Parthenophilie

John Ruskin (1819-1900)


John Ruskin war ein bedeutender britischer Kunstwissenschaftler und Sozialreformer.[1] Als einziges Kind eines reichen Sherry-Importeurs bekam er auf den Geschäftsreisen seiner Eltern außerordentlich viele Eindrücke, auch kultureller Sehenswürdigkeiten. Schon im Vorschulalter brachte er sich durch das Abschreiben von Büchern Lesen und Schreiben bei. Sein Vater las ihm später Shakespeare, Byron, Cervantes und Pope vor. Schon früh befreundete Ruskin sich mit William Turner, erwarb später viele seiner Werke und wurde schließlich sogar der Ordner seines Nachlasses. Ab 1843 schrieb er die mehrbändige Geschichte der modernen Malerei ,Modern Painters’.[2] 1870 wurde er in Oxford zum ersten Professor für Kunst ernannt. Er beeinflusste auch maßgeblich die englische Architektur und Denkmalpflege.[3]

Ruskin sah, wie die Industrialisierung das Moralische und das Künstlerische verkrüppelte.[4] 1871 eröffnete er eine Zeichenschule für gewöhnliche Männer und Frauen, damit diese so mit mehr Schönheit in Berührung kämen. Er gründete die St.-Georgs-Gilde, deren Mitglieder bereit waren, in den Ankauf von Land zu investieren und dieses nach seinen Idealen zu gestalten. Zu seinen Vorschlägen gehörten Arbeiterhochschulen und Gartenstädte. Ruskins Abhandlung ,Unto This Last’ (1860),[5] die den Kapitalismus kritisierte,[6] war von größtem Einfluss. Die ,Ruskin Society’ schreibt:[7]

When the first Labour Party MPs [= members of parliament, H.N.] were elected in 1906, the book that they said had most influenced them was Ruskin’s Unto This Last. Much of the second half of his life was spent defending his ideas that industrialisation and free markets were doing terrible damage to the ability of people to live fulfilling and meaningful lives. [...]
After his death Ruskin’s ideas found expression in the welfare state, the National Health Service, and widening access to education.

Und in der New World Enzyklopädie heißt es:[8]

The author Leo Tolstoy described him as "one of those rare men who think with their heart." Marcel Proust was a Ruskin enthusiast and translated his works into French. Mahatma Gandhi said that Ruskin had been the single greatest influence in his life.

Ruskins Werk und Sprache sind einzigartig.[9]

1848 heiratete Ruskin Effie Gray (geb. 1828). 1853/54 verliebte sich der Maler Millais, der führende Kopf der ,Präraffaeliten’, die Ruskin von Anfang an verteidigt hatte,[10] in Ruskins Frau, und schließlich schrieb sie ihrem Vater, dass ihre Ehe nie vollzogen worden sei:[11]

He alleged various reasons, hatred of children, religious motives, a desire to preserve my beauty, and finally this last year he told me his true reason... that he had imagined women were quite different to what he saw I was, and that the reason he did not make me his Wife was because he was disgusted with my person the first evening 10th April [1848].

Effies Vater bereitete die Annulierung der Ehe vor. Eine Untersuchung bewies, dass sie noch Jungfrau war. Lady Eastlake, die Frau des Direktors der National Gallery, streute gegen Ruskin Pikanterien. Am 20. Juni 1854 erhielt Ruskin ein Schreiben, wonach die Ehe aufgrund seiner ,unheilbaren Impotenz’ annulliert würde. 1855 heiratete Effie Millais.[12]

Ab 1858 gab der fast vierzigjährige Ruskin der zehnjährigen[13] Rose La Touche (1848-1875, geboren im Jahr seiner Eheschließung!) und ihren beiden Brüdern Zeichenunterricht. Zu dem irischen Mädchen entwickelte er ein enges Verhältnis und einen ständigen Briefwechsel. Ihre ihm zugetane Mutter sprach, während die Familie den Winter in London verbrachte, oft Einladungen auf ihr Anwesen Harristown in Kildare aus.

1866, als Rose achtzehn Jahre alt war, hielt Ruskin um ihre Hand an, aber sie lehnte ab – er solle in drei Jahren noch einmal fragen. Noch mehrfach fragte Ruskin sie, und Rose, die kränklich und tief religiös war, lehnte 1872 endgültig ab. Sie wurde ,geistig verwirrt’, kam ins Pflegeheim und starb drei Jahre später mit siebenundzwanzig Jahren.[14]

Ruskin war von ihrem Tod tief erschüttert. Er zog sich in sein Haus im Lake District zurück, erlitt mehrere Nervenzusammenbrüche und versuchte, in spiritistischen Sitzungen mit der Toten Kontakt aufzunehmen.

1882 lernte Ruskin Kate Greenaway (1846-1901) kennen, die zu der Zeit durch eine neue Drucktechnik mit ihren idyllischen Illustrationen von Kinderbüchern berühmt wurde. Ruskin bewunderte diese, und Greenaway war wiederum von ihm fasziniert. Ihre Freundschaft dauerte bis zu seinem Tod.

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Ruskin-Biograf Kemp weist darauf hin, dass Ruskin sich auch in ein Mädchen namens Adèle verliebt hatte, als sie fünfzehn gewesen war, und auf Effie habe er auch schon als Dreizehnjährige ein Auge geworfen.[15] Alle seine tiefen emotionalen Bindungen gehe er mit jungen Mädchen ein:[16]

[...] Wie ist es sonst zu verstehen, daß er einer reformpädagogischen Mädchenschule[17] jahrelang als Lehrer, Freund und Geldgeber die Treue hält, daß er Hunderte von Briefen[18] an die Schulgemeinde und an einzelne Mädchen[19] richtet und es sich bei keinem seiner zahlreichen Besuche nehmen läßt, mit den Schülerinnen zu toben, Verstecken zu spielen und zu tanzen?

Das ist wahr, und Ruskin hat eine unglaubliche Liebe zum Wunder des Mädchens.[20] Und zu Adèle hat der keine zwei Jahre ältere Ruskin zum ersten Mal eine hoffnungslose, tiefe, lang andauernde Liebe.[21] Nicht zu Effie,[22] mit der die tragische Ehe schnell zur Katastrophe geriet.[23]

In seinen vierziger Jahren (1859 bis 1868) hatte Ruskin wie bereits angedeutet auch eine enge Beziehung zur Mädchenschule in Winnington, etwas südlich zwischen Liverpool und Manchester. Er unterstützte sie substanziell, besuchte sie sechzehnmal und nannte sie sein zweites Zuhause. Nach dem ersten Besuch schrieb er der Leiterin Margaret Bell:[24]

Es ist wirklich ein hartes Schicksal – dessen Beschreibung soweit ich weiß, in Prosa oder Versform noch nicht versucht wurde –, sich in fünfunddreißig junge Damen auf einmal zu verlieben.

Wie tief diese Liebe tatsächlich teilweise ging, zeigt das Beispiel der anfangs zwölfjährigen Lily Armstrong:[25]

Er war ein regelmäßiger Besucher der Schule, wo er nicht nur sein Schreiben fortsetzte, sondern sich auch Spielen und Tänzen mit den Mädchen anschloss. Seine Freundschaft mit Lily reichte bis weit nach ihrer Schulzeit und Heirat und war offensichtlich auf beiden Seiten tief liebevoll, trotz gelegentlicher Momente, in denen sich Ruskin vernachlässigt fühlte. Er bekannte sich nicht wenig verliebt in Lily, und sie vertraute ihm noch 1887 an, dass sie nicht nur all seine Briefe aufbewahrte, sondern sie regelmäßig nachts las, bevor sie zu Bett ging, und dass ,ich sie oft mit roten Augen wieder zurücklegte, nachdem ich mich über ihnen ausgeweint hatte, aber ich liebe sie von ganzem Herzen’ (Lily an Ruskin, John Rylands Bibliothek).

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Ein Mädchen allein aber gewann nun, über zwanzig Jahre nach Adèle, für ihn einzigartige Bedeutung: Rose.

Wie erwähnt gab er seit Ende 1858 – auf Bitten ihrer Mutter, der ihn bewundernden reichen Magistratsgattin Maria La Touche[26] – dem anfangs noch nicht ganz elfjährigen irischen Mädchen Zeichenunterricht.[27] In seinen Memoiren erinnert er sich mit der für ihn typischen Genauigkeit an ihre Erscheinung:[I-264][28]

[...] neither tall nor short for her age; a little stiff in her way of standing. The eyes rather deep blue at that time, and fuller and softer than afterwards. Lips perfectly lovely in profile; – a little too wide, and hard in edge, seen in front; the rest of the features what a fair, well-bred Irish girl's usually are; the hair, perhaps, more graceful in short curl round the forehead, and softer than one sees often, in the closebound tresses above the neck.

In diese Zeit fiel aber auch sein Abfall vom Glauben. In Turin hatte er erstmals auch am Sonntag (,Sabbat’) einige Orchideen gezeichnet, und er kopierte ausführlich Details von Veroneses Bild ,Salomon und die Königin von Saba’, während ihn ein Waldenser-Gottesdienst zutiefst abstieß.[I-254f][29] Und in einem langen Brief an seinen Vater fragt er:[I-256][30]

,Can it be possible that all this power and beauty is adverse to the honour of the Maker of it? Has God made faces beautiful and limbs strong, and created these strange, fiery, fantastic energies, and created the splendour of substance and the love of it; created gold, and pearls, and crystal, and the sun that makes them gorgeous; and filled human fancy with all splendid thoughts; and given to the human touch its power of placing and brightening and perfecting, only that all these things may lead His creatures away from Him?’

1860/61 erlitt Ruskin eine schwere Depression, die auch mit diesem Glaubensverlust zu tun hatte[31] – und Rose rettet ihn. Seinem Freund Charles Eliot Norton schreibt er:[32]

I don’t in the least know what might have been the end of it, if a little child (only 13 last January) hadn’t put her finger on the helm at the right time; and chosen to make a pet[33] of herself for me.

Der erste Brief von Rose an Ruskin ist erhalten, weil er ihn in diesen Memoiren – ,für alle liebenden Herzen’[34] – bewahrt hat. Sehr ausführlich schildert das dreizehnjährige Mädchen, das ihm in großer Hingabe zugetan ist, im März 1861 ihre Eindrücke während einer Italienreise mit ihren Eltern, und am Ende schreibt sie:[35]

Oh St Crumpet I think of you so much & of all your dearnesses to me I wish so very much that you were happy – God can make you so [...] We have all read your letter & we all care for it[.] That was indeed a “dear Irish labourer.” I like him so much; such a nice letter. I hope Mr & Mrs Ruskin are well now. Will you give them our love please & take for yourself as much as ever you please. It will be a great deal if you deign to take all we send you. [...] I am ever your rose.

Ruskin, dem das Mädchen unbeschreiblich viel bedeutet,[36] leidet zugleich darunter, dass er sie nie wiedersehen wird, wie sie war; dass sie sich stetig ändere und er sie am liebsten vom Heranwachsen abhalten würde:[37]

It’s another Rosie every six months now. Do I want to keep her from growing up? Of course I do.

Nach ihrer Italienreise macht die Familie im Mai 1861 in London Station, danach wird er sie wiederum viele Monate nicht sehen, und er klagt auch seinen Mädchen in der Winnington-Schule:[38]

I shan’t see her again for ever so long [...] and then she’ll be someone else – Children are as bad as clouds at sunrise – golden change – but change always – I was horribly sad this morning.

Ende August 1861 besucht er Roses Familie für eine Woche. Er verlebt hier glückliche Tage,[39] aber ihre Mutter nimmt ihm das Versprechen ab, zehn Jahre lang nicht öffentlich über den Verlust seines Glaubens zu sprechen.[II-23]

Nach seiner Abreise kehrt die Melancholie zurück, er kann nicht arbeiten, lebt nur für Roses Briefe: ,Ich hatte meinen wöchentlichen Brief von R[ose] und vage Hoffnungen – jedenfalls Möglichkeiten von Hoffnung.’[40]

Auf seine Anregung lernt Rose nach seinem Besuch Griechisch, erleidet dann aber aufgrund ihrer schwachen Konstitution im Oktober einen ersten schweren Zusammenbruch.[II-25f] Die Eltern führen dies auf den Briefwechsel zurück und verbieten diesen – aber Rose widersetzt sich das erste Mal. Als ihre Kopfschmerzen verschwinden, darf sie den Briefwechsel offiziell wieder aufnehmen.[41]

Einzelne Hinweise bestätigen Ruskin wiederholt auch Roses Zuneigung.[42] Am 26. Dezember 1861 bekommt er Roses ,Star-letter’, der ihm besonders wertvoll ist.[43] Wegen einzelner Aussagen und den ihren Briefen beigelegten Blumen erlebt er ihren Charakter als sehr heilig.[II-30] Zu ihrem vierzehnten Geburtstag am 3. Januar 1862 schenkt er ihr einen wertvollen illuminierten Psalter des 14. Jahrhunderts.[II-31]

Am 22. April 1862 reisen die La Touches nach einem London-Aufenthalt wieder nach Irland. Ruskin wird Rose dreieinhalb Jahre lang nicht wiedersehen – und später schreiben:[II-39][44]

They took the child away from me [...] and since that day of April 1862, I have never had one happy hour, – all my work has been wrecked – all my usefulness taken from me [...].

