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Mädchenseele (Ethics of the Dust)
Im Folgenden wollen wir uns Ruskins Werk ,Ethics of the Dust’ (1866) zuwenden, ihrem Untertitel nach ,zehn Vorträge für kleine Hausfrauen über die Elemente der Kristallisation’.[1] Es sind Gespräche zwischen einem namenlosen Lehrer und zwölf Mädchen im Alter zwischen neun und zwanzig Jahren.[2] Letztlich geht es darin um den Gegensatz zwischen aktiver Reinheit – Kristallen vergleichbar – und verderbendem Zerfall. Robson stellt fest: ,Für Ruskin sind Mädchen und Felsen identisch in ihrer Reinheit der Energie und resultierenden Schönheit der Form’.[3]
Die Dialoge sind teilweise nicht einfach, aber immer wieder berührend in ihrer Herzlichkeit. Die Mädchen selbst sind in bestem Sinne naiv und bemüht zugleich – und es lebt zwischen ihnen und dem Lehrer eine liebevolle, warmherzige, fast familiäre Atmosphäre. Wir wollen einen größeren Abschnitt auf uns wirken lassen:[4]
MARY. Oh, wenn wir nur die Bedeutung von alledem verstehen könnten!
L. Wir können alles verstehen, was gut für uns ist. Es ist für uns ebenso wahr wie für den Kristall, dass das Edle des Lebens von seiner Beständigkeit abhängt – der Klarheit des Zwecks – der ruhigen und unaufhörlichen Energie. Alles Zweifeln und Bereuen und Pfuschen und Nachbessern und Sich-Fragen, was am besten als nächstes zu tun sei, ist Laster und Elend.
MARY (sehr staunend). Aber muss man nicht bereuen, wenn man etwas falsch macht, und zögern, wenn man seinen Weg nicht sehen kann?
L. Es ist überhaupt nicht deine Aufgabe, etwas falsch zu machen oder dich auf einen Weg zu begeben, den du nicht sehen kannst. Deine Intelligenz sollte deiner Tat immer weit voraus sein. Wann immer du nicht weißt, worum es dir geht, bist du sicher, es falsch zu machen
KATHLEEN. O je, aber ich weiß nie, worum es mir geht!
L. Sehr richtig, Katie, aber es ist bereits sehr viel, wenn du das weißt. Und du findest es hinterher heraus, dass du etwas falsch gemacht hast; und vielleicht wirst du eines Tages anfangen, zu wissen oder zumindest darüber nachzudenken, worum es dir geht.
ISABEL. Aber sicher können die Leute nichts sehr falsch machen, wenn sie es nicht wissen, oder? Ich meine, sie können nicht sehr ungezogen sein. Sie können sich irren, wie Kathleen oder ich, wenn wir Fehler machen; aber nicht in schrecklichem Sinne. Ich kann es nicht ausdrücken, was ich meine; aber es gibt zwei Arten von Falschem, nicht wahr?
L. Ja, Isabel; aber du wirst entdecken, dass der große Unterschied zwischen liebenswürdigem und lieblosem Falschem besteht, nicht zwischen beabsichtigtem und unbeabsichtigtem Falschem. Sehr wenige Menschen beabsichtigen wirklich, das Unrechte zu tun – in einem tieferen Sinne niemand. Sie wissen nur nicht, worum es ihnen geht. Kain beabsichtigte nicht, etwas Unrechtes zu tun, als er Abel tötete.
(ISABEL atmet einmal tief ein und öffnet ihre Augen sehr weit.)
L. Nein, Isabel; und es gibt heute unzählige Kains unter uns, die ihre Brüder täglich massenweise töten, nicht nur wegen einer geringeren Provokation als Kain, sondern ohne jede Provokation [...]. [...] Die große Schwierigkeit ist immer, den Menschen die Augen zu öffnen: Ihre Gefühle zu berühren und ihr Herz zu brechen, ist einfach, das Schwierige ist, ihre Köpfe zu brechen. Was spielt es für eine Rolle, solange sie dumm bleiben, ob man ihre Gefühle verändert oder nicht? [...]
MAY. Aber sicher kann doch niemand immer wissen, was richtig ist?
L. Doch, du kannst es immer, für heute; und wenn du tust, was du heute davon siehst, wirst du morgen mehr sehen – und auch klarer. [...]
[...]
MARY. Und wenn man von jemandem gezwungen wird, etwas Falsches zu tun, der über einen die Herrschaft hat?
