Die drei Stufen höherer Erkenntnis

Rudolf Steiner: Die Erkenntnis vom Zustand zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, GA 35, S. 275-305. | Überschriften und Hervorhebungen H.N.

Das Denken und der Wille

Das Wesentliche, das leicht mißverstanden werden kann, ist, daß man auf dem Wege, den die Geistesforschung geht, den Seelenerlebnissen durch innere Anstöße eine gewisse Richtung gibt, und ihnen dann, wenn sie diese Richtung verfolgen, Kräfte entlockt, die sonst in ihnen, wie in einer Art von Seelenschlaf, unbewußt liegen. [...] Verfährt die Seele in dieser Art, so schiebt sie gewissermaßen ihr inneres Erleben in das Gebiet der geistigen Wirklichkeit hinein. Sie öffnet ihre dadurch sich bildenden rein geistigen Wahrnehmungsorgane der geistigen Welt, wie sich die Sinne nach außen der physischen Wirklichkeit öffnen.

Eine Art dieser Seelenverrichtungen besteht in einer kraftvollen Hingabe an den Vorgang des Denkens. Man treibt diese Hingabe an die Denkvorgänge so weit, daß man die Fähigkeit erlangt, die Aufmerksamkeit nicht mehr auf die im Denken vorhandenen Gedanken zu lenken, sondern allein auf die Tätigkeit des Denkens. Für das Bewußtsein verschwindet dann jeglicher Gedankeninhalt, und die Seele erlebt sich wissend in der Verrichtung des Denkens. Das Denken verwandelt sich so in eine feine innerliche Willenshandlung, die ganz vom Bewußtsein durchleuchtet ist. – Im gewöhnlichen Denken leben Gedanken; die gekennzeichnete Verrichtung tilgt den Gedanken aus dem Denken aus. Das herbeigeführte Erlebnis ist ein Weben in einer inneren Willenstätigkeit, die ihre Wirklichkeit in sich selbst trägt. Es handelt sich darum, daß durch fortgesetztes inneres Erleben in dieser Richtung die Seele sich dahin bringe, mit der rein geistigen Wirklichkeit, in der sie webt, so vertraut zu werden, wie die Sinnesbeobachtung es mit der physischen Wirklichkeit ist. [...]

Zunächst führt das Geschilderte zu inneren Seelenerlebnissen, die sich dem Menschen als bange seelische Bedrückung darstellen. Was erlebt wird, erscheint so, als wenn es aus dem Gebiete des gewöhnlichen Daseins herausführe und doch in eine neue Wirklichkeit nicht wahrhaft hineinführe. Man weiß zwar, daß man in einer Wirklichkeit lebt, aber man erfühlt diese Wirklichkeit nur als die eigene geistige Wesenheit. [...] Der geistige Zustand, in den man sich so hineinlebt, läßt sich etwa damit vergleichen, wenn man empfinden müßte, wie man mit den Händen nach allen Seiten Greifbewegungen machen müsse, man aber nirgends etwas ergreifen könnte.

Wird jedoch der Weg der Geistesforschung in der richtigen Art gegangen, so treten die obigen Erlebnisse zwar auf, aber sie werden als eine Seite der Seelenentwickelung durchgemacht, die ihre notwendige Ergänzung in anderen Erlebnissen findet. Wie gewisse Anstöße, die man den Seelenerlebnissen gibt, zu dem Erfassen der Willenswirklichkeit im Denken führen, so führen andere Richtungen, in die man die Seelenvorgänge lenkt, dazu, in der Willenstätigkeit verborgene Kräfte zu erleben. [...]

Im gewöhnlichen Leben wird eine Willensentfaltung der eigenen Seele nicht so wahrgenommen wie ein äußerer Vorgang. Selbst dasjenige, was man zumeist Selbstbeobachtung auf diesem Gebiete nennt, bringt den Menschen durchaus nicht in eine Lage, in der er etwa das eigene Wollen so ansehe, wie er einen äußeren Naturvorgang ansieht. Daß man dieses Wollen sich so gegenüber finden könne, wie man als Zuschauer eine äußere Tatsache gegenüber hat, dazu sind wieder kraftvolle, durch Willkür hervorgerufene Seelenvorgänge notwendig. Werden diese aber in der entsprechenden Art herbeigeführt, dann tritt etwas völlig anderes ein als etwa ein Anschauen des eigenen Wollens in derselben Weise, wie eine äußere Tatsache angeschaut wird. In diesem Anschauen taucht im Seelenleben eine Vorstellung auf, die gewissermaßen ein inneres Abbild der äußeren Tatsache ist. Beim Beobachten des eigenen Wollens erlischt die gewohnte vorstellende Kraft. Man hört auf, in der nach außen gerichteten Art vorzustellen; dafür aber entbindet sich aus den Untergründen des Wollens ein wesenhaftes Vorstellen. Es bricht durch die Oberfläche der Willensbetätigung ein solches wesenhaftes Vorstellen hervor; ein Vorstellen, das mit sich lebendige geistige Wirklichkeit bringt.

