Parthenophilie

Einleitung


Es gibt wunderschöne Worte, die nur in der gewöhnlichen Seele ihre Schönheit verlieren, ihrer Schönheit beraubt werden. Das Wort ,Mädchen’ gehört ohne alle Zweifel dazu. Und ebenso das aus dem Griechischen gebildete Wort Parthenophilie.

Um die Schönheit eines Fremdwortes in der Empfindung erleben zu können – so, wie Schönheit immer eine Frage des Empfindens, als Geschehen in der Seele, ist –, darf es einem nicht fremd bleiben. Man muss in das zu Erlebende eintauchen können. Es muss eine Begegnung werden – und die Begegnung verwandelt das zuvor Fremde in etwas nicht mehr Fremdes, in etwas (im besten Falle) immer mehr innig Bekanntes. Wobei es darum geht, das ,Bekannte’ nicht zu etwas ,Gewöhnlichem’ werden zu lassen, sondern zu etwas ... Geliebtem.

Parthenophilie... Was ist das? Das griechische Wort ,philia’ bedeutet die Liebe. Es steckt in der ,Philo-sophie’, im ,Phil-antropen’, aber dort wird es nur noch so dahingesagt. So kann selbst eines der schönsten Worte auf Erden in der Seele des gedankenlos Dahersprechenden all seinen Glanz und sein inneres Leuchten verlieren. Es bedeutet aber die Liebe.[1] Und ,parthenos’ bedeutet Jungfrau – so schon im griechischen Urtext der Bibel. Es ist das lateinisch-englische ,virgin’. Gemeint ist ein weibliches Wesen, das gebären kann, aber noch nicht geboren hat. Im Deutschen ist es das Mädchen. Das Wort Mädchen im weiteren Sinne wird mit dem Erreichen des gesetzlichen Erwachsenenalters nicht bedeutungslos. Auch ein 19- oder 20-jähriges weibliches Wesen kann noch ,Mädchen’ genannt werden. Entscheidend ist die Empfindungsqualität, die in dem Unterschied zwischen ,Mädchen’ und ,Frau’ liegt. Die meisten Mädchen wollen schnell ,erwachsen’ werden, weil die meisten Erwachsenen auf die Nicht-Erwachsenen mehr oder weniger herabblicken. In Wirklichkeit hat das Mädchen der Frau etwas unendlich Kostbares voraus. Gerade dieses Geheimnis soll in dem hier vorliegenden Werk erlebbar werden – ein Geheimnis, dessen sich die Mädchen wahrhaft nicht zu schämen brauchen, das sie vielmehr wie stille Königinnen in sich tragen können.

Parthenophilie ist also ein wunderschönes Wort, das aus zwei wunderschönen Worten besteht: dem Mädchen und der Liebe. Es ist die Liebe zum Mädchen. Zu dem Mädchen von der Geschlechtsreife an bis zu dem Moment, wo es aufhört, Mädchen zu sein...

Der Begriff selbst ist noch ziemlich unbekannt. [2] Das Phänomen an sich – die Liebe zu einem jungen Mädchen – beherrscht jedoch durchaus große Teile der Weltliteratur... Und weder die Weltliteratur noch die Weltgeschichte hat sich sonderlich daran gehalten, welches Alter in welcher Epoche jeweils die gesetzliche Volljährigkeit oder ähnliches bezeichnete. Diese Grenze markierte jeweils nur, was in den Augen der herrschenden öffentlichen Meinung und Moral nicht mehr als ,verwerflich’, sondern ,zulässig’ galt. Die Liebe selbst jedoch hat sich an solche Kategorien noch nie gehalten. Sie lebte schon immer da, wo sie hinfiel. Und im Falle der Parthenophilie waren und sind es Mädchen...

Moralische Auffassungen sind nicht wie durch einen unsichtbaren Schalthebel zu ändern. Es kann sogar so sein, dass der Kopf sich sagt, ,ich darf eigentlich nichts dagegen haben, ich habe gar nicht das Recht dazu’ – und dass die übrige Seele ihr moralisches Urteil, ihr Verurteilen oder gar ihre Abscheu dennoch nicht ablegen kann. Gerade im Bereich der ,Sexualität’ – und dieser Bereich geht ja über Handlungen weit hinaus – sitzen die moralischen Vorstellungen zunächst extrem fest und tief, oft nehmen sie das Wesen regelrechter Tabus an. Ein Tabu ist eine moralische Auffassung, die nicht hinterfragt wird, weil sie geradezu kollektiv felsenfest verankert ist. Das sollte in unserem Zeitalter der Bewusstseinshelle und der Freiheit eigentlich gar nicht mehr möglich sein – ist es aber nach wie vor.