L. Liebes, niemand kann gezwungen werden, etwas Falsches zu tun, weil das Schuldgefühl im Willen lebt: aber du kannst täglich gezwungen werden, etwas Verhängnisvolles zu tun, zum Beispiel könntest du gezwungen werden, Gift zu nehmen; das bemerkenswerte Naturgesetz in solchen Fällen ist, dass das Unglück dich trifft, der vergiftet wird, nicht die Person, die dir das Gift gibt. [...] Du kannst also, moralisch wie physisch, durch die Schuld anderer zu Tode kommen. Ihr seid, alles in allem, sehr gute Kinder, wie ihr hier heute sitzt; glaubt ihr, dass ihr euer Gutsein euch ganz allein verdankt? Dass ihr sanft und lieb seid, weil eure Veranlagungen natürlicherweise engelhafter sind als die der armen Mädchen, die mit wilden Augen im Staub der Straßen unserer großen Städte spielen? Nur der Himmel weiß, wo sie und wir, die sie dorthin verstoßen haben, zuletzt stehen werden. Aber die für das Urteil entscheidende Frage wird, nehme ich an, für alle von uns sein: „Hast du dir durch alles hindurch ein gutes Herz bewahrt? Was du warst, mögen andere beantworten – was du versuchst hast, zu sein, musst du dir selbst beantworten. Sag es uns – war das Herz rein und wahr?“
Und so kommen wir zu unserer traurigen Frage zurück, Lucilla, die ich vor kurzem beiseite stellte. Du wärst voller Sorge, antworten zu können, dass dein Herz rein und wahr war, nicht wahr?
Wie man an diesem kleinen Dialog bereits tief miterleben kann, geht es Ruskin (oder dem Lehrer) um die heilige innerste Essenz des Moralischen selbst.
Und warum sind es zwölf Mädchen, die ihn umgeben? Könnten Jungen für das Gute und Wahre nicht ebenso begeistert und von diesen Fragen berührt sein? Doch, sicherlich. Aber Ruskin ist eben von den Mädchen berührt. In ihnen lebt etwas, was in Jungen so nicht lebt – und dies ist schwer fassbar, schwer in Worten auszudrücken, und kann doch so unmittelbar gefühlt werden.
Es ist eine viel sanftere Zugänglichkeit für all diese Fragen. Ein sanfteres Interesse, ein leichteres Berührtwerden von diesem, und nicht nur von diesem, sondern von allem.
Es ist, wie wenn ein Mädchen viel mehr für diese Fragen nach dem Guten geschaffen ist. Wie wenn sich in seinem Wesen alledem viel weniger in den Weg stellt. Weil dieses Wesen sich solchen Fragen und auch allem anderen viel selbstloser öffnet – gutwilliger, bereitwilliger, sanfter, hingebungsvoller.
Das Mädchen ist von Natur aus gut-williger. Der Junge muss immer erst seinen eigenen Tatendrang überwinden, bevor er etwas aufnehmen kann – oder gar sich hingeben! Der Junge will selbst ,etwas sein’. Das Mädchen braucht dies nicht. Es verliert sich überhaupt nicht, indem es sich hingibt, weil dieses sanfte Sich-Hingeben so sehr sein Wesen ist. Der Junge würde sich fast verlieren, weil dies so wenig sein Wesen ist. Er muss sich die Fähigkeit der Hingabe erst erwerben. Das Mädchen besitzt sie schon. Ja, sie ist eine ihrer größten Gaben! Und dies macht das Wesen der Mädchen so leuchtend. Diese Hingabe. Dies aber macht sie auch zu Kristallen und Edelsteinen, denn die Hingabe ist eine heilige Aktivität. Hingabe ist ein Juwel der Seele...[5]
Und hören wir Ruskins folgende Worte:[6]
Es ist seltsam, dass ich mich älter und trauriger fühle, sehr stark, wenn ich diesen jungen Kindern zusehe – es sind vor allem die jungen, zwischen denen und mir ich jetzt eine so unendliche Distanz fühle –, und sie sind so wunderschön und so gut, und ich bin nicht gut, angesichts der Vorteile, die ich hatte [...]. Die müde Sehnsucht, das Leben noch einmal zu beginnen und das Gefühl des Schicksals, das es für immer verbietet – hier oder auch hiernach –, ist schrecklich.
Es ist sehr deutlich, dass Ruskin in den jungen Kindern, und ganz sicher vor allem in den Mädchen, eine unsägliche Unschuld fühlt. Eine noch völlige Reinheit der Seele, einen fast physisch greifbaren heiligen Willen zum Guten, eine buchstäblich leuchtende Seele, funkelnd wie ein Diamant in der Sonne – und funkelnd sogar in der Finsternis...
Ein unglaublich schöner Abschnitt ist die siebte Vorlesung, betitelt ,Häusliche Tugenden’. Wir wollen auch in diese am Abend gelegene ,Unterrichtsstunde’ eintauchen:[7]
DORA. So, die Vorhänge sind zugezogen, das Feuer leuchtet, und hier ist dein Sessel – und jetzt sollst du uns alles sagen, was du versprochen hast.
L. Alles worüber?
DORA. Alles über Tugend [virtue].
KATHLEEN. Ja, und über die Worte, die mit V anfangen.
L. Ich hörte dich über ein Wort singen, das mit V anfängt, heute Morgen auf dem Spielplatz, Miss Katie.
KATHLEEN. Mich singen!?
MAY. Oh, sag – erzähl es.
L. ,Vilikens und seine –’[8]
KATHLEEN (seinen Mund zuhaltend). Oh! Bitte nicht. Wo warst du?
