich darum handelt, an irgendeinem Punkte Ernst zu entwickeln, von denjenigen Menschen, die unsere Bewegung am liebsten auf dem sektiererischen Gesichtspunkte erhalten möchten, in den Rücken gefallen wird.
11.1.1920, GA 196, S. 52.

Wünschen möchte man nur ..., daß die Zahl der naiven Leute immer geringer und geringer würde, die noch immer glauben, daß es, wenn man solche Dinge widerlegt, den Leuten etwas hülfe, die heute aus den trüben Quellen heraus, um die es sich hier handelt, arbeiten. Die interessieren Widerlegungen außerordentlich wenig; denn ihnen geht es nicht darum, die Wahrheit irgendwie auch nur zu berühren, sondern sie kämpfen gegen alles dasjenige, was als ein neuer Geist in die Menschheit einziehen soll, mit jedem Mittel. Sie folgen den Kräften, von denen sie besessen sind.
11.1.1920, GA 196, S. 52.

Ich habe letzten Sonntag hier ... auf mancherlei Be­strebungen, die sich gerade gegen unsere Geisteswissenschaft geltend machen, hingewiesen. Es ist aber gar nicht so selten, daß gerade in unse­ren Reihen ein entschiedenes, dezidiertes Denken darüber übelgenom­men wird, könnte man sagen. Das muß scharf ausgesprochen werden aus dem Grunde, weil ja jene Art von Verleumdungsfeldzügen, die gegen die anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft und was sie sozial als Konsequenz nach sich zieht, erst im Anfange sind. Wie tritt doch immer wieder und wiederum aus unseren Reihen einem das Verderbliche entgegen, daß verlangt wird, man solle, wenn jemand ver­leumdet, den alten Herrn oder wer es ist, manchmal auch einen jungen Herrn, eine alte Frau, manchmal auch eine junge, möglichst schonend behandeln. Da wird gesagt: Wer verleumdet, soll vor allen Dingen in unseren Reihen auch möglichst schonend behandelt werden; man soll sich mit Leuten, die Verleumdungen in die Welt setzen, erst anfreun­den! – Darauf kommt es nicht an heute! Wer die Zeit versteht, sollte das einsehen. Es kommt heute nicht darauf an, daß man sich auseinandersetzt mit den Menschen, die Verleumdungen über die Welt streuen, sondern darauf kommt es an, daß man bei andern Menschen diese Menschen charakterisiert, daß man sich mit ihnen nichts zu schaffen macht, daß man sie als Menschen, die man an sich nicht herankommen lassen will, behandelt und die andern Menschen in entsprechender Weise aufklärt, was das für Individuen sind, die da in der Welt stehen. Das ist es, wor­auf es ankommt heute!
16.1.1920, GA 196, S. 68f.