Auf Wikipedia heißt es:

Tabus sind unhinterfragt, strikt, bedingungslos [...]. Dabei bleiben Tabus als soziale Normen unausgesprochen oder werden allenfalls durch indirekte Thematisierung (z. B. Ironie) oder beredtes Schweigen angedeutet: Insofern ist das mit Tabu Belegte jeglicher rationalen Begründung und Kritik entzogen.

Das kann einem wirklich zu denken geben. Ein Tabu ist sozusagen die berühmte ,Schere im eigenen Kopf’, schon die Vorstellung wird innerlich abgewehrt und nicht zugelassen. So ist es jeder Kritik entzogen, es ist ,sakrosankt’ – und das in unserem heutigen, sonst so gottlosen Zeitalter!

Wer das Tabu übertritt, der hat gleichsam automatisch mit dem geballten gesellschaftlichen Widerstand und der entsprechenden Verurteilung zu rechnen. Er wird mit diesem Übertritt – und das meint bereits die Hinterfragung des Tabus – zu einem ,Outlaw’, ja, buchstäblich stellt er sich außerhalb des Gesetzes der allmächtigen öffentlichen Meinung. Damit ist er gleichsam vogelfrei – ,freigegeben zum Abschuss’.

Jede Gesellschaft ist auf den Augen ihrer Tabus blind. Tabus sind wie sozialisierte Schamgefühle – sind sie erst einmal da, kann man ihnen nicht mehr entgehen. Man kann auch nicht mehr beurteilen, ob sie anerzogen sind oder nicht – es macht auch keinen Unterschied mehr. Eine puritanistisch erzogene alte Jungfer wird nie in ihrem Leben einen FKK-Strand aufsuchen, sie könnte es überhaupt nicht aushalten. Und was ihr anerzogen wurde, wird sie für unmittelbare, göttlich-ewige moralische Wahrheit halten – und alles andere verurteilen. Das anerzogene Tabu ist ihr in Fleisch und Blut übergegangen.

In einer fast ebenso radikalen Weise ist heute die Liebe eines (mehr oder weniger älteren) Mannes zu einem Mädchen mit einem Tabu belegt. Man weiß zwar, dass ,so etwas vorkommt’, aber das weiß die alte Jungfer auch – auch sie weiß, dass es FKK-Strände gibt, und verurteilt sie trotzdem aufs Tiefste. In unserer freiheitlichen Zeit würden die meisten Menschen nicht mehr so leicht zugeben, dass sie etwas ,verurteilen’. Vielleicht sind sie auch tatsächlich nicht so extrem wie die alte Jungfer – aber das Tabu kann viele Formen annehmen, auch etwas gemäßigtere. Dann sagt man sich in etwa: ,Na ja, heute ist ja alles möglich, aber...’ Mit anderen Worten: Ein ,Geschmäckle’ bleibt. Genau das ist aber gerade das Tabu. Bei aller vorgeschobener und eingebildeter Toleranz bleibt man beim Verurteilen – sogar noch, ohne es zu merken!

Doch so, wie die alte Jungfer das Nacktbaden, das Ins-Wasser-Gehen und Im-Sand-Liegen ,wie Gott uns schuf’, gar nicht kennt, sondern nur ihr eigenes Tabu und ihre eigenen daran angeknüpften Gefühle und ihre eigenen Verurteilungen Anderer – so ist es auch bei den anderen Tabus. Was man verurteilt, kennt man überhaupt nicht. Man kennt nur das eigene, völlig verzerrte Urteil darüber – und das verurteilt man dann. Um es noch extremer zu verdeutlichen: Die Nazis kannten die Juden überhaupt nicht. Aber es war bereits ein Tabu, einen Juden oder das wirkliche Judentum auch nur kennenlernen zu wollen. Das eherne Gebot war, es zu verachten und zu vernichten.

Die Unbefangenheit, das unbefangene Sich-Einlassen, das Zu-Verstehen-Suchen – das ist bei einem Tabu von vornherein ausgeschlossen. Es ist individuell und kollektiv verboten. Das ist die Schere im Kopf. Du darfst dich nicht annähern. Du darfst es nicht verstehen. Du darfst es nicht akzeptieren. Du musst es verurteilen. Es ist das Tabu.[3]

Im Falle der Parthenophilie, der Liebe insbesondere des Mannes zum Mädchen, geht mit diesem Tabu heute sogar noch die Tatsache einher, dass Kindheit und Jugend mit massiver medialer Unterstützung immer mehr sexualisiert werden, dass ferner die ganze Gesellschaft einem Jugendwahn unterliegt, wodurch eine geradezu hyper-schizophrene Situation entsteht.