ISABEL. Ich wünschte, ich hätte gewusst, wo er war! Wir haben ihn unter den Rhododendren verloren, und ich weiß nicht, wo er danach war; oh, du Unartiger – ungezogen – (klettert auf sein Knie).
DORA. So, Isabel, wir wollen jetzt wirklich reden.
L. Ich nicht.
DORA. Oh, aber du musst. Du hast es versprochen.
[...]
L. (sehend, dass er keine Chance hat). Gut, schon gut; aber ich bin wirklich müde. Tanzt zuerst ein bisschen, und lasst mich nachdenken.
DORA. Nein, du darfst nicht denken. Du wirst uns als nächstes nachdenken lassen wollen; das wird ermüdend sein.
L. Nun, steht auf und tanzt zuerst, um das Denken loszuwerden; und dann werde ich so lange reden, wie ihr wollt.
DORA. Oh, aber wir können heute Nacht nicht tanzen. Es ist keine Zeit, und wir wollen über die Tugend hören.
L. Zeigt mir erst ein wenig davon. Tanzen ist die erste der Mädchentugenden.
EGYPT. Tatsächlich!? Und die zweite?
L. Sich kleiden [eigentlich umfassender: dressing, H.N.].
[...]
DORA. Jetzt sei nicht ermüdend. Wir müssen wirklich über die Tugend hören, bitte; ernsthaft.
L. Nun, ich spreche darüber, so schnell ich kann.
DORA. Wie!? Die erste Mädchentugend ist Tanzen?
L. Genauer gesagt ist es der Wunsch zu tanzen – und nicht zu sticheln oder über die Tugend zu hören.
[...]
EGYPT. Auf wie viele Bälle müssen wir jedes Jahr gehen, um ganz und gar tugendhaft zu sein?
L. Auf so viele, wie ihr könnt, ohne eure Farbe zu verlieren. Aber ich sagte nicht, dass ihr auf Bälle gehen wollen sollt. Ich sagte, ihr solltet immer den Wunsch haben zu tanzen.
EGYPT. Das haben wir; aber jeder sagt, dass das sehr falsch ist.
Es geht dann auch um die Frage, ob die Mädchen dabei gerne gesehen werden wollen. Der Lehrer behauptet, Mädchen sollten es sogar mögen, gesehen zu werden, worauf Dora mit blitzenden Augen androht, dass sie einen ganzen Monat lang überhaupt nicht mehr tanzen, er aber sicher ist, dass Jessie und Lily es mögen, wenn er sie tanzen sieht. Dann sagt er, er kenne keine ermüdendere Blume als das besonders ,bescheidene’ Schneeglöckchen, das man kaum sehen könne.
L. [...] Mädchen sollten wie Gänseblümchen[9] sein, schön und weiß, mit einem roten Rand, wenn man genau hinschaut; die Erde erhellend, wo auch immer sie sind, einfach und leise wissend, dass sie das tun und dazu bestimmt sind, es zu tun, und dass es sehr falsch wäre, wenn sie es nicht täten. Nicht gesehen werden wollen, also wirklich! Wie lange hast du diesen Nachmittag dein Haar gemacht, Jessie?
(JESSIE antwortet nicht sofort, DORA kommt ihr zu Hilfe)
DORA. Nicht mehr als eine Dreiviertelstunde, denke ich, oder, Jess?
JESSIE (hebt ihren Finger). Dorothy, du sagst nichts!
Nach einigem Hin und Her sagt der Lehrer, wie er es meint:
JESSIE. ,Immer tanzen wollen’, hast du gesagt.
L. Ja, und das ist wahr. Ihre erste Tugend ist, innig glücklich zu sein – so glücklich, dass sie vor Glück nicht wissen, was sie mit sich machen sollen – und tanzen, statt zu gehen. [...] So ist ein Mädchen immer, wenn alles in Ordnung ist.
VIOLET. Aber man ist doch sicher auch manchmal traurig?
L. Ja, Violet, und manchmal matt, und manchmal dumm und manchmal verärgert. Was sein muss, muss sein; aber es ist immer entweder euer eigener Fehler oder der eines anderen. Das Letzte und Schlimmste, das von einer Nation gesagt werden kann, ist, dass sie ihre jungen Mädchen traurig und müde gemacht hat.
MAY. Aber ich bin sicher, dass ich sehr viele gute Menschen gehört habe, wie sie gegen das Tanzen sprachen?
L. Ja, May, aber das heißt nicht, dass sie ebenso weise wie gut waren. Ich nehme an, sie glauben, Jeremias fand es besser, Klagelieder für sein Volk schreiben zu müssen als jenes Versprechen, an dem jeder schnell vorüberzueilen scheint, um schnell zu dem Vers von Rahel zu kommen, die über ihre Kinder weint, obwohl der Vers, den sie übergehen, der gegenteilige Segen ist: ,Dann wird die Jungfrau im Tanz frohlocken, und Junge und Alte zusammen, und ich werde ihre Trauer in Freude verwandeln.’[10]
(Die Kinder werden sehr ernst, aber sehen sich gegenseitig an, als wären sie erfreut).[11]
Die nächste Tugend war das Sich-Kleiden. Mary versteht darunter das Tragen erlesener Kleider, aber der Lehrer meint durchaus einfache (plain) Kleidung. Und ebensowenig wie Zeichnen bedeute, Bilder zu kaufen, bedeute Sich-Kleiden, Kleider zu kaufen. Mädchen sollten Kleider selbst machen können, und auch das Tragen eines Kleides sei ,genauso schwierig’ – womit er in schlichten Worten darauf deutet, dass ein Kleid nur wahrhaft getragen wird, wenn die Trägerin wirklich erscheint, als Mädchen. Es geht um die anmutige innere Präsenz, die erstrahlt, wenn ein Kleid wirklich getragen wird.