Tatsächlich aber boten ihm die Eltern sogar an, in einem Cottage in ihrer Nachbarschaft zu leben, worauf er aber nicht einging[45] und was sie später auch zurückzogen.[II-39] Im Juli, als er in Mailand Gemälde kopiert, schreibt er: ,I’ve had a fine quarrel with Rosie ever since for not helping me enough.’[46] Rose schreibt ihm nun auf einem Baum sitzend alle paar Tage Briefe, die Religion betreffend.[II-41f]

Im Herbst schildert er in einem Brief seinen weltanschaulichen Zusammenbruch der letzten Jahre. Dann fügt er hinzu, dass am Tiefpunkt dieser Entwicklung jetzt auch noch Rose, ,the only little healing pleasure’, zu alt geworden sei ,to made a pet of any more’. Er sei ,utterly broken & good for nothing’, und Rose habe eine ernste Nervenkrankheit, angesichts derer der Arzt ihr für drei oder vier Jahre jegliche Tätigkeit verboten habe.[47] Ruskin zieht sich in die geliebten Alpen zurück und studiert Platos ,Staat’, von dem er tief beeindruckt wird,[II-54] und klagt einer alten Familienfreundin sein tiefes Leid wegen Rose.[48]

Der wesentlichste Faktor, der sich zwischen Ruskin und Rose schob, war die Religion. In Ruskins Haus in Brantwood hat sich eine autobiografische Skizze[49] von Rose aus dem Jahr 1867 erhalten, aus der hervorgeht, dass sie sich mit neunzehn Jahren zu einem noch religiöseren Leben entschied. Doch schon lange vorher wirkte diese Tendenz unter dem starken Einfluss ihres streng calvinistischen Vaters, der 1863 die Taufe empfing, und dürfte ihre seelisch-leibliche Labilität ganz wesentlich verursacht oder zumindest verstärkt haben.[50] So gab es bereits im Sommer 1863 einen ernsten Konflikt in der Frage der Kommunion. Rose war nicht konfirmiert, und ihr Vater folgte der baptistischen Auffassung, dass sie die Kommunion dennoch empfangen dürfe, während ihre Mutter strikt dagegen war. Am 12. Oktober empfing Rose schließlich die Kommunion – und brach am nächsten Tag zusammen, woraufhin sie vier Wochen absolute Bettruhe in einem abgedunkelten Zimmer brauchte und selbst Gedanken sie schmerzten.[II-60f][51]

Im März 1864 stirbt Ruskins Vater, und eine Großcousine, die siebzehnjährige Joan Agnew,[52] kommt zu ihm und seiner Mutter ins Haus.[II-66] Später in diesem Jahr verfasst Ruskin für Rose sein Werk ,Sesame and Lilies’[53] – die erste Arbeit seit ,Unto This Last’ vier Jahre zuvor.[II-31] 1865 geht es Rose endlich besser – und sie ist wie zuvor eine wilde ,irische Rose’.[54] In diesem Jahr schreibt Ruskin ,The Ethics of the Dust’, wo ein Lehrer mit zwölf Mädchen (Ruskin und die Winnington-Mädchen) über Kristallografie und vieles andere spricht.[55] ►11

Erst im Dezember 1865, nach dreieinhalb Jahren, sieht der nun fast fünfzigjährige Ruskin Rose wieder.[56] Anfang Januar 1866 ist sie achtzehn Jahre alt, er lädt sie zum Dinner ein und hat mit ihr ,paradisiacal walks’.[II-98][57] Voller Liebe zu ihr hält er einen Monat später um ihre Hand an. Doch Rose bittet ihn, drei Jahre zu warten.[58]

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Ihre Eltern sind schockiert. Wenige Wochen später,[59] nach ihrer Rückkehr nach Irland im April, verwehren sie ihm jeden Kontakt zu ihr, und Rose hat einen heftigen Streit mit ihrer Mutter, weil sie weiterhin seine Briefe annimmt.[60] Ruskin zählt in seinem Tagebuch nun die Tage dieser drei Jahre.[II-101] Im September schreibt er seiner Vertrauten, Mrs. Georgina Cowper,[61] nun verzweifelt:[II-107][62]

[...] I am so sick already for the sight of her, that – if it were not that it would plague herself, I would go to Ireland now, and lie down at their gate – and let them do what they chose with me,[63] but I would see her … [...] They might have me carried away – if they chose to have talk over the whole county – but I would simply come back again, & back. What could they do – but let me see her. I would make terms for an hour’s look, and no talk...

In Roses autobiografischen Notizen von 1867 wird ,Mr. Ruskin’ kaum erwähnt.[64] Dennoch schickt sie ihm um die Zeit ihres neunzehnten Geburtstages zwei, drei wunderbare Briefe – aber wieder in London verbieten ihre Eltern weiterhin jeden Kontakt,[II-112] obwohl Ruskin ihren Vater inständig bittet, sie noch einmal sehen zu dürfen.[II-115] Verzweifelt durchwandert er London, um sie vielleicht zufällig zu treffen – und rennt einmal eine Viertelmeile einer Kutsche hinterher, weil ein Mädchen darin ihr ähnelte.[II-117][65]

Im Sommer macht ihn ein Brief, der nur eine Hundsrose enthält, glücklich, und um Roses willen besucht er sogar wieder die Kirche.[II-123f][66] Als Rose ihm zu Weihnachten nicht wie versprochen schreibt, ist er erneut verzweifelt, hält sie für grausam und will sogar seine Schriftstellerei beenden.[II-131f][67] Ende April 1868 macht ihn ein Brief von ihr wieder zutiefst glücklich.[II-132][68]

Am 13. Mai 1868 hält Ruskin in Dublin vor zweitausend Hörern einen Vortrag – und war nicht einmal sicher, sprechen zu können, weil Rose am Morgen geschrieben hatte, dass ihre Eltern jeden Briefkontakt verboten hätten.[II-134] Aber damit nicht genug: Ihre Mutter schreibt nun Ruskins ehemaliger Frau Effie und zeigt Rose ihre Antwort.[69] Ruskin schreibt daraufhin:[II-135f][70]

No man, living, could more purely love – more intensely honour. She will find me – if she comes to me – all that she has thought. [...] She will save me only from sorrow – from Sin I am saved already[71] – though every day that I love her, I deserve her more [...]. There was that in my early life which is indeed past as the night. – I care not what she has seen – the worst of me she shall utterly know – but – let her also hear and know the best.

Anfang 1869 verstreichen die drei Jahre, ohne dass Rose sich geäußert hat...

Im August erfährt Ruskin, dass seine Ernennung zum ersten Slade Professor für Kunstgeschichte in Oxford bevorstehe – Höhepunkt seiner Karriere.[II-165][72] Im Sommer schickt er Rose sein Werk ,The Queen of the Air’ über die Göttin Athene und die griechische Mythologie überhaupt. Anfang September schickt sie es ihm nur mit etwas eingelegtem Gras und einem Rosenblatt zurück.[73]

Und dann kam der erschütternde 7. Januar 1870. Ruskin hatte etwas in der Royal Academy zu tun – und begegnet hier zufällig Rose, die gerade in London ist. Als sie ihn sieht, geht sie weg, aber er hält sie auf. Sie löst sich wieder und betrachtet die Gemälde. Ruskin holt aus einem Seidentäschchen ihre kostbarsten Briefe, die er bei sich trägt, und zeigt sie ihr mit den Worten, sie habe wohl ihr Notizbuch verloren. Rose verneint – und Ruskin, unfähig, noch ein Wort zu sagen, verlässt den Raum. An diesem Tag notiert er auf eine leere Seite seines Tagebuches nur ein Kreuz...[II-171f][74] Einen Monat lang ist er krank und kann seine Antrittsvorlesung am 8. Februar erst eine Woche zuvor noch einmal fast komplett umschreiben.[II-176]

Ein Brief von ihr vom 19. Februar – Sie hatte ihn offenbar gefragt, ob zwischen ihnen alles gut wäre (,at peace’) – macht ihn so betroffen, dass er ihr ankündigt, ihr seine Vorträge mit folgender Widmung zu schicken: ,To the woman, / Who bade me trust in God, and her, / And taught me / The cruelty of Religion / and the vanity of Trust / ...’. Auch wollte er ihr schreiben, das Einzige, was ihn davon abhielte, vollkommen glücklich zu sein, sei die Tatsache, dass er nicht anders könne, als sie noch immer zu lieben.[75]
Ängstlich erwartet er ihre Antwort und erhält endlich am 23. Februar ihren Brief, gefährlich dünn, und er fürchtet, dass alles vorbei sei. Und dann zitiert er, was sie ihm schrieb ,if I do not dream’. Und Roses Brief ist nun ein wunderbares Zeugnis bleibender, tiefer Zuneigung und Liebe – auch wenn die Religion sie weiterhin trennt:[II-178][76]

Ich werde dir vertrauen.
Ich liebe dich, ich habe dich geliebt, obwohl die Schatten, die zwischen uns getreten sind, mich dazu bringen mussten, dich zu fürchten und mich von dir abzuwenden – ich liebe dich & werde dich immer lieben, immer – und du kannst dies bedeuten lassen, was du willst.
Ich habe deine Liebe angezweifelt, ich habe mir gewünscht, dich nicht zu lieben. Ich habe dich für unwürdig gehalten, ja – so sicher, wie ich daran glaube, dass Gott dich liebt, so sicher wie mein Vertrauen in Seine Liebe ist.
Ich liebe dich – noch immer und für immer.
Zweifle nicht mehr daran.
Ich glaube, Gott wollte, dass wir uns lieben, aber das Leben – und es scheint Gottes Wille – haben uns getrennt.
Mein Vater & meine Mutter verbieten mir, dir zu schreiben, und ich kann es nicht mehr heimlich fortsetzen. Es scheint Gottes Wille zu sein, dass wir getrennt werden, und dennoch – ,Deine Kunst immer bei mir’. Wenn meine Liebe irgendein Sonnenschein für dich sein kann – nimm – und behalte sie. Und nun – darf ich sagen, Gott segne dich? Gott, der Liebe ist – führe – leite & segne uns beide.
Immer, liebster St. C.,
Deine liebende
Rose.

Es folgen nur vorsichtige indirekte Briefe – Mrs. Cowper-Temple schickt Briefe Ruskins an sie an Rose weiter und Briefe von Rose teilweise an Ruskin. Im August schickt Rose ihr ein Foto von sich.[II-179] im April hatte Rose auch ein religiös-erbauliches Büchlein veröffentlicht: ,Clouds and Light’. Ruskin notiert in einem Brief, es sei ,lovely’, aber ,drives me wild with pain and longing for her.’[77]
Im September schickt er Rose über die Cowper-Temples erneut eine Erklärung zu seiner früheren Ehe.[II-179][78] Doch Roses Mutter kontaktiert erneut Effie Millais[79] und zeigt Rose deren Antwort, was sie erneut abschreckt.[II-186][80]

Zum Jahresanfang 1871 beginnt Ruskin mit der Veröffentlichung seiner berühmten monatlichen Abonnement-Briefe ,Fors Clavigera’.[II-186][81] Anfang Mai veröffentlicht er seine ersten Gedanken zur späteren ,St.-George-Gilde’.[82] Im Mai ist Rose wieder sehr krank, er schickt ihr Genesungswünsche.[II-205] Ende Juni schreibt ihr Vater ihm jedoch, ein Anwalt habe ihm bestätigt, er könne keine legale Ehe schließen.[II-214] Im Juli erleidet Ruskin daraufhin einen Zusammenbruch mit halluzinatorischen Träumen und ist drei Wochen bettlägerig.[II-205f][83] Doch am 23. Juli schreibt er Rose, laut seinen Anwälten könne er heiraten, und bittet sie, mit ihm zu kommunizieren und sich zu äußern.[II-215] Die eingeschüchterte Rose antwortet so abrupt, dass Ruskin ihr erschüttert ankündigt, all ihre Briefe zurücksenden zu lassen und sich niemals wieder an sie zu wenden.[II-215f][84] Im August erwirbt er unbesehen sein späteres Haus Brantwood am Coniston Lake in Lancashire.[II-211] Am Jahresende stirbt seine Mutter.[II-220]

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Doch die innere Beziehung von Rose zu Ruskin bricht nie ab. Im Frühjahr 1872 lässt sie sich, während sie erneut krank ist, von einem Freund Zusammenfassungen von Ruskins Vorträgen machen.[II-232] Auch drängt ihr Wesen danach, der Enge des eigenen Heims zu entkommen. In dieser inneren Not wendet sie sich Ende April voller Vertrauen in einem langen Brief[85] an den inzwischen bekannten Schriftsteller George MacDonald, den sie einmal bei einem Dinner kennengelernt hatte und der auch mit den Cowper-Temples (und Ruskin) bekannt war.[86] Aus diesem Brief spricht ein verzweifelter Helferwille, eine Sehnsucht nach christlichem Wirken.[87] MacDonald antwortet ihr freundlich und erhält weitere Briefe, in einem schreibt sie von ihrem Leid um und mit Ruskin, ohne ihn zu nennen.[88]

Spätestens jetzt bekommt das ganze Geschehen die Dimensionen einer griechischen Tragödie. MacDonald zeigt den Brief Mrs. Cowper-Temple, und beide empfinden die Aufgabe, die Liebenden wieder zu vereinen.[II-235][89] Ruskin ahnt davon nichts, er war gerade wieder zu einer Europareise aufgebrochen und kommt am 22. Juni in Venedig an. Als Rose die MacDonalds und Cowper-Temples trifft, reden diese ihr zu, dass sie Ruskin brauche und er sie. In unschlüssiger Erregung nimmt sie Abschied und geht zu ihrer Tante.[II-235f]

Diese jedoch hatte im September 1870 Briefe von Ruskin erhalten und verwendet sie nun gegen ihn – und Rose wendet sich völlig ab.[II-236f] Offenbar geht es wieder um das Religiöse. An MacDonald schreibt sie am 18. Juni verzweifelt, nichts könne ihr helfen,[90] und in einem Brief vom 16. Juni an Ruskin, den sie MacDonald übergibt, schreibt sie:[II-237f][91]

I will not judge or condemn you. But I must turn away from you. [...] | Your love to me [...] cannot expiate, but to my deep sorrow intensivy and darken your sins against God’s law... When I think what you might have been, to Christ, to other human souls, to me! How the angels must have sorrowed over you! [...]
And I who have loved you cannot alter you [...]. All I can do is to speak of you to Christ. At His feet we might meet; in His love our hearts might be drawn together again [...]. [...]
You may scoff at my words, but I can write no others. Is it a light thing to lose eternally what one has loved? one for whom one desires Christ’s blessing and on’s own?

MacDonald gibt ihren Brief nicht weiter und versucht am nächsten Sonntag, sie zu beruhigen und ihr ein anderes Bild von Ruskin zu vermitteln. Er ist ja selbst Pfarrer und Mystiker[92] – Rose kommt wieder zur Ruhe, und stimmt zuletzt zu, dass er Ruskin von ihrem Aufenthalt schreibt.[II-239]

Der Brief erreicht Ruskin in Venedig, aber dieser hält sich mit mehreren Freunden dort auf und erwidert, er komme nur, wenn er sicher sei, Rose zu sehen. Telegramme gehen hin und her, in denen Ruskin vergeblich zu erfahren versucht, was Rose ihm vorwirft, und als Rose auf Wunsch ihrer Eltern schon fast zurückkehren will, lässt Ruskin alle Freunde stehen und eilt nach England. Rose ist bereits nahe an einem Nervenzusammenbruch, und beide begegnen sich am 28. Juli nach sechseinhalb Jahren wieder.[II-240ff]

Und ihre innige Verbindung erneuert sich.[93] Drei Wochen sind in Ruskins Tagebuch ohne Eintrag, auch wenn er später nur von ,three days of heaven’ schreibt.[94] Und:[II-243][95]

I do not believe that any creature out of heaven has been so much loved as I love that child. [...] she was so good and so grave, and so gay, and so terribly lovely – and so merciless, and so kind – and so “ineffable”.

In tiefster Dankbarkeit schreibt er am 15. August 1872:[II-244][96]

Nothing can come now that I cannot bear – nor death, nor life shall separate me from the love of God anymore. However long she is kept from me, – whatever she does to me, – I will not fear, nor grieve – but wait – and be more like her when she is given at last – and more worthy of her...