Zunächst tritt innerhalb dieser geistigen Wirklichkeit die eigene verborgene Geistwesenheit hervor. Man wird gewahr, wie man einen verborgenen Geist-Menschen in sich trägt. Man hat diesen nicht wie ein Gedankenbild in sich, sondern als ein wirkliches Wesen; wirklich in einem höhern Sinne, als es der äußere Leibesmensch ist. Nur tritt dieser Geistmensch nicht so auf, wie äußere sinnlich wahrnehmbare Wesen, die dem Beobachter sich in ihren nach außen sich offenbarenden Eigenschaften darbieten. Er stellt sich vielmehr durch sein Inneres dar, durch Entfaltung einer inneren Betätigung, die ähnlich ist dem Entfalten der Bewußtseinsvorgänge in der eigenen Seele. Nur ist das so entdeckte Bewußtseinswesen nicht wie die im Menschenleibe lebende Seele auf Sinnesdinge gerichtet, sondern auf geistige Vorgänge, zunächst auf die Vorgänge des eigenen bisher entwickelten Seelenlebens. Man entdeckt wahrhaftig in sich einen zweiten Menschen, der als Geistwesen ein bewußter Zuschauer des gewöhnlichen Seelen-Erlebens ist. [...]

Wie im verwandelten Denken eine Willenswirklichkeit entdeckt wird, so im Willen ein im Geistigen webendes wesenhaftes Bewußtsein. – Und die beiden erweisen sich nun für das weitere Seelen-Erleben als zusammengehörig. Sie werden gewissermaßen auf nach entgegengesetzten Richtungen laufenden Wegen gefunden; ergeben sich aber als eine Einheit. Die Bangnis der Seele, die im Weben in der Willenswirklichkeit erlebt wird, hört auf, wenn sich diese aus dem entwickelten Denken geborene Willenswirklichkeit mit dem gekennzeichneten Bewußtseinswesen verbindet. Und durch diese Verbindung wird der Mensch erst vor die allseitig wirkliche Geistwelt gestellt. Indem diese Verbindung eintritt, hat der Mensch nicht nur das eigene Selbst sich geistig gegenüber, sondern auch Wesenheiten und Vorgänge der geistigen Welt, die außerhalb seines Selbst liegen.

In der Welt, welche der Mensch also betreten hat, wird das Wahrnehmungs-Erlebnis ein wesentlich anderer Vorgang als die Wahrnehmung es im Verhältnis des Menschen zur Sinnenwelt ist. Wirkliche Wesenheiten und Vorgänge der geistigen Welt heben sich aus dem Bewußtseinswesen heraus, das aus der Entwickelung des Willens sich geoffenbart hat. Und durch die Wechselwirkung dieser Wesenheiten und Vorgänge mit dem aus der Entwickelung des Denkens entsprungenen Willenswirklichen werden sie geistig wahrgenommen. [...]

(S. 275-282)

Imagination

Das Vorhandensein von Erkenntniskräften, welche zur Wahrnehmung einer übersinnlichen Welt führen, wird in dem Augenblicke eine innere Lebenserfahrung, in dem man bewußt erlebt, was die Seele in Wahrheit vollbringt, wenn sie denkend, wollend und fühlend im gewöhnlichen Leben oder in der anerkannten Wissenschaft der Welt gegenübertritt. So lange die Seele in diesem gewöhnlichen Leben und in dieser Wissenschaft sich betätigt, bleibt ihr das eigene Vollbringen durchaus unbewußt. Dieses Unbewußte zum Bewußtsein bringen, führt unbedingt dazu, daß man dabei nicht stehen bleiben kann, sondern durch eine innere Seelenkraft weiter getrieben wird. [...]