DORA. Das heißt also, wir sollen alle lernen, Kleider zu machen?
L. Ja; und euch immer wunderschön zu kleiden – nicht ,erlesen’, außer bei entsprechender Gelegenheit, dann aber sehr erlesen und ebenfalls wunderschön. Außerdem sollt ihr so viele andere Leute kleiden, wie ihr könnt; und ihnen beibringen, wie man sich kleidet, wenn sie es nicht wissen; und jede schlecht gekleidete Frau oder jedes Kind, das ihr irgendwo seht, als eine persönliche Schande betrachten;[12] und sie irgendwie zu erreichen, bis alle so wunderschön gekleidet sind wie Vögel.
(Stille; die Kinder atmen schwer, als ob sie aus einer Dusche gekommen wären).
L. (sehend, wie sich in den Augen Einwände auszudrücken beginnen). Ihr müsst jetzt nicht sagen, dass ihr das nicht könnt, denn ihr könnt es, und es ist das, was ihr tun sollt – immer; und auch eure Häuser, eure Gärten; und sehr wenig anderes machen, wie ich glaube – außer singen; und tanzen, wie wir ja schon sagten, und – noch eines.
DORA. Unsere dritte und letzte Tugend, nehme ich an?
L. Ja, in Violets System der Dreiheiten.
DORA. Nun, wir sind jetzt auf alles vorbereitet. Was ist es?
L. Kochen.
DORA. Etwas ganz Kardinales, in der Tat! Wenn nur Beatrice mit ihren sieben Dienstmädchen hier wäre,[13] dass sie sehen könnte, was für eine herrliche achte wir für sie gefunden haben![14]
MARY. Und die Interpretation? Was bedeutet ,Kochen’?
L. Es meint das Wissen von Medea und Circe und Calypso und Helena und Rebekka und der Königin von Saba. [...]
(Eine weitere Pause und langer Atemzug).
DORA (sich langsam erholend) zu EGYPT. Wir hätten ihn, denke ich nach alledem, doch besser schlafen gehen lassen sollen!
L. Ihr solltet besser die Jüngeren jetzt schlafen gehen lassen – ich bin noch nicht einmal halb fertig.
ISABEL (panisch). Oh! Bitte, bitte! Nur noch eine Viertelstunde.[15]
L. Nein, Isabel, ich kann nicht in einer Viertelstunde sagen, was ich zu sagen habe; und es wäre auch für dich zu hart – du würdest wach liegen und die halbe Nacht daran herumgrübeln. Das machen wir nicht.
ISABEL. Oh, bitte!
Doch die kleineren Mädchen müssen schlafen gehen. Und nun spricht der Lehrer über das Wesen der Tugend.
Sie bedeute, schlicht und einfach zu tragen, was immer einem zu tragen aufgegeben ist, nicht mehr und nicht weniger, dies aber mit Aufrichtigkeit: ,Die wirkliche und essenzielle Bedeutung von ,Tugend’ ist diese Aufrichtigkeit des Rückgrats. Ja, ihr könnt lachen, Kinder, aber so ist es.’ Das ,V’ (virtue) der Tugend habe zu tun mit lebensvoller Kraft (vital, lat. vis Kraft, vir Mann, aber ebenso virgo Jungfrau). ,Und die essenzielle Idee wirklicher Tugend ist die einer vitalen menschlichen Stärke, die instinktiv und konstant und ohne Motiv tut, was richtig ist.’ Leidenschaftlich äußert sich der Lehrer gegen eine Religion, die alles auf Lohn und Strafe basiert. Es sei das ,schwärzeste Zeichen von Fäulnis’ in einer Religion, zu behaupten, ohne diese beiden Elemente würden die Menschen im Sumpf des Verbrechens versinken.
VIOLET (nach einer Pause). Aber, es ist doch sicher so, dass, wenn Menschen nicht fürchten würden – – (zögert erneut).
L. Sie sollten sich davor fürchten, das Falsche zu tun – und nur davor, Liebes. Wenn sie dagegen nur aus Angst davor, bestraft zu werden, nichts Falsches tun, haben sie in ihren Herzen bereits das Falsche getan.
VIOLET. Ja, aber sicherlich sollte man doch zumindest fürchten, Gott zu missfallen; und die Sehnsucht, Ihm zu gefallen, sollte das erste Motiv von einem sein?