Damit spricht Ruskin die heilige Essenz der reinen Liebe zu einem Mädchen aus... Am 18. August betet er sogar über Stunden, dass sie ihm nicht jetzt genommen werde. Und Rose lädt ihn nach Toft ein, wo sie bereits auf der Rückreise ist.[II-244]

Aber sie kann seine Liebe nicht erwidern. Mrs. MacDonald bekennt sie: ,I cannot be to him what he wishes, or return the vehement love which he gave me, which petrified and frightened me’.[II-244] Und als sie zu einem Gottesdienst gehen, nimmt das Verhängnis seinen Lauf. Auf dem Weg zur Kirche gibt Ruskin ihr einen Liebesbrief in die Hand, in dem er unter anderem auch wieder andeutet, dass sie eines Tages seine Frau werden könnte. Alle ihre Ängste kehren zurück, und im Zug nach Crewe auf dem Weg zur Fähre wirft sie ihm hysterisch alle nur denkbaren Anschuldigungen an den Kopf.[II-244f]

Rose reist ab. Aus Irland erhält er zwei Briefe, die nicht beantwortet werden dürfen. Ein eigener Brief an sie kommt am 18. September ungeöffnet zurück, als er zur Kirche geht. Nun wird auch Ruskin verbittert gegen sie – und gerät in eine neue religiöse Unentschiedenheit.[II-245] Er vergleicht die unfassbare Tragik der ganzen letzten Jahre, aber auch Tage mit einer griechischen Tragödie: ,There never really was a Greek story much sadder’. Rose wiederum wird unmittelbar nach ihrer Rückkehr nach Irland krank.[II-247][97]

Ruskin hört nichts mehr von ihr. Irgendwann bittet er Joan, ihm zu sagen, ob Rose ihn jetzt hasse.[98] Aber erst Monate später wagt er verzweifelt die Bitte an seine Vertraute, Rose zu bitten, ihm wieder zu schreiben.[99] Und im Juni 1873 träumt er eine Art erlösenden Traum.[II-251][100]

Rose ist in den kommenden zwei Jahren, nur von ihrer Amme begleitet, viel in England unterwegs, bei Ärzten und in Sanatorien.[II-268] Joan besucht sie manchmal, und über sie lässt sie Ruskin Bibelzeilen zukommen, manchmal fast täglich.[II-268f] Ruskin leidet unter alledem.[101] Dennoch ist Rose für ihn die Einzige – in dieser Zeit begegnet er auch den sehr reizenden Liddell-Mädchen[102] –, und einmal gesteht er Joans Mann Arthur Severn,[103] als dieser Rose erstmals begegnet war:[II-274][104]

I never thought her for a moment comparable to Dora [Livesey] or half a dozen others. But then I reverence and don’t care a bit for Dora, and I don’t in the least reverence – and am dying for – Rose.’

Zuletzt fragt sich sogar Roses Mutter, ob es ihr besser gehen würde, wenn sie wieder Kontakt zu Ruskin hätte.[II-274][105]

Im Mai 1874 kopiert Ruskin in Rom die Zipporah aus einem Botticelli-Fresko in der Sixtinischen Kapelle und setzt sie mit Rose gleich, der sie frappant ähnelt.[106] In Assisi fühlt er sich Franziskus tief verbunden.[II-277f][107] Und Giotto stellt er nun weit über Tizian.[II-278f][108] An Rose denkt er nun, als sei sie seine Frau.[II-283][109] Im August und September erhält er in Florenz über Joan Nachrichten von Rose und schließlich wieder ganz direkt Briefe von ihr.[II-285] Auf der Rückreise bekommt er in den Alpen im Oktober eine Nachricht von ihr, die einem Heiratsantrag gleichkommt. Sie bereut die Szene vor zwei Jahren und schreibt in einem Brief an Joan:[II-286][110]

Do you think that Mr and Mrs C. Temple’s opinion is true – and that the Professor would really, really, really care to have me, and be happy with me – just as I am? – I can’t understand it. If he could, he deserves to have the remnant, though I must say – it’s only – ‘suitable for a present’, in Mama’s sense of the expression.

Was für eine unglaubliche Tragik! Kurz vor ihrem Tod versteht Rose Ruskins Liebe noch immer nicht, ist aber bereit, ihm das zu schenken, was von ihr noch übrig ist... Diese wenigen Zeilen sind so unendlich bittersüß und berührend, wie sie erschütternd sind.[111] Am 22. Oktober überquert Ruskin den Kanal und eilt sofort zu ihr. Rose ist sehr schwach, aber noch nicht ans Bett gefesselt.[112] Immer wieder verbringen sie in London nun Zeit zusammen, bis sie Mitte Dezember nach Irland zurückkehrt.[II-288]

Ruskin wusste, dass seine geliebte irische Rose sterben würde – auch an ihren eigenen inneren Kämpfen –, wie eine berührende Passage zeigt.[II-301][113] Verantwortlich dafür aber war an allererster Stelle ihr Vater, von dem sie sich am Ende vergeblich zu befreien versuchte.[II-301][114] Kein halbes Jahr darauf, am 25. Mai 1875, stirbt Ruskins ewige Geliebte.[II-303]

Wenige Wochen später, im Juli, veröffentlicht Ruskin in ,Fors’ das Memorandum und die Statuten der St.-George-Gilde. Ruskins Ideale hätten für Rose eine spirituelle Heimat sein können – wenn sie Ruskins wahres Herz früh genug erkannt hätte.[II-295] Aber noch im Herbst muss sie Joan gestanden haben, dass Ruskin ihr weit mehr bedeutete, als dieser ahnte, denn Rose:[II-299][115]

[...] gave me broad hints that it was all because she hadn’t you, that she was ill.

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Im Dezember lädt Mrs. Cowper-Temple Ruskin zu sich nach Broadlands ein, wo sie schon viele spiritistische Sitzungen abgehalten hat.[II-325] Dort gibt ihm die medial begabte Ms. Acworth[116] die Zuversicht auf ein Leben nach dem Tod,[117] und am 20. Dezember sieht sie, die Rose nicht kannte, ihren Geist neben Ruskin und Mrs. Temple.[II-327][118] Kurz darauf erhält Ruskin Roses Haarlocke und ihre wichtigsten Briefe wieder, die er ihr 1872 zurückgeschickt hatte.[119] Im Januar 1876 schreibt ihm Roses Tante Miss Price, dass Rose für ihn immer gebetet habe.[120] An Joan schrieb sie bereits früher:[121]

Her deep and constant regard for your cousin partook of the same pecularity, for she never ceased praying for him. There are many who talk of praying for others. She did – in ardent hope and firm trust. She cared for his soul in very truth & earnestness, and looked forward to endless happy companionship.

Bald darauf ist Ruskin von Roses Nähe als einer Heiligen überzeugt. Im August 1876 schreibt er an eine Freundin:[122]

If anything is true of what all good and noble Christians have believed, it is true that we not only may, but should pray to the saints, as simply as we should ask them to do anything for us while they were alive. Do but feel they are alive and love us, and that they had powers of influencing us by their love and wisdom, and what else can we do? I should like you to think of Rose as a perfectly pure and innocent friend, who could, and only besought to be permitted to, teach you and inspire you in all things relating to feelings about which you have no other adviser.

Ab September ist er mehrere Monate in Venedig und vertieft sich in das Kopieren von Carpaccios ,Traum der heiligen Ursula’ (1495), macht sorgfältige Studien ihres Gesichts, ihrer Hände – und beginnt, sie wie real zu empfinden und mit Rose zu identifizieren.[123] Er betet um ein Zeichen – und am 21. Dezember beginnt seine ,Christmas Story’, ,Wahrnehmungen’, die zwölf Tage dauern.[124] Als eine irische Lady ihm einen Topf Nelken (Dianthus) schickt, wie Carpaccio sie auf der Fensterbank malte, schreibt er in ,Fors’ am Weihnachtstag, St. Ursula habe sie ihm geschickt.[II-348][125]

Mitte Februar 1878 gerät Ruskin in eine echte Umnachtung (,Ruskins dream’). Die Tagebucheintragungen dieser Tage sind konfus, und er schreibt selbst: ,I must get to work, – or I shall get utterly – into dreamland’.[126] Er wiederholt wie eine Zauberformel Zeilen aus dem Lied der Ophelia im ,Hamlet’: ,Let in the maid, that out a maid / Never departed more’. Und dann hat er am 20. Februar eine Vision, in der zwischen Rose und ihm eine wirkliche Hochzeit stattfindet.[127] Darauf folgt ein kompletter sechswöchiger Zusammenbruch.

In den folgenden Jahren hat Ruskin weitere Zusammenbrüche – und in seinen Delirien geht es sehr oft um Rose. Dennoch ist er bis in die 1880er Jahre hinein die wahrscheinlich berühmeste Gestalt der Universität Oxford.[II-458] Schon in dieser Zeit bilden sich, noch zu seinen Lebzeiten, ,Ruskin Societies’.[II-440] 1885 beginnt er seine Memoiren ,Praeterita’. 1887 begegnet ihm noch einmal ein junges Mädchen, nach dessen Liebe er sich sehnt und von der er glaubt, Rose habe sie geschickt: Kathleen Olander.[128]

Die letzten elf Jahre seines Lebens ab 1889 gehen vielfach in Umnachtung über.[129]

                                                                                                                                       *

Die Liebe von John Ruskin zu dem irischen Mädchen Rose La Touche kann nicht anders als ,tragisch’ bezeichnet werden. Und es besteht kein Zweifel dass es die große Liebe dieses hervorragenden Mannes war. Zugleich besteht kein Zweifel, dass auch das Herz des Mädchens voller Zuneigung war – und wäre ihr Herz nicht durch die extremen Vorstellungen des Vaters auf das Religiöse eingeengt worden, so hätte sie den großen Sozialreformer Ruskin gerade in seinem tiefen Verzweifeln am äußeren Christentum tief verstehen können – und die beiden Liebenden hätten ein gemeinsames, viel tieferes Christentum finden können, eines, das nicht in einem erdflüchtigen Jenseits, sondern gerade in der liebenden Hinwendung zur sozialen Not der Gegenwart zu finden ist.[130]

Greville MacDonald erinnerte sich später an ihre Wiederbegegnung im August 1872:[131]

My own personal memory of Ruskin, especially in those days when he used to visit Rose La Touche [...] although forbidden by her parents to meet him, and when I had opportuinities for doing trifling services both to the great man whom I just loved to shake hands with, and to the frail, strangely beautiful, sweetly smiling girl, urges me to tell some say all I know of that wonderful love-story, if only that the world shall realise how honourable and pure-hearted the man was, and what a saintly person Rose La Touche had been all through childhood and girlhood, till she began to die of heartbreak[132] [...].

John Ruskin und seine große Liebe Rose La Touche waren in ihren innersten Empfindungen einander viel näher, als sie wussten. Ihre Liebe scheiterte an Hindernissen, die nicht in ihnen selbst lagen.[133]
 

Fußnoten


[1] Wikipedia: John Ruskin. Auch für das Folgende bis ,*’, sofern nicht anders angegeben. Im Weiteren beziehe ich mich außerdem auf:
● Timothy Hilton: John Ruskin. The Early Years. New Haven/London 1985. & The Later Years. New Haven/London 2000. Im Folgenden Seitenangaben in hochgestellten eckigen Klammern, davorgestellt ,I’ bzw. ,II’. • Eine einbändige Ausgabe, aus der im Folgenden teilweise parallel zitiert wird, ist Timothy Hilton: John Ruskin. New Haven/London 2002 (= Hilton). • Hilton zitiert seinerseits vielfach aus der Library Edition: E. T. Cook & Alexander Wedderburn (Ed.): The Works of John Ruskin, 39 Bände. London 1903-12, im Folgenden mit römischen Ziffern und Seitenzahl angegeben. • Weitere Abkürzungen: CEN = John Lewis Bradley & Ian Ousby (Ed.): The Correspondence of John Ruskin and Charles Eliot Norton. Cambridge University Press 1987. • LMT = John Lewis Bradley (Ed.): The Letters of John Ruskin to Lord and Lady Mount-Temple. Ohio State University Press 1964. • Kemp = Wolfgang Kemp: John Ruskin. 1819-1900. Leben und Werk. Frankfurt am Main 1987. • MI = Robert Brownell: Marriage of Inconvenience. London 2013. • RLT = Van Akin Burd (Ed.): John Ruskin and Rose La Touche. Her Unpublished Diaries of 1861 and 1867. Oxford 1980. • WL = Van Akin Burd (Ed.): The Winnington Letters. John Ruskin’s Correspondence with Margaret Alexis Bell and the Children at Winnington Hall. Cambridge Mass. 1969.

[2]1844 Band 1 (I. Of General Principles, II. Of Truth), 1846 Band 2 (III. Of Ideas of Beauty), 1856 Band 3 (IV. Of Many Things), Band 4 (V. Mountain Beauty), 1860 Band 5 (VI. Of Leaf Beauty, VII. Of Cloud Beauty, VIII. & IX. Of Ideas of Relation: Of Invention Formal & Of Invention Spiritual). Wikipedia englisch: John Ruskin. • Dieses Lebenswerk von 2.500 Seiten begann 1842 mit einem Pamphlet gegen Turner-Kritiker! Kemp, S. 69f. Kemp nennt Ruskin in einer Kapitelunterschrift den ,Luther der Künste’! Ebd., S. 189. • Ruskin war ein absoluter Meister der Beobachtung und der Beschreibung, der selbst tausende Zeichnungen machte. Ebd., S. 102. Er vertrat die genaue Beobachtung, wie vor ihm Leonardo und Goethe, weiterhin die nicht sezierende Naturbetrachtung wie die Dichter Coleridge und Wordsworth und die Maler Turner und Constable. Ebd., S. 76f. Schon 1857 schrieb er in ,The Elements of Drawing’: ,Die Wahrnehmung fester Körper ist ganz und gar Ergebnis unserer Erziehung. In Wirklichkeit sehen wir nur farbige Flächen. [...] Die ganze Wirkungskraft der Malerei im Technischen beruht auf unserer Fähigkeit, jenen Zustand zurückzugewinnen, den man die Unschuld des Auges nennen könnte, d. i. eine Art von kindlicher Sehweise [...] – so wie ein Blinder [...], wenn ihm mit einem Mal die Sehkraft zurückgegeben wird. Ebd., S. 113. • Über Baukunst schreibt er: ,Die richtige Frage, die wir stellen müssen, wenn es um Bauornamentik geht, heißt: Wurde sie mit Freude ausgeführt, war der Steinmetz glücklich, als er an ihr arbeitete?’ Ebd., S. 172. Und über die ,wahrhaft christliche’ Bauschule der Gotik, ,daß jedes ihrer Details, bis hin zur kleinsten Spitze oder Nische, Raum, Material und Natrieb für individuelles Streben bietet.’ Ebd., S. 173. Gleichheit aller Teile bedeute dagegen Versklavung des Menschen und Entmenschlichung der Arbeiter. Ebd., S. 175.

[3] Sein tief idealistischer Impuls zeigt unter anderem seine Essaysammlung ,The Seven Lamps of Architecture’, wo er als Grundlagen der Architektur nennt: Opfer, Wahrheit, Macht, Schönheit, Leben, Erinnerung und Gehorsam.

[4] Zeitlebens war Ruskin ein wortmächtiger Priester der Schönheit – und der inneren Moralität und Verantwortung gegenüber der Schöpfung. Ein Kenner seines Werkes, John Rosenberg, sagte, Ruskin habe für die englische Prosa das gleiche geleistet wie Shakespeare für den Vers. Kemp, S. 436.