Man nehme den folgenden Fall. Ein Mensch sinnt über eine derjenigen Fragen, welche eine gewisse Weltanschauung als über die Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit hinausgehend betrachtet. Man kann in einem solchen Falle sich denkend mit sich selbst auseinandersetzen, und glauben, daß man durch diese Auseinandersetzung genötigt wird, zu sagen, bis hierher vermag der Mensch mit seinem Erkennen zu gehen; ein weiteres Vordringen in die Wirklichkeit ist nicht möglich. Man kann aber auch es gewissermaßen probeweise mit seinem Denken bis zum scharfen Erfahren desjenigen treiben, was die Seele erlebt, wenn sie sich so an diese Grenze stellt. Man muß dabei in innerer Ruhe die Kraft aufbringen, die Seelentätigkeit im Erfassen dieses Erlebnisses zum Stillstand zu bringen. Man wird dann erfahren, woran es liegt, daß man mit dem Denken nicht weiter kommt. Und diese Erfahrung offenbart demjenigen, dem sie zuteil wird, daß es nicht an dem Denken liegt, sondern an dem Umstande, daß das Denken durch die Leibeswerkzeuge ausgeübt wird, wenn er nun sich an eine Grenze gestellt findet. Die Abhängigkeit des gewöhnlichen Denkens von den Leibeswerkzeugen wird nun unmittelbare Seelenerfahrung.

Die Geisteswissenschaft würde von der gegenwärtig herrschenden naturwissenschaftlichen Weltanschauung weniger befehdet, wenn diese in nötiger Unbefangenheit sich zu der Einsicht durchringen könnte, daß das erste Erlebnis des Geistesforschers eine volle Bestätigung dessen ist, was sie selbst behauptet: daß das gewöhnliche Vorstellen an die entsprechenden Leibeswerkzeuge so gebunden ist, wie die Schwerkraft an den Stoff. Nur ist für den Geistesforscher diese Einsicht nicht die Folge theoretischer Erwägungen, sondern ein schwerwiegendes Seelen-Erlebnis, das er macht, wenn er sich vollbewußt an die Grenze des gewöhnlichen Erkennens stellt. Man kann nun wohl das Stehen-Bleiben an dieser Grenze als in der Natur des Erkennens begründet finden, wenn man zu seiner Anerkennung durch theoretische Erwägungen gelangt ist; man kann dies aber nicht, ohne sich selbst zu täuschen, wenn man mit Bewußtsein sich an dieser Grenze innerlich lebend weiß. Denn bei diesem Erlebnis hängt es nur davon ab, ob man es lange genug in Seelenruhe festhalten kann, um die innere Offenbarung zu empfangen, daß sich nun das Denken aus seiner Gebundenheit an die Leibeswerkzeuge heraus löst und zu einer in sich lebendigen Wirklichkeit wird, gegenüber welcher sich alles, was an die Leibeswerkzeuge gebunden ist, nur noch als Zuschauer verhält. Es ergreift nunmehr das Denken ein Eigenleben, das es zu einer Wirklichkeit macht, die man im gewöhnlichen Leben und in der anerkannten Wissenschaft nicht beobachten kann. Man erlebt nunmehr den Unterschied zwischen dem gewöhnlichen Denken und dem in sich lebendigen Denken. Das gewöhnliche Denken gibt Abbilder von Wesen; es ist aber in sich so wenig eine Wirklichkeit, wie es ein Spiegelbild ist gegenüber dem abgespiegelten Gegenstande. Das lebendige Denken ist eine Wirklichkeit in sich selbst.

Hat man das Denken bis zum inneren Leben getrieben, dann weiß man aus der Seelen-Erfahrung heraus, was es heißt, den Übergang erleben von dem „Ich denke“ zu dem „Es denkt in mir“. Dieser Übergang kann für niemand eine Wahrheit sein, der ihn nicht erlebt hat; ohne Erlebnis kann er nur eine Denk-Phantasie sein. Wird er aber erlebt, dann bleibt er nicht ohne Folge, wenn die Seele sich den Wahrnehmungen überläßt, die sich ergeben, so daß sie weiß, sie fügt zu ihnen nichts hinzu, was aus ihren an die Leibeswerkzeuge gebundenen Kräften hervorgeht. Sie muß es nur dahin gebracht haben, diesen Kräften Stillstand zu gebieten, so daß sie ohne deren Einmischung dasjenige verfolgen kann, was ohne sie vorgeht. – Es treten dann in die Seelen-Erfahrung herein wirkliche Gebilde, die sich aus dem Denken ergeben, wie die Blätter aus der Wurzel der Pflanze, die aber von den Inhalten des gewöhnlichen Denkens grundverschieden sind. [...]