L. Er wäre niemals mit uns zufrieden, wenn es so wäre, Liebes.
Er macht dem Mädchen erlebbar, dass es auch einen Vater nicht glücklich machen würde, wenn ein Sohn gesteht, er hätte ein Verbrechen begehen können, habe es aber nicht getan, weil er sich dachte, der Vater würde es sicher nicht wollen. Auch ohne Vater sollte er keine Verbrechen begehen wollen. Es sollte sein wahrhaft eigener Wille sein. Dieser braucht dann keinerlei Motiv, keine Aussicht auf Lohn oder Strafe – die Freude am Guten ist ihm bereits der ganze Lohn, den er braucht.[16]
Er wendet sich auch gegen den versteckten Stolz, der darin lebt, ,sich selbst Gott zu geben’, denn: ,Als hätte jemand jemals einem anderen gehört!’ Mit anderen Worten: Es wäre der subtile Stolz, die eigene Selbstsucht aufzugeben – derer man sich aber allenfalls schämen sollte, da ja sie es ist, die ganz von der Tugend abführt. Etwas Schlechtes abzulegen, braucht einen wahrhaftig nicht mit Stolz zu erfüllen. Das Gute aber ist bereits vereint mit Gott – und wenn man es tut, braucht man sich nicht erst Gott zu ,übergeben’, denn in der Tugend ist man längst mit ihm vereint. Gottes Wille ist dann der eigene Wille geworden.
Auch dem Lohngedanken steht er skeptisch gegenüber. Das klösterliche System sei für junge Mädchen sehr attraktiv, aber die Vorstellung eines ,Verdienstes’ sei sehr gefährlich. Die Vorstellungen der höheren Welt werden meist sehr herbeigeträumt, und obwohl man dann äußerlich sehr heilig wirke, sei auch dies eine Art romantische und selbstbezogene Fantasterei, die man zwar genießen könne, die einen aber auch nicht tugendhafter mache. Es gehe nicht darum, ,religiöse Romanzen zu träumen’ und sich dabei besonders heroisch zu fühlen – vielmehr trenne man sich damit selbst von den ,rauhen Pflichten des Lebens’, was zwar angenehm, aber nicht tugendhaft ist. Dass solche Vorstellungen uns besonders lieblich erscheinen, sei kein Beweis dafür, dass sie keine Zeitverschwendung seien.[17] Und bereits in der sechsten Vorlesung hatte er geschildert, dass Gott einen immer an den Ort der eigenen Aufgabe gestellt hat und das Tätigsein hier Gott auch am meisten freue.
Das Gespräch kommt durch Marys Fragen dann auf die in ihrer Innigkeit und Schönheit herausragende Malerei von Fra Angelico.[18] Der Lehrer erwidert ihr, dass der besondere Eindruck bei Fra Angelico von seiner Meisterschaft in der Darstellung von Ruhe und Anmut der Geste abhängt. Das sei aber nicht seine Inspiration, sondern nur eine besonders zarte Darstellung dessen, was schon lange vor ihm dagewesen sei. Und die wahre Wurzel dessen sei einfach – der wunderschöne Tanz der Mädchen in Florenz!
DORA (erneut entrüstet). Ich frage mich, was als nächstes! Warum nicht gleich sagen, alles beruhte auf Herodias’ Tochter?[19]
L. Ja, es ist natürlich ein großartiges Argument gegen das Singen, dass es einst auch Sirenen gegeben hat.
Was der Lehrer zum Ausdruck bringen will, ist, dass im Wesen des Mädchens der Ursprung der Anmut liegt. Und mag diese Anmut der Mädchen ihrerseits göttlichen Ursprungs sein, so war sie jedenfalls in den Mädchen ursprünglicher als in Fra Angelicos Malereien... Dieser malte nur, was im Wesen jedes Mädchens längst lebte, immer wieder neu.[20]
Die Essenz dieses ganzen Abends ist, dass die erste Tugend der Mädchen die Freude ist – Mädchen sollten Wesen der Freude sein. Und man kann hinzufügen: Offenbarerinnen der heiligen Tatsache, dass die Menschen Gotteskinder sind.
Ruskin erweist sich hier im Stillen als leidenschaftlicher Ankläger der Tatsache, dass diese Welt den Menschen und vor allem den Mädchen die Freude nimmt und etwas Dunkles, Falsches an deren Stelle setzt.
Zugleich aber ist es ihre Aufgabe, die Welt wieder zu erlösen. Denn ihre zweite Tugend ist das ,Kleiden’. Ruskin versteht dies in tiefster Hinsicht – es ist im Grunde die Mission der Schönheit. Er sagt es im Grunde ausdrücklich, dass die Mädchen versuchen sollten, jeden Menschen zu erreichen, bis auch dessen Seele wieder begreift, was eigentlich Schönheit ist ... und selbst auch wieder eine Sehnsucht danach spürt. Das Schönheitswesen der menschlichen Seele ist verschüttet worden – und die Aufgabe der Mädchen ist es, die Seelen wieder daran zu erinnern.
Das ,Kochen’ als dritte Tugend führt die Erinnerung an das Schöne, Heilige und Lebensvolle im Grunde dann nur weiter bis in die Leibeszusammenhänge hinein – nicht als Genuss, sondern als Feier des in Wahrheit göttlichen Lebens.
So kann man sagen, die dreifache Tugend der Mädchen ist es, Bringerinnen der Freude, der Schönheit und der Labsal zu sein. Dies aber ist von ihrem Wesen nicht getrennt. Es ist gerade die Tugend der Mädchen, weil es das eigentliche Wesen der Mädchen ist. Sie können all dies den Menschen bringen, weil sie es nicht nur selbst lebendig in sich tragen, sondern weil sie all dies im Innersten ihres Wesens sind: Als Mädchen sind sie Freude, sind sie Schönheit und sind sie Labsal. Siehe – das Wesen des Mädchens! Ruskin hat es bis in seine Tiefen erfasst. Und so lehrt er die Mädchen in ,The Ethics of Dust’ nur dasjenige, was sie in ihrem tiefsten Wesen längst sind.
Deshalb ist die scheinbare ,Lehre von Tugenden’, die dem Mädchen aber gar nicht äußerlich sind, kein Widerspruch zu etwas, was Ruskin an anderer Stelle sagt. Er betont dort zunächst, dass man Literatur für ein Mädchen nicht nach dem Fehlen von irgendetwas Bösem, sondern nach dem Vorhandensein des Guten wählen sollte. Das Böse in einem guten Buch kann einem edlen Mädchen nie schaden – aber die Leere eines Autors unterdrückt es, und ,nette Torheiten’ degradieren es:[21]
Halte die modernen Zeitschriften und Romane vom Weg deines Mädchens fern: Lass sie sich in einer alten Bücherei an jedem Regentag verlieren und lass sie allein. Sie wird finden, was gut für sie ist; du kannst es nicht: denn es gibt gerade diese Differenz zwischen der Bildung des Charakters eines Mädchens und eines Jungen – du kannst einen Jungen in eine Gestalt meißeln, wie du es bei einem Stein tun würdest, oder ihn in eine solche hämmern – wenn er von besserer Art ist –, wie du es bei einem Stück Bronze tun würdest. Aber du kannst nicht ein Mädchen in irgendetwas hämmern. Sie wächst, wie es eine Blume tut – sie wird welken ohne Sonne; sie wird in ihrer Hülle verfallen, wenn du ihr nicht genügend Luft gibst; sie kann fallen und ihr Haupt im Staub besudeln, wenn du sie in manchen Momenten ohne Hilfe lässt; aber du kannst sie nicht fesseln; sie muss ihre eigene ihr angemessene Gestalt und Weise annehmen, wenn sie eine annimmt, und in Geist und Körper immer ,[...] Schritte jungfräulicher Freiheit’[22] haben.
Ruskin sagt hier also, dass ein Junge die formende Kraft der Außenwelt geradezu braucht, um seinen Charakter zu bilden – während ein Mädchen an einer solchen Formung zugrunde gehen würde, weil es sein Werden bereits ganz in sich selbst trägt. Man gebe ihm Anregung genug – und es wird selbst finden, wessen es bedarf.
Das Bild eines zu behauenden Steins auf der einen Seite und einer aus sich heraus wachsenden Blume auf der anderen Seite ist tief eindrücklich. Wenn man es auf dieselbe lebendige Ebene bringen wollte, könnte man daran denken, dass der Junge ein Wesen ist, dass Richtkräfte von außen braucht, um in eine schöne, blühende Gestalt zu kommen – wie Obstbäume beschnitten werden müssen, um nicht sinnlos und ausufernd in alle Richtungen zu wachsen und ihre Kraft zu vergeuden ... während man sich das Mädchen als edle Rose vorzustellen hätte, bei der nichts geschehen dürfte, als sie in Ruhe zu lassen und nur alle Bedingungen ihres Wachstums zu sichern, auf dass sie aus sich heraus zu ihrer größten Schönheit aufblühe...
Der Junge braucht gestaltende Kräfte von außen, mit denen er sich auseinandersetzen kann. Das Mädchen hat seinen zarten Wachstumspol ganz innerlich – und diesen muss man lassen, er trägt sein Ziel und seine höchste Schönheit in sich selbst, er muss nur wachsen dürfen...
In der achten Vorlesung, in der es um die ,Launenhaftigkeit’ (caprice) der Mädchen und Kristalle geht, sagt der Lehrer: ,Es ist wahr, dass wir Männer nie kapriziös und launenhaft sind, aber das macht uns um so dumpfer und unangenehmer. Ihr aber, die ihr kristallin im Glanz wie auch in der Launenhaftigkeit seid, bezaubert unendlich, durch die Unendlichkeit des Wandels.’ Wieder weisen die Mädchen dies untereinander murmelnd empört von sich, und wieder macht er ihnen das zutiefst Positive daran erlebbar – einschließlich der regional-geografisch ganz verschiedenen Mädchentrachten und Kristallerscheinungen.
Als das Gespräch dann das Thema der ,Heiligen’ berührt, kommt es zu folgendem Dialog:[23]
L. Was ist das, May?
MAY. Eine Heilige! Eine Heilige ist – – ich bin sicher, du weißt es!
L. Wenn ich wüsste, würde es mich nicht sicher machen, dass du es auch weißt, May: aber ich weiß es nicht.
VIOLET (den Unglauben der Zuhörerschaft ausdrückend). Oh – Sir!
L. Das heißt, ich weiß, dass Menschen Heilige genannt werden, die man für besser als andere hält; aber ich weiß nicht, wie viel besser sie sein müssen, um Heilige zu sein; noch wie sehr jemand fast ein Heiliger sein kann und es doch noch nicht ist; noch ob jeder, der ein Heiliger genannt wird, einer war; noch ob jeder, der nicht ein Heiliger genannt wird, keiner ist.
(Generelle Stille; die Zuhörerschaft fühlt sich am Rande der Unendlichkeit und etwas geschockt – und sehr verwirrt von so vielen Fragen auf einmal).
[...]
MAY. Jeder, nehme ich an, den Gott liebt.
L. Was! Kleine Mädchen ebenso wie andere Leute?
MAY. Alle erwachsenen Leute, meine ich.
L. Warum nicht kleine Mädchen? Sind sie schlimmer, wenn sie klein sind?
MAY. Oh, ich hoffe nicht.
L. Warum dann nicht kleine Mädchen? (Pause)
LILY. Weil, weißt du, wir können nichts wert sein, wenn wir je so gut – ich meine, wenn wir versuchen, je so gut zu sein, und nicht so schwierige Dinge tun können wie Heilige.
L. Ich fürchte, Liebes, dass alte Leute in Bezug auf ihre Schwierigkeiten auch nicht fähiger oder mehr willens sind als ihr Kinder bei euren. Alles, was ich sagen kann, ist, dass, wann immer ich eine von euch sehe [...] wie ihr über irgendeiner Arbeit, die ihr tun oder verstehen wollt, die Augenbrauen zusammenzieht [...], dann denke ich, was für edle Frauen ihr seid.
Was Ruskin hier so eindrücklich betont, ist wiederum die absolute Unschuld eines Mädchens. Ein Mädchen bemüht sich mit all seiner Kraft, die es hat – und das ist mehr, als die Erwachsenen in der Regel jemals tun. Die Seele eines Mädchens ist so bereitwillig, so gutwillig, so frei von Faulheit und Trägheit, dass sie der Seele des Erwachsenen weit voraus ist – und dennoch spürt das Mädchen nicht, dass sie den Heiligen viel näher ist als jeder andere, ja dass eigentlich ihre eigene Seele ein heiliger Ort ist.
Das zehnte und letzte geschilderte Zusammentreffen klingt trotz des zuvor öfter anklingenden schlimmen Zustands der Welt in einen grandiosen Ausblick aus, in dem die Kristalle einmal mehr eine Art Vorbild geben. Der Lehrer lässt die Mädchen vorlesen, wie sich Ton, Sand und Kohleruß letztlich in die Wunder von Saphir, Opal und Diamant verwandeln. Und er beschreibt, wie in der menschlichen Seele und in menschlichen Zusammenhängen dieselbe Verwandlung geschieht, nur in moralischer Weise – durch das Tun von Gerechtigkeit, Liebe zur Barmherzigkeit und das demütige Wandeln mit Gott, dem Herrn, der nicht mehr als dies verlangt.
Der Mensch kann aus seinem Herzen einen Diamanten machen. Dies ist die Botschaft der ,Ethics of the Dust’ – und, dass gerade die Mädchen diesem Wunder bereits sehr, sehr nahe sind...
Fußnoten
[1]● John Ruskin: Ethics of the Dust. Wikisource, dort nach Auflage London 21877, übersetzt H.N. Auch für die folgenden Zitate.
[2] Florrie 9, Isabel und May 11, Lily 12, Kathleen 14, Lucilla 15, Violet 16, Dora und Egypt 17, Sibyl, Jessie 18, Mary 20. Ethics of the Dust. London 1917, p. 7. Archive.org. • Sie entsprechen den Winnington-Mädchen.
[3] Robson: Men in Wonderland. The Lost Girlhood of the Victorian Gentleman. Princeton/Oxford 2001, p. 116, übersetzt H.N.
[4] Lecture 5.
[5] Man spüre etwa die tiefe Hingabe der Mädchen beim atemlosen Lauschen während eines Klavierspiels, wie Ruskin sie einmal schildert: ,Es war wundervoll, die Gesichter der Mädchen zu sehen, die Augen alle feucht von Empfindung und die kleinen Korallenmünder fixiert in kleine halb offene Öffnungen mit äußerster Intensität der Empfindung.’ The Winnington letters, a.a.O., p. 527, laut Robson,[122] übersetzt H.N.
[6] The Winnington letters, a.a.O., p. 439f, zitiert nach Robson, a.a.O., p. 117, übersetzt H.N.
[7] Lecture 7. Wikisource, übersetzt H.N.
[8] Ein Lied um eine traurige Liebesgeschichte eines Jünglings, der sein geliebtes Mädchens Dinah tot findet, weil sie Gift nahm, als sie mit einem ungeliebten Mann verheiratet werden sollte, und ihr nachstirbt. Wikipedia englisch: Villikins and his Dinah.
[9],Girls should be like daisies’. Es ist kein Zufall, dass das Gänseblümchen auch Tausendschön heißt – und auf lateinisch Bellis perennis, das ,dauernde Schöne’.
[10] Jer 31,13. • Rahels Klage um ihre Kinder Jer 31,15.
[11] Es ist unglaublich, welche Atmosphäre Ruskin hier schafft. In jedem dieser kurzen ,Klammer-Sätze’ liegt eine ganze Welt. Und diese Welt der Mädchenherzen erschließt sich einem nur, wenn man sie aufrichtig mitzuerleben vermag. • In diesem Fall ist der angedeutete freudige Ernst, diese ernste Freude ein sanft heiliges Staunen der Mädchen über die heilige Berechtigung der Freude, die so sehr ihr Wesen ist, wenn sie nur dürften! Denn die ,Normalität’ ist ja, dass sich viktorianische Mädchen ,benehmen’ mussten, wodurch ihre natürliche Leuchtkraft und Liebenswürdigkeit ganz unterdrückt und beschnitten wurde. Die Lehrer bestätigt die Mädchen also immer wieder in ihrem innersten Sein. Und auch dieses zarte Staunen ist schon so sehr Mädchenwesen...
[12] Dies meint nicht so sehr Pflicht und Aufgabe, sondern eine mit dem eigenen Wesen eins gewordene Sehnsucht nach Schönheit, in allem.
[13] In Dantes ,Göttlicher Kommödie’, wo sie die vier klassischen und die drei christlichen Tugenden repräsentieren, H.N.
[14] Immer wieder blitzt die liebreizende Ironie der Mädchen hervor – wie das glockenhelle Lachen von Feen am Wegesrand, oder aber auch wie die süße, aufrichtige Widerspenstigkeit, die nur Mädchen eigen ist – und die schon im nächsten Moment durch gute Argumente und den dem Mädchen so eigenen guten Willen völlig überzeugt werden und sanft wieder schweigen kann. • Zugleich zeigt dieser herzlich-respektlose Einwurf (wie ja auch andere Stellen), wie sehr in jedem Moment die volle Freiheit der Mädchen gewahrt wird. Denn gerade das sollen sie ja: Sich frei entfalten, weil nur so ihr wahres Wesen zur Erscheinung, zur Offenbarung kommt.
[15] Und auch diese Zeilen zeigen wieder etwas so Berührendes, dass es die Möglichkeit, es zu umschreiben, schlicht sprengt. Die Mädchen können geradezu spotten über das, was von ihnen ,verlangt’ wird (bzw. was ihre Tugenden sein sollen) – und doch verzehren sie sich in Sehnsucht, weiter über diese Dinge zu hören. Und das liegt eben genau daran, dass in ihrem Herzen eine unglaubliche Sehnsucht nach dem Guten lebt, dem eigentlichen Blühen des Lebens, dem Licht wahrer Erfüllung, dem Glanz heiligen Lebenssinnes. Und hier sind sie zu allem bereit...
[16] All dies ist auch ein zentraler Gedanke der ,Philosophie der Freiheit’ Rudolf Steiners, an die man sich hier, wenn man die Anthroposophie kennt, fortwährend erinnert fühlt.
[17] Der Anthroposoph erkennt hier unmittelbar die Gegenmacht Luzifers.
[18] Ca. 1400-1455, berühmt ist etwa seine ,Verkündigung’.
[19] Salome, die nach einem verführerischen Schleiertanz vor ihrem Stiefvater Herodes einen Wunsch frei hatte und auf Geheiß ihrer Mutter den Kopf Johannes des Täufers wünschte (Mt 14, Mk 6).
[20] Ruskin ergänzend könnte man hinzufügen: Man kann dahin kommen, den Gedanken zu fassen, dass das Göttliche dennoch zur Zeitenwende anders in die Welt kam als je zuvor – und dass das heilige Wunder des Lammes auch erst seitdem mehr und mehr gerade auf das Wesen des Mädchens übergegangen ist. Dass also seitdem die Unschuld aus dem Wesen der Mädchen noch ganz anders leuchtete – und die Florentiner Mädchen nie hätten mit einer solchen Anmut tanzen können, wenn das Christus-Wesen nicht Mensch geworden wäre, das Menschenwesen mit einem unsäglich heiligen Keim begnadend. Es ist dieser Keim, der gerade im Wesen der Mädchen aufleuchtet. Sie sind seine würdigsten Hüterinnen...
[21] John Ruskin: Sesame and Lilies. Two Lectures delivered at Manchester in 1864. London 1865. Hier zitiert nach Ausgabe hg. Deborah Epstein Nord. London 2002, p. 83, übersetzt H.N.
[22] Ruskin zitiert hier zwei Zeilen aus William Wordsworths Gedicht ,She Was a Phantom of Delight’ (1803).
[23] Lecture 8. Wikisource, übersetzt H.N.