Die hier vorliegenden Bände werden erlebbar machen, dass nicht die Parthenophilie, die Mädchen-Liebe, pervers (lat. ,pervertere’ = verwirren) ist, sondern das Tabu selbst. Sie werden auch erlebbar machen, dass die Liebe zum Mädchen viel, viel mehr betrifft als nur den sexuellen Aspekt, ja diesen nicht einmal notwendigerweise. Eine solche Wahnvorstellung – dass die Liebe zum Mädchen nur sexueller Art wäre – kann nur in einer Gesellschaft auftauchen, die selbst durch und durch sexualisiert ist. Das hat aber dann nicht mehr mit dem Mädchen oder der Liebe zu ihm zu tun.

Das Mädchen ist ein heiliger Kosmos. Erst, wenn man dies erleben kann, hat man auch das wahre Wesen der Parthenophilie begriffen. Was ein Mädchen ist, von seinem innersten Wesen her, das Wunder des Mädchens, habe ich in fast allen meiner bisher über siebzig Bücher von immer anderer Seite her versucht, erlebbar zu machen.

Parthenophilie im weiteren Sinne betrifft alles – von bloßem Begehren bis zu reinster Liebe. Das Erstere wird keinem Mädchen jemals gerecht, aber nicht einmal der begehrenden Seele selbst. Bloßes Begehren ist immer eine Dekadenzform menschlichen Daseins. Aber am Grunde selbst jedes Begehrens liegt etwas anderes, gerade beim Mädchen. Denn ein Mädchen lässt sich schlicht nicht auf ,junge Haut’ reduzieren. Es hat ein Wesen, und dieses übt eine Art heiliger Anziehung aus. Dieses geheimnisvolle Wesen ist der Grund dafür, dass ein Mädchen unendlich geliebt werden kann.

Die Liebe aber, wo sie wahrhaft aufrichtig ist, kann auch einem Mädchen immer gerecht werden. Denn in der aufrichtigen Liebe steht das geliebte Wesen im Mittelpunkt, mit seinen Hoffnungen, Wünschen, Bedürfnissen. Im Gegensatz zum Begehren gibt es im Falle der Liebe nur noch eine entscheidende Frage: Was möchte das Mädchen? Möchte das Mädchen geliebt werden? Jede Liebe eröffnet die Möglichkeit, ganz real erwidert zu werden... Und spätestens dann hat die Außenwelt eigentlich nichts mehr zu sagen. Denn es geht einzig und allein um das Mädchen. Und es hat selbst ein Urteil.

Unabhängig von jedem konkreten Mädchen kann aber auch das Wesen des Mädchens überhaupt geliebt werden.

Das vorliegende Werk versucht, das Wesen der Parthenophilie wie auch das Geheimnis des Mädchens von verschiedensten Seiten aus erlebbar zu machen. Dabei ist es ein wenig wie bei den mittelalterlichen Mosaiken: Erst alle Teile zusammen ergeben das ganze Bild. Ich hoffe, dass das Bild, das sich auf diese Weise gestaltet, seinem lebendigen Gegenstand – dem Mädchen und der Liebe zu ihm – würdig ist. Ich hoffe, dass immer mehr erlebt werden kann, dass das Wesen der Parthenophilie, als Liebe, kein Verbrechen, auch keine ,Abirrung’, sondern etwas Heiliges ist – so heilig wie sein ,Gegenstand’:

Das Mädchen.

 

Fußnoten


[1] Im Wort ,Pädophilie’ hat es sogar, dem herkömmlichen Verständnis nach, die Stufe der verabscheuungswürdigsten Erscheinungsform erreicht, so als würden die Pädophilen die Liebe selbst schänden. Die Wissenschaft, die den Begriff einführte, unterscheidet jedoch überhaupt nicht zwischen bloßem Begehren und Liebe. An die Öffentlichkeit gelangen naturgemäß vor allem Missbrauch und Verurteilung. Weitgehend unbekannt ist, dass pädophil empfindende Menschen ganz real eine weit überdurchschnittliche Liebe zu Kindern empfinden können – und dass Menschen mit dieser Empfindung niemals ,übergriffig’ werden würden.

[2] Bei Google erzielt er nur knapp 3.300 Treffer, die ,Pädophilie’ hat 150-mal so viele, die Homosexualität weit über 1000-mal so viele. Die meisten Menschen vermischen völlig unhinterfragt die Pädophilie (Liebe zu Kindern im vorpubertären Alter) mit einer Liebe zu Mädchen im geschlechtsreifen Alter, was etwas völlig anderes ist – was nur jene nicht stört, die ohnehin beides moralisch zutiefst verurteilen.

[3] Vergleiche auch die hervorragenden Bücher von Alice Miller, die die unvorstellbare Tiefe problematischer Konditionierungen im Eltern-Kind-Verhältnis erlebbar macht, insbesondere: ,Du sollst nicht merken’.