Parthenophilie

Vorwort zu diesem Band


Schon früh wurde nicht nur versucht, die Mädchen so zu erziehen, ,wie es sich für Mädchen gehört’, indem ihnen also eine Rolle zugewiesen wurde. Sondern man hat sich auch gefragt, was denn das Wesen des Weiblichen ist.

Das ist ein Unterschied – auch wenn beides allzuoft ineinander übergeht: Rollenzuschreibung und die Frage nach dem Wesen. In einem Zeitalter der Freiheit kann es eigentlich nicht mehr um Rollenzuschreibungen gehen – dennoch ist die Frage nach dem Wesen etwas davon ganz unabhängiges und damit Zeitloses.

Wesentlich ist hier aber auch der Gedanke bzw. die Erkenntnis, dass ein Mensch zunächst Mensch ist – und dann darüber hinaus auch noch weiblich oder männlich. Aus einer spirituellen Menschenkunde heraus muss man sagen: Die ewige Individualität eines Menschen hat sich in diesem Leben männlich oder weiblich verköpert. Der Geist hat kein Geschlecht, aber die Seele ist sehr wohl männlich oder weiblich gefärbt, wobei es auch Übergänge gibt – und der Leib ist sehr deutlich männlich oder weiblich.

Das Wesen des Weiblichen ist nicht unbedingt das Wesen eines in einem weiblichen Leib inkarnierten Menschen. So kann eine Frau sehr männlich auftreten und ein Mann sehr zart und feinfühlig sein. Aber diese Polarität zwischen männlich und weiblich ist eine eigene Qualität, und es ist deutlich, dass sie einen Reiz hat. – Und selbst das draufgängerische, mutige Mädchen ist noch immer Mädchen. Sie ist dann mutig und draufängerisch, obwohl sie Mädchen ist – also grundsätzlich schwach ist. Auch dies hat dann denselben Reiz – den Reiz des Mädchens.

Dieser Reiz des Weiblichen verschwindet dann, wenn das Weibliche grundsätzlich männlich wird. Man denke an ein Mädchen, das Bodybuilding betreibt und seine Muskeln stählt, um zum Beispiel Gewichte zu heben oder Kugelstoßen zu machen. Man wird ein solches Mädchen nicht mehr als Mädchen ansehen. Man wird es bedauern, dass es seinen zarten Körper so kräftigt, obwohl es ein Mädchen ist. Man wird es akzeptieren, weil es der eigene Wunsch dieses Mädchens ist – das sich vielleicht vor allem als Mensch empfindet oder vielleicht sogar selbst gern einen männlichen Körper hätte, aber man wird es, seinen Körper, nicht mehr wirklich schön finden.

Das heißt also, dass es hier nicht darum geht, einem Mädchen – oder auch Jungen, Mann, Frau – vorzuschreiben, was es zu tun habe – sondern es geht nur um objektive ästhetische Qualitäten, die die Seele ja empfindet und immer tiefer empfinden lernen kann. Ein Mädchen ist schön, wenn es wirklich Mädchen ist – und umgekehrt. Und hier stellt sich dann eben die Frage ... was ist in dieser Hinsicht wahrhaft Mädchen, wahrhaft weiblich?

Noch einmal: es geht nicht darum, dass irgendein Mensch dann so sein muss, es geht nur darum, was empfunden wird; was einen Reiz ausübt, was geliebt wird, in seiner Schönheit. Was ist die tiefere innere und äußere Schönheit des Weiblichen, was des Männlichen? Was ist die Schönheit des Mädchens? Wo ist ein Mädchen in tiefstem Sinne Mädchen, wo beginnt das Wesen des Mädchens zu leuchten? Ganz unverstellt, ganz rein?

Das sind Fragen der Seele. Die Antworten werden nicht erzwungen, sondern empfunden. Es wird immer so sein, dass die Jungen und Männer bestimmte Mädchen lieben werden – nicht alle die gleichen, aber doch in mancher Hinsicht von objektiven Qualitäten berührt werdend. Und diese eben sind es, die die Mädchen haben – und eben nicht die Jungen. Und eben vielleicht auch nicht mehr die Frauen. Was ist diese Schönheit der Mädchen...?

Das Reizvolle des Mädchens ist seine Schwachheit, die, einhergehend mit seiner Lieblichkeit und Unschuld, gerade seine Anmut ausmacht.

Etwas vom Mysterium der Polarität des Männlichen und Weiblichen soll in diesem Band erlebbar werden. Wird erst diese Polarität tief erlebt, so kann auch das Wesen des Mädchens immer mehr erlebt werden – ohne dass man noch meint, es würde auf Rollenzuschreibungen gezielt. Es geht um etwas völlig anderes: um die Frage nach dem Wesen...[1]

Die umfassende Zusammenstellung dieses Bandes mit ihrem Gang durch die Zeit wird den Leser auch immer wieder mit männlichen Zuschreibungen konfrontieren. Sie ist ein Zeugnis insbesondere der letzten drei Jahrhunderte und offenbart auch den vielfältigen Wandel. Aber inmitten dieses Wandels und auch inmitten patriarchaler Konstanten schimmert noch etwas Drittes hindurch. Und dies ist nicht das, was männlicherseits vom Weiblichen gefordert wird, sondern das, was das Weibliche offenbart.

Eine postmoderne Zeit, die Unzähliges verliert, hat auch den Begriff des Wesens mit Verachtung bedacht. Es gibt aber heilige Fragen, die nicht ungestraft verworfen werden. [2] Und tief aufrichtige weibliche Seelen sollten auch wieder den Mut haben, Bücher über das heilige Wesen des Männlichen zu verfassen, dann dazu sind sie am meisten berufen...
 

Fußnoten


[1] Die eigentliche Frage nach dem Wesen des Mädchens ist dann weiteren Bänden vorbehalten.►4,11

[2] Der völlige Verlust dieser heiligen Blickrichtung ist es auch, die eine immer tiefere Verzerrung des wahrhaft Menschlichen bewirkt, wie sie sich in solchen Erscheinungen wie Massentierhaltung, Naturzerstörung, immer obszöneren Vermögensunterschieden, Geopolitik oder auch nur Kapitalismus – über zweitausend Jahre nach Christus! – offenbaren. Die Liste ließe sich nahezu endlos verlängern.