Das ist dasjenige, wovon man wünschen möchte, daß es denn doch Platz griffe: daß Anthroposophie sich eine enthusiastische Anhängerschaft erwerben könnte, die glühend wäre für Realisierung dieser Anthroposophie. Ich habe drüben im Bau erwähnt, daß uns heute wiederum von jener Seite her, wo die Lügen nach Dutzenden gezählt werden können, eine neue, wie man es nennt: sensationelle, das heißt eine Skandalbroschüre angekündigt wird. Die Leute sind am Werk. Warum? Weil die aus ihren schlechten Seelenempfindungen heraus stark enthusiastisch empfinden können. Sie können stark enthusiastisch lügen. Man muß sich angewöhnen, ebenso stark enthusiastisch die Wahrheit vertreten zu können, sonst werden wir mit der Zivilisation nicht weiterkommen können, meine lieben Freunde!
Wer heute in der Welt sich umblickt, der muß sich klar darüber sein, daß ernsthaftig der Weg zurück zu den Hierarchien gesucht werden muß, heraus aus der ahrimanischen Umklammerung. Dazu gehört aber, daß man in den Einzelheiten an die Dinge geht. Immer wiederum tauchen die Dinge auf, daß, wenn irgendein ruchloser Gegner kommt und das oder jenes hineinschmeißt in die Welt, selbst unsere eigenen Anhänger noch kommen und sagen: Das muß man noch prüfen, ob der oder jener es nicht aus dieser oder jener Schwäche begangen hat. – In der Anthroposophischen Gesellschaft ist leider immer die Sehnsucht vorhanden, viel mehr dasjenige anzuklagen, was aus der Wahrheit heraus spricht, als solche Gegner anzuklagen, die aus ihren Seelenuntergründen heraus alle Wahrheit in den Kot treten möchten. Solange es noch in der Anthroposophischen Gesellschaft selber Usus ist, immer wieder Mitleid zu haben mit der Lüge, so lange kommen wir nicht vorwärts.
Es muß das immer wiederum von Zeit zu Zeit gesagt werden, daß wir die Lüge als Lüge erkennen müssen; denn die Lüge ist es, in die Ahriman sich verschlüpft, und die Lüge ist es zumeist, die, wenn sie gelogen hat, sich auf den guten Glauben, auf das beste Wissen und Gewissen beruft. ... Soll die Anthroposophische Gesellschaft das sein, was sie sein will, dann muß sie von einem glühenden Wahrheitsgefühl durchdrungen werden, denn das ist heute identisch mit einem glühenden Gefühl für den Fortschritt der Menschheit. Alles übrige ist nur erfüllt von dem Willen, der in die Niedergangskräfte hineinführt und immer weiter hineintreibt.
17.7.1921, GA 205, S. 241f.

Aber es soll schon der Kontrast recht oft vor unsere Seele treten zwi­schen dem Ernste wahren anthroposophischen Strebens und demjeni­gen, was unsere Mitwelt vielfach aus diesem anthroposophischen Streben macht. Da kommt manchmal allerdings etwas Groteskes, vielleicht, wenn wir nicht so nötig hätten, uns dagegen zu wehren, auch bloß Ko­misches heraus.
30.1.1923, GA 257, S. 46f.

Heute steht eben die Anthroposophische Gesellschaft vor der Notwendigkeit, nicht bloß zuzusehen der wirklichen anthroposophischen Arbeit und daneben allerlei zu begründen, ohne daß man diesen Begründungen den anthroposophischen Eifer und anthroposophischen Enthusiasmus zugrunde legt, heute steht die Anthroposophische Gesellschaft vor der Notwendigkeit, sich bewußt zu werden der anthroposophischen Arbeit. Das ist eine ganz positive Bezeichnung ihrer Aufgabe, die nur in den Einzelheiten ausgeführt zu werden braucht. Sonst, wenn dieses Positive nicht unternommen wird, führt das dazu, daß Anthroposophie durch die Anthroposophische Gesellschaft vor der Welt geschädigt und immer mehr geschädigt würde. Wie viele Gegnerschaft hat zum Beispiel die Dreigliederungsbewegung der anthroposophischen Bewegung deshalb gebracht, weil die Dreigliederungsbewegung nicht verstanden hat, sich auf anthroposophischen Boden zu stellen, sondern sich auf den Boden aller möglichen Kompromisse gestellt hat, und man nach und nach in einzelnen Kreisen anfing, Anthroposophie zu verachten. In ähnlicher Weise geht es auf anderen Gebieten.
6.2.1923, GA 257, S. 67.

Jeder kann auch seine eigene Meinung haben; aber es ist nicht brüderlich, einen Irrtum bestehen zu lassen, und man kann nicht schweigen, wenn in theosophischen Zeitschriften, wo wir die Wahrheit zu verkünden haben als unsere Mission, wenn das herabgezogen wird, ja zur Karikatur entstellt wird. ... Wir müssen in unserem esoterischen Leben die Kritik nicht unterdrücken, aber die Sachen und Dinge objektiv anschauen lernen. Erörtert müssen diese Sachen werden; aber man soll nicht lieblos werden gegen die Gegner. Die beste Liebe ist, die Wahrheit objektiv anzuschauen und das warme Liebesgefühl im Herzen zu behalten.
20.9.1912, GA 266b, S. 429, Gedächtnisnotiz.

Allerdings muß man auch manchmal wiederum auf das hinschauen, was alles heute über Anthroposophie geurteilt wird. Es ist ja nach und nach so gekommen, daß kaum eine Woche vergeht, ohne daß irgendein gegnerisches Buch über Anthroposophie erscheint. Die Gegner nehmen Anthroposophie sehr ernst. Sie widerlegen sie alle acht Tage einmal, zwar nicht so sehr von verschiedenen Standpunkten aus, denn sie sind nicht sehr erfinderisch, aber sie widerlegen sie. Ja, interessant ist es, wie man nach dieser Richtung hin Anthroposophie behandelt. Da fin­det man sehr gelehrte Leute, oder Leute, die Verantwortlichkeitsgefühl haben sollten, auf irgendeinem Gebiete Bücher schreiben. Sie führen dann an, was sie über Anthroposophie gelesen haben: kein einziges Buch ist oftmals darunter, das von Anthroposophen selber herrührt, sondern aus lauter gegnerischen Werken unterrichten sie sich.
24.7.1924, GA 310, S. 170.

Da kann man zum Beispiel folgendes erleben. Es leben in Stuttgart Gegner der Anthropo­sophie, heftige Gegner, Gegner aus Begründung heraus, denn es sind wissenschaftliche Gegner, und die wissen, daß Anthroposophie so ein dummes, unwissenschaftliches Zeug ist: sie schicken ihre Kinder in die Waldorfschule. Sie finden sogar, daß die Waldorfschule für ihre Kin­der ausgezeichnet ist. Kürzlich einmal besuchten zwei solcher Leute die Waldorfschule und sagten: Aber diese Waldorfschule ist doch wirklich gut, wir merken es an unseren Kindern; schade nur, daß sie von der Theosophie aus begründet worden ist. ‑ Nun wäre die ganze Waldorf­schule nicht da, wenn nicht die Anthroposophie da wäre. Aber Sie sehen, das Urteil mancher Menschen ist so, wie wenn man sagen würde: Das ist ein ausgezeichneter Tänzer, schade nur, daß er auf zwei Beinen stehen muß. ‑ So ist die Logik der Gegner.
24.7.1924, GA 310, S. 174.

Man kann zum Beispiel einem auf der Höhe der Wissenschaft stehenden Theologen sagen: Was du über den Christus sagst, sagen wir ja auch, nur noch etwas dazu! – Er ist aber nicht zufrieden, daß man das sagt, was er sagt und noch etwas dazu; er sagt: Man darf nichts dazu sagen. – Er kritisiert nicht dasjenige, was seinen Behauptungen widerspricht, sondern er kritisiert dasjenige, worüber er gar nichts sagt. Er kritisiert es, bloß weil man über dasjenige etwas sagt, worüber er nichts weiß.
28.10.1922, GA 315, S. 127.

Die Gegnerschaft wird gerade innerhalb unserer Bewegung unberück­sichtigt gelassen von den meisten auch unserer Mitglieder. Sie küm­mern sich nicht gern darum, und das ist eben Mangel an Interesse an der Zeitgeschichte. Aber aus Interesse an der Zeitgeschichte heraus müssen wir reden und müssen wir handeln. Nur dadurch bekom­men unsre Worte ein wirkliches Gewicht, daß wir daraus handeln. Wir dürfen diese Gegnerschaft nicht leicht nehmen. Es ist ja manch­mal gerade innerhalb unsrer Bewegung geradezu zum Verzweifeln, wenn man sieht, wie gegenüber den furchtbaren Anklagen, die erho­ben werden gegen Anthroposophie ... die Leute in­nerhalb unsrer Bewegung ganz phlegmatisch bleiben. Da sind wirk­lich die Gegner, wenn man so sagen darf, andere Kerle.
14.2.1921, GA 338, S. 96.