[5] Der Titel nimmt Bezug auf das Gleichnis der Arbeiter im Weinberg (Mt 20,14): ,Nimm, was dein ist, und geh! Ich will aber diesem Letzten dasselbe geben wie dir.’ (I will give unto this last...).[II-12]

[6],Das Land ist das reichste, das die größte Anzahl edler und glücklicher Menschen ernährt.’ Und: ,Luxus ist unzweifelhaft in Zukunft möglich, und zwar ein unschuldiger und unvergleichlicher Luxus für Alle und mit Hilfe Aller!’ Kemp, S. 292 & 295. • Ganz konkret forderte Ruskin nach Kemp: ,Fixlöhne, staatlicher Schulunterricht, staatliche Werkstätten und Läden für Qualitätsprodukte, staatliche Werkstätten für Arbeitslose, berufliche Weiterbildung für Arbeitslose, staatliche Versorgung der Alten und Schwachen.’ Ebd., S. 298. Später auch ,Zins- und Preiskontrolle, Nationalisierung aller Straßen, Kanäle, Häfen und Eisenbahnen’ und eine europäische Wirtschaftsgemeinschaft, alles heute erfüllte Forderungen. Ebd., S. 300. • Ruskin konnte sich gleichzeitig als ,Tory of the old school’ (,Praeterita’) und als ,a Communist of the old school – reddest also of the red’ (,Fors’, July 1871) bezeichnen![II-198f] • Vielleicht traf es der Politiker William Ewart Goldstone auf den Punkt, der Ruskins Ansichten 1878 als ,mixture of virtuous absolutism and Christian Socialism’ bezeichnete.[II-397] • Im Grunde war er bedingungslos wahrhaftig. Am 16.9.1851 schreibt er seinem Vater, ein Grund, warum er Fische als Geschöpfe so liebe, sei, dass sie immer gegen den Strom schwämmen.[I-161] • Angesichts des sich durch die Fabrikschlote verfinsternden Himmels konnte Ruskin 1884 seinen wohlhabenden Zuhörern in der Vorlesung ,The Storm-Cloud of the Nineteenth Century’ entgegenschleudern: ,Blanched Sun, – Blighted grass, – Blinded man. [...] Remember, for the last twenty years, England, and all foreign nations [...] have blasphemed the name of God deliberately and openly; and have done iniquity by proclamation, every man doing as much injustice to his brother as it is in his power to do. [...] | What is best to be done, do you ask me? The answer is plain. [...] Whether you can bring the sun back or not, you can assuredly bring back your own cheerfulness, and your own honesty. You may not be able to say to the winds, “Peace; be still,” but you can cease from the insolence of your own lips and the troubling of your own passions.’ XXXIV, 40f. • Bernhard Shaw sagte 1919 zu Ruskins hundertstem Geburtstag: ,Ruskin [...] in particular leaving all the professed socialists – even Marx – miles behind in force of invective. Lenin’s criticisms of modern society seem like the platitudes of a rural dean in comparison... I have met in my lifetime some extremely revolutionary characters, and quite a large number of them, when I have asked, ‘Who put you onto this revolutionary line? Was it Karl Marx?’ Have answered, ‘No; it was Ruskin.’’ George Bernard Shaw: Ruskin’s Politics. Oxford 1919, p. 6, zitiert nach James L.Spates: Why Ruskin? p. 23. whyruskin.files.wordpress.com.

[7] About Ruskin. www.theruskinsociety.com.

[8] John Ruskin. www.newworldencyclopedia.org. • Ähnlich positiv äußerte sich auch der bedeutende Sprach- und Religionswissenschaftler Max Müller: ,He was really the most tolerant and agreeable man in society. He could discover beauty where no one else could see it, and make allowance where others saw no excuse. I remember him as diffident [schüchtern] as a young girl [! H.N.], full of questions and grateful for any information. [...] He was one of the few Englishmen I knew who, instead of tumbling out their sentences [...] seemed to take a real delight in building up their sentences [...] so as to make each deliverance a work of art.’[II-229] Das von Müller beschriebene ,Schüchterne’ deutet eher auf das Selbstlose, Empfindsame, Hingabefähige, was auch dem Mädchen so eigen ist! ▪ So mancher hielt Ruskin für sein zutiefst unkoventionelles Wesen für verrückt, doch seine wenigen engen Schüler verehrten und liebten ihn. Alexander Wedderburn etwa, einer seiner späteren Biografen, schrieb: ,His desire for sympathy and delight at getting it were pathetic. When we came away I recall some one saying ‘Well, if he’s mad, it’s a pity there are not more lunatics in the world’, and this expressed the feelings of us all.’. XX, xlii.[II-272] Auch dies deutet wieder auf eine tief innerliche Herzenswärme ohnegleichen. ▪ ,Alle, die ihn kennenlernten, überraschte der Unterschied zwischen dem selbstgewissen Ton der Schriften und der weichen und sensiblen Art der Person.’ Kemp, S. 434. Sein Freund Norton schrieb: ,Keine Seele hat man gekannt, die [...] mit feinerer Einfühlungsgabe und Sympathie auf die Ausstrahlungen von Mensch und Natur antwortete.’ Kemp, S. 304. Es war nicht anders möglich, als dass Ruskin sich in ein Mädchen verliebte!

[9] So schrieb Virginia Woolf: ,[...] the style in which page after page of Modern Painters is written takes our breath away. We find ourselves marveling at the words, as if all the fountains of the English language have been set playing in the sunlight for our pleasure.’ Virginia Woolf: The Captain’s Death Bed and Other Essays. New York 1950, p. 49, zitiert nach James L.Spates: Why Ruskin? p. 40. whyruskin.files.wordpress.com.

[10] Siehe hierzu unter anderem ausführlich Hilton.[I-152ff]

[11] Wikipedia englisch: John Ruskin, dort zitiert Mary Lutyens: Millais and the Ruskins. London 1967, p. 154-157, Brief vom 7.3.1854.[I-197] • Lutyens vermutete, Ruskin sei von den Schamhaaren einer Frau entsetzt gewesen! Dies musste sie selbst später widerrufen, als bekannt wurde, dass er in Oxford sehr wohl pornografische Bilder gesehen hatte. MI, 466. • Als Lutyens schrieb, galt noch der ,Hayes-Code’, der Schamhaar in Filmen verbot, und Schamrasur bei Schauspielerinnen war üblich. Heute gilt ,Pädophilie’ als schlimmste Anklage. ,It seems there are fashions even in smears!’ MI, 582.

[12] Wikipedia: John Ruskin. • Ruskin versteckte sich nicht und bestand sogar darauf, dass Millais ein begonnenes Portrait von Effie zu Ende male, was diesem peinlich war. Ebd.

[13] Wikipedia sagt ,neunjährigen’, was falsch ist. Sie war fast elf, nämlich im Januar geboren, und der Unterricht begann Ende des Jahres. Aber auch Ruskin vertat sich später um ein Jahr, siehe Fußnote Seite 148.

[14] Wie wir im Folgenden sehen werden, ist diese Darstellung von Wikipedia (,geistig verwirrt’, ,Pflegeheim’) im Grunde grob falsch. Sie wurde und ließ sich auch selbst an verschiedenen Orten behandeln – und war innerlich-seelisch tief zerrissen, was etwas völlig anderes ist.

[15] Für sie schrieb er das Märchen ,The King of the Golden River’, siehe Wikipedia englisch. • Effie lebte über ein Jahr in London, teilweise direkt bei den Ruskins in Herne Hill, in dieser Zeit starben ihre Schwestern an Scharlach. MI, 71. • In Denmark Hill besuchte sie sie 1843, 1846 und 1847. MI, 69.

[16] Wolfgang Kemp: John Ruskin. 1819-1900. Leben und Werk. Frankfurt am Main 1987, S. 264f.

[17] Es handelt sich um die von Margaret Bell geführte Schule in Winnington (südlich von Liverpool und Manchester bei Northwich), die nur etwa 35 Mädchen unterrichtete.[II-1] Ms. Bell war Ruskin 1857 bei einem Vortrag in Manchester begegnet. Ruskin besuchte die Schule dann erstmals Anfang 1859 und entdeckte, ,to his surprise, that he enjoyed the company of schoolchildren. [...] The school was a retreat, and in some ways it became a second home. For the next ten years it provided a background for some of the happiest moments of his adult life.’[I-278] Diesen Mädchen ist Ruskins Werk ,The Ethics of the Dust’ (1865) gewidmet. Von Anfang 1859 bis 1864 schreibt er ihnen auch wöchentliche ,Sunday letters’, die meist Bibelfragen betreffen.[II-3] Ms. Bell leiht er bis 1867 insgesamt über 1.100 £.[II-5] Ende Mai 1868 besucht er die Schule zum letzten Mal.[II-135] Bald darauf ging sie auch ein.[II-137]

[18] Van Akin Burd (Ed.): The Winnington Letters. Cambridge Mass. 1969 (= WL).

[19] Zu diesen gehören Susan Scott, Constance Oldham, Lily Armstrong, Dora Livesey. • ,In the years to come they would grow with Ruskin, and there is no doubt that he brought an especial joy to their lives, as they did to his.’[II-58] Sie bleiben ihm lebenslang verbunden.

[20] Siehe auch einen sehr späten Brief vom 15.5.1886 an Jane Simon, die Frau seines Arztes John Simon, mit leiser Selbstironie: ,I like my girls from ten to sixteen – allowing of 17 or 18 as long as they're not in love with anybody but me.’ Burd VA (2007): Ruskin on His Sexuality: A Lost Source. Philological Quarterly 86(4), 433-438. ▪ Berühmt ist auch seine Beschreibung des kleinen Turiner Mädchens, das er im August 1853 sah[II-87] und die er im September 1858 in einem Brief an seinen Vater gibt: ,One of the finest things I saw at Turin was a group of neglected children at play on a heap of sand – one girl of about ten, with her black hair over her eyes and half naked, bare-limbed to above the knees, and beautifully limbed, lying on the sand like a snake.’ John Ruskin: Letters from the Continent 1858, ed. John Hayman. Toronto 1982, p. 171. ▪ Diese Erinnerung taucht in ,The Cestus of Aglaia’ (1864) wieder auf: ,a vision which has never quite left me since I saw it. A girl of ten or twelve, it might be […] She was lying with her arms thrown back over her head, all languid and lax, on an earth-heap by the river-side, (the softness of the dust being the only softness she had ever known), in the southern suburb of Turin, one golden afternoon in August, years ago. She had been at play [...] and had thrown herself down to rest, full in the sun, like a lizard. The sand was mixed with the draggled locks of her black hair, and some of it sprinkled over her face and body [...]; a few black rags about her loins, but her limbs nearly bare, and her little breasts, scarce dimpled yet, white, marble-like but, as wasted marble, thin with the scorching and the rains of Time.’ John Ruskin: The crown of wild olive, and The cestus of Aglaia. London 21911, p. 145. Archive.org. • Ruskins Liebe zu diesem Bild muss sehr keusch gewesen sein, denn er äußerte sich zum Beispiel abwertend gegenüber Michelangelo und warf diesem ,sensuality’, ja ,dark carnality’ vor.[II-201f] Siehe auch sein Erleben des Petersdoms in Rom 1840/41: ,St Peter’s I expected to be disappointed in. I was disgusted.’ XXXV, 252.[I-58] ▪ In Briefen vom Frühsommer 1882 an Joan Severs heißt es: ,I saw some little beauties going to church’ oder: ,I had a lovely time with Mary Gladstone yesterday [...] she gave me such a [...] tilling account of a girlie of 15 – going out to play cricket with blue eyes and the most golden hair that ever was, and the rosiest cheeks [...] – and me’s been utterly misby [= miserable, H.N.] ever since!’ Bembridge MS L 43.[II-438] • Es ist absolut deutlich, dass Ruskin Mädchenschönheit wahrhaft verehrt hat! Der Beweis dafür sind seine wenige Wochen später geschriebenen Worte nach einem Besuch in den Uffizien in Florenz: ,I used to think Botticelli’s little Venus [sein berühmtes Bild ,Die Geburt der Venus’, H.N.] the nicest thing to see in the world, but when I saw her again yesterday I only thought that to see a real pitty [= pretty, H.N.] girl without any clothes but roses would have been ever so much nicer!’ Brief vom 6.10.1882. Bembridge MS L 42.[II-449] Für eine parthenophile Seele gibt es daran gar keinen Zweifel. ▪ 1883 sagte er in seinen Oxford-Vorlesungen: ,[...] the singular defect in Greek art, that it never gives you any conception of Greek children.’ Lecture IV: Fairy Land, in: The Art of England. New York 1884, p. 93. ,[...] you will find that, among them all, you can get no notion of what a Greek little girl was like.’ Lecture III: Classic Schools of Painting, ebd., p. 66. • Dann gibt es noch Ruskins Äußerungen gegenüber Kate Greenaway: Marion Harry Spielmann & George Somes Layard: Kate Greenaway. London 1905. Am 6.1.1880 kritisiert er ihre Darstellung: ,Do you only draw pretty children out of your head ? In my parish school there are at least twenty prettier than any in your book [...].’ Ebd., p. 82. Am 25.12.1880 rühmt er ihre Weihnachtskarte: ,'Luck go with you, pretty lass.' To my mind it is a greater thing than Raphael's St. Cecilia.’ Ebd., p. 84. Am 26.12.1883 preist er die Anmut ihrer Mädchen: ,No one has ever done anything equal to them in pure grace of movement no one in exquisiteness of dainty design [...]. [...] I am sure that these drawings will be [valued] endlessly and everywhere [...], the sight of them alters one's thoughts of all the world.’ Ebd., p. 122. Am 10.4.1884 fordert er ,Nacktstudien’, damit sich ihr Zeichentalent vertieft: ,But this cloud lady is very lovely, and you really MUST draw her again for me without any clothes, because you've suggested a perfect coalheaver's leg, which I can't think you meant! and you must draw your figures now undraped for a while – Nobody wants anatomy, – but you can't get on without Form.’ Ebd., p. 133. Am 11.2.1884 verliebt er sich halb in fast jedes Mädchen einer Gruppe: ,Of course the Queen of them all is the little one in front – but she's just a month or six weeks too young for me. Then there's the staff bearer on the right (the left, as they come) turning round !!! – but she's just three days and a minute or two too old for me. Then there's the divine one with the dark hair, and the beatific one with the brown, – but I think they've both got lovers already and have only come to please the rest, and wouldn't be mine if I prayed them ever so. Then there is the little led beauty who is ruby and diamond in one, – but – but, – not quite tall enough, again – I think the wisest choice will be the pale one between the beatific and the divine! But they're all ineffable! – I think you never did a more marvellous piece of beauty and it's a treasure to me like a caught dream.’ Ebd., p. 135. ▪ Im Herbst 1883 bedauert er zu Beginn einer Schottlandreise das Verschwinden der unschuldig-barfüßigen Mädchen: ,I have seen but one barefooted lassie, and she not willingly so, – but many high-heeled ones [...].’[II-476] • Im Sommer 1886 beginnt er mit Botanikunterricht für die Mädchen der örtlichen Schule an Samstagen – und wollte mindestens eines der Mädchen adoptieren.[II-537] ▪ Selbst Hilton verfällt an einer Stelle in ein desolat falsches Urteil und kann das Wesen der Parthenophilie nicht erkennen: ,He was a paedophile. He is typical of the condition in a number of ways, for paedophilia generally emerges in his age-group, often follows a period of marital breakdown, and in old age is accompanied by (or is a palliative to) a sense of loneliness and isolation. An attraction to young girls was in Ruskin’s sexual nature to the end of his life.’[I-253] Weder ist Parthenophilie ,Pädophilie’ noch eine ,Ersatzvorliebe’ – sondern sie ist die unmittelbare Liebe zum Mädchen, von Anfang an, auch bei Ruskin. ▪ Ruskin hatte einerseits definitiv viktorianische Ansichten: Eine sich mit Liebesabsichten nähernde Frau verachtete er. So schrieb er Anna Blunden (geb. 1829), die ihm offen ihre Liebe erklärte, am 20.10.1858: ,You fancy yourself in love with me – and send me the least excusable insult I ever received [...]. [...] You modern girls are not worth your bread and salt – one might bray a dozen of you in a mortar and not make a stout right-hearted woman out of the whole set. I suppose you have been reading some of the stuff of those American wretches – about rights of women. [...] | [...]Every young woman who loves a man who has not asked for her love [...] has lost proper control over her feelings [...].’[I-270f] Ruskin suchte also nichts anderes als weibliche Unschuld! Andererseits konnte auch er sich zutiefst hingeben – gegenüber Rose hat er das getan.

[21] Adèle-Clotilde Domecq war die älteste von vier Töchtern eines Geschäftspartners seines Vaters (sein Pariser Sherry-Lieferant und Teilhaber, Kemp, S. 49), den dieser Anfang 1836 zu sich nach Herne Hill einlud. Ruskin stand kurz vor seinem siebzehnten Geburtstag.[I-35] • In ,Praeterita’ beschreibt er sie wie sein späteres Ideal Rose: ,Clotilde, a graceful oval-faced blonde of fifteen’. XXXV, 178. • Innerhalb weniger Tage ist er durch hoffnungslose Liebe vernichtet: ,Four days, at the most, it took to reduce me to ashes, but the Mercredi des cendres [= Aschermittwoch, H.N.] lasted four years.’ Ebd., 179. • Fast drei Jahre später, über Weihnachten 1838, bleiben die Mädchen noch einmal mehrere Wochen in Herne Hill, und alle Gefühle kehren in doppelter Stärke zurück, bis er am 28.12.1839 in sein Tagebuch notiert: ,I have lost her.’ Noch 1840 leidet er tief.[I-31f] • Drei Wochen nach ihrer Verlobung spuckt er im Mai 1840 Blut, und es wird ,Schwindsucht’ diagnostiziert. MI, 56ff. • Und noch 1847 hat er sie längst nicht vergessen.[I-109] • Die Beziehung scheiterte bereits an Ruskins Mutter, weil Adèle katholisch war. MI, 51.

[22] Die Grays waren enge Bekannte der Ruskins und hatten das Mietshaus (,Bowerswell’) von deren Eltern in Perth gekauft. MI, 21. • Als sie im Mai 1847 wieder bei den Ruskins ist, fühlt er sich zu dem gerade neunzehn Jahre alt werdenden Mädchen hingezogen. Als sie nach Perth zurückreist, klingen Ruskins Worte jedoch nicht nach Liebe: ,I know not what is the matter with me [...]. I feel alike uncertain and incapable of purpose.’ XXXVI, 71.[I-112] • Nach einem Besuch nur bei ihrem Vater in Perth notiert er am 25.8.1847: ,And all this with a strange deadly shadow over everything, such as I hardly could comprehend’. Diaries, 364.[I-114] • All dies klingt eher nach dunklen Vorahnungen! Und schon am 15.12.1847 schreibt er ihr angesichts ihrer vielen Verehrer, sie sei eine ,Männerfalle, eine Fallgrube, eine Fangschlinge, ein Irrlicht, ein schönes Verhängnis, eine Medusa’, wie ein Gletscherfeld mit Eisspalten, ,die Männer verschlucken und nicht mehr freilassen!’ Kemp, S. 132f; siehe MI, 122, 119. • Sie heirateten im April 1848. Später sagte Ruskin, sie würden die Ehe vollziehen, wenn sie fünfundzwanzig sei. Und: ,But though her face was beautiful, her person was not formed to excite passion. On the contrary, there were certain circumstances in her person which completely checked it.’ General Facts, MI 531, 533. ▪ Die Tragik aus Effies angeblicher Sicht wurde mit Dakota Fanning verfilmt: ,Effie Gray’ (2014). Wikipedia englisch. Allerdings erweist sich der Film als ein furchtbares Machwerk, das Effie absolut unschuldig und Ruskin als gefühllosen Egomanen hinstellt. Die Wahrheit könnte kaum gegensätzlicher sein, siehe die folgende Fußnote.

[23] In allen Details vor wenigen Jahren herausgearbeitet durch ● Robert Brownell: Marriage of Inconvenience. London 2013. Im Folgenden in dieser Fußnote Seitenangaben in hochgestellten eckigen Klammern. • 1847 hatte er offenbar der 18-jährigen Charlotte Lockhart, Tochter des Scott-Biografs und Herausgebers des ,Quarterly Review’, eine Art Antrag gemacht,[53ff] die aber bald darauf einen reichen Anwalt heiratete.[84] • Schon Ende 1846 war er auch in Effie verliebt.[75] • Ruskins Mutter war gegen jede Verbindung mit den Grays aus Perth, weil 1817 in dem Haus ihre Schwiegereltern starben, der Mann möglicherweise durch Selbstmord. MI, 22f. • Effie hatte fast ihre ganzen Teenager-Jahre entfernt von ihrer Familie gelebt und Verehrer gesammelt, wie auch die Schriftstellerin Elizabeth Gaskell bestätigte, die die gleiche Schule besuchte.[74] Selbst bei ihrem Besuch in Denmark Hill kamen ständig junge Männer, und mit mindestens einem war sie auch bereits verlobt.[91,115] • Am 15.6.1847 bekannte Ruskin vor Effies Abreise seine Gefühle für sie.[92] • Seine Eltern waren stark dagegen, und er wurde krank.[93] • Am 29.8. will seine Mutter jedoch nur sein Glück und gibt alle Einwände zunächst auf.[97] • Am 8.9. hat sein Vater jedoch den Eindruck, Effie würde ,acting under Orders’, ein Hinweis darauf, dass ihr Vater sie zu dieser Ehe drängte.[100] In dieser Zeit erfuhr Ruskins Vater von dessen Ruin durch Eisenbahnaktien.[144] Die ,Oktober-Panik’ 1847 verursachte eine massive ökonomische Krise.[148] • Ruskin schreibt am 5.10.: ,I love Miss Gray very much [...] only this I know that in many respects she is unfitted to be my wife unless she also loved me exceedingly.’[105] • Bei einem Besuch in Perth wird er von ihr jedoch zurückgewiesen.[107] • Am 2.11. ist er dann sicher verlobt: ,I feel that God has given you to me’.[108] Am 9.11. verspricht er ihr, nie eifersüchtig zu sein.[120] Erfolgte Effies Umschwung, als sie die Ausweglosigkeit der Lage ihres Vaters erkannte?[155] • Am 9.12. schreibt Ruskin ihrer Mutter, dass er sehr zurückgezogen arbeiten müsse und immer glaube, auch er würde als Frau seine Person nie lieben.[110] • Das Paar sieht sich erst im März 1848 kurz vor der Hochzeit wieder.[114] Keiner der drei nicht vernichteten Briefe Effies vom Februar 1848 lässt echte Liebe spüren.[131ff] In diesen Tagen ist sie vielmehr sehr depressiv.[140] • Die Februarrevolution in Frankreich lässt Grays Anteile an der Boulogne-Amiens-Bahn völlig wertlos werden.[150] • Als die unmittelbare Pfändung des Hauses in Perth droht, muss die Hochzeit sogar in die Fastenzeit vorverlegt werden.[157] • Statt einer Mitgift überschreibt Ruskins Vater Effie ein Zinseinkommen aus zehntausend angelegten Pfund.[163] • Die Hochzeit am 10.4.1848 verläuft trostlos, ohne Ruskins Eltern, sogar Effies Freundin verweigerte, Brautjungfer zu sein.[168] • Danach ist Effie weiterhin sehr niedergeschlagen.[176f] • Gut geht es ihr vor allem, wenn sie sich amüsieren darf und bewundert wird, ohne dass Ruskins Eifersucht dabei stört.[185] • Zunächst versucht sie, ihm bei seiner Arbeit an den ,Seven Lamps’ in der Normandie zu helfen, was sich aber schnell verliert,[205ff] bei der Rückkehr geht es ihr schlechter als zuvor.[210] • Am 2.11. beziehen sie das von Ruskins Vater finanzierte Haus in 31 Park Street, und Effie genießt den durch Ruskins Arbeit ermöglichten Zugang zur adligen Welt.[214ff] • Im Februar 1849 kehrt sie jedoch für fast acht Monate (!) nach Perth zurück.[218] Dies führt zu einem irritierten Briefwechsel der Väter.[229ff] • Ruskin empfindet noch immer Zuneigung, am 24.4. schreibt er: ,I look forward [...] to the time, when I shall again draw your dress from your snowy shoulders: and lean my cheek upon them’.[223] • Am 5.7. verteidigt er seine Eltern gegenüber Effies Vater.[244ff] • Am 2.9. schreibt er ihr, als sie ihm schrieb, das Erste nach sechs Monaten Abwesenheit (auch er war in der Schweiz) hätte sein sollen, zu ihr nach Schottland zu kommen: ,only do not mistake womanly pride for womanly affection [...]. Why, you foolish little puss, do you not see that part of my reason for wishing you to come to London was that I might get you a couple of days sooner: and do you not see also, that if love [...] had prompted your reply, you would never have thought of what I ought to do, or your right to ask, you would only have thought of being with me as soon as you could...’[I-138] • Im Herbst reisen sie dann nach Venedig, wo Effie sich mit zahlreichen Verehrern der österreichischen Besatzungsarmee einlässt.[265ff] Am 28.10. berichtet sie ihrem Vater, ihre Begleiterin Charlotte Ker ,and I reign supreme and many are the cigars that are taken out of the mouths as we pass’.[266] Auch ihrer Mutter berichtet sie ständig von Einkäufen und schönen Männern.[272] Am 24.11. schreibt sie von ihren Freiheiten begeistert: ,I never saw any person so free from petty faults and narrow mindedness [like John, H.N.]’.[273] Die Flut der Verehrer nimmt gleichsam täglich zu, während Ruskin in aller Ruhe allein arbeitet.[275ff] • Zurück in London setzt sich dieses Muster 1850 fort.[288ff] • Ruskins wachsender Ruhm – ,The Stones of Venice’ erschien im März 1851 – interessiert Effie nur im Zusammenhang mit den angenehmen Folgen.[295] • Als er im Mai die Präraffaeliten verteidigt hat, besucht er mit Effie auch erstmals Millais.[297] • Ab September 1851 ist das Paar, nach wie vor auf Kosten von Ruskins Vater, wieder in Venedig.[300ff] Bald aber droht Effie ein tristes Leben in Herne Hill ganz in der Nähe von Ruskins Eltern.[308ff] Effies Beziehungen in Venedig laufen Anfang 1852 so aus dem Ruder, dass es wegen ihr ein Duell gibt.[321ff] • Kurz vor ihrer geplanten Abreise im Mai kommt es auch noch zu einem Diebstahl von Effies Juwelen.[332ff] Selbst Ruskin wird fast in eine Duellforderung verwickelt.[336] Der Skandal wird so bekannt, dass er sich am 2.8. in der englischen ,Times’ äußern muss, um seinen Ruf zu schützen.[340] • Längst ist Ruskin klar, dass diese Ehe keine Zukunft hat, und er sucht einen Ausweg.[355ff] Die Annulierung der Ehe aufgrund von Nichtvollzug wegen Impotenz war der einzige Weg, der kein öffentliches Gerichtsverfahren mit völliger Rufschädigung bedeutete.[367] • Anfang 1853 sitzt Effie Modell für den ein Jahr jüngeren Millais.[373] • Ende März kündigt Ruskin für Mai eine Schottlandreise an (wo ihre Ehe geschlossen wurde).[376] • Millais, der Anfang Mai mit seinem Bild ,The Order of Release’ endgültig berühmt wurde, sollte mitreisen.[379ff] • Am 28.6. schreibt Millais an Holman Hunt: ,Today I have been drawing Mrs Ruskin who is the sweetest creature ever lived’.[I-184] • Ab Mitte Juli verbrachten Effie und Millais dann wochenlang in einem kleinen, von Ruskin gemieteten Cottage, er selbst blieb im nahen Hotel.[389] • Die beiden kamen sich schnell nahe, und Ruskin führte Tagebuch.[419ff] • Am 6.11. schreibt Ruskin seinem Vater: ,When we married, I expected to change her – she expected to change me.’[I-195] ▪ Anfang Dezember kam es dann bei Effies Eltern zum Ende. Hier muss Ruskin eine öffentliche Scheidung angedroht haben, wenn Effie nicht von sich aus die Ehe annullieren lasse.[425,430] • Am 17.12. warnt Effies Mutter den zutiefst geschockten Millais,[426] der sich dem Druck ihrer Eltern zu einer skandalvermeidenden Ehe fügt.[431] • Am 7.3.1754 schreibt Effie die Details ihrer (Nicht-)Ehe ihrem Vater,[523ff] der die Dinge nun in die Hand nehmen kann.[441] • Am 25.4. verlässt sie Denmark Hill, und am selben Abend erhält Ruskin das Gerichtsschreiben.[454] • Er reist in die Schweiz und kann so nicht befragt werden, am 15.7. urteilt das Gericht in kleinem Kreis.[455ff] • Die Ehe mit Millais erfolgt dann sehr diskret, nur dessen Bruder William ist anwesend. • Auch an seiner Kunst zeigt Effie kein Interesse, und in späteren Jahren scheint es zwischen ihnen keinerlei tieferes Band gegeben haben.[587] • Ruskin selbst hielt am 27.4. in einem 1950 veröffentlichten Dokument für seinen Anwalt fest:[529ff] Er habe den Vollzug der Ehe immer wieder angeboten, was Effie zurückgewiesen habe.[529] ,Had she treated me as a kind and devoted wife would have done, I should soon have longed to possess her, body and heart.’[533] Er könne seine Potenz sofort beweisen, wolle aber Effie nicht zurück in seinem Haus haben.[534] • Am 5.6. schrieb er an Lady Trevelyan: ,Effie never did anything for me. [...] She [...] always laughed at me [...].’[477] Dennoch wünsche er aufrichtig ihr Glück.[478] • Am 16.5. heißt es in einem langen Brief an seinen Freund Henry Acland: ,I married because I felt myself in need of a companion [...]. [...] But, before three months had passed – I began to discover that I had been deceived in Effies character.’[479f]

[24] Van Akin Bird (Ed.): The Winnington letters. John Ruskin's correspondence with Margaret Alexis Bell and the children at Winnington Hall. London 1969, zitiert nach Robson, Men in Wonderland, a.a.O., p. 112. • Der Band enthält 542 Briefe Ruskins.

[25] Ruskin to a child friend, www.manuscripts.co.uk (Wilson Manuscripts Ltd., ein Antiquariat-Unternehmen für historische Manuskripte), übersetzt H.N.

[26] Alexandra Lavizzari: Lulu, Lolita und Alice. Das Leben berühmter Kindsmusen. Berlin 2005, S. 106f, 112. • Die La Touches waren ein alteingesessenes Hugenottengeschlecht, das in Dublin unter anderem die spätere ,Royal Bank of Ireland’ gegründet hatte.[I-263] • Der Gutssitz Harristown 30 km südwestlich von Dublin umfasste 5.000 Hektar Land. Maria war anglikanisch erzogen und sah schon bald auch die Bigotterie ihres Mannes. Ebd., S. 105f.

[27] Ihr Vater John La Touche hatte seit 1833 in Christ Church studiert und Oxford kurz vor Ruskins Ankunft dort (Anfang 1837) verlassen.[I-263] • Der Unterricht fand im Haus der La Touches in London statt, zuerst in der Great Cumberland Street, dann Norfolk Street.[I-264] Ruskin kam bald immer öfter, vorzugsweise für ein, zwei Stunden, bevor Rose und ihre Schwester Emily ins Bett mussten, woraufhin auch er wieder ging. ,And soon enough there came an understanding that there was an especial love between Rose and Ruskin [...].’[I-267]

[28] XXXV, 525. • Er vertut sich hier um ein Jahr und sagt ,fast zehn’.

[29] Zu dieser Konfrontation verdichtet er es jedenfalls 1877: ,[...] the crisis of the whole turn of my thoughts being one Sunday morning, at Turin, when, from before Veronese’s Queen of Sheba, and under quite overwhelmed sense of Histologie God-given power, I went away to a Waldensian chapel, where a little squeaking idiot was preaching to an audience of seventeen old women and three louts, that they were the only children of God in Turin; and that all the people [...] would be damned.’ XXIX, 89.[I-255]

[30] VII, xli.[I-256] • Wir können dies auf die Parthenophilie übertragen!

[31]1858 hatte er zudem, als er den Nachlass des von ihm verehrten Malers William Turner ordnete, schockiert dessen erotische Werke entdeckt. Später bestätigte Ruskin, sie seien von dem zuständigen Mitarbeiter der Nationalgalerie in seinem Beisein verbrannt worden. Allerdings war dies möglicherweise nur eine Behauptung, denn sie sind noch immer im Besitz der Tate. A Censorship Story Goes Up in Smoke. New York Times, 13.1.2005. • Zur Erschütterung Ruskins gerade durch diese Entdeckung siehe James L. Spates: The Imperfect Round. Helen Gill Viljoen’s Life of Ruskin. New York 2005, p. 267. • Weiterhin hatte er im Mai 1860 ermüdet den fünften Band von ,Modern Painters’ beendet. In den Alpen schrieb er die sozialkritischen Essays ,Unto This Last’,[II-14] die Ende 1860 erschienen, heftig kritisiert und von der Zeitschrift abgesetzt wurden.[II-12] Unglücklich mit sich und der Welt gab er 1861 sogar seine geliebte Turner-Sammlung weg.[II-16f]

[32] Brief vom 25.2.1861. Joan Evans: John Ruskin. The Argument of the Eye. New York 1970, p. 263, dort zitiert nach Norton I, 105.

[33] Das Wort ,pet’ meint eine besonders geschätzte, geliebte, vertraute Person.

[34],Some wise, and prettily mannered, people have told me I shouldn't say anything about Rosie at all. But I am too old now to take advice, and I won't have this following letter – the first she ever wrote me – moulder away, when I can read it no more, lost to all loving hearts.’ Op. cit., p. 94.

[35] Brief vom 18.3.1861. Ebd., p. 94-102, hier 101.

[36],And in the year 1860 the ‘new epoch of life’ … began for me in this wise that [...] Rose, in heart, was with me always, and all I did was for her sake.’ XXXV, 533.[II-598] • Diese Passage aus ,Praeterita’ hatte Joan Severn noch vor Drucklegung entfernen lassen![II-563f] • Hilton vermutet, Ruskin habe etwa 1862 oder 1863 seine Gefühle für Rose wirklich als Liebe erkannt.[I-268]

[37] Brief o. D. an Georginia Burne-Jones. XXXVI, 375. Joan Evans: John Ruskin. The Argument of the Eye. New York 1970, p. 265.

[38] JR – Winnington children, 6.5.1861, WL, 312.[II-598].

[39] Bei seiner Ankunft kommen alle drei Kinder noch einmal aus ihren Zimmern, Rose in einem ,tiny pink dressing-gown’. Vor allem aber lernt er die ganze Lebendigkeit des Mädchens kennen: ,Auf Ausflügen rannte sie ihm mit Emily davon, hüpfte und sprang über Bach und Graben wie ein junges Reh. Und eines Morgens ließ sich Ruskin sogar überzeugen, mit den Kindern eine Brücke [...] zu bauen, und stellte fest, dass Rose keine Scheu zeigte, mit ihm knietief im Wasser herumzuwaten. Rose wollte jede Stunde seines Aufenthalts mit ihm verbringen [...].’ Alexandra Lavizzari: Lulu, Lolita und Alice. Das Leben berühmter Kindsmusen. Berlin 2005, S. 115f, dort Verweis auf Van Akin Burd: John Ruskin and Rose La Touche. Oxford 1979.

[40] Lavizzari, S. 117. • Brief vom 10.5.1874 an Joan Severn, zitiert nach Van Akin Burd, p. 63.

[41] Lavizzari, S. 117-119.

[42] So zitiert er am 22.12.1861 in einem Brief an seinen Vater ihre Worte: ,if you’ve got my love already, how am I to send it?’[II-29] • Und einen Tag zuvor aus einem Dialog mit ihrer Mutter: ,I think he wants to see me, Mamma. [...] [...] you write so very often – and I can’t write often. So he must want to see me.’[II-29] Beides nach RLT, 70. • Auch gesteht sie ihm, dass sie seine Briefe bei Ausritten heimlich in ihre Reithose steckte. Lavizzari, S. 118.

[43] Dort schreibt sie, dass sie beide am selben Abend (sie in London, er in Basel) bemerkt haben, wie hell die Venus leuchtete. Auch hätten sich ihre Gedanken besonders am Weihnachtstag und am Tag davor gekreuzt und sie habe von ihm geträumt. RLT, 71-73.[II-30]

[44] Brief von 1866 an Mrs. Cowper.[II-39] • Und schon vor dieser Abreise schrieb er in einem Brief: ,if I survive Rosie’s going back to Ireland which I don’t think likely’.[II-38]

[45] Sicherlich entsprach es nicht seinem Wesen, vor allem aber hätte er die unmittelbare Nähe ihrer religiösen Eltern nicht ertragen.

[46] Brief vom 20.7.1862 an Lady Trevelyan. XXXVI, 414.

[47] Brief vom 16.10.1862 an M. Bell. WL, 380-382.[II-51]

[48],Four years ago it was a little child of eleven – three years ago she was twelve – and was so nice you can’t think – then two years ago she got to be thirteen – & was nicer still, and one year ago she got to be fourteen – & would have been nicer still – only I had to perjure myself if I wanted a kiss – and vow that I had headache or toothache or something that wouldn’t go away on any other terms – And now she’s got to be fifteen there’s no making a pet of her any longer – and I don’t know what to do ...’ Brief vom 20.2.1863 an Miss Corlass. Bembridge MS LI8.[II-53] • Roses Alter verbot es der viktorianischen Moral allmählich, weiterhin unbefangen miteinander umzugehen. Mit gemeint ist aber sicherlich auch ihre zunehmende Hinwendung zur Religion – Ruskin wird die daraus sich ergebende Entfremdung deutlich gespürt haben.

[49] Sowie Tagebücher zweier Jahre: Van Akin Burd (Ed.): John Ruskin and Rose La Touche. Her Unpublished Diaries of 1861 and 1867. Oxford 1980 (= RLT). • Entdeckt wurden sie von der herausragenden Ruskin-Forscherin Helen Gill Viljoen (1899-1974), die 1929 nach ihrer Doktorarbeit zunächst nur ihrem Professor zuliebe Brantwood besuchte. Sie entdeckte auch zahlreiche Tagebücher Ruskins und fand so, dass die 39-bändige Werkedition viele Wahrheiten unterschlug, so auch die Bedeutung des Mädchens Rose in Ruskins Leben. Zur Tragik Viljoens, die ihre eigene Ruskin-Biografie nie vollenden konnte, aber mehr Grundlagen für ein neues Ruskin-Bild erarbeitete als jeder vor ihr, siehe James L. Spates: The Imperfect Round. Helen Gill Viljoen’s Life of Ruskin. New York 2005.

[50] Rose schreibt, ,I took in all my fathers doctrines’, und nach vielen Diskussionen mit ihm hatte sie schließlich ,the one aim of being perfect’. RLT, 158.[II-46] • Das fortwährende Denken (constant thought) an diese Probleme ,I am sure made me irritable and unchildlike too. So I got ill and things used to make my head ache constantly. I was not often happy.’ RLT, 159.[II-47] • Rose beschwor auch Ruskin, ,for the sake of all Truth, and Love, you must not give the one true Good – containing all others, God – up.’ (zitiert von Ruskin am 28.12.1862), RLT, 83. Und sie fragt ihn: ,How could one love you, if you were a pagan?’ (zitiert von Ruskin am 10.3.1863).[II-48] • Ruskin aber las die Bibel täglich und kannte vieles auswendig.[II-49] ,He loved the Bible, and a full study of his Biblical references would reveal a sensitivity to its texts without a rival in Victorian literature.’[II-170] ▪ Sie schrieb aber auch: ,Man muß bedenken, daß der Calvinistische Glauben, den mich mein Vater lehrte, für mich alles nur schlimmer machte.’ Kemp, S. 266 (RLT, 163). Und: ,The letters Mr. Ruskin wrote me only helped me, and did me no harm, whatever others may say.’ RLT, 164. E. T. Cook: The Life of John Ruskin, Band 2: 1860-1900. New York 1968, p. 262.

[51] Ihre Mutter schreibt in einem Brief vom 19.11.1863 aber auch, dass Rose in den ersten zwei Wochen immer sagte, sie werde in allem ,geführt’, und jeweils voraussagen konnte, was ihr im Lauf des Tages geschehen würde. Dann genas sie über Nacht körperlich völlig, war aber vollkommen kindlich – und machte in weiteren zwei Wochen noch einmal eine ,beautiful ideal’ Kindheit durch.[II-61f] • Ein Jahr lang glaubte Ruskin, sie würde sterben.[II-62]

[52] Ihr Vater war der Sohn des Bruders der Mutter von Ruskins Vater.

[53] Im Vorwort der Ausgabe 1871 heißt es: ,I wrote the Lilies to please one girl’. XVIII, 47.[II-94] • Hilton schreibt über das Werk: ,in whose pages were to be found – all agreed – the most noble passages addressed to girlhood in the English language.’[II-438]

[54] Ihre Mutter klagt in einem Brief, sie sei ,perfectly wild & how she is ever to be made a modern “young lady” of, I can’t imagine. She is out from dawn till dark, & it is utterly useless to [...] expect from her any observance of any of the restraints of civilisation.’ Zitat Ruskin vom 22.3.1866, LMT, 68f.[II-87]

[55] Carlyle schrieb ihm dazu: ,Not for a long while have I read anything a tenth-part so radiant with talent, ingenuity, lambent fire [...]!’[II-90]

[56] Am 10.12., und sie besucht ihn in Denmark Hill am 21.12.[II-601]

[57] Über das Dinner schreibt er fast acht Jahre später: ,and she was very happy, and talked to me and nobody else, and I talked to her and nobody else (– and her mother put up her eyebrows every now and then – and looked at us out of the side of her eyes)’.[II-98]

[58] Am 2.2.1866, sein Antrag eventuell ein Tag vorher.[II-601] • Der 2. Februar ist auch Mariä Lichtmess, das Fest der Reinigung der seligen Jungfrau Maria, zugleich aber auch der Hochzeitstag von Ruskins Eltern.[II-99]

[59] Zunächst sollte sie ihn noch auf ein Konzert begleiten, wird aber krank. Als er einmal mit ihr einkaufen gehen darf, lehnt sie seinen Arm ab. (Briefe an Mrs. Cowper, 19.2. und 22.3.1866).[II-100] • Bei einem Lunch nur mit ihrem Vater antwortet dieser auf Ruskins Frage nach dessen Wünschen in Bezug auf seinen Umgang mit ihr nur: ,my dear friend’ und wechselt das Thema... (ebd.).[II-100]

[60] Brief vom 29.10.1866 an Mrs. Cowper. Burd VA (1983): More Letters from Rose La Touche. Bulletin of the John Rylands University Library of Manchester 65(2), 61-71, hier 63.

[61] Ruskin war ihr schon 1840 in Italien begegnet und bewunderte die wunderschöne Tochter der aristokratischen Familie Tollemache: ,He looked at her in church and later confessed that he followed her through the streets: but he could not meet her.’[I-59] • Ihr Geburtsjahr ist nicht eindeutig, wohl aber 1821, damit wäre sie fast drei Jahre jünger als Ruskin gewesen. 1848 hatte sie in dessen zweiter Ehe den Politiker William Cowper (1811-1888) geheiratet, ab 1869 nannte dieser sich Cowper-Temple, 1880 erhielt er dann den Adelstitel Baron Mount-Temple.[I-271] Wikipedia: William Cowper-Temple, 1. Baron Mount Temple.

[62] Brief vom 28.9.1866 an Mrs. Cowper. MLT, 87f. • Zuvor hatte er die Cowpers nach Irland geschickt, und sie waren mit der Nachricht von Roses Eltern zurückgekehrt, dass die Hochzeit ,could never be’. In einem Brief von Rose an Mrs. Cowper hieß es am 18.10.1866 jedoch immerhin, begleitet von einigen Bibelhinweisen: ,I could tell him that I care for him very much now … and that whatever the end is I shall always care for him.’[II-108]

[63] Man fühlt sich an C. F. Meyers Gedicht ,Der Pilger und die Sarrazenin’ erinnert!

[64] An einer Stelle erwähnt sie immerhin: ,I think it was Mr Ruskin’s teaching when I was about twelve years old that made me first take to looking after the poor – at least that made me first see it as [...] a part of Christ’s love…’[II-47]

[65] Auf Ruskins Bitte besucht 1867 Lily Armstrong, eines der Winnington-Mädchen, Rose in einem Pflegeheim und findet sie ans Bett gebunden! MI, 512.

[66] Seine Beziehung zu Gott ist nun durch sie: ,and because I love Rosie so, I think God does teach me, every morning, by her lips, through her book – at all events, I know I get good by believing this. [...] And then I came away – on the whole much helped and taught and satisfied that from that Rose’s rose day I was meant to got to church again…’ Brief vom 9.7.1867 an Joan Agnew. Bembridge MS L 33.[II-124f]

[67] Im März schreibt er an Mrs. Cowper: ,I have done Rose no wrong from the hour when she entered the room a child of ten years old to this instant. I have loved – honored – cherished – trusted – forgiven – and all these limitlessly. From her, I have borne every form of insult. For her, I have been silent in pain. For her, I have labored, & wept. For her, I have died, for my heart is dead within me...’ Pierpont Morgan Library MA 2250. James L. Spates: Ruskin’s Sexuality: Correcting Decades of Misperception and Mislabeling, Kap. 1. www.victorianweb.org, Januar 2019.

[68] Am 4.5.1868 notiert er im Tagebuch nur: ,Peace’ und schreibt Mrs. Cowper: ,She is mine, and nothing can come between us any more.’ LMT, 150. • Im März schrieb er ihr: ,I had loved Rosie since she was ten years old – I [...] have had no thought within me – ever since – but was in some part of it hers. [...] Well – at last I had my dream changed into hope – Then into certainty. I entirely trusted in her love – and in this joy I had dwelt – binding my whole soul upon it with cords of love – as to an altar – In an instant – wholly without warning came this stern – final – fearful word of death – and only resting on this strange sentence – unexplained. “There is nothing, but this frail cannot to separate our life and love.” John Lewis Bradley (Ed.): The Letters of John Ruskin to Lord and Lady Mount Temple. Columbus OH 1964, p. 133

[69] Effie musste eine neue Ehe Ruskins um jeden Preis verhindern. Nicht allein drohten, wenn Ruskin nicht impotent war, ihre eigene Ehe und ihre Kinder illegitim zu werden, (was nicht stimmte, die Annullierung der nicht vollzogenen Ehe war völlig gültig), vor allem würden gesellschaftliche Gerüchte ihre eigenen Schlüsse ziehen. MI, 436. Der Ruhm und weitere Aufstieg von Millais durfte auf keine Weise bedroht werden. MI, 511. • Roses Mutter hatte ebenfalls eine Rechtsmeinung eingeholt, die fälschlich das Schlimmste befürchtete. MI, 503f. Sie bezog sich auf den alten Fall Welde v. Welde von 1731, der durch einen ganz aktuellen Fall von 1853 völlig überholt war. MI, 588.

[70] Brief vom 2.6.1868 an Mrs. Cowper, LMT 167f. • Weder wusste Ruskin, was Effie geschrieben hatte, noch ist irgendetwas von Roses Reaktion bekannt.[II-136] • Im Winter versuchte Mrs. Cowper, Roses Mutter wieder zu versöhnen, doch diese bleibt hart und verbietet sogar den Briefkontakt mit Joan, da Rose sogar dabei eine Schmerzattacke erlitten habe. Sie schickt ihr eine Kopie eines Gutachtens in Ruskins Scheidungsfall, in dem auf ,unheilbare Impotenz’ plädiert wurde, ,and I ask you if it is pardonable that he should have offered marriage to any woman upon earth...’ Brief vom 11.12.1868.[II-148]

[71] Offenbar muss der Vorwurf der Selbstbefriedigung im Raum gestanden haben. Ruskin erwähnt Rousseau, der dieses Laster gestanden hatte, bestätigt aber gleichzeitig, dass er dies schon sehr lange hinter sich gelassen hat. James L. Spates: Ruskin’s Sexuality: Correcting Decades of Misperception and Mislabeling, Kap. 1, Anm. 49. www.victorianweb.org. Das ganze Werk ist eine ausführliche Widerlegung gegen alle Vorwürfe bezüglich Ruskins Sexualität.

[72] Henry Liddell, der Vater von Alice, in die sich Lewis Carroll 1862 verliebte, als sie zehn Jahre alt war, und für die er ,Alice im Wunderland’ schrieb, hätte gern jemand anderen als Ruskin gehabt – aber es gab keinen fähigeren! Liddell war seit 1855 Dean von Christ Church, wo Carroll tätig war, als auch seit 1869 Vizekanzler der Universität. Ruskin versicherte ihm jedoch, er werde in seiner Rolle als Oxford-Professor die Äußerung seiner eigenen speziellen Meinungen vermeiden![II-167] • Ruskin und Carroll fanden nicht wirklich Zugang zueinander – und Ruskin mied auch Liddell, besuchte aber die Mädchen gern, wenn die Eltern nicht da waren. Am liebsten mochte er Alice’ jüngere Schwester Edith (geb. 1854).[II-196] • Schon Anfang 1871 bedauert Liddell Ruskins Ernennung.[II-224] In mehreren Trimestern, wo Ruskin auf Reisen war, hielt er überhaupt keine Vorlesungen. In einer Vorlesung sagte er: ,[...] you will never love art well, till you love what she mirrors better … the beginning of all my own right art work in life … depended not on my love of art, but of mountains and seas…’ XX, 152f.[II-225]

[73] So zumindest Hilton, p. 453. In seinem zweibändigen Werk heißt es aber, sie habe sich in ihrer Fassung viele Notizen gemacht, diese aber nicht zurückgeschickt.[II-155f] In jedem Fall litt sie an seinem ,Heidentum’: ,if it was not quite so heathenish!’ XIX, 296.[II-156]

[74] Brief vom 8.1.1870 an Mrs. Cowper. LMT, 247.

[75] Brief vom 20.3.1870 an Mrs. Cowper. LMT, 272f.

[76] Ebd., LMT 273-274, übersetzt H.N.

[77] Hilton, p. 454. In seinen Oxford-Vorträgen ab 1870 wendet Ruskin sich implizit oft auch gegen die religiösen Anschauungen von Rose und ihrem Vater.

[78],I am in Law unmarried & in my conduct to my wife – I boldly say & believe – guiltless – though foolish.’ RLT, 122.

[79],Alles, was meine Tochter zu wünschen scheint, ist die Erlaubnis, Freundschaft und Briefkontakt mit ihm zu pflegen; aber wir verbieten dies … Ich denke, dass eine gesunde Reaktion meiner Tochter erzielt werden könnte [...], wenn Sie mir seine Version in ein paar Zeilen so vehement wie möglich widerlegen würden [...].’ Brief vom 8.10.1870. Alexandra Lavizzari: Lulu, Lolita und Alice. Das Leben berühmter Kindsmusen. Berlin 2005, S. 133, dort zitiert nach Mary Luytens (1967): The Millais-La Touche Correspondence, in: The Cornhill Magazine 1051, 1-18, hier 15.

[80] Effie schrieb am 10.10.1870, Ruskin sei ,most inhuman; all that sympathy he expects and gets from the female mind it is impossible for him to return’. Auch scheint es erneut um Ruskins ,Impotenz’ gegangen zu sein. Jedenfalls berichtete Roses Mutter Effie Millais am 14.10.1870, Rose sei ,quite saved’ und habe ihrem Vater versprochen, mit ihrem Verehrer nichts mehr zu tun zu haben.[II-186] • Effie schrieb auch: ,From his peculiar nature he is utterly incapable of making a woman happy. He is quite unnatural and in that one thing all the rest is embraced.’ Merryn Williams: Effie. A Victorian Scandal. From Ruskin’s Wife to Millais’s Muse. Oxford 22015, p. 73. mwilliams.webeden.co.uk. Das Werk enthält die gesamte relevante Korrespondenz zu dem Skandal. • Ruskin klagt: ,[...] dieses arme Mädchen – das eben gerade – mit mir – Opfer seiner Mutter und jener verfluchten Frau von Perth [gemeint ist Effie] gewesen ist – hat ohne Verschulden alle Freude und allen Frieden ihrer Jugend verloren – nur wegen des wahren Unglücks, von mir treuherzig geliebt zu werden.’ Brief vom 22.11.1870 an Robert Horn. Alexandra Lavizzari: Lulu, Lolita und Alice. Das Leben berühmter Kindsmusen. Berlin 2005, S. 134, dort zitiert nach Luytens, a.a.O., p. 15.

[81] Offizieller Untertitel: ,Letters to the Workmen and Labourers of Great Britain’. Fors bedeutet Schicksal oder Kraft, clavigera hat Bezug zu lateinisch Keule (clava), Schlüssel (clavis) oder Nagel (clavus).[II-188ff] • Die Erstauflage betrug jeweils 1000 Exemplare, was sich durch Nachdrucke auf ca. 4000 erhöhte. Kemp, S. 334.

[82],You have founded an entire Science of Political Economy, on what you have stated to be the constant instinct of man – the desire to defraud his neighbour.’ Er will den zehnten Teil seines Vermögens und Einkommens einsetzen, um Land freizukaufen, das nur kultiviert, aber nicht bebaut werden darf, und sucht Mitstreiter.[II-213f] • Schon 1869 hörte er über die Cowper-Temples von den sozialutopischen Ideen des amerikanischen Thomas Lake Harris und seines englischen Unterstützers Laurence Oliphant.[II-145] • Allerdings musste er dann für seine Gilde sieben Jahre einen grotesken Kampf führen, ,bis die englische Justiz eine Rechtsform für eine Gesellschaft gefunden hatte, die wirtschaften, aber ohne Profit wirtschaften wollte.’ Kemp, S. 343. • Projekte waren unter anderem die Zeichenschule der Universität Oxford, ein Teeladen in London, ein Museum für Arbeiter in Sheffield, die Förderung der Wiederaufnahme der Leinenindustrie in Langdale und der Handweberei der Isle of Man. Ebd., S. 342.

[83] Danach beginnt er in ,Fors’ auch von einem ,Pestwind’ (plague-wind) zu sprechen, der immer wieder den Himmel verdüstert und sicherlich mit der englischen Industrialisierung zusammenhängt.[II-209]

[84] Briefe vom 23.7.1871 und 27.7.1871 an Mr. Cowper-Temple. LMT 298 & 310.

[85] Zu dem ganzen folgenden Geschehen siehe ausführlich und mit Originalbriefen: Greville MacDonald: Reminiscences of a Specialist. London 1932, p. 111-124. wellcomecollection.org.

[86] Er war bereits für sein Jugendbuch ,Phantastes’ (1858) bekannt – später auch für ,At the Back of the North Wind’ (1871) und ,The Princess and the Goblin’ (1872) –, und Rose hatte Anfang 1863 seine Vorträge über Shakespeare gehört.[II-69] Auch Ruskin kannte ihn seit etwa 1863 vage, und als MacDonald sich Anfang 1870 bei den Cowper-Temples aufhielt, schrieb Ruskin ihm liebenswürdig in der Hoffnung, er könne ihm mit Rose helfen.[II-173] • Gut sieben Jahre zuvor hatte MacDonald auch ,Alice im Wunderland’ erhalten, das auch deshalb gedruckt wurde, weil seine Kinder davon begeistert waren. Wikipedia: Alice im Wunderland.

[87],Do you think God ever puts us into positions where we cannot do His will – and yet can neither alter the position we are in our get out of it? [...] | [...] Suffering makes me realise the sufferings of others, the sufferings in the world and long vehemently, passionately, unconquerably, to help a little – to five all the help I can – towards lifting its weight off others.’ MS Yale, partially cited in RLT, 124.[II-233] • Damit entfernt sie sich völlig von der Religiosität ihrer Eltern. Gleichzeitig schreibt sie, sie werde nie heiraten: ,as I shall not marry (unless indeed one alters utterly and completely and miraculously during life!)’.[II-234]

[88] Undatiert: ,If it could have been so that I could have kept the friend who has brouhgt such pain and suffering and torture and division among so many hearts – if there had never been anything but friendship between us – how much might have been spared. [...] Mrs Cowper-Temple said we should be as though living in separate worlds, and that this was best for him who is probably happy – and may – I cannot write any more about this…’[II-235]

[89] Hilton, p. 517, schreibt ,the girl-saint’ und ,the great spirit of the age’.

[90],Nothing can help me now – at least nothing can take away the burden that crushes me [...] If he had been a heathen it would have been different, but he [...] who had been given by God such power to know and love what was divine to sin as he did while writing as he did – ut utterly overpowers me with the mysteriuos ghastliness of it all…’[II-237]

[91] MS Yale.

[92] Siehe Wikipedia englisch: George MacDonald. Man vergleiche auch seinen Roman ,Lilith’ (1895). Wikipedia englisch: Lilith (novel).

[93] Greville MacDonald, damals Teenager, erinnert sich später: Rose ,put the past away as if it had not been – with the first full look of her eyes.’[II-242] Und: ,I remember the frail Rose, so amazingly thin yet with such high colour and hear great eyes, with the tenderest of smiles possessing so readily her exquisite lips.’ Greville MacDonald: Reminiscences of a Specialist. London 1932, p. 120.[II-607] • Und Ruskin ist zutiefst glücklich: ,She still is happy to be with me, if she will let herself be happy; and she can’t forbid my loving her, though she fain would; how infinitely better this is for me than if I had never found the creature. Better all the pain, than to have gone on [...] with nothing to love – through life.’ Brief vom 11.8.1972 an MacDonald. Ebd., p. 120f.[II-243]

[94] Rose sollte am 30. Juli nach Irland zurückkehren – Ruskin erreicht England wieder am 27. Juli, und sie begegnen einander im Haus der MacDonalds in West-London. • Zum Ort siehe Kelmscott House, Hammersmith, London. victorianweb.org. • Zu den Zeiten siehe Roses Brief vom 23. Juli etc. in Derrick Leon: Ruskin. The Great Victorian. New York 2015, p. 493.

[95] Siehe LMT, 339.

[96] Brief vom 15.8.1872 an Mrs. Cowper-Temple. MLT, 329.

[97] Brief vom 29.9. 1872 an John Thyrwitt, einen Geistlichen.

[98],Please be brave enough to tell me – does she hate me now, as mad people do. Or only not speak of me. I am always thinking she hates me.’ Bembridge MS L 53.

[99],Can’t you get her to write to me again? she need never fear my having any more hope … but she might give me some peace – the very beauty of the heavens and earth only torments me now … because there is the dead wild rose always in my sight.’ Brief an Mrs. Cowper, undatiert. Bodley MS Eng Letts c 41 fol. 202. Hilton schreibt einerseits ,October’, 14 Monate nach der Katastrophe, doch in der Fußnote steht ergänzend ,but spring 1873’.

[100] Er notiert: ,dreamed of R that she was still hard and cruel in heart, but that she came to me – and gave herself to me – as sweetly in body as Cressid to Troilus, in Chaucer’s verse.’ Tagebuchseite, 15.6.1873.[II-251]

[101] In einem Gedicht vom 18.8.1873, Jahrestag der Katastrophe, schreibt er: ,Love, it is a wrathful peace / A free acquittance, without release, / And truth fret-full of false head, / And Security, set all in dread. / In heart it is despairing hope / And full of hope, it is wanhope [...].’ Diaries, II, 754.[II-608] Am 11.4.1874 schreibt er: ,[...] Rose should know a little of the mischief [Unrecht] she does in a definite way – I suppose she never has really got it into her stupid little head that she had done me any...’ Brief an Charles Eliot Norton. CEN, 313f.[II-270]

[102] Den Schwestern von Alice Liddell (geb. 1852), der wenige Jahre zuvor großen Liebe von Lewis Caroll. Es waren die Töchter des Deans des Christ Church College in Oxford, die er von frühester Kindheit an kannte. Nun war Ruskin zu einem Dinner mit der Prinzessin eingeladen. Ein, zwei Tage zuvor hatte er Edith (geb. 1854) und Alice endlich einmal wiedergesehen, als Alice ihn nach seiner Klage, sie schon so lange nicht mehr gesehen zu haben, eingeladen hatte. Die Eltern waren ausgefahren, mussten aber wegen Schneetreibens umkehren. Mrs Liddell ist deutlich, dass er die Mädchen lieber allein sehen wollte, und sie begrüßt ihn: ,How sorry you must be to see us, Mr Ruskin!’ John Ruskin: Praeterita and Dilecta, Alfred A. Knopf 2005, Vol. 3, p. 449f. Am Tag des Dinner hat irgendwie die ganze Runde von der Anekdote erfahren, insbesondere der britische Premier, Benjamin D’Israeli. Als dann Rhoda (geb. 1859) bezaubernd gekleidet den Raum betritt, kommentiert D’Israeli für alle hörbar: ,This is, I understand, the young lady in whose art-education Professor Ruskin is so deeply interested!’ Ruskin kommentiert in seiner Autobiografie, dass er nie das Glück hatte, sie unterrichten zu können, das Interesse selbst aber nicht verleugnen konnte. Ebd., p. 451. Vergleiche Catherine Robson: Men in Wonderland. The Lost Girlhood of the Victorian Gentleman. Princeton/Oxford 2001, p. 94-96. ▪ Carroll-Biografin Clark erwähnt Ruskin als Alice’ Zeichenlehrer: ,Alice’s drawing master was John Ruskin, and her level of achievement amply repaid the trouble he took with her.’ Anne Clark: Lewis Carroll. A Biography. New York 1979, p. 190.

[103] Ruskins Cousine Joan Agnew hatte diesen 1871 geheiratet.

[104] Sheila Birkenhead: Illustrious Friends. The story of Joseph Severn and his son Arthur. London 1965, p. 236. Obwohl also andere Mädchen es viel mehr ,wert’ gewesen wären, gab es nur Rose, für die er sogar sterben würde...

[105] Nach Roses Tod erfolgte ab 1881 eine Art schrittweiser Versöhnung, indem die La Touches Ruskin erstmalig in Brantwood besuchten,[II-473] und Maria La Touche kam schließlich jeden Sommer.[II-517]

[106] Zipporah rettete Moses das Leben und wurde seine Frau. Im Fresko ,Youth of Moses’ ist sie die blonde Frau in der Mitte. Ruskin schreibt Joan einmal: ,I wish I could dream of seeing her with her clothes off – di ma. She would be only a “little brown girl” – for really – there’s more umber than anything else – in her colour, when one comes to paint it. Quite wonderful how Botticelli makes it look like R…’. Brief vom 29.5.1874. Bembridge MS L 39.[II-276]

[107] Er schließt Freundschaft mit zwei Mönchen, die ihn in einer Zelle arbeiten lassen, und schreibt, beseelt vom Christusimpuls, am 14.6.1874 an Mrs. Cowper: ,I have been thinking as I walked down the hillside to the church, why you couldn’t believe in Utopia; and whether you really, since you don’t see Him either, believe in Christ. Are you quite sure, William and you, that you do as if you saw Him...’ LMT, 355.[II-278]

[108] Er gesteht, er habe sechzehn Jahre unter dem Irrtum gelitten, ,that Religious artists were weaker than Irreligious. I found that all Giotto’s ,weaknesses’ (so called) were merely absences of material science.’ Und er nennt die modernen Menschen der Baumwollfabriken, die von beiden nichts wissen wollen, ,Erben bloßen Affenlebens’ (Heirs only of simial life). XXIX, 90f.[II-278f]

[109],I think on the whole the best way is to think of her as my wife – only mad. – and make the best of it...’ Brief aus Assisi an Joan. Bembridge MS L 93.[II-283]

[110] Zitat Ruskin, Brief vom 12.10.1874 an Charles Eliot Norton. CEN, 340-342.

[111] Ebenso erschütternd ist, dass selbst enge Freunde wie Charles Eliot Norton keinerlei Verständnis für diese existenzielle Liebe Ruskins hatten. Norton wollte ihn in einem Brief vom 30.10.1874 geradezu zu einer ,männlichen’ Freundschaft mit einem Freund drängen. CEN, 344-347.[II-287] Dieser Leslie Stephen hatte jedoch über Ruskin längst geäußert, dieser sei ein Beispiel dafür, dass es zu den größten Segnungen gehöre, ,eine dicke Haut und eine gesunde Verdauung zu haben’. Fraser’s Magazine, 1.1.1874.[II-288] Mehr Verachtung ist kaum möglich – der volle Gegensatz zu einem Mädchen und speziell zu Rose!

[112] Ihre Krankheit zeigte sich ,abwechselnd in apathischen Zuständen und in Momenten rasenden Deliriums. Niemand außer Ruskin konnte mehr auf sie einreden’. Alexandra Lavizzari: Lulu, Lolita und Alice. Das Leben berühmter Kindsmusen. Berlin 2005, S. 140. • ,Wenn sie tobte wurde sie einfach anschließend Bett geschnallt und mit Beruhigungsmitteln in einen künstlichen Dämmerzustand versetzt.’ Ebd., S. 135.

[113],I fear there is no hope of any help now, for poor Sweet-briar; – I have had much talk with her, & perceive her entire being to be undermined. The insane cunning is the thing that thwarts me beyond my power; her naturally keen and delicately thruthful nature being turned exactly wrong side out [...].’ Brief vom 15.12.1874 an Joan. Bodley MS Eng Letts c 51.[II-301]

[114] Ruskin erhielt einen bleistiftgeschriebenen Brief ,from poor Rose – praying me to deliver her from her father – (who has driven her mad and is shutting her up with a Doctor in Dublin.) – I am of course helpless...’ Brief vom 28.12.1874 an Norton. CEN 349f.[II-301]

[115] Bembridge MS L 62.

[116] Annie Elizabeth Shaw Andrews (1841?-1903), Frau des Arztes Edward Acworth (1804?-1874). Ruskin hatte schon im Februar 1864 bei den Cowpers eine erste Seance mit ihr miterlebt.[II-68]

[117] In sein Tagebuch notiert er am 14. Dezember: ,Heard from Mrs. A [...] in the drawing-room where I was once so happy [beim Wiedersehen 1872, H.N.], the most overwhelming evidence of the other state of the world that has ever come to me.’ Und am 20. Dezember: ,Again, first through φίλη and her friend, then, conclusively in evening talk after reading, the truth is shown to me, which, though blind, I have truly sought, – so long.’ Derrick Leon: Ruskin: The Great Victorian. Routledge 1949/2015, p. 506f, hier zitiert XXIV, xxii. • Das griechische phile (Liebe) war Ruskins Name für Mrs. Cowper-Temple.

[118],Fair, very tall & graceful, – she was stooping down close over you, as if she were trying to say something – and there was another with her. [...] she came into the room with Mrs Temple all day but she has only been here for about a week [...] she seemed to be pained by what you were saying. – to try to stop you [...] as if she was sorry for some wrong in herself – She put her hand to her head – She does that very often.’ Brief vom 20.12.1875 an Joan. Bembridge MS L 40.[II-327] • Zuvor hatte schon das Medium Mrs. Wagstaff anhand eines Briefes von Rose ihr Leben geschildert, ,saying this most marked thing at last – that she had from her childhood the habit of being cruel – to those she loved best, – but that she did love intensely, that it was a form of disease belonging to one division of brain – and quite special and definite…’ Ebd.[II-326] • George MacDonald, der Broadlands kurz besuchte, von Ms. Acworth aber nicht viel hielt, schreibt seiner Frau: ,She has seen and described, without ever having seen her, Rose whispering to Ruskin. He is convinced.’[II-327]

[119] Brief vom 1.2.1876 an Charles Eliot Norton. CEN, 377. ▪ Ruskin lässt nun für diese Kostbarkeiten ein Kästchen aus Rosenholz anfertigen, das ihn auf allen Reisen begleitet.[II-333]

[120] Ebd. • Sie äußerte auch ihre Überzeugung, dass er und Rose nach dem Tod zusammen sein würden: ,My conviction comes from belief in the efficacy of earnest prayer, such as you have been the object of, many a long year. Rose was very young when this longing took possession of her, and never left her.’ Ebd., Ruskins Wiedergabe.

[121] Ebd., Ruskins Wiedergabe.

[122] Brief vom 17.8.1876 an Sara Anderson. Derrick Leon: Ruskin: The Great Victorian. London 1949/2015, p. 508.

[123] Ebd. • ,There she lies, so real that when the room’s quiet – I get afraid of waking her! [...] Suppose there is a real St Ursula di ma, – taking care of somebody else, asleep for me?’ Brief vom 19.9.1876 an Joan. Bembridge MS L 41.[II-346]

[124] Ausführlich hierzu: Van Akin Burd (Ed.): Christmas Story. John Ruskin’s Venetian Letters of 1876–1877. Newark 1990. • Vergleiche Jeremy Melius (2015): Ruskin's Copies. Critical Inquiry 42(1), 61-96. Siehe auch Kemp, S. 356-358.

[125] ,Last night, St Ursula sent me her dianthus ‘out of her bedroom window, with her love’ [...].’ XXIX, 30.[II-348]

[126] Wolfgang Kemp: The Desire of My Eyes: The Life & Work of John Ruskin. New York 1990, p. 399.

[127] Ebd., p. 401. • Derrick Leon: Ruskin: The Great Victorian. Routledge 1949/2015, p. 509f. • Ruskin schreibt sogar an George MacDonald: ,Dear George, we’ve got married – after all after all [...] but I’m in an awful hurry, such a lot of things to do [...]. Ever your lovingest, John Ruskin.’ Ebd., p. 510.[II-377]

[128] Er trifft die zwanzigjährige Studentin in der National Gallery beim Kopieren von Bildern. Auch sie verehrt den berühmten Ruskin zutiefst und schreibt über ihre erste Begegnung: ,The day we spent at South Kensington was the happiest I ever had with him. [...] Rosie, he said, had sent me to him. | After I left him I went home rejoicing, loving him with all my heart and soul; for we seemed to find peace in our complete sympathy and understanding of each other.’ Kathleen Prynne: The Gulf of years. Letters from John Ruskin to Kathleen Olander. London 1953, p. 47.[II-558] • Doch auch ihre Eltern verbieten das nächste Treffen.[II-558] • Kathleen aber macht ihnen klar, dass dies ihre künstlerische Karriere schädigen würde. Auch sie will Ruskins religiöse Verzweiflung erleichtern, doch er gesteht im Rückblick auf sein Leben: ,there seems to me no word of condemnation in all the Bible too dark for my disobedience...’ Ebd., p. 49.[II-563] • Aber auch: ,I will write you such love letters! – I never had a chance of writing a love-letter to Rosie – she was always furious with me for loving her better than God, – (and I didn’t – but I loved God better for the gift of her, – as of you – whom, the moment I saw, I thought He had sent me, literally to save me when nothing else could, but Love.)’ Ebd., p. 77f.[II-564] • Gegen den Widerstand ihrer Eltern erkundigt sich Kathleen nach der Legalität einer möglichen Ehe, da Ruskin ihr offenbar einen Heiratsantrag gemacht hatte. Der Pfarrer schlägt ihr jedoch nur vor, Ruskins Haushälterin zu werden![II-565] • Schließlich schickt sie Ruskin nach Italien einen Abschiedsbrief, während ihre Eltern ihm weitere Briefe verbieten, da er Gefühle gezeigt habe: ,sentiment, and of a most objectionable kind to a young girl.’ Ebd., p. 86-88. • Was für eine furchtbare Kontrolle über das Leben eines erwachsenen jungen Mädchens! Kathleen schrieb ihm trotzdem heimlich weiter, aber ihre Briefe wurden offensichtlich von Joan abgefangen und erreichten Ruskin nie. Einige Jahre später konnte sie auf einer Reise Brantwood besuchen, aber Joan sagte ,not today’ – Kathleen sah Ruskin an einem Fenster und konnte nur hilflos für immer Abschied nehmen: ,I kissed my hand to him, but he never saw me. Nor did we ever meet again.’ Ebd., p. 88-89.[II-583f] • Hilton erwähnt, dass Ruskin sich auch für andere Mädchen wie Emily Warren und Marion ,Tenzo’ Watson begeistert habe, gibt aber keine weiteren Details.[II-558] Der Vater von Marion Watson (geb. 1870) hatte Ruskin gebeten, ihre Erziehung am Cheltenham Ladies’ College zu begleiten. Dinah Birch & Francis O’Gorman (Eds.). Ruskin and Gender. Hampshire/New York 2002, epdf.pub. Emily Warren (geb 1869) setzte sich später dafür ein, dass Brantwood ein Museum wurde. Wikipedia englisch.

[129] Keineswegs durchgehend. 1899, kein Jahr vor Ruskins Tod, überbringt John Howard Whitehouse, der junge Gründer der Ruskin Society von Birmingham, zum achtzigsten Geburtstag eine nationale Grußadresse: ,As I was doing so, I occasionally heard him give a low exclamation – half sob it seemed to be. When I had finished he tried to reply but could only utter a few broken words. He was evidently deeply moved and quite overcome with emotion. [...] What most impressed me [...] were his wonderful eyes. [...] No one who meets his eyes can doubt that his mind is perfectly clear...’[II-591]

[130] Und auch in tiefer Freude und Lebendigkeit – die Rose eben auch besaß, wie Tim Hilton betont: ,Ruskin celebrated Rose for her saint-like qualities but as one searches through the manuscripts one glimpses, often, a sprightlier person: Rose prancing down Piccadilly in a new hat, hanging onto the sage’s arm ‘like a prentice girl out for a holiday’, tickling his palm with her little finger while he tried to show her some rare missal, running up vast bills in the Shelburne in Dublin and (why?) the Queen’s Hotel, Norwood.’ Hilton T (1980): Under Rose’s Rule. London Review of Books 2(6), 15. www.lrb.co.uk.

[131] Greville MacDonald: George MacDonald and his Wife. London 1924, p. 331, zitiert nach MI, 516.

[132] An anderer Stelle schrieb Greville MacDonald über die Tragik der beiden Liebenden: ,He saved others, himself he could not save; and she who held his salvation in her hand could do nothing, it is very clear, but die for love of him.’ Greville MacDonald: Reminiscences of a Specialist. London 1932, p. 123f. wellcomecollection.org.

[133] Und bis in seinen engsten Umkreis wurde Ruskin nicht verstanden – oder hat man diese Liebe nicht zugelassen. Seine Cousine Joan Severn, die sich bis zuletzt um ihn kümmerte, hat zusammen mit Charles Eliot Norton die meisten Briefe und anderes, was mit Rose zu tun hatte, im Juni 1900 im Garten von Brantwood verbrannt.[II-473] Als Ruskin den Abschnitt von ,Praeterita’ schreiben wollte, der mit Rose zu tun hatte, weigerte Joan sich, seine Tagebücher, über die sie bereits verfügte, herauszugeben.[II-548] • Aber ... denkt man heute denn anders über die Liebe zu einem Mädchen?