Derjenige Teil der eigenen menschlichen Wesenheit, der gleichartig mit der übersinnlichen Umwelt ist, sieht sich in deren Bewegung eingesponnen. [...] Es sind Vorgänge, durch die das Leben des physischen Organismus von einem Augenblick des Lebens in den andern während der ganzen physischen Lebenszeit hinübergetragen wird. Wer diese Vorgänge durch die gekennzeichnete innere Seelen-Erfahrung wahrnimmt, der weiß, daß ohne die Wirklichkeit, von welcher sie getragen sind, der physische Organismus in jedem Lebensaugenblicke das sein müßte, was er durch den physischen Tod wird, ein Zusammenhang von physischen und chemischen Stoffen und Kräften. Es ist eine Welt von Bilde-Kräften, in welche man durch diese Seelen-Erfahrung das Bewußtsein hineingetragen hat. [...]

(S. 287-296)

Inspiration

Nun offenbart dasjenige, das hier als Inhalt der imaginativen Erkenntnis geschildert worden ist, am Menschen nur ein solches Übersinnliches, das als geistige Bilde-Kräfte dem Leibesleben zugrunde liegt. Wer die imaginative Erkenntnis in sich entwickelt, der erwirbt damit zugleich ein Bewußtsein davon, daß das eigentlich Seelische in dem Inhalt dieser Erkenntnis noch nicht enthalten ist. Es muß dieses noch tiefer in den verborgenen Untergründen des Seelenlebens zur Entwickelung gebracht werden. Es sei hier wieder das Beispiel herangezogen, in dem der Geistesforscher durch Entfaltung von Gedanken, die ihn an die Grenze des gewöhnlichen Erkennens führen, einer Seelenverrichtung obliegt. [...]

Man beginnt das Aufeinanderwirken der Gedanken als wirklichen Vorgang zu erleben, in dem man auf ähnliche Art darinnen steht, wie in dem moralischen Verhalten des gewöhnlichen Lebens. Der eine Gedanke muß nicht nur logisch angenommen, der andere ebenso abgewiesen werden, sondern mit wirklicher Kraft muß der eine aus gewissen Untergründen heraufgezogen, der andere gewissermaßen getilgt werden. Es tritt etwas ein, das sich damit vergleichen läßt, daß im gewöhnlichen Leben aus moralischen Gesichtspunkten die eine Handlung erlaubt, die andere nicht erlaubt erscheint. Man muß festhalten, daß es sich hier um einen Vergleich handelt. Aber die Sache ist doch so, daß im Bereiche des geistigen Erlebens die Seele aus dem bloß logischen Verhalten heraustritt und in ein Wirksames hineingestellt wird. Sie gelangt dazu, zu erkennen: auf dem Wege, auf dem du dich jetzt bewegst, ist der eine Gedanke nicht bloß richtig, sondern eine Wirklichkeit fördernd, der andere ist nicht bloß unrichtig, sondern etwas wirklich verderbend, vernichtend. [...]

Und doch ist dies alles nur der Ausgangspunkt dessen, was in übersinnlicher Erkenntnis weiter führt. Es muß dazu kommen ein Seelenvorgang in solchen Bereichen des menschlichen Erlebens, die im gewöhnlichen Leben gar nicht mittätig sind, die ganz im Unbewußten liegen bleiben. Eine innere Verdichtung des Seelenlebens tritt ein, ein sich Durchdringen mit Kräften, die sie vorher in dunklen Untergründen gelassen hat. Ist in diesen innerseelischen Vorgängen die Reifung eingetreten, dann tritt in das Bewußtsein der Inhalt eines Seelenlebens, das den Bilde-Kraft-Leib durchsetzt. Man lernt dieses Seelenleben als etwas kennen, das seiner Wesenheit nach in entgegengesetzter Richtung wirkt wie die Kräfte des Bilde-Kraft-Leibes.

Diese Kräfte suchen, zum Beispiele, die physischen und chemischen Kräfte des Leibes mit ihrem Wesen zu durchdringen und sie nach einer gewissen Richtung hinzuordnen; die eigentlich seelischen Kräfte wirken diesem Vorgang entgegen; sie suchen die Bildekräfte von dem physischen Leibe loszulösen. In dem Maße, in dem sie sie loslösen, durchdringen sie den Bilde-Kräfte-Leib mit ihrer eigenen Wesenheit. Dieser Vorgang muß fortwährend stattfinden, wenn das menschliche Leben seiner Wesenheit gemäß verlaufen soll. Der Bilde-Kräfte-Organismus ist wie in einer hin und her schwingenden Bewegung, schwebend zwischen einem Hinneigen zu den physischen und chemischen Vorgängen des Leibes und zwischen einem Durchdrungenwerden von dem Seelischen. – Hat man durch ein solches Seelen-Erlebnis sich zum Bewußtsein gebracht, wie die Seele sich verhält zu dem physischen und dem Bilde-Kraft-Organismus, so erkennt man auch ihr wahres Wesen, das von beiden unterschieden ist. Der wirkliche Vorgang, an dem dies erkannt wird, läßt sich mit dem Vorgange des Aufwachens vergleichen. [...]

Erst durch diese Erkenntnisart ist es möglich, in das Wesen der Wechselzustände zwischen Schlafen und Wachen sowie in dasjenige des Lebens der Menschenseele zwischen dem Tode und einer neuen Geburt einzudringen. [...] Diese Erkenntnis wird erst möglich, wenn durch die inspirierte Erkenntnis das innere Wesen des Schlafes der übersinnlichen Beobachtung zugänglich wird. Der Augenblick des Aufwachens [...] offenbart sich als ein Hereinnehmen des seelischen Wesens aus einer rein geistigen Welt, in der sie vom Einschlafen bis zum Aufwachen ist, in den physischen und den Bilde-Kräfte-Organismus. [...]

Was durch die inspirierte Erkenntnis über das unabhängige Seelenleben sich offenbart, läßt durchschauen, das sich mit der durch Vererbungsstoffe und Kräfte von der physischen Vorfahrenschaft überkommenen Organisation des Menschen sein geistiges Wesen verbindet, das vorher in einer geistigen Welt ein geistiges Dasein geführt hat. Und es ermöglicht diese Erkenntnis auch, das Wesen des physischen Todes zu durchschauen. Tritt dieser Tod ein, so löst sich der physische Organismus von dem Seelischen und dem Bilde-Kräfte-Organismus. [...]

(S. 296-301)

Intuition

In das Wesen des Schicksals kann weder die imaginative noch die inspirierte Erkenntnis einen Einblick gewinnen. Um Vorstellungen über das Schicksal zu erringen, ist notwendig, daß die inspirierte Erkenntnis den Augenblick abwartet, in dem ohne Selbsttäuschung die übersinnliche Erkenntnis selbst ein vollwertiges Schicksals-Erlebnis des Menschen wird. Der Augenblick ist dann gekommen, wenn durch alle vorangegangenen Seelenverrichtungen das Gefühlsleben so verdichtet ist, daß die gewonnene Erkenntnis als Schicksals-Ereignis alles andere zu übertönen vermag, was im Leben sonst an Schicksals-Einschlägen möglich ist. Es muß von vorneherein zugegeben werden, daß in der Beurteilung dessen, was hier gemeint ist, dem Menschen unermeßliche Gefahren der Selbsttäuschung, der Unwahrkaftigkeit gegen sich selbst entgegenstehen. Getilgt können diese nur werden, wenn die vorangegangenen Seelen-Verrichtungen ihn so vorbereitet haben, daß er diesen Gefahren nicht unbewußt gegenübersteht, sondern daß er sie gewissermaßen vollwirklich vor sich sieht. –

Die Verdichtung des Seelenlebens, die sich auf diese Art ergibt, trägt in dieses zu der imaginativen und inspirierten Erkenntnis die „intuitive“ hinzu. Durch sie ist es möglich, Vorstellungen darüber zu gewinnen, wie aus vorangegangenen Erdenleben auf geistige Art Kräfte herüberwirken in das gegenwärtige, die sich in dem Schicksal offenbaren.

Der imaginativen Erkenntnis ist zugänglich der Zusammenhang von Bilde-Kräften, welche das Leibesleben des Menschen von der geistigen Welt aus ordnen. Der inspirierten Erkenntnis offenbaren sich die Kräfte, welche aus dem Leben zwischen dem Tode und einer neuen Geburt in das seelische Leben des Erdendaseins hereinwirken. Der intuitiven Erkenntnis sind Vorstellungen möglich über das Herüberwirken von Kräften aus verflossenen Erdenleben in den Schicksalsverlauf. [...]

(S. 